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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 4

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»Ich sehe es,  ich  sehe  es.   Könnte nur  auch  ich —«

»Ich verstehe und will deine Sehnsucht befriedigen, um dir zu beweisen, wie lieb ich dich gewonnen habe. Hier ist die Flasche. Was sich noch darin befindet, ist dein.«

»Du schenkst es mir?« fragte er jubelnd.

»Ja.«

Er drückte mir auf alle mögliche Weise seine Freude und Dankbarkeit aus, füllte sich dann einen Becher und hob an zu trinken.

»Auch der Bucklige will wieder jung werden und ewig leben,« schrie der Kerkermeister. »Trink nur, Buckliger, trink —. Aber meine Gefangenen, es ist schon spät und ich muß gehen – Wongy, ich sehe dich morgen wieder – ich werde dir ewig dankbar sein —«

Er versuchte aufzustehen, doch war das nicht so leicht. Er fiel zweimal auf seinen Sitz zurück.

»Ih! ih! ih! Der Kerkermeister ist wirklich ein Kind. Welch wunderbares Getränk!«

Der Kerkermeister befand sich in einer jämmerlichen Verfassung. Er torkelte nach Art der Betrunkenen, wackelte mit dem Kopfe und fand nur mit knapper Not eine Stütze am Tische.

»Halt, ihr Narren, halt!« schrie er. »Der Tisch tanzt, das Zimmer dreht sich – Wirt, du bist wirklich wieder jung geworden, du stehst ja auf den Händen und streckst die Beine in die Luft – Halt doch, halt! halt!«

»Niemand von uns bewegt sich,« sagte der würdige Herbergsvater mit glühendem Gesicht.

»Niemand? Ihr seid Kinder, die nicht einmal wissen, daß man auf den Füßen stehen muß,« kreischte Cujen und stützte sich schwer auf den Tisch.

»Ih! ih! ih! Cujen« – grinste der Bucklige.

»Still!« kreischte drohend der Betrunkene.

»Still! Ich bin – Aber wer bin ich denn? Ich bin – bin —«

»Du bist der Kerkermeister,« vollendete ich.

»Ja richtig, jetzt weiß ich. Ich bin der Kerkermeister. Aber wohin gehe ich jetzt?«

»Du wolltest in den Kerker zurückkehren.«

»Ja, ich muß sofort dorthin gehen. Buddha sei mit dir – ich muß eilen.«

Er tat einen Schritt vorwärts, aber er wäre gefallen, hätte er sich nicht noch rasch an dem Tische gehalten.

»Alles bewegt sich, alles dreht sich – das Gefängnis! – Wer bist denn du?« wandte er sich an mich.

»Kennst du mich nicht mehr?«

»Ach ja, jetzt weiß ich. Du wolltest den gefangenen Wongy sehen. Herr, gib mir deinen Arm und laß uns gehen. Ich sehe, du kannst dich nicht mehr auf deinen Füßen halten, du möchtest fallen. Komme, ich werde dich führen.«

Ich nahm ihn unter den Arm und wandte mich an den Wirt: »Warte einen Augenblick —«

Aber der hörte mich nicht mehr. Er hatte die Kognakflasche bis auf den letzten Tropfen geleert und der Alkohol war ihm längst in den Kopf gestiegen. Jetzt lag er auf dem Fußboden, unfähig, die Glieder zu regieren, lachte wie verrückt und große Tränen rollten über seine Wangen.

Der Kerkermeister hing sich fest an meinen Arm. Es gelang mir glücklich, die Pforte der Herberge zu erreichen und zu öffnen.

»Wohin gehen wir?« fragte der Trunkene.

»Du weißt es doch.«

Der Platz war leer. In dem matten Licht der silbernen Sichel unterschied ich nicht ohne Mühe die umliegenden Häuser und machte endlich das Gefängnis ausfindig.

Die frische Nachtluft tat meinem Schützling gut und verscheuchte in etwas die Geister des Alkohols.

»Herr, wo befindet sich das Gefängnis?« erkundigte er sich.

»Hier ist es,« entgegnete ich und zeigte ihm die große Hütte, denn anders konnte man das Gebäude nicht nennen.

»Es ist wahr. Daß ich aber so vergeßlich bin,« schüttelte er sein weises Haupt.

Ich schleifte ihn in der Richtung nach seiner Behausung weiter; es ging sehr langsam.

»Herr,« stammelte er nach einer Weile wieder, »fühlst du dich nicht geehrt, daß dich ein so hochverdienter Mann, wie ich bin, führt?«

»Gewiß, ich fühle mich dadurch hochgeehrt.«

»Stütze dich nur recht fest auf mich, Herr, du wankst und könntest fallen. Du hast offenbar zu viel von dem Jugendlikör getrunken und bist zu jung geworden.«

Bei diesen Worten klammerte er sich noch fester an mich an und ich mußte alle Gewalt anwenden, ihn vorwärts zu bringen. Ich dankte Gott, als wir endlich unser Ziel erreicht hatten.

»Ist dies der Kerker?« fragte Cujen.

»Ja.« »Du irrst dich nicht, Herr?«

»Nein.«

»So klopfe an die Pforte.«

»Wozu denn?«

»Bei Buddha! Solch eine dumme Frage! Damit man uns öffnet, natürlich.«

»Aber bist denn nicht du der Kerkermeister?« fragte ich.

Er schüttelte den Schlüsselbund. »Buddha, bin ich jung geworden! Ich vergaß sogar, daß ich der Kerkermeister bin,« rief er und lachte wie ein Wahnsinniger.

»Öffne also.«

»Ja, wie denn?«

»Du hast doch die Schlüssel bei dir?«

Er hob den Bund. »Du hast recht. Ich habe den Schlüssel mit. Für deine Jahre bist du wirklich ein kluger Mann. Aber glaubst du, daß er öffnen wird?«

»Selbstverständlich wird er das.«

»Öffnen wir also diese gesegnete Pforte.«

Der Kerkermeister brachte die Schlüssel dicht vor seine Augen und betrachtete sie genau. Aber seine Hand zitterte. Plötzlich sank sie herab und in weitem Bogen sausten die Schlüssel zu Boden.

»Ah!« schrie er. »Auch die Schlüssel sind jung geworden und wollen tanzen.«

»Du mußt den Schlüssel in das Schlüsselloch stecken.«

»Uhm! Wie macht man das?«

»Nichts leichter als das. Gib her!«

»Wenn du es triffst, so bist du viel klüger als ich. Aber ich bin schläfrig, ich bin sehr schläfrig,« klagte er und gähnte.

»Gib mir den Bund.«

»Du kannst nicht aufsperren.«

»Ich werde es wenigstens versuchen.« »Hier hast du ihn. Aber ich weiß, daß du nicht aufbringst. Du bist schlau, aber noch lange nicht so, wie ich,« sagte er und gähnte aufs neue.

Der Bund war aus etwa zwanzig Schlüsseln gebildet, alle sehr groß und massiv, unter welchen jedoch besonders einer durch seine Größe und Dicke hervorragte. Versuchsweise steckte ich ihn in das Schloß und ich hatte recht – er sperrte.

»Wie klug du bist,« wunderte sich Cujen.

Ich zerrte ihn über die Schwelle, zog den Schlüssel wieder heraus und warf die Türe hinter uns zu.

Dichte Finsternis umgab uns.

»Wo befindet sich dein Zimmer?« fragte ich Cujen.

»Wer weiß es?« erwiderte er sententiös.

»Hast du kein Licht bei dir?«

»Nein.«

Ich zog eine Schachtel mit Wachszündhölzern aus der Tasche und entzündete eines davon. Unweit von mir sah ich auf der Erde eine primitive Öllampe, aber ich konnte mich nicht bücken, um sie aufzuheben, weil der Kerkermeister immer noch wie eine Klette an mir hing.

»Herr, schwanke doch nicht so sehr,« ermahnte er mich.

»Laß meinen Arm auf einen Augenblick los.«

»Niemals! Du fällst.«

»Ich falle nicht. Laß mich los!«

»Nein!«

»Aber so halte doch die Mauer. Siehst du denn nicht, daß sie wankt und einzustürzen droht?« rief ich jetzt, auf seinen Gedankengang eingehend.

»Wahrhaftig, du hast recht! Die Wände senken sich, der Kerker will einstürzen. Ich muß ihn nur schnell stützen, wenn ich noch ferner sein Hüter sein will, der mächtige und geschätzte Kerkermeister Cujen,« rief der Trunkene und stemmte, mich freigebend, beide Hände gegen die Wand.

Meiner Last entledigt, bückte ich mich rasch nach der Lampe. Aber in demselben Augenblick hörte ich auch schon einen Fall. Das Streichholz erlosch und aufs neue umhüllte dichte Finsternis das Gefängnis.

»Hast du dir weh getan?« fragte ich meinen unsichtbar gewordenen Begleiter.

»Du beleidigst mich!« entgegnete er und begleitete diese drei Worte mit einem neuerlichen Gähnen.

»Du bist doch gefallen?«

»Ich habe mich nur niedergesetzt, weiter nichts.«

Ich entzündete ein neues Streichholz und mit diesem den Docht der Terrakottalampe. Die kleine Flamme erhellte doch ein wenig den langen Korridor.

Mit der Lampe in der Hand näherte ich mich dem Gestürzten und fragte abermals: »Hast du dir weh getan?«

Er antwortete nicht.

Hatte er sich vielleicht wirklich bei dem Fall beschädigt? Ich beugte mich über ihn und leuchtete ihm in das Gesicht. Er hatte die Augen geschlossen und die regelmäßigen Atemzüge verkündeten mir, daß er schlief.

Das kam mir aber gar nicht gelegen. Zwar, die Schlüssel waren in meinem Besitz, mit denen ich jedes Lokal des Gefängnisses zu öffnen vermochte.

Aber ich wußte nicht, in welcher Zelle sich der unglückliche Wongy befand und konnte doch unmöglich alle der Reihe nach durchforschen. Der Kerkermeister mußte sie mir angeben.

Ich stellte die Lampe nieder und rüttelte den Schlafenden heftig. Er schlug die Augen auf und betrachtete mich verständnislos.

»Was willst du?« fragte er unwirsch.

»Wache auf!«

»Laß mich! Ich will schlafen.« »Du versprachst mir doch, mir die Zelle des gefangenen Wongy zu zeigen, dessen Anwesenheit in deinem Gefängnisse ich bezweifelte.«

»Laß mich in Frieden und geh allein, wenn du ihn gern sehen willst.«

»Gut, aber ich weiß nicht, in welcher Zelle er sich befindet.«

»Laß mich schlafen, ich bin so müde,« gähnte Cujen.

»Du  magst  dann  schlafen,   aber  erst  sage  mir —«

»Laß mich! Laß mich! Aaah!«

»Wo ist der Wongy?«

»In der letzten Zelle.«

»Zur Rechten oder zur Linken?«

»Laß mich in Frieden! Ich habe Schlaf.«

»Rechts oder links?« wiederholte ich.

»Uhm! Ich weiß es nicht.«

»Du weißt nicht, welches deine rechte Hand ist?«

»Nein.«

»Nun jene, mit welcher du den Jugendlikör zum Munde geführt hast.«

»Ach so! Zur rechten Hand.«

»Ist dies auch wahr?«

»Ich habe Schlaf,« war die einzige, gähnend erteilte Antwort.

»So schlafe, schlafe nur.«

Cujen schloß aufs neue die Augen und bald schlief er den Schlaf des Gerechten. Von ihm hatte ich keine Störung meines Planes zu befürchten, der schnell fertig war. Ich war jetzt der Herr des Gefängnisses.

Ich ergriff Licht und Schlüssel und wandte mich tiefer in den Korridor hinein.

Elf Türen mündeten auf denselben, auf jeder Seite fünf und eine an seinem äußersten Ende. Die letzte auf der rechten Seite war nach den Worten des Kerkermeisters jene, in welcher sich mein Freund befand, wenn ich Cujen trauen konnte. Freilich, er war bereits halb bewußtlos gewesen, als er sie gesprochen, aber trotzdem meinte ich, ihnen glauben zu dürfen. Und schließlich war ja auch nichts verloren, wenn ich ja in die unrechte Zelle geriet. Der Gefangene kannte mich nicht und war auch wahrscheinlich gefesselt, so daß er nicht sogleich an einen Fluchtversuch denken konnte.

Aber welcher von diesen Schlüsseln öffnete die Türe, hinter der ich den Wongy vermutete? Aufs Geratewohl probierte ich einen, aber er versagte; mit dem zweiten und dritten ging es mir nicht besser.

Das Geräusch hatte den Gefangenen offenbar aufmerksam gemacht. Ich hörte Ketten klirren und eine tiefe, wohllautende Stimme murrte: »Nicht einmal nachts läßt man mich in Ruhe.«

Gott sei Dank, der neunte Schlüssel paßte! Und die Stimme hatte ich auch erkannt und wußte nun, daß ich mich in der Zelle nicht geirrt.

»Still!« rief ich dem Gefangenen leise zu. »Verrate dich nicht. Ich bin es, der europäische Arzt.«

»Du, Herr!« kam es freudig zurück.

»Still! Ich komme in deine Zelle und wir können dann ungestört miteinander sprechen.«

Ich zog den Schlüssel aus dem Schloß, trat ein und schloß vorsichtig die Türe hinter mir zu.

Die Zelle war sehr klein. Auf dem Boden lag ein Haufen faules, schmutziges Heu und in einer Ecke stand ein tönernes Geschirr mit einer braunen Flüssigkeit, die offenbar Wasser vorstellen sollte, und in einer hölzernen Schüssel eine schmale Portion Reis – die Nahrung und der Trank des Gefangenen.

Dieser selbst befand sich in einem wahrhaft erbarmungswürdigen Zustand.

Man hatte ihn seiner kostbaren Kleidung beraubt und ihm dafür einen von Schmutz starrenden, alten, zerfetzten Mantel gegeben. Um seinen Hals schlang sich ein eiserner Ring, von dem zwei Ketten zur rechten Hand und dem linken Fuß liefen. Eine dritte Kette verband die linke Hand mit dem rechten Fuß.

»Du hier, Herr?« fragte er nochmals, als ich ihm gegenüberstand.

»Ich sagte dir ja im Tempel, daß wir uns bald wiedersehen würden; ich halte mein Wort.«

»Wie gelang es dir, hier einzudringen?«

»Ah, nichts widersteht der Schlauheit eines Europäers. Ich bin jetzt der Herr des Gefängnisses und komme, dich zu befreien. Laß mich deine Ketten durchfeilen – dann wollen wir fliehen,« sagte ich und zog meinen Dolch hervor, um das Eisen durchzufeilen. Aber der Wongy stieß mich unsanft zurück.

»Laß mich! Rühre mich nicht an!« rief er.

»Ich bringe dir das wertvollste aller Geschenke, die Freiheit.«

»Auf diese Art will ich sie nicht,« war die Antwort.

Die entschiedene Art, in der sie erteilt worden, ließ mich wenig Erfolg von meinem waghalsigen Unternehmen hoffen.

»Liebst du die Freiheit nicht?« fragte ich.

»Ja, ich liebe Freiheit und Leben, aber noch weit mehr meine Ehre und eine Flucht würde mir diese rauben.«

»Du irrst. Du bist hier ungerecht eingekerkert worden und willst also nicht fliehen?«

»Niemals!«

»Und wenn ich dich zwinge, mir zu folgen? Ich bin viel stärker als du.«

»Du würdest dich selbst entehren durch einen solchen Zwang.«

»Die Zeit drängt, ich muß gehen, sonst könnte ich den Weg nicht mehr frei finden. Du wirst bald wieder von mir hören, denn ich hoffe, ein besseres Mittel ausfindig zu machen, dich zu retten.«

»Tue, was du willst, aber hoffe nicht zu viel. Ich empfehle dir meinen Sohn.«

»Gewiß werde ich mich seiner annehmen.«

»Schütze ihn vor meinem Lose, aber sage ihm auch, daß sein Vater ergeben starb, daß man mich in Nirwana verflucht hätte, wenn ich es gewagt, mich gegen unseren erhabenen Herrscher aufzulehnen.«

»Ich werde ihm deine Worte bestellen. Leb wohl, Wongy!«

»Gautama sei mit dir!«

Ich ging und verschloß die Türe wieder. Mein erster Versuch, meinen armen Freund zu befreien, war kläglich mißglückt.

Das Licht wies mir den Weg zurück zu dem Kerkermeister, den ich noch immer ruhig schlafend fand. Ich legte ihm das Zeichen seiner Würde, die Schlüssel, in den Schoß, löschte die Lampe aus und verließ das Gefängnis, um meine berühmte Herberge wieder aufzusuchen. Dort lag der nicht minder berühmte Wirt ebenfalls auf dem Boden und schnarchte wie eine Sägemühle.

Ich verschloß die Türe sorgfältig hinter mir und suchte dann die famosen ›Extrazimmer‹, um zu schlafen. Eigentlich wollte ich noch nicht schlafen, sondern meinen Plan für den kommenden Morgen fertigstellen, doch die Müdigkeit überwältigte mich.

Ich sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Fünftes Kapitel.
Der Garderobier des Kaisers

Ich hatte wirklich sehr gut in dem berühmten Gasthause ›Zur Wohnung des Herrn‹ geschlafen. Als ich erwachte, überzeugte ich mich bei dem Lichtschimmer, der durch die dünnen Wände der Hütte drang, daß es auf meiner Taschenuhr bereits acht Uhr war. Rasch erhob ich mich, dehnte die steifen Glieder, warf den Mantel, der mir zur Lagerstatt gedient hatte, wieder um und verfügte mich in den ›Speisesaal‹.

Ich fand denselben noch in dem Zustande, in dem ich ihn gestern verlassen. Auf dem Tische standen noch die Tassen, die leere Kognakflasche und die Terrakottalampe und auf dem Herde befanden sich noch die Töpfe über dem längst erloschenen Feuer. Der Wirt lag noch immer schnarchend auf dem Fußoden.

Ich beugte mich über ihn und rüttelte ihn kräftig bei den Schultern, worauf er die Augen aufschlug und verwundert um sich blickte.

»Erwache, es ist hohe Zeit,« sagte ich.

Er sprang auf und sah nur noch erstaunter drein. Die Sonne, welche das ärmliche Zimmer mit Licht überflutete, sagte ihm, daß es schon spät sei.

»Gautama! Es ist schon Tag,« rief er verlegen.

»Du hast lange geschlafen.«

»Ich habe sehr gut geschlafen, zu gut sogar.«

»Und hast darüber sogar deine Pflichten als Wirt vergessen. Was glaubst du wohl, daß man in der Stadt sagen würde, wenn ich erzählte, daß der Besitzer des Gasthauses ›Zur Wohnung des Herrn‹ sich nicht im geringsten um den Fremdling bekümmerte.«

Der Wirt kratzte sich hinter den Ohren. »Herr, ich flehe dich an, füge mir das nicht zu!«

»Nun, ich werde sehen. Für jetzt danke Gautama, daß ich ein ehrlicher Mann bin.«

»Wie meinst du das?« fragte er verdutzt.

»Du hast die ganze Nacht geschlafen und sogar vergessen, dein Haus abzuschließen. Es wäre mir ein Leichtes gewesen, dich zu berauben, oder mich wenigstens in der Stille zu entfernen, ohne dir das Abendessen, den teueren Jugendlikör und das Nachtlager zu bezahlen.«

»Ah, jetzt erinnere ich mich! Der Jugendlikör, den du mir, o Wongy, gegeben, war es, der mich in den tiefen Schlaf versenkt hat.«

»Hat dir der Likör nicht geschmeckt?«

»Er war ausgezeichnet. Gautama selbst trinkt gewiß nichts Besseres in Nirwana. Aber die Wirkung? Wongy, dieser Likör mag gut sein, einem jungen Manne die Jugend zu erhalten, aber einem ältlichen Manne, wie ich bin, gereicht er nur zum Schaden.«

»Du übertreibst.«

»Nicht im geringsten. Sieh, mein teuerer Wongy: kaum hatte ich von dem kostbaren Getränke gekostet, wurde mir der Kopf schwer, die Augen fielen mir zu vor Müdigkeit, und in meinen Ohren sauste und brauste es . . .«

»Und fühlst du auch jetzt noch Neigung zum Schlafen?« unterbrach ich ihn.

»Ja,« bekannte der Wirt ängstlich.

»Dann hast du nichts zu fürchten. Was du da geschildert hast, habe auch ich schon erfahren, wie alle, welche diesen vortrefflichen Likör gebrauchen. Es ist dies der Kampf, welchen er mit dem Alter auszufechten hat.«

»Wenn das wahr wäre!« meinte der Wirt zweifelnd.

»Du bezweifelst wohl die Wahrheit meiner Worte?« fragte ich herrisch.

»Nein, nein. Ich glaube dir.«

»Und daran tust du gut. Ich gehe jetzt aus und werde erst Abend wieder zurückkommen. Sieh zu, daß ich bei meiner Rückkehr ein besseres Abendessen als das gestrige vorfinde.«

»Das Abendessen, das ich dir gestern gab, war ausgezeichnet,« entgegnete der Wirt.

»Bezweifelte ich denn dies? Ich sagte nicht, daß das gestrige Abendessen schlecht gewesen, sondern nur, daß das heutige noch besser sein solle. Ein Wirt, so bekannt und berühmt wie du, wird doch mehr als eine Speise herstellen können?«

Der Wirt neigte sich geschmeichelt. Die Worte hatten mir vollends sein Herz erobert.

»Herr, ich liebe dich! Sofort werde ich mich an die Arbeit begeben. o, ein vorzügliches Essen werde ich herstellen.«

»Ich zweifle nicht, daß es dir Ehre machen wird. Gehab dich wohl!«

»Gautama sei mit dir!« erwiderte der Bucklige mit einer neuen Verbeugung.

Zuerst ging ich nach dem Gefängnis, dessen Türe ich noch geschlossen fand. Der verjüngte Cujen schlief also noch und träumte wahrscheinlich von ewiger Jugend.

Trotz der vorgerückten Tageszeit war der Platz leer.

Ich lenkte nun meine Schritte nach dem Tempel des Herrn, um zu sehen, ob Mangvés Palast durch die Plünderung sehr gelitten habe.

Auch die Seitenstraße, in welche ich eingebogen, war leer. Sie war schmal und entbehrte die kaiserlichen Palisaden.

Kaum hatte ich einige Schritte gemacht, kam mir ein Mann entgegen, der sofort meine Aufmerksamkeit erregte. Er war offenbar ein reicher Würdenträger des birmanischen Hofes, das sagte mir seine reiche Kleidung.

Des weiteren deutete sein Gesicht, obwohl gebräunt, in nichts auf eine indische Abstammung hin; der Schnitt desselben war vielmehr unverkennbar kaukasisch und ich zweifelte daher nicht, daß ich einen Europäer vor mir hatte.

Auch ich hatte die Aufmerksamkeit des Fremden erregt und ich erriet den Grund sehr wohl. Zwar trug ich außer der Landestracht auch Betelschachtel und Spucknapf bei mir, aber doch mußte sowohl der Schnitt als die Farbe meines Gesichtes, wie auch die Gewehre, die ich über meiner Schulter trug, jedem aufmerksamen Beobachter sagen, daß ich kein Eingeborener sei.

In meiner Nähe angekommen, blieb der Fremde zögernd stehen, offenbar ungewiß, ob er mich grüßen solle oder nicht. So übernahm ich dies, denn mir gefiel er auf den ersten Blick. Er mochte etwa 50 Jahre zählen, sein Blick und Antlitz war frei und offen.

Ich grüßte den Unbekannten mit einer Verbeugung, die er höflich erwiderte und dann fragte er: »Bist du ein Inländer?«

»Warum fragst du?«

»Ich sah dich noch niemals in der Stadt.«

»Ich bin ein Fremder, aber auch du bist kein Indier.«

Er lächelte. »Woraus schließest du das?«

»Deine Züge verraten den Europäer.«

»Ah, du sprichst von Europa. Ich täuschte mich also nicht, als ich annahm, daß du von dorther gekommen?«

»Ich bin ein Italiener.«

»Und ich ein Portugiese.«

»Ein Portugiese in birmanischer Kleidung?« fragte ich verwundert in portugiesischer Sprache.

»Das setzt Sie in Erstaunen?« entgegnete er ebenfalls in seiner Muttersprache und sofort das europäische ›Sie‹ an Stelle des landesüblichen ›Du‹ setzend.

»Ein wenig.«

»Aber Sie sind Italiener und tragen ja auch das indische Kostüm?«

»Ich tue dies, um so bequemer die birmanischen Sitten studieren zu können.«

»Und ich muß es tragen, weil ich der Obersteuerinspektor und Garderobier des Kaisers bin.«

»Ah, dann habe ich also die Ehre, Signor Camaretta vor mir zu sehen?« rief ich freudig erstaunt.

»Zu dienen, der bin ich.«

Ich freute mich sehr, diesen einflußreichen Mann getroffen zu haben, denn ich hoffte auf seine Hilfe bei dem Befreiungswerke, das ich plante. Ich wollte ihm meine Freude auf eine geschickte Weise ausdrücken und sagte deshalb, nachdem ich mich ihm vorgestellt hatte, daß mir sein Name seit langem bekannt sei, denn auch in Europa besitze derselbe guten Klang.

Das bereitete ihm sichtliches Vergnügen und er fragte mich: »Sind Sie schon lange hier?«

»Gestern erst bin ich angekommen.«

»Dann haben Sie es gerade getroffen. Es werden sich in diesen Tagen zwei für einen Abendländer sehr fremdartige Schauspiele abwickeln, nämlich erstens das Leichenbegängnis des kaiserlichen Schutzgeistes und zweitens die Hinrichtung eines hohen Würdenträgers des birmanischen Hofes.«

»Daß der weiße Elefant gestorben ist, weiß ich bereits. Wann findet sein Leichenbegängnis statt?«

»Heute noch.«

»Ich freue mich sehr es mit ansehen zu können. Wer aber ist der Mann, der hingerichtet werden soll?«

»Eben der Hüter des heiligen Elefanten.«

»Puh! Der Hüter eines Tieres!« rief ich lachend, um Camaretta zu bewegen, mehr von dem unglücklichen Wongy zu erzählen.

»Sie sind hier fremd und glauben deshalb, daß den weißen Elefanten zu hüten ein gewöhnliches Amt sei. Es ist eine der höchsten Würden, welche der Kaiser verleihen kann.«

»Das wußte ich allerdings nicht. Aber warum soll der Arme sterben?«

»Um den Zorn des Volkes zu besänftigen.«

»Das heißt, er stirbt unschuldig.«

»Ja, aber verwundern Sie sich nicht darüber. Derartiges ist in diesem Lande etwas Alltägliches.«

»Ich bin kein Neuling im Orient und kenne das alles wohl, aber trotzdem bleibt ein solches Verfahren tadelnswert. Wie heißt der unglückliche Wongy, welcher – hingerichtet werden soll?«

»Mangvé-Mengyi.«

»Ist es möglich!« rief ich, den Überraschten spielend. Camaretta brauchte ja nicht zu wissen, daß ich den unglücklichen Mann persönlich kannte, denn ich fürchtete, daß er mir in diesem Falle seine Hilfe verweigern würde.

»Kennen Sie den Wongy?« fragte der Garderobier erstaunt.

»Dem Namen nach. Ein Freund von mir sprach von ihm, als von einem sehr gebildeten und intelligenten Birmanen. Er gab mir sogar ein Empfehlungsschreiben an ihn mit und ich hoffte durch ihn eine Audienz beim Kaiser zu erlangen.«

»Wenn es weiter nichts ist, die Audienz will ich Ihnen gerne verschaffen.«

»Tausend Dank! Sie würden mir damit einen großen Dienst erweisen,« sagte ich, meine Freude übers diese unverhoffte Zusage geschickt verbergend.

Was wollte ich mehr?

»Danken Sie mir nicht. Ich tue Ihnen gern den kleinen Gefallen.«

»Könnte man den armen Wongy nicht retten?«

»Das ist unmöglich.«

»Wenn wir beide uns für ihn verwenden wollten?«

»Wenn ich das täte, käme ich um meinen Kopf und auch der Ihrige wäre nicht mehr sicher. Mendun-Men kümmert sich wenig um die europäischen Konsulate.«

»Man müßte eben Vorsicht brauchen. Wann soll der Wongy hingerichtet werden?«

»Morgen früh.«

»Und wann kann ich hoffen, von dem Kaiser in Audienz empfangen zu werden?«

»Wann reisen Sie ab?«

»Ich hatte den morgigen Tag für die Abreise festgesetzt.«

»O weh!« rief Camaretta. »Es wird schwer sein, die Audienz schon heute zu erhalten. Ich will ja mein möglichstes tun, aber ich fürchte, daß sie erst in zwei oder drei Tagen bewilligt werden wird.«

Mühsam verbarg ich den Schrecken, den ich bei diesen Worten empfand. Wenn ich es nicht erreichte, heute noch den Kaiser zu sprechen, dann war überhaupt alle Mühe umsonst und der unglückliche Wongy verloren.

»Ich verlasse mich auf Sie,« sagte ich bittend zu dem Garderobier.

»Ich will ja auch tun, was ich kann, aber ich fürchte, daß es nichts sein wird. Nun jedenfalls werde ich sehen. Wohin kann ich Ihnen den Bescheid bringen?«

»Ich werde zu Ihnen kommen, um ihn mir zu holen.«

»In meinem Hause trifft man mich sehr selten an, es ist also besser, ich komme selbst zu Ihnen. Wo wohnen Sie?«

»In dem Gasthause ›Zur Wohnung des Herrn‹.«

»Bei dem buckligen Wirt?« rief Camaretta lachend.

»Ja; im ersten Hotel Amarapuras.«

»Ja, ein ausgezeichnetes Hotel. Ich speiste ein einziges Mal dort. Aber haben Sie auch alles, was Sie für den Besuch beim Kaiser nötig haben?«

»Was wäre dies?«

»Ihre Kleidung ist schon gut, aber gebt dem Kaiser, was ihm gebührt.«

»Sie meinen wohl ein Geschenk?« fragte ich unruhig.

»Ja, ein solches ist unumgänglich notwendig. Es ist unmöglich, sich dem Souverän mit leeren Händen vorzustellen.«

»Aber ich wurde erst vor wenigen Tagen von dem König von Siam empfangen, ohne daß ich nötig hatte, ihm ein Geschenk zu machen.«

»Ländlich, sittlich!« entgegnete Camaretta achselzuckend.

»Nun, so nennen Sie mir eine passende Gabe.«

»Eine Taschenuhr wäre dem Kaiser sehr willkommen.«

»Ich habe nur eine einzige und die kann ich nicht entbehren.«

»Nun, dann ein Ring, eine goldene Kette, eines von Ihren Gewehren.«

»Die Gewehre sind mir zu wertvoll, um sie zu verschenken, und Ringe und Ketten führe ich nicht bei mir.«

»Was machen wir dann?«

»Könnte ich nicht etwas dergleichen kaufen?« »Schwerlich. Die einheimischen Produkte hätten keinen Wert und von europäischer Goldschmiedekunst ist hier nichts zu haben.«

»Aber vielleicht könnte ich dem Kaiser ein Geschenk in Geld geben?«

»Das würde ihn allerdings sehr erfreuen, aber Sie müßten eine hohe Summe opfern!«

»Wie viel denn, zum Beispiel?«

»Zwanzig Pfund Sterling müßten Sie wenigstens geben.«

»Fünfhundert Lire!« rief ich erschrocken. »Das ist ein bißchen viel.«

»Freilich, und weniger darf es nicht sein.«

»Nun denn, ich werde aus der Not eine Tugend machen und diese – ich gestehe – für meine Verhältnisse sehr bedeutende Summe zum Opfer bringen.«

»Gut! übrigens wagen Sie dabei wenig, da auch Seine Majestät verpflichtet ist, Ihnen ein Geschenk zu geben und natürlich darf dasselbe keinen geringeren Wert repräsentieren.«

»So wären wir einig.«

»Ja. Ich werde jetzt einen Gang durch die Stadt machen, seien Sie zwischen 12 und 1 Uhr zu Hause, ich hoffe Ihnen dann eine günstige Antwort bringen zu können.«

Nach wiederholtem Danke meinerseits und herzlichem Händedrucke trennten wir uns.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
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