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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 5

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Sechstes Kapitel.
Das Leichenbegängnis

Nach wenigen Schritten schon stand ich vor dem Tempel des Herrn, der unter der Einwirkung der südlichen Sonne in einem wahrhaft märchenhaften Goldglanze erstrahlte. Ich blickte nach dem Hause des Wongy – es war zerstört. Die Pforte stand weit offen, die Fenstergitter, Arabesken und Vergoldungen waren herabgerissen, auch von dem Dache fehlte ein großer Teil.

Der Platz war voll Leute, die das große Ereignis des Tages besprachen. Ich schätzte die Menge auf acht— bis zehntausend Personen.

Ein Teil der Volksmenge hatte sich in größeren und kleineren Gruppen auf dem Platze zerstreut, der weitaus größere aber drängte sich gegen den Haupteingang des Tempels, vor welchem zwei Reihen Soldaten Spalier bildeten.

Auch ich hätte gerne die heilige Bestie auf der Bahre gesehen. Entschlossen mischte ich mich daher unter das Gedränge und arbeitete mich mit den Ellenbogen vorwärts.

Endlich gelangte ich zu den Soldaten. Hier war aber das Gedränge noch fürchterlicher. Mehr getragen als gehend kam ich endlich in den Tempel. Hier aber wurde ich gewaltig enttäuscht. Der Tempel war noch genau so, wie ich ihn gestern verlassen hatte. Das Tier lag noch immer auf dem Teppich. Der einzige Unterschied bestand darin, daß gestern die Bestie noch lebte, heute aber verendet dalag.

Ein Spalier Soldaten hielt die Neugierigen ab, sich zu nahe an den Kadaver heranzudrängen. Diese betrachteten das Tier mit einer Mischung von heiliger Ehrfurcht und Schrecken.

Ich blieb nicht lange in dem Tempel. Mehr gezwungen als freiwillig machte ich einen halben Rundgang in demselben mit und gelangte dann durch eine dem Haupteingang entgegengesetzte Türe ins Freie. Dort angekommen, entschlüpfte mir ein tiefer Seufzer der Erleichterung.

Ich schaute auf meine Taschenuhr, sie zeigte die zehnte Stunde. Kaum eine Stunde war vergangen, seit ich mich von Signor Camaretta getrennt hatte. Ich hatte also noch Zeit und wollte dieselbe benutzen, um ein wenig die Stadt zu besichtigen.

Sinnend durchstreifte ich die langen, fast alle durch die unvermeidlichen Palisaden in drei Teile geteilten Straßen und betrachtete die wenigen Paläste und prachtvollen Tempel, die zwischen die schilfgedeckten Hütten eingestreut waren.

Gegen Mittag ließ ich mich von einem Knaben in mein Gasthaus zurückführen. Der bucklige Wirt kam mir sofort entgegen, aufgeregt und sich in Verbeugungen überstürzend.

»Verzeihe mir, Herr, o verzeihe mir!«

»Was denn?« forschte ich erstaunt.

»Ich hatte keine Ahnung, daß du eine so hohe Persönlichkeit seiest.«

»In der Tat, das wußte ich bis jetzt auch noch nicht,« entgegnete ich lachend.

»Mein Gasthaus wird durch deine Anwesenheit in hohem Maße geehrt und beglückt.«

»Das freut mich sehr.«

»Noch nie hatte ich das Glück, einen so großen Mann wie dich zu beherbergen.«

»Das freut mich noch mehr.«

»Du bringst mir Glück und Segen.«

»Das kommt ja immer besser.«

»Ja, denn dir verdankt mein armes und doch so berühmtes Haus den Besuch einer erhabenen und berühmten Persönlichkeit.«

»Ah?« Nun verstand ich den Grund dieser zahllosen Verbeugungen und Lobeserhebungen.

»Wer war denn bei dir?« fragte ich den Wirt.

»Vor kurzem erst wurde ich durch den Besuch des erlauchten Wongy Camaretta, des mächtigen Kleiderbewahrers des Kaisers, geehrt.«

»Was wollte er von dir?«

»Er suchte dich.«

»Mich?« fragte ich, den Erstaunten spielend.

»Ja, o Wongy! Wahrhaft groß mußt du sein, wenn sogar der Wongy Camaretta sich herabläßt, dich selbst aufzusuchen.«

»Sagtest du ihm, daß ich noch nicht zurückgekehrt sei?«

»Ja.«

»Und was sagte er darauf?«

»Er läßt dir sagen, daß er dich nach dem Leichenbegängnisse des ›Herrn‹ auf dem freien Platze vor dem kaiserlichen Palaste erwartet.«

»Wann findet die Beerdigung statt?«

»Gleich jetzt.«

Ich ließ mir das Mittagessen bringen, das nach der Versicherung des Wirtes delikat sein sollte.

Jedenfalls hatte er sein möglichstes geleistet: harte Eier, Brot aus Reismehl, in der Asche gebacken und Früchte, das war das lukullische Menu.

Der Wirt glaubte sich verpflichtet, mich während des Speisens zu unterhalten, und er tat dies, indem er mir in einem wahren Klagelied all seine Leiden und Beschwerden aufzählte und mich bei Gautama und allen dreißigtausend Geistern Nirwanas beschwor, ihn dem mächtigen Schatzmeister des Kaisers zu empfehlen. Das versprach ich denn auch, nur um Ruhe zu bekommen. —

Ich fand ganz Amarapura auf den Beinen und vor dem Tempel des ›Herrn‹ versammelt. Aber alle die Leute waren eng an die Häuser gedrückt, während ein doppelter Kordon Soldaten in der Mitte eine Gasse freihielt, durch welche sich der Zug nach dem Ufer des Sees bewegen sollte, wo man den Elefanten begraben und über seiner Gruft eine Pagode errichten wollte.

Ich war kaum zur Stelle, da nahte auch schon der imponierende Leichenzug. Voran schritten vier Kompagnien Soldaten mit ihren Offizieren. Die Soldaten trugen Paradeuniform, genau so zerrissen, aber vielleicht etwas sauberer als die gewöhnliche.

Daran schlossen sich Hunderte von Brahminen in ihren langen, gelben, grünen und braunen Talaren, geordnet nach der Farbe derselben und den Tempeln, in welchen sie ihren Dienst zu versehen hatten.

Nun kamen die obersten Würdenträger des Reiches im Galakostüm.

Nach den höheren Offizieren des Heeres und der Flotte erschienen die entfernter mit dem Kaiser verwandten Prinzen, und die Söhne des Kronprinzen. Ein seidenes Kissen unter dem Haupte und eine ebensolche Decke über den Körper geworfen, durch vier mächtige Schirme vor den Strahlen der Sonne geschützt, so ruhten die vier Söhne des Erbprinzen auf ihren vergoldeten Ruhebetten, die von je acht Männern getragen wurden.

Auf dieselbe bequeme Art war für das ›Fortkommen‹ der fünf jüngeren Söhne des Kaisers gesorgt.

Die Leibgarde des Kaisers! Sie war durchwegs aus jungen, robusten Männern von martialischem Aussehen gebildet. Ihre Kleidung war rein und ganz, ja im Vergleiche zu jener der übrigen Soldaten sogar elegant zu nennen.

Dicht hinter der Garde erblickte ich den Kronprinzen, beschattet von sechs Schirmen aus Goldbrokat auf einem noch viel kostbareren Ruhebette, als es die übrigen Prinzen besassen.

Und nun erschien endlich die Leiche.

Der Kadaver des Elefanten lag auf einer riesigen Bahre aus vergoldetem Holze, die wohl an die hundert Männer daherschleppten. Die Träger schwitzten und keuchten alle vor Anstrengung. Von dem ganzen Tiere war nur der Kopf, der Hals und die mächtigen Stoßzähne zu sehen, den übrigen Teil des Körpers verhüllte eine reiche Decke von cremfarbenem Samt.

Als der Trauerzug aus dem Tempel trat, ging ein Rauschen durch die Menge. Tausende und tausende Stimmen feierten das Andenken der Bestie und verfluchten seinen Mörder.

Naturgemäß bewegte sich die Bahre, hinter welcher vier Wongy die zum Zeichen der Trauer geschlossenen Schirme des Elefanten trugen, sehr langsam vorwärts. Hinter seinem Schutzgeist erschien endlich der Kaiser selbst. Zwölf Männer trugen den Thron aus massivem Golde, auf welchem die braune Majestät saß, das Haupt leicht geneigt und betelkauend. Es war ein Mann von hoher Statur und auffallend schönem Gesichte, das ihn als gutmütig und intelligent kennzeichnete.

Hinter dem Kaiser kam eine schier unabsehbare Schar von Ministern, hohen Beamten des kaiserlichen Hofstaates und Beamten jeglicher Kategorie in glänzenden Uniformen. Hier gewahrte ich auch den Portugiesen. Eine Kompagnie Soldaten und eine Menge von Neugierigen schlossen den unermeßlich langen Zug.

Das selten schöne Schauspiel hatte mich im höchsten Grade befriedigt. Ich war wohl der erste Europäer, dem Gelegenheit geworden, es zu bewundern, aber ich ahnte damals nicht, daß ich auch der letzte sein sollte, denn wenige Jahre später annektierte Großbritannien das Kaiserreich und entthronte den Kaiser samt seinem vierfüßigen Schutzgeist.

Gern hätte ich mich dem Trauerzuge angeschlossen, um auch das Begräbnis des ›Herrn‹ mitanzusehen, aber ich hätte mich dann abermals in das Gedränge mischen müssen und dazu fehlte mir der Mut, da die schrecklichen dreißig Minuten von heute morgen noch frisch in meiner Erinnerung lebten.

Siebentes Kapitel.
Der Vertrag mit dem Kaiser

Ich begab mich hierauf auf den freien Platz vor dem kaiserlichen Palaste, aber ich mußte lange auf Signor Camaretta warten.

»Endlich!« entfuhr es mir unwillkürlich, als ich ihm die Hand drückte.

»Es war mir nicht möglich, früher zu kommen. Dieses verwünschte Begräbnis dauerte eine halbe Ewigkeit.«

»Ist der Kaiser bereits zurückgekehrt?«

»Ja, soeben wurde er in den Palast getragen.«

»Und wird er mich heute noch empfangen?«

»Ja. Sie können von Glück sagen. Der Kaiser empfängt heute den Gesandten des Königs von Annam, dem er die Audienz bereits vor acht Tagen zugesagt hatte. Sofort nach dem Gesandten kommen Sie an die Reihe.«

»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für Ihre Güte danken soll.«

»Sprechen wir nicht davon. Was ich jetzt für Sie tue, hätten Sie auch für mich getan, wenn Sie zufälligerweise an meiner Stelle wären. Haben Sie das Geld mit?«

»Gewiß.«

»Und auch eine Börse, es hinein zu tun?«

»O weh! Daran habe ich nicht gedacht,« rief ich bestürzt.

Camaretta lächelte. »Ich dachte mir so etwas und erlaubte mir deshalb, unterwegs dieses Etui zu kaufen,« antwortete er und zog ein elegantes Elfenbeinetui aus der Tasche, chinesische Arbeit und mit feinem, wenn auch etwas seltsamem Geschmack und großer Kunstfertigkeit geschnitzt.

»Wie schön!« rief ich in aufrichtiger Bewunderung.

»Und dabei zu sagen, daß es nur ein halbes Pfund Sterling kostet. Geben Sie mir jetzt das Geld.«

Ich überreichte ihm die zwanzig Pfund. Er tat sie in das Etui und gab es mir dann zurück.

»Zu seiner Zeit geben Sie das dem Zeremonienmeister,« erklärte er mir. »Und jetzt folgen Sie mir.«

Durch die erste Umfassungsmauer gelangten wir in einen zweiten Hof, in welchem einige Soldaten bequem auf der Erde lagerten. Sie erhoben bei unserem Nahen etwas den Kopf, sanken aber, als sie Camaretta erkannten, sofort wieder in ihre nachlässige Stellung zurück. Wir passierten auch die zweite Mauer ungestört, bei der dritten aber wurden wir an der von etwa zwanzig Soldaten unter zwei Offizieren bewachten Pforte angehalten.

»Zu wem geht dein Begleiter?« fragte der eine davon den Garderobier.

»Der Kaiser hat ihn zur Audienz befohlen.«

»Du haftest für ihn?«

»Ja.«

»Dann sage ihm, daß er mir seine Waffen übergibt.«

»Meine Waffen?« wiederholte ich nicht gerade angenehm überrascht, »aber ich bin ein ausländischer Wongy.«

»Man macht hier mit niemanden eine Ausnahme. Selbst die fremden Gesandten müssen ihre Waffen abgeben, ehe sie vor dem Kaiser erscheinen,« erklärte Camaretta.

Dagegen ließ sich nichts sagen.

Der Portugiese zog nun seine Pantoffeln aus.

»Entledigen auch Sie sich Ihrer Stiefel,« sagte er.

»Ist dies unumgänglich nötig?« fragte ich unbehaglich.

»Aber natürlich. Vor dem Kaiser darf man nur mit bloßen Füßen oder in Strümpfen erscheinen.«

Was wollte ich machen? Ich mußte mich auch dieser Sitte fügen.

In Strümpfen und unbewaffnet passierten wir nun die letzte Ringmauer, sowie einen langen, bedeckten Korridor und einen weiten Platz, stiegen eine steinerne Treppe hinauf und gelangten auf eine Terrasse, von der aus eine Türe in den Audienzsaal führte. Diese wurde von acht Offizieren bewacht, die unbewaffnet auf der Erde saßen und Betel kauten.

»Ist der Gesandte des Königs von Annam drinnen?« fragte Camaretta einen davon.

»Ja. Soeben ist er eingetreten.«

»Dann müssen wir noch lange warten,« wandte sich der Portugiese an mich. »Eine solche Audienz dauert in der Regel Stunden.«

»Ich warte gerne, denn nun weiß ich gewiß, daß ich heute noch empfangen werde.«

»Ich bezweifelte dies nicht, nachdem ich mich an die dem Gesandten zugesagte Audienz erinnert hatte. Mendun-Men hat seine Fehler, aber er pflegt stets sein Wort zu halten. Der Zeremonienmeister ist benachrichtigt und er ist mein Freund.«

»Es tut mir sehr leid, daß Sie für mich soviel von Ihrer kostbaren Zeit opfern müssen.«

Camaretta lächelte. »Denken Sie nicht an mich. Ich bin es gewöhnt, oft stundenlang in dem Vorzimmer des Kaisers zu harren. Wir sind im Orient, Herr, und nicht in Europa.«

Endlich trat ein alter, vornehm gekleideter Mann aus dem Saale.

»Seine hohe, glorreiche Majestät wünscht den fremden Wongy zu sehen,« verkündigte er mit tiefer Stimme.

»Und der Gesandte von Annam?« fragte Camaretta den Alten, welcher der Zeremonienmeister war.

»Er wird der Audienz des Fremden beiwohnen.«

Der Garderobier führte mich in den Saal.

Für einen Augenblick blendete mich der Glanz und die Pracht in demselben förmlich. Im Hintergrund des Saales erhob sich der kaiserliche Thron, überwölbt von einer zierlichen Kuppel. Zwölf rosa Säulen mit vergoldetem Knauf trugen die Kuppel.

Der kaiserliche Thron war nach jenem gearbeitet, auf welchem gewöhnlich die Statue Gautamas angebracht ist. Seine Form erinnerte an zwei Triangeln, die sich oben wieder vereinigen und das Wasser und Feuer versinnbilden.

Der Kaiser saß auf dem Throne, neben ihm die Kaiserin. Er trug noch dieselbe Kleidung, in der ich ihn beim Begräbnis des Schutzgeistes gesehen hatte und rauchte eine Zigarette. Seine Gemahlin nahm den Platz zu seiner Rechten ein, doch saß sie etwas hinter ihm zurück; zwischen den beiden erhob sich das Bild der heiligen Gans auf einem goldenen Piedestal.

Die Kaiserin bediente ihren Gemahl. Sie fächelte ihm Kühlung zu, steckte ihm den Betel in den Mund und reichte ihm den Spucknapf oder zündete ihm die Zigarette an. Sie mochte etwa dreißig Jahre zählen und war eine Blutsverwandte des Kaisers, wie es die Sitte des Landes erheischte.

Seltsam erschien mir ihre Kleidung. Außer einem langen Rock aus himmelblauem Samt trug sie das wie dieser reich mit Edelsteinen verzierte Leibchen, dessen lange Ärmel aus einer Reihe Volants gebildet waren. Den Hals umschloß eine Spitzenkrause.

Hinter Ihrer Majestät erblickte ich mehrere junge Mädchen und Frauen, Töchter, Nichten und Blutsverwandte des Kaisers, vor dem Throne aber saßen die Söhne des Herrschers und des Kronprinzen. Zwischen den Säulen waren Soldaten in grüner Galauniform postiert, die Seitenschiffe aber waren mit den Fürsten, Offizieren und Beamten des Reiches angefüllt.

Der Zeremonienmeister gab Camaretta ein Zeichen, worauf dieser mich neben dem Gesandten Platz nehmen hieß.

Dann wandte sich der Zeremonienmeister an Camaretta mit der Frage: »Aus welchem Lande kommt dieser Fremde?«

»Aus Italien,« antwortete der Portugiese.

»Der König von Italien ist ihm gewogen?«

»Sehr, und darum bittet er im Namen Seiner Majestät des Königs von Italien, auch Seine Majestät wolle ihm Ihr Wohlwollen schenken.«

»Was will der Fremde hier?« fragte der Zeremonienmeister weiter, immer im Namen des Kaisers.

»Angezogen von dem Ruhme Seiner erhabenen, glorreichen Majestät verließ er Italien und kam hierher, um Seine Majestät zu sehen,« antwortete Camaretta.

»Spricht er unsere Sprache?«

»Ja.«

Der Zeremonienmeister wandte sich nun an mich: »Gefällt es dir in Amarapura?«

»Ja.«

»Du bist nur deshalb hergekommen, um Seine Majestät kennen zu lernen?«

»Ja,« bestätigte ich wieder.

»Welche Stelle bekleidest du in deinem Vaterlande?«

»Ich bin der Hofjägermeister der königlichen Schutzgeister.«

Der Zeremonienmeister betrachtete mich erstaunt.

»Was sagtest du?«

»Ich bin der Hofjägermeister der königlichen Schutzgeister,« wiederholte ich.

»Was heißt das?« forschte verwundert der Zeremonienmeister, ohne das Staunen zu verbergen, in das ihn meine Worte gesetzt hatten.

»Seine Majestät hat einen Schutzgeist?« fragte ich zurück.

Das Gesicht des Zeremonienmeisters nahm einen drohenden Ausdruck an. »Er ist tot,« sagte er scharf.

»Ich weiß es.«

»Und war es nötig, davon zu sprechen?« klang die zornbebende Antwort zurück.

Meine Frage war sehr undelikat gewesen, ich wußte das wohl. Aber ich hatte meine Worte mit Vorbedacht und in einer bestimmten Absicht gewählt.

»Still, Unglückseliger, um Gottes willen!« flüsterte mir der Portugiese zu, aber ich ließ die Warnung unbeachtet und wandte mich wieder an den Zeremonienmeister: »Auch die europäischen Herrscher haben ihre Schutzgeister, die ihre Macht versinnbilden sollen, als Adler, Bären, Wölfe und dergleichen. Wenn nun der Schutzgeist des Königs stirbt, habe ich die Pflicht, ihm einen Nachfolger zu verschaffen.«

Das Gesicht des Zeremonienmeisters erhellte sich sichtlich und Camaretta ließ ein leises »Bravo!« hören.

»Und gelingt dir das immer?«

»Immer.«

In der Regel sprach der Kaiser in seinen Audienzen niemals selbst. Aber meine Antwort hatte Mendun-Men so erregt, daß er sich selbst an mich wandte: »Wärest du imstande, mir einen neuen weißen Elefanten zu verschaffen?«

»Warum nicht?«

Ein Schrei des Erstaunens gellte aus hundert Kehlen. Er galt indessen nicht der Sicherheit, mit der ich meine Bereitwilligkeit kundgegeben, sondern der unerhörten Tatsache, daß Seine Majestät in einer öffentlichen Audienz selbst das Wort ergriffen hatte. Doch ein strenger Blick des Kaisers ließ die Unvorsichtigen sofort verstummen und Mendun-Men fuhr fort: »Du sprichst mit großer Sicherheit.«

»Ich verspreche nicht zu viel.«

»Nun denn, bringe mir einen weißen Elefanten und ich bewillige dir dafür alles, was du fordern magst. Verlange soviel Gold, als das heilige Tier wiegt, es ist dein,« sagte der Kaiser mit vor Aufregung bebender Stimme.

»Du sollst das heilige Tier haben.«

»Innerhalb welcher Zeit?«

»Wieviel Zeit gibst du mir?«

»Genügen zwei Monate?«

»Vollkommen. Nach Ablauf derselben bringe ich dir deinen Schutzgeist; aber ich stelle dafür auch eine Bitte an dich.«

»Sie sei dir im voraus gewährt. Was verlangst du?«

»Schenke Mangvé-Mengyi das Leben!«

Das Gesicht des Herrschers verfinsterte sich.

»Du bist sehr kühn,« sagte er.

»Weshalb?«

»Du bittest um das Leben eines Rebellen.«

»Mangvé-Mengyi ist dir sehr treu.«

»Du kennst ihn?«

»Ganz Europa spricht von seinem Ruhm. Wenn ich für ihn bitte, so tue ich das ja nicht um meinetwillen, sondern mehr für dich, o Herr! Oder was glaubst du, daß man in Europa von dir sagen wird, wenn man erfährt, daß du deinen treuesten Diener töten ließest?«

Des Herrschers Gesicht hellte sich langsam wieder auf: »Man sagt mir nach, daß ich gerecht sei.«

»Die schönste Tugend des Herrschers ist die Milde. Gerecht kann jeder sein, aber das Recht der Milde, der Begnadigung hat nur der Kaiser. Übrigens bitte ich um das Leben des Wongy ja nur bedingungsweise. Behalte ihn einstweilen in Haft und richte ihn erst nach Ablauf der zwei Monate. Kehre ich bis dahin nicht zurück, magst du ihn töten lassen; andernfalls aber gebe ich dir deinen Schutzgeist für einen armen, unglücklichen Menschen, der dich aus Dankbarkeit noch mehr lieben und dir noch treuer dienen wird, als er bisher schon getan.«

»So sei es!« rief der Kaiser. »Mangvé-Mengyi mag diese zwei Monate in Haft bleiben. Bringst du mir den weißen Elefanten, sei ihm das Leben geschenkt. Bist du aber nach Sonnenuntergang des letzten Tages nicht zurückgekehrt, wird der Wongy gespießt.«

Achtes Kapitel.
Der Verräter

Ich befand mich mit meinem jungen Freunde Meharamen auf dem Irawadi, nicht mehr weit von Bamo entfernt.

Nach der kaiserlichen Audienz hatte ich mich sofort von Signor Camaretta verabschiedet, der sich sehr erstaunt äußerte über meine Kühnheit und den phantastischen, abenteuerlichen Plan, den ich gefaßt, um den armen Wongy zu befreien.

Hierauf verfügte ich mich wieder in mein Gasthaus, verabschiedete mich von dem buckligen Wirt und bezahlte ihm die Zeche.

Sie betrug eine hohe Summe, drei Pfund Sterling für eine Portion in Wasser gekochten Reis, ein paar Eier und eine Flasche Kognak – und dann mietete ich mir eine Barke, um Meharamen aufzusuchen, der bereits ängstlich meiner Nachrichten harrte.

Mein Bericht befriedigte ihn nicht sonderlich.

Auch ihm erschien es zuerst unmöglich, das dem Kaiser gegebene Versprechen rechtzeitig einzulösen.

Aber so verwegen auch mein Plan schien, in Wirklichkeit war er es nicht und ich hatte allen Grund, ein günstiges Ergebnis zu erwarten.

Vor fünfzig Jahren hatte sich nämlich am kaiserlichen Hofe zu Amarapura ein kleiner weißer Elefant befunden, der erst einige Jahre zählte.

Wenn der damalige Kaiser, der Vater Mendun-Mens, genau nach den Traditionen seines Volkes hätte handeln wollen, so hätte er auch diesem kleinen Elefanten einen Tempel erbauen, ihn mit einer Schar Diener umgeben und ihm eine feste Rente anweisen, mit einem Wort, auch ihm all die Ehren erweisen müssen, die der andere genoß.

Aber Birma war soeben in einen unglücklichen Krieg mit England verwickelt gewesen und hatte nach dem Frieden von Jandabo dem Sieger eine hohe Entschädigung zu zahlen. Es war dem Kaiser darum augenblicklich vollständig unmöglich, die erforderlichen großen Summen für die Einrichtung des neuen Senmeng aufzuwenden.

Seine Majestät faßte daher einen höchst eigenartigen Entschluß. Er schrieb mit eigener Hand auf ein großes Palmblatt einen Brief an den neuen Schutzgeist und bat ihn, ihm, dem Kaiser, nicht zu zürnen, daß er ihm die schuldigen Ehren nicht leisten könne.

Eine Deputation von hohen Würdenträgern überbrachte dem Dickhäuter dieses Schreiben und dieser – fraß es ruhig auf, ein sicheres Zeichen, daß er dem Kaiser nicht zürne.

Mein Plan ging nun dahin, dieses kostbare Tier zu kaufen, das in Muang-la lebte.

Ich hoffte bestimmt, es noch am Leben zu finden.

Allerdings, es waren bereits fünfzig Jahre seitdem vergangen, aber was bedeuteten fünfzig Jahre für ein Tier, das auch in der Gefangenschaft einige hundert Jahre erreicht?

Muang-la ist von Amarapura etwa vierhundert Kilometer entfernt.

Um nach Muang-la zu gelangen, mußten wir dem Lauf des Flusses bis nach Bamo folgen, einem kleinen Städtchen an der Mündung des gleichnamigen Flusses in den großen Irawadi.

Wir mieteten uns an Ort und Stelle eine Hnau mit zwölf starken Ruderern und fuhren den Fluß hinauf.

Die Reise ging gut und schnell vonstatten.

Wir erreichten Bamo in sechs Tagen. In Bamo verabschiedeten wir die Schiffer. Bamo ist ein kleines Dorf mit etwa fünfhundert Einwohnern und besteht aus so elenden Hütten, daß sich selbst der ärmste Bauer Italiens weigern würde, seine Schweine in einer solchen Behausung unterzubringen.

Wir hatten kaum unseren Fuß auf das Land gesetzt, als wir uns auch schon von den Einwohnern umringt sahen. Alle stellten uns ihre Dienste zur Verfügung.

Meharamen suchte sich wütend mit Händen und Füßen Platz zu schaffen, aber vergebens. Die Indier ermüdeten nicht so schnell. Schon machte ich mich darauf gefaßt, noch eine lange Zeit hier untätig verbringen zu müssen, als eine gellende Stimme dieses teuflische Geheul übertönte: »Macht Platz! Laßt mich durch!«

Die Menge teilte sich und ließ eine schmale Gasse frei, durch welche nun majestätisch ein Shan auf uns zukam. Das Geschrei verstummte aber noch nicht. Dies schien dem Shan zu mißfallen, denn er schüttelte mehrmals mißbilligend sein Haupt und endlich rief er mit noch durchdringenderer Stimme als das erstemal: »Stille, Sklaven!«

Er mußte hier großes Ansehen besitzen, da niemand ein Wort der Entgegnung wagte. Der Lärm verstummte.

Der kleine dicke Shan war jetzt in unsere Nähe gelangt. Zwei Schritte von uns blieb er stehen und spreizte die Beine aus, stemmte die Hände in die Hüften, betrachtete mich vom Kopf bis zu den Füßen, warf einen frechen Seitenblick auf Meharamen,

und dann richtete er endlich die Frage an mich: »Du bist der Ältere?«

»Von wem?« fragte ich zurück.

Ein spöttisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Du bist wohl verrückt?«

»Gautama möge dich erhalten! Aber wiederhole diese Beleidigung nicht noch einmal, sonst könnte es dir passieren, daß du am hellen Tage Mond und Sterne leuchten siehst,« rief ich drohend.

Er senkte betroffen den Kopf.

»Du bist sehr kühn!« sagte er.

»Ich bin auch sehr gut. Aber wehe dem, der mich beleidigt!«

»Du weißt wohl nicht, mit wem du sprichst?« fragte er hochmütig.

»Ich spreche mit dem jämmerlichen Häuptling eines armseligen Dorfes.«

Durch die Menge lief ein Gemurmel des Unwillens, ich hatte in dem Häuptling das ganze Dorf beleidigt. Auch Meharamen warf mir einen mißbilligenden Blick zu.

»Du beleidigst mich! Ich bin der Fürst dieses Stammes,« schrie der Dicke erbost.

»Kann sein, aber trotzdem bist du nur der Untertan Mendun— Mens, dessen Vertreter ich bin.«

»Du willst mich wohl glauben machen, daß du ein Wongy bist?« fragte das Männchen spöttisch.

»Ich bin ein Wongy.«

»Dein Begleiter aber?«

»Ist von demselben Stande.«

»So, so! Nun, du weißt wohl, was du sagst,« höhnte der Dicke.

»Bezweifelst du meine Worte?« fragte ich in drohendem Tone.

»Nein, nein! Ich weiß nur, daß du ein kluger Mann bist.«

»Was weißt du?« forschte ich, durch diese Worte sehr beunruhigt.

»Nichts, nichts! Ich weiß gar nichts.«

»Du sagtest —«

»Ich sagte nichts, gar nichts. Es ist dies ja das erstemal, daß ich dich sehe.«

Ich gab es für jetzt auf, weiter in ihn zu dringen, faßte aber den Entschluß, mir zu einer gelegeneren Zeit diesen famosen Alten unter vier Augen vorzunehmen.

»Was willst du also von mir?« fragte ich.

»Herr, du bist ein Wongy und ich biete dir deshalb meine untertänigsten Dienste an.«

»Du, ein Fürst, willst mir dienen?« fragte ich spöttisch.

»Was ist auch der größte Fürst neben dir, dem Jäger der —«

Das Männchen brach rasch ab, aber ich hatte die Anspielung wohl verstanden und sie beunruhigte mich, da ich die Sache ja vorläufig noch geheim zu halten wünschte. Ich tat, als verstünde ich die Anspielung des Alten nicht, sondern sagte ganz unbefangen: »Also erkläre dich! Was willst du von mir?«

»Ich wollte dich bitten, meine Gastfreundschaft anzunehmen und die Nacht unter meinem armen Dache zuzubringen.«

Dieses Anerbieten kam mir sehr willkommen. Ich wollte den Tag und die kommende Nacht in Bamo zubringen und das Haus des Häuptlings war sicher noch eher zur Herberge geeignet, als die anderen alle. Ich nahm deshalb das Anerbieten an, was den Dicken sichtlich befriedigte. »Macht Platz, Sklaven,« befahl er den Umstehenden.

Die Menge teilte sich langsam. Aller Blicke hefteten sich erstaunt auf die zwei Fremdlinge, denen es so rasch gelungen war, die Gunst des gefürchteten Häuptlings zu erringen.

Der Häuptling ging uns mit großer Würde, sich wie ein Pferd brüstend, voraus. Ich folgte langsam mit Meharamen.

»Der Häuptling gefällt mir nicht,« flüsterte mir der Jüngling leise zu.

»Auch mir nicht. Ich fürchte, daß er mehr von uns weiß, als gut ist,« entgegnete ich ebenso.

Meharamen erbleichte. »Man hat uns verraten,« flüsterte er erschreckt.

»Ich werde bald herausgefunden haben, wer. Doch du versprich mir, daß du nichts ohne mein Wissen und Willen unternehmen willst.«

»Aber —« stammelte er.

»Versprich es mir,« drängte ich.

»Ich verspreche es. Und Meharamen hat noch niemals ein Versprechen gebrochen.«

Wir waren jetzt im Dorfe angelangt. Der Häuptling deutete auf eine Hütte, die um nichts besser war als die übrigen und sagte: »Dort ist mein Palast.«

»Wie schön!« bewunderte ich die armselige Bauernhütte.

Der dicke Mann lächelte geschmeichelt.

»Gefällt er dir?«

»Ungemein!«

»Auch ich freue mich meines herrlichen Palastes, aber nur um deinetwillen, weil ich dir eine würdige Herberge bieten kann. Meinst du, daß Mendun—Mens Palast schöner ist als der meinige?«

»Warst du noch nicht in Amarapura?«

»Nein!«

»Dann kann ich dir allerdings sagen, daß Mendun-Men nichts dergleichen besitzt,« versicherte ich aus voller Überzeugung.

»Herr, du bist wirklich ein gebildeter Mann. Es tut mir fast leid, daß —« Er brach abermals rasch ab.

Nun standen wir vor der elenden Behausung.

Sie war nicht groß und hatte ein einziges Loch, das als Türe, Fenster und Rauchfang diente.

Dem Äußeren entsprach das Innere. Die Hütte bestand aus einem einzigen, vom Rauch geschwärzten Raume. Zwei Strohmatten, ein Bett und ein kleiner, steinerner Herd, auf welchem einige hölzerne Teller und tönerne Töpfe standen, bildeten das einzige Mobiliar des ›Palastes‹. An der Wand hingen einige schmutzige Kleidungsstücke und Lappen.

»Seid willkommen, mächtige Wongy, in meinem armen Hause. Nehmt Platz und erlaubt mir, daß ich euch ein würdiges Mittagessen bereite,« begann der Häuptling.

»Hast du keine Frau, die für dich kocht?« fragte ich.

»Du bist fremd hier und kennst die Sitten der Shans nicht. Ich habe Frau und Töchter, aber sie wohnen in einem anderen Hause und können mich nicht bedienen.«

»Du bereitest dir also dein Essen selbst?«

»Natürlich, und ich werde es sofort auch für euch bereiten.«

Wir hatten bereits in der Barke gegessen, und darum wehrte ich ab: »Wir haben jetzt keinen Hunger, aber wir werden deine Güte am Abend in Anspruch nehmen.«

»Ich gehorche; aber vergiß nicht, daß du am Abend mein Gast sein mußt.«

»Deine Freundlichkeit ehrt uns sehr. Aber du darfst mir nur solche Speisen bringen, die zu genießen mir erlaubt sind.«

»Es gibt also Speisen, die du nicht essen darfst?« fragte der Dicke erstaunt.

»Leider darf ich sogar von sehr vielen nicht essen. Mir sind nur Eier und Früchte erlaubt.«

»Ich füge mich deinem Willen auch darin,« versicherte der Alte, und mit einem Blicke, der mich nichts Gutes ahnen ließ, fuhr er fort: »Warum kamst du hierher?«

»Ein Befehl von Mendun-Men führte mich her.«

Er lächelte boshaft. Es schien, als wollte er sagen: »Du täuschest mich nicht.«

»Was befahl dir der Kaiser?« fuhr er in seinem Verhör fort.

»Hast du deinen Untergebenen noch niemals Befehle erteilt?«

»Schon viele hundertmal. Und wehe ihnen, wenn sie mir nicht gehorchten,« entgegnete er stolz.

»Würde es dir nun gefallen, wenn sie deine Befehle ausplauderten, obwohl du ihnen Geheimhaltung anempfahlest?«

»Ich würde den sofort töten lassen, der das Geheimnis verriete.«

»Mendun-Men handelt nicht anders. Wehe mir, wenn ich dir den Grund meiner Reise nennen wollte.«

»Wie aber, wenn er mir bereits bekannt ist?« fragte der Dicke mit einem schlauen Lächeln.

»Das ist nicht möglich,« entgegnete ich kurz.

»Er ist mir bekannt,« versicherte der durch meinen Zweifel Gereizte.

»Das glaube ich nicht.«

»Ich bin ein Zauberer und deshalb weiß ich alles.«

»Nur Gott ist allwissend.«

»Buddha und ich,« gab er mit großartiger Sicherheit zurück.

»Prahler!« rief ich verächtlich.

»Herr, du beleidigst mich ungerechterweise und hast selbst nur Schaden davon. Du hast ein schweres Werk vor dir und wirst es allein niemals vollbringen. Mit meiner Hilfe dagegen würdest du schnell und sicher dein Ziel erreichen.«

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04 декабря 2019
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Public Domain

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