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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 9

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Ich untersuchte den Freund. Das Auge war erloschen, die Stirne kalt, aus der Brust sickerte noch das warme Blut. Ich legte das Ohr an seine Lippen, aber kein noch so leiser Atemzug hob dieselben. Ich beugte mich über die Brust. Es schien mir, als schlage sein Herz noch schwach.

Vorsichtig zog ich den Dolch aus der Wunde und entfernte die Kleidung des Ärmsten, um ihn verbinden zu können. Hätte ich nur ein bißchen Wasser gehabt! Der Fluß war nahe, aber wie sollte ich es hierher bringen? Meist Blick irrte eine Weile unschlüssig umher und fiel dann auf den kostbaren Mantel des Wongy, neben dem Meharamens lederne Börse lag. Hastig ergriff ich diese und schüttete den Inhalt aus. Ein Regen von Gold ergoß sich über den grünen Boden. Doch jetzt achtete ich dieses Geldes nicht; ich nahm die leere Börse, eilte zum Fluß hinunter, füllte sie mit Wasser und erstieg den Hügel wieder.

Schon nach zwei Minuten befand ich mich wieder auf der Lichtung, keuchend und schwitzend.

Der Verwundete lag noch an der alten Stelle, aber dort neben ihm – was sah ich? Ein Mann bückte sich und sammelte in gieriger Hast die in dem Gras verstreuten Goldstücke auf. Er war nur halb bekleidet und trug ein kostbares Barett auf dem grauen Kopfe . . .

Jetzt erhob er sich, von meinen Schritten aufgeschreckt. Ich blickte in ein von Zorn entstelltes Gesicht, in zwei wildfunkelnde Augen – der Wongy! Die Cheren suchten ihn Gott weiß wo, und er war auf den Lagerplatz zurückgekehrt.

Bei meinem Anblicke brach er in ein wildes Wutgeheul aus und fuhr mit der Hand an den Gürtel. Ich sah einen Revolver in seiner Hand blitzen, aber gleichzeitig krachte auch der meine. Unsere Kugeln kreuzten sich. Die seine flog unschädlich an mir vorüber, ich aber hatte besser gezielt, wie mir der Schmerzensruf bewies, mit dem er die Waffe zur Erde gleiten ließ. Er drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen.

Ich wusch dann die Wunde meines Freundes sorgfältig aus und verband sie. Den Mantel des Mörders rollte ich zusammen und schob ihn unter den Kopf des Unglücklichen, nachdem ich noch seine Lippen mit etwas Wasser befeuchtet hatte.

Nachdem ich das Wasser ausgeschüttet hatte, das sich noch in der Börse befunden, sammelte ich das über die Erde verstreute Gold wieder auf. Es waren lauter Guineen. Der Wongy mußte nur wenige davon errafft haben, denn die Börse war noch fast voll und die Summe hinreichend, um mir den Anlauf des Senmeng zu ermöglichen.

Ich schob die Börse in meine Tasche und dann ließ ich mich neben meinem Reisegefährten nieder und erwartete die Rückkehr der Cheren.

Ich brauchte nicht gar lange zu warten. Noch war die Sonnenlicht hinter den Bergen verschwunden, da erschienen sie. Auf dem Antlitze des Häuptlings lagerte eine tiefe Mißstimmung, die mich sofort erkennen ließ, daß ihm sein Feind entkommen war.

»Lebt dein Freund?« war das erste Wort, das Merlan an mich richtete.

»Vorläufig lebt er noch, aber seine Wunde ist schwer und kann jeden Augenblick den Tod herbeiführen. – Doch, der Wongy – hast du ihn getötet?«

»Der Elende ist mir leider entwischt. Drei von seinen Leuten habe ich getötet. Zwei sehe ich hier als Leichen. Er selbst entfloh mit drei anderen.«

Auf meine Erzählung hin, daß der Wongy hier gewesen sei, stieß Merlan einen wilden Ruf aus.

»O, der Schurke! Ich hätte ihn nicht für so schlau gehalten. Du verwundetest ihn, Herr?«

»Ja! Sein Arm muß schwer verletzt sein.«

»Hättest du ihn doch getötet!«

»Wäre es mir nicht um meinen Freund gewesen, so hätte ich ihn verfolgt und gefangen genommen. Aber ich durfte den Armen nicht verlassen.«

»Welche Richtung hat er genommen?«

Ich bezeichnete sie ihm und er ließ es sich nicht verdrießen, sich mit seinen Leuten nochmals auf die Suche zu begeben. Die ganze Nacht blieben sie aus.

Erst gegen Mittag kehrten sie unverrichteter Sache zurück.

Zwölftes Kapitel.
Pagans Geheimnis

Schon waren mehrere Tage vergangen und wir befanden uns noch immer auf der Lichtung an den Ufern des Bamo-Nam-Tapug. Es war nicht möglich, den Verwundeten von hier fortzuschaffen. Der Cherenhäuptling aber wollte nichts davon wissen, mich mit ihm allein zu lassen. Seine Leute lagerten im Walde, der ihnen Nahrung an Fleisch und Früchten zur Genüge bot und ich weilte mit Merlan an dem dürftigen Lager Meharamens. Seine Wunde begann zu heilen, doch das Wundfieber tobte noch immer mit der alten Gewalt in dem matten Körper.

Der Verwundete raste oft förmlich, so daß ich und der Häuptling alle Mühe hatten, ihn auf seinem Lager festzuhalten. Sein Gesicht glühte, die Pulse jagten. Ich fürchtete das Wundfieber würde in Typhus übergehen, in welchem Falle ich ihn verloren gegeben hätte. Ein Glück war es, daß ich Chinin bei mir führte, welches die Wut des Fiebers doch etwas dämpfte.

Am vierten Tage brachten zwei Cheren, die zur Jagd in die Berge gegangen waren, einen Gefangenen nach dem Lager. Er hatte ein Bein gebrochen und trug keinerlei Waffen bei sich. Deshalb war ihm weder Flucht noch Verteidigung möglich gewesen und die beiden Männer hatten sich seiner im tiefen Walde ohne jeden Widerstand seinerseits bemächtigt.

Auf die Nachricht von dieser Gefangennahme hin verfügten der Häuptling und ich uns in das Lager.

Der Verwundete schlief eben ruhig, dank einer guten Dosis Chinin.

Der Gefangene war ein Mann in den Vierzigern, in schmutziger, zerrissener Kleidung und mit einem Gesichte, das mir nicht gefallen wollte. Er schien durch den langen Aufenthalt im Walde nicht wenig gelitten zu haben.

Merlan wählte sich einen Thron in Gestalt eines vom Sturme gestürzten Baumes und ich setzte mich an seine Seite; die Cheren schlossen einen Halbkreis um uns, den Gefangenen in ihrer Mitte haltend.

Der Häuptling betrachtete ihn von oben bis unten, dann fragte er: »Wer bist du? Mir ist es, als hätte ich dich schon einmal gesehen.«

»Ich verlange, daß du mich sofort wieder in Freiheit setzest. Ich wurde ungerechterweise gefangen genommen,« lautete die trotzige Antwort. Die Stimme kam mir bekannt vor, ja, ich hätte sie unter Tausenden herausgefunden.

Der Häuptling lächelte spöttisch. »Antworte auf meine Fragen. Anderes hast du hier noch nichts zu reden.«

»Ich will die Freiheit,« beharrte der Gefangene.

»Du wirst sie erhalten, sobald ich mich überzeugt habe, daß du ihrer würdig bist.«

»Du hast kein Recht, dich zu meinem Richter aufzuwerfen,« entgegnete der andere stolz.

Merlan sprang in die Höhe. »Du bist jetzt in meiner Gewalt. Antworte mir, was ich dich fragen werde, wenn du nicht willst, daß dich Merlan den wilden Tieren zum Frasse vorwerfe, wenn sie sich überhaupt herablassen, das ekelhafte Fleisch eines ehrlosen Feiglings zu fressen.«

Der Häuptling schien noch zu wachsen, seine Augen sprühten und sein Antlitz trug den Ausdruck männlichen Stolzes. In diesem Augenblicke war er sich seiner Würde vollbewußt.

Seine stolze Hoheit schien selbst dem Gefangenen zu imponieren. »Vergib mir! Ich wußte nicht, daß ich den berühmten Merlan vor mir hatte, den Häuptling der tapferen Cheren. Merlan, dem Könige des Landes, will ich gerne Rede stehen.«

Der Mann war offenbar nicht ohne Schlauheit. Er änderte klug seine Taktik, und suchte nun den Häuptling durch süße Schmeichelworte zu gewinnen. Und wirklich erreichte er wenigstens zum Teil seine Absicht. Merlan war ja ein Mann von großen Talenten, aber immerhin ein Halbwilder. Die Lobeserhebungen, der Hinweis auf seinen Ruhm bereitete ihm kein geringes Vergnügen. Er nahm die Schmeichelei für bares Gold.

»Gut denn! Wie heißest du?« setzte er das Verhör in bedeutend milderem Tone fort.

»Mantaragyi.«

»Dann hast du einen berühmten Namen. Woher kommst du?«

»Ich bin ein Shan aus Madeya.«

»Wie viele Shan wohnen wohl zu Madeya?« mischte ich mich hier in das Verhör.

Der Gefangene warf mir einen zornsprühenden Blick zu. »Die Anzahl der Shan, welche zu Madeya wohnen, beträgt hundertmal hundert,« sagte er.

»Zehntausend also – in einer Stadt von fünfzigtausend Einwohnern?« fragte ich ironisch.

»Herr, ich bin ein Shan und wohne zu Madeya, deshalb muß ich das besser wissen als du.«

Ich tat, als überzeugten mich diese Worte. »Da du es sagst, wird es wohl auch so sein.«

»Ich spreche stets die Wahrheit,« lautete die stolze Antwort.

»Wie kommst du hierher?« war Merlans nächste Frage.

»Ich bin auf der Reise nach Latha begriffen.«

»Latha – in China?«

»An der chinesischen Grenze. Ich war gut bewaffnet und hatte eine Menge Waren bei mir, die ich bei den Chinesen mit Vorteil loszuschlagen hoffte.«

»Ganz allein hast du diese Reise unternommen?« fragte ich.

»Ja, allein – warum auch nicht? Ich bin klug und mutig,« erwiderte er beleidigt.

»Daran zweifle ich nicht. Aber wer trug dir deine Waren?«

»Das tat ich selbst,« entgegnete er doch etwas verlegen.

»Wie kommt es, daß du jetzt unbewaffnet und deiner Waren beraubt bist?« fragte der Häuptling.

»Ein schweres Mißgeschick betraf mich. Vier Tage mag es her sein, da begegneten mir mehrere Männer, die mich sofort anfielen und sich meiner Waffen und Habe bemächtigten.«

»Beschreibe sie mir.«

»Ihr Befehlshaber schien ein Wongy zu sein.«

»Ah! Alt?« fragte der Häuptling aufgeregt.

»Ja, er hatte bereits weiße Haare.«

»Er ist es,« stieß Merlan wild hervor. »Er und immer wieder er!«

»Warum hast du dich nicht verteidigt?« wandte ich mich an den Gefangenen.

»Ich tat es – ja, ich kämpfte tapfer,« versicherte er.

»Du lügst!« Scharf und entschieden schleuderte ich ihm diese Beschuldigung in das Gesicht.

Er beharrte auf seiner Lüge, wagte es jedoch nicht, mir in das Gesicht zu blicken: »Ich sprach die Wahrheit.«

»Wie viele Feinde hast du getötet?«

»Es waren derer so viele« – erwiderte er zögernd.

»Vier,« sagte ich spöttisch.

»Aber ich war allein.«

»Immerhin, du warst bewaffnet. Du mußtest dich also verteidigen und den Feind zersprengen, oder dich wenigstens erst nach heldenhaftem Kampfe zurückziehen. Nun, wo sind denn die Spuren dieses Kampfes, die Wunden, die Schrammen? Du hast ein Bein gebrochen, das ist wahr, aber das ist gewiß kein Beweis einer rühmlichen Verteidigung.«

In Verlegenheit gesetzt, antwortete der Gefangene nicht sogleich, aber endlich ermannte er sich: »Ich wurde aus dem Hintergrunde überfallen.«

»Vorhin sagtest du, daß du den Räubern begegnet seiest und dich tapfer gewehrt hättest.«

Meine Art und Weise gefiel dem Menschen offenbar immer weniger. Er richtete sich in die Höhe und aus seinen Augen schoß ein Blick tödlichen Hasses zu mir herüber: »Du bist nicht der Häuptling der Cheren. Mit welchem Rechte also mischest du dich in unser Gespräch?«

»Weil ich dich wohl kenne, Schurke!«

Er erbleichte: »Du kennst mich?«

»Du kennst ihn?« rief auch der erstaunte Merlan.

»Ja. Er ist der Vertraute des Wongy und übt auf diesen einen großen, aber schlimmen Einfluß aus.«

»Du lügst!« heulte in Todesangst der Gefangene.

Merlan sprang in die Höhe, alles in ihm war in Aufruhr geraten.

»Herr, was sagtest du?«

»Daß dieser Mann der Vertraute des Verräters ist.«

»Darum, darum schien es mir, als müsse ich ihn schon einmal gesehen haben. Aber er behauptet das Gegenteil.«

»Ja, ich leugne, leugne alles,« schrie der Mordbrenner.

»Du hörst, er leugnet.«

»Natürlich! Meinst du, er wäre so albern, freiwillig einzugestehen, daß er zu den Unmenschen gehört, die dein Haus in Brand steckten und dich dem Feuertode weihten? Überlaß ihn mir, mein Freund, und ich verspreche dir, ihm ein Geständnis zu entreißen.«

»Er ist dein. Verfahre mit ihm, wie es dir gutdünkt,« riefen die Cheren einstimmig.

»Dank,« entgegnete ich. Dann fuhr ich fort, mich an den Gefangenen wendend: »Beharrst du auf deiner Aussage, ein Shan zu sein?«

»Ja, ja und tausendmal ja! Was ich sagte, ist wahr.«

»Schon gut! Die Peitsche wird dich bald zwingen, die Wahrheit zu gestehen.«

»Du willst mir die Peitsche geben?« rief er aufs höchste erschreckt.

Ich gab ihm keine Antwort mehr, sondern befahl zwei Cheren, ihn mit dem Gesichte nach unten auf die Erde zu legen. Sie gehorchten, obwohl er einigen Widerstand versuchte und in ein aus Wut und Angst gemischtes Geheul ausbrach.

»Wer von euch hat eine gute Peitsche?« erkundigte ich mich dann bei den Cheren.

»Ich besitze eine sehr gute,« sagte einer, ein robuster Mann, und trat vor.

»Willst du mir die Mühe abnehmen, diesen Verbrecher zu peitschen?«

»Sehr gerne!« versicherte der Mann und sein ganzes Gesicht lachte vor Freude. »Wieviel Hiebe soll ich ihm geben?«

»Hundertmal hundert,« erwiderte sich so ernsthaft als möglich; ich erreichte auch meine Absicht, dem Gefangenen mit dieser ungeheueren Zahl Entsetzen einzujagen.

»Zehntausend! Barmherzigkeit! Ich bin tot! Ich bin tot!« kreischte der Pseudoshan ganz außer sich.

»Herr, du bist ein Mann nach meinem Herzen,« rief der moderne Herkules vergnügt. »Keine größere Freude könntest du mir machen, als mit dem Auftrage, dieser Bestie zehntausend Hiebe verabreichen zu dürfen.«

»Hilfe! Hilfe! Gnade!« schrie der Gefangene von neuem.

»Du sollst begnadigt werden, wenn du die Wahrheit eingestehst,« erwiderte ich.

»Ich habe nicht gelogen.« »Eins!« befahl ich.

Der Herkules ließ die Peitsche durch die Lust sausen und dann mit aller Wucht auf den Rücken des Unglücklichen niederfallen.

Der gefesselte Schurke stieß einen Schmerzensschrei aus.

»Zwei!«

Ein neuer Schlag und ein neuer Schrei, diesmal jedoch kein Schmerzensruf. Der Gepeitschte heulte vielmehr mit aller Kraft seiner Lunge: »Genug, genug! Ich sage alles, alles, alles!«

Ich befahl dem Cheren, einzuhalten; er gehorchte, wenn auch sichtlich ungern.

»Wer bist du?« fragte ich nun abermals den Gefangenen.

»Ein Einwohner von Amarapura.«

»In wessen Diensten stehst du?«

»Wirst du mich auch nicht töten?«

»Wenn du nicht lügst, gewiß nicht. Ich werde dann sogar bei Merlan Fürsprache für dich einlegen.«

»Merlan fürchte ich nicht, sondern dich,« entgegnete der Tor, nicht ahnend, daß er von mir nichts, alles aber von Merlan zu fürchten hatte.

»Ich – mein Ehrenwort darauf – schenke dir das Leben.«

»Nun bin ich beruhigt. Mein Herr ist der Wongy Pagan.«

»Ich wußte es.«

»So? Und es ist dir nicht besonders angenehm, nicht wahr?« sagte er höhnisch. »Pagan ist ja dein Feind und hat deinen Freund und Gefährten getötet. Binnen kurzem wird auch der weiße Elefant ihm gehören und du bist unterlegen – und ich freue mich dessen.«

Der Häuptling wollte sprechen, aber ich, fürchtend, daß er mir mein Spiel verderben könne, gab ihm rasch ein Zeichen. Dann wandte ich mich wieder zu dem Gefangenen: »Nur gemach! Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Doch nun antworte mir: Welcher Art ist das Geheimnis, das dir eine solche Macht über deinen Herrn gibt?« »Was sagst du?« rief er erbleichend.

»Ich will, daß du mir dieses Geheimnis nennst.«

»Ich . . . ich,« stammelte er, bebend vor Furcht, »ich weiß nicht, was du meinst.«

»Denke an das Gespräch, das du mit deinem Herrn unter einem Feigenbaum führtest in jener Nacht, in welcher der Häuptling von Bamo von euch befreit wurde.«

»Ich werde dir nicht weiter antworten.«

»In einigen Minuten wirst du anders sprechen.«

»Niemals!«

»Pah! Drei!« befahl ich dem Cheren, welcher, die Peitsche noch in der Hand, unschlüssig neben mir stand.

Die Züge des birmanischen Stockmeisters verzerrten sich in wilder Freude. Er hob den Arm.

Ein Zischen, ein Schlag – ein wilder Schrei.

»Vier – fünf – sechs – sieben – acht —«

Nach jedem Hieb wurde das Geheul des Gemarterten stärker. Er flehte um Gnade, doch kein Wort fiel, daß er gestehen wolle.

Endlich nach dem neunten Schlag konnte er es nicht mehr aushalten.

»Ich sage alles, alles!« wimmerte er.

»Genug!« befahl ich.

Ich ließ den Verbrecher wieder auf den Rücken legen, damit ich ihm bei seinem Geständnis ins Gesicht sehen konnte. Ein tödlicher Haß glühte in seinen Augen.

»Nun sprich!« befahl ich.

»Der Wongy hat gestohlen.«

»Was?«

»Hunderttausend Tael.«

»Wo?«

»Im Tempel des Buddha.«

»Und wo ist dieses Geld?«

»Er trägt es bei sich.«

»Welchen Weg hat er eingeschlagen?«

»Er kehrte nach Amarapura zurück.«

Sollte das die Wahrheit sein? Ich hatte das Gesicht des Mannes, während er gesprochen, scharf beobachtet, aber er hielt die Lider halb gesenkt, so daß ich ihm nicht ins Auge schauen konnte. Doch ein spöttisches Lächeln, das bei der letzten Antwort schattengleich um seine blassen Lippen gehuscht, machte mich stutzig.

Ich befahl den zwei Cheren, ihn wieder auf das Gesicht zu legen; sie gehorchten sofort.

»Zehn!« sagte ich dann zu dem von mir ernannten Stockmeister, und der lügnerische Schurke erhielt den zehnten Peitschenhieb.

»Hilfe! Warum mißhandelst du mich?« schrie er voll Zorn.

»Weil du mich belogen hast.«

»Ich sagte die Wahrheit.«

»Elf!«

»Genug! Genug! Ich sagte die Wahrheit!«

»Zwölf – dreizehn – vierzehn! —«

»Genug, genug! Dir ist nichts verborgen. Ich werde nicht mehr lügen,« heulte der Elende in unsäglicher Angst.

»Ich will nichts mehr hören. Du hast mich so oft getäuscht, daß ich dir nichts mehr glaube. Nur weiter bis zehntausend. Fünfzehn!« entgegnete ich, entschlossen, dem Verbrecher jetzt ein Geständnis durch Schmerz zu entreißen.

»Du mußt mich anhören. Der Wongy . . .«

»Sechzehn!«

»Gnade! Der Wongy hat den weißen Elefanten durch Gift getötet.«

Ein Schrei der Entrüstung ging durch die Zuhörer. Der Wongy hatte den Schutzgeist des Kaisers ermordet, das war nach den Begriffen des Landes ein sehr schweres Verbrechen . . .

Diese Enthüllung schien mir glaubwürdig. Sie stimmte mit dem elenden Charakter des Wongy und seinem unversöhnlichen Haß gegen den unglücklichen Mangvé-Mengyi überein und war dem Munde des Mitschuldigen in einem Augenblick des höchsten Schmerzes entflohen.

»Halt!« sagte ich zu dem Cheren. »Ich habe erreicht, was ich wollte. Es ist genug!«

Der Gefangene atmete tief auf. »Endlich!« seufzte er.

»Ja, endlich hast du deine Schlechtigkeit in ihrem vollen Umfange enthüllt,« sagte Merlan ernst.

»Ich kenne dich nun. Du bist einer von den Elenden, die mein Haus in Brand steckten und mich und mein Weib dem grausamsten Tode überliefern wollten. Noch mehr! Du hast dich auch an der Ermordung des Senmeng beteiligt und schweres Unglück über unser Land herabgerufen. Ich, der Häuptling der Cheren, spreche dir dafür dein Urteil. Es lautet: Tod!«

»Gnade, mächtiger Häuptling!« flehte der Elende in Todesangst.

Und nun geschah etwas Gräßliches. In einem Einfall unbezähmbaren Zornes zückte der Häuptling sein Messer und stieß es, ehe es jemand hindern konnte, in die Brust des Unglücklichen; der blutende Körper zuckte einen Augenblick konvulsivisch, dann war alles vorüber . . .

Ich entfernte mich erschüttert von dem Orte des Strafgerichtes . . .

Dreizehntes Kapitel.
Blutsbruderschaft

Bereits waren elf Tage vergangen, seitdem der Wongy den Mordanschlag auf meinen unglücklichen Freund ausgeführt hatte. Schon waren zweiundzwanzig Tage seit unserer Abreise von der Hauptstadt verflossen und es blieben mir noch knapp vierunddreißig, in der mein Werk zu beenden ich nur hoffen durfte, wenn es mir gelang, mit größter Schnelligkeit zu handeln und jedes Hindernis, das sich mir in den Weg stellen wollte, zu vermeiden.

Am elften Tage konnte ich endlich Meharamen außer Gefahr erklären und, da er bei Bewußtsein war, einige Worte mit ihm sprechen. Natürlich sagte ich ihm nicht, wie lange er im Fieber zugebracht hatte, sondern ließ ihm den beruhigenden Glauben, daß er erst vor wenigen Stunden verwundet worden sei. Ich empfahl ihm, sich nicht zu sorgen und zu grämen. Er mußte mir versprechen, geduldig zu sein und sich vor meiner Rückkehr nicht von hier zu entfernen.

Kurz erzählte er mir, wie er an dem Tage, an dem er gefangen genommen worden, im Gebüsch den Knall meiner Flinte gehört und, mich in Gefahr wähnend, unvorsichtigerweise sein Versteck verlassen habe, um mir zu Hilfe zu eilen. Kaum war er herausgetreten, hatten ihn die Feinde auch schon erblickt und überwältigt. Während seiner Gefangenschaft hatte er unsäglich gelitten . . .

Von dem ungeheueren Blutverlust waren seine Kräfte erschöpft, sie hielten der Anstrengung des Redens nicht stand. Er sank wieder in den früheren lethargischen Schlaf.

Ich rüstete mich nun zur Weiterreise. Merlan bestand darauf, mich bis Muang-la zu begleiten. Er beabsichtigte, die eine Hälfte seiner Leute als Wache bei dem Verwundeten zurückzulassen, die andere sollte mit uns gehen.

Ich ließ mir von dem Häuptling die Männer nennen, die zurückblieben und gab ihnen die nötigen Anweisungen und Medikamente. Sie versprachen mir alles und versicherten, daß zwei von ihnen stets an Meharamens Seite bleiben würden.

Über diesen Punkt war ich also beruhigt.

Der Häuptling machte sich nun auch fertig. Er wählte die verläßlichsten und am besten bewaffneten seiner Leute und versah sie reich mit Fleisch, Reis, Tee und dergleichen. Gegen Mittag des elften Tages brachen wir auf.

»Kennst du den Weg nach Muang-la genau?« fragte ich Merlan.

»Ja. Ich sagte dir ja schon, daß ich bereits einmal dort war. Übrigens genügt es auch, daß wir dem Flusse nachgehen.«

»Wann glaubst du, daß wir den Ort erreichen?«

»Wenn wir schnell sind und durch nichts aufgehalten werden, schon in acht Tagen.«

»Ist der Weg sicher?«

»Vier Tage haben wir noch durch ein von Cheren bewohntes Gebiet zu wandern. Sie kennen und lieben mich, und du hast in meiner Gesellschaft nichts von ihnen zu fürchten. Dann aber gelangen wir auf das Gebiet der Pelugen, eines tapferen, jedoch räuberischen Stammes.«

»Sind die Pelugen und die Cheren Freunde?«

»Es herrscht Friede zwischen uns und ihnen, aber ein gezwungener Friede. Es ist gar nicht unmöglich, daß sie einen Angriff auf uns wagen, um uns zu berauben und zu Sklaven zu machen.«

Das war ja richtig, aber es versüßte mir keineswegs die bittere Pille, die mir der Häuptling mit diesen Worten gereicht hatte.

Die ersten Tage verliefen sehr glücklich und erfüllten somit die Vorhersagung des Häuptlings. Wir rücken mit befriedigender Schnelligkeit in dem Flußtale vorwärts; der Weg war schlecht, aber immerhin gangbar und die Indier, mit denen wir zusammentrafen, behandelten uns sehr freundlich. Sie verkauften uns zu billigen Preisen die Erzeugnisse ihres Landes und bekundeten auf alle Weise ihre Freundschaft mit Merlan.

Am Morgen des fünften Tages deutete der Häuptling auf eine zuckerhutförmige Spitze, die sich zu unserer Rechten erhob. »Hier beginnt das Land der Pelugen. Am Fuße dieses Berges liegt eines ihrer größten Dörfer. Ich denke, es wäre besser, wenn wir den Fluß durchwateten und unsern Weg auf der anderen Seite fortsetzten, um nicht von diesen Räubern gesehen zu werden.«

»Darin stimme ich dir vollkommen bei. Ich sagte dir ja schon, daß ich im Augenblicke jeden Kampf zu vermeiden wünsche.«

»Folge mir also!«

Wir setzten unsern Weg am andern Ufer des Flusses fort.

Gegen ein Uhr zeigte mir der Häuptling ein großes Dorf, dessen weiße Häuser, an den Abhang des erwähnten Berges hingeschmiegt, sich zierlich von dem grünen Hintergrunde abhoben: »Das größte Dorf der Pelugen.«

Ich zog mein Fernglas hervor und konnte durch dasselbe alles auf das genaueste unterscheiden. Die einzelnen Häuser waren von niedlichen Gärtchen umgeben. Das Dorf wurde von mehreren schmalen Wegen durchschnitten, auf denen ich einige Frauen und eine Menge Kinder sah; doch ein männliches Wesen konnte ich unter denselben, so angestrengt ich auch spähte, nicht entdecken. Und doch mußten sich in dem Dorfe Männer befinden. Befanden sie sich auf dem Kriegspfad? Davon hätte doch wohl Merlan etwas gewußt. Die Sache gab mir zu denken.

Ich reichte das Glas dem Häuptling und hieß ihn hindurchsehen. Er gehorchte, ließ aber die Hand sofort wieder mit einem markerschütternden Schrei sinken.

»Herr, du bist ein großer Zauberer,« rief er, von abergläubischer Bestürzung befallen.

»Warum denn?« erkundigte ich mich erstaunt.

»Du hast das Dorf vom Berge weggezaubert und in dieses Glas eingeschlossen.«

Ich lachte laut auf. »Du bist sehr gut gelaunt, Merlan!«

»Herr, niemals hatte ich weniger Lust zu scherzen,« entgegnete er sehr ernst.

»Dann verstehe ich dich nicht. Du siehst doch, daß sich das Dorf noch auf dem Berge befindet.«

Merlan riß die Augen auf.

»Bei dem heiligen Senmeng und allen Geistern der Seen, Flüsse und Meere, du hast recht, Herr! Das Dorf befindet sich noch auf dem alten Platz. Wäre es möglich, daß ich mich getäuscht hätte?« sprach er im Tone des Zweifels und hob das Fernglas von neuem an die Augen. »Aber nein! Ich habe mich nicht geirrt. Das Dorf ist in dem Glase.«

Abermals ließ er die Hand sinken. »Was sehe ich? Das Dorf ist ja wieder dort! Äfft mich denn ein böser Geist? Herr, Herr, warum hast du mich verzaubert?« rief er mit sich immer steigerndem Entsetzen.

»Aber siehst du denn nicht, mein Freund, daß dieses Glas die Eigenschaft hat, die Gegenstände zu vergrößern und dem Auge näher zu bringen? Betrachte es doch genauer.«

Merlan schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich nicht, aber ich sehe wohl, daß dies ein von Buddha gesegnetes Ding ist. O hätte ich doch auch ein solches Glas! Ich könnte damit schon von weitem meinen Feind beobachten und mir den Sieg sichern.«

»Gut! Verhilf mir zu dem Senmeng und das Glas ist dein,« sagte ich.

»O Herr, das wolltest du, – wirklich?« schrie Merlan voll unbändigen Jubels. »O, ich würde dich dann als meinen größten Wohltäter segnen, und wenn ich dich bis jetzt liebte und dir diente, dann – dessen kannst du versichert sein, wäre ich jeden Augenblick bereit, den letzten Blutstropfen für dich zu vergießen.«

»Ich weiß, daß du mich liebst. Aber bitte, betrachte das Dorf noch einmal gut durch das Glas.«

Er gehorchte.

»Was siehst du?« fragte ich.

»Die Häuser des Dorfes.«

»Und was sonst noch?«

»Frauen und Kinder.«

»Weiter nichts?«

»Nein!«

»Gib mir das Glas wieder und sage mir: fällt dir nichts Seltsames in jenem Dorfe auf?«

»Nein!«

»Wirklich nicht?« wiederholte ich bedeutsam.

Merlan schüttelte nachdenklich den Kopf. »Ich kann nichts finden. Was meinst du eigentlich?«

»Du hast keinen Mann in dem Dorfe gesehen, nur Frauen und Kinder. Besteht denn aber ein Dorf nur aus diesen?«

»Du hast recht,« rief er und kratzte sich den Kopf, »die Männer fehlen. Wo sind diese? Für gewöhnlich sind die Straßen voll von ihnen, oder die Faulpelze liegen in der Sonne und laben sich am Milchsaft, während die Frauen die Arbeit besorgen. Jetzt aber sind sie wie verschwunden!«

»Führen die Pelugen vielleicht Krieg mit einem feindlichen Stamme?«

»Das glaube ich nicht. Ihre Nachbarn sind die Chinesen und die Cheren. Mit jenen leben sie in Frieden. Peking ist weit und gar viele Stämme gehorchen nicht gerne dem Sohne des Himmels.«

»Nun und mit den Cheren?«

»Wenn ein Kampf zwischen den beiden Völkern entbrannt wäre, müßte ich es unbedingt erfahren haben. Das ist unmöglich.«

»Wenn er aber erst während deiner Abwesenheit vom Hause entbrannt ist?«

»Dann hätten wir es von den Cheren erfahren, mit denen wir zuletzt zusammengetroffen sind.«

»Wie aber, wenn ihr Feldzug nicht gerade den Cheren, sondern nur unserer kleinen Schar gilt?«

»Das ist erst recht ganz und gar unmöglich,« erklärte Merlan und warf mir einen Blick zu, der alles andere eher als Bewunderung ausdrückte. Wie hatte ich nur auf solch eine törichte Idee kommen können?

»Denke an Pagan,« entgegnete ich kurz.

Sofort verschwand die mitleidige Geringschätzung aus seinen Zügen und ein ängstlicher Blick brach aus seinen Augen. »Herr, was willst du damit sagen?«

»Daß ich fürchte, unser Feind, der das Land vor uns durchzogen hat, hat das Volk gegen uns aufgehetzt.«

Er senkte den Kopf. »Allerdings, das ist leicht möglich. Die Pelugen sind unsere Feinde und lieben den Krieg. Wenn ihnen der Wongy eine größere Summe Geldes versprach, zögern sie gewiß nicht, für ihn zu kämpfen.«

»Was ich sagte, ist nichts als ein einfacher Verdacht. In unserer Lage müssen wir alle denkbare Vorsicht gebrauchen, um unser Ziel zu erreichen.«

Unser Gefolge hatte bislang schweigend dagestanden. Jetzt jedoch drängten sich die Männer an mich heran und baten mich, auch ihnen das Fernglas zu zeigen. Jeder wollte auch einmal durch mehrere Augen sehen. Aber jetzt war dazu keine Zeit.

Wir hatten alle Ursache, uns aus der gefährlichen Nachbarschaft des Dorfes zu entfernen und so vertröstete ich die Cheren auf den nächsten Tag. Sie waren vernünftig genug, sich meinen Worten zu fügen.

Im Schutze des Waldes setzten wir still unseren Weg fort. Ich brachte das Pelugendorf oder richtiger die Männer, die dasselbe haben mußte und doch nicht hatte, nicht aus dem Sinne.

Ich musterte den Fluß und die gegenüberliegenden Höhen scharf mit dem ›Zauberglase‹, doch ich sah nichts, was meinen Verdacht hätte bestätigen können.

Eine halbe Stunde mochte so vergangen sein und das Pelugendorf lag bereits neben uns, als mich ein Blick auf den Waldboden plötzlich den, Schritt hemmen ließ.

»Was hast du?« fragte Merlan.

»Da sieh her!« gab ich zurück und deutete auf den Boden, auf welchem sich eine Menge Fußspuren zeigten.

»Eine Spur,« meinte der Häuptling gleichgültig.

»Ja, eine sehr lange Spur, die offenbar von vielen Männern herrührt und die vom Flusse herüberleitet. Sie ist auch noch ganz frisch. In unserer Nähe befinden sich also Personen, die uns vielleicht feindlich gesonnen sind.«

Merlan erbleichte. »Du bist sehr mißtrauisch, Herr,« sagte er.

»Ich bin nur vorsichtig und betrachte die Dinge nach allen Seiten. Gebiete deinen Leuten Stillschweigen; niemand darf ein Wort sprechen.«

Merlan wandte sich zu den Cheren und wiederholte meinen Befehl. Sofort entstand eine wahre Totenstille.

Ich beugte mich nieder und prüfte die Spuren lange und voll Aufmerksamkeit. Ich fand, daß sie nicht allein meinen Verdacht bestätigten, sondern sich die Wirklichkeit noch viel schlimmer erwies, als meine schlimmsten Vermutungen.

Hier befanden sich die Abdrücke von mehr als zweihundert nackten Füßen, noch ganz frisch. Gewiß hatte sie der weiche Boden erst vor einer halben Stunde aufgenommen.

Diese Personen waren vom Flusse herübergekommen – also ohne Zweifel aus dem Pelugendorf – und hielten sich vielleicht unweit von uns verborgen.

War es so, dann durften wir bei ihrer Überzahl nicht hoffen, als Sieger aus dem unvermeidlichen Kampfe hervorzugehen.

Ich eröffnete Merlan meine Gedanken. Er staunte über die große Anzahl der Feinde, zeigte sich aber nicht im mindesten erschreckt, weil er die Gefahr liebte.

»Ein einziger Elefant reißt mit Leichtigkeit hundert Bäume aus; ein Tiger tötet hundert Hirsche – und du willst nicht glauben, daß ein Cheren hundert Pelugen aufwiegt?« fragte er, sich stolz in die Höhe richtend.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
220 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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