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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 11

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Vierzehntes Kapitel.
Der Friede

Stillschweigend stiegen wir den Berg hinab, den Spuren folgend, die ich beim Aufstieg hinterlassen hatte. Wir kamen an dem Platze vorüber, auf welchem ich Congi gefangen genommen, und erreichten endlich am Spätnachmittage die Stelle, wo der Kampf zwischen den Cheren und den Pelugen stattgefunden hatte.

Vierzehn Leichen lagen auf dem Kampfplatze, sechs Pelugen und acht Cheren, die letzteren entsetzlich verstümmelt. Die Sieger hatten ihre Wut noch an den leblosen Gestalten ausgelassen. Lange betrachtete ich die toten Freunde, und ein Gefühl tiefen Schmerzes erfüllte mich. Ach, wie viele Opfer hatte diese meine Reise schon gefordert!

Mein ›Bruder‹ ballte die Hände. »Das ist die Frucht von Pagans Lüge,« stieß er zornbebend hervor. »Wongy! Wongy! Wehe dir, wenn du jemals in meine Hände fällst!«

Wir gelangten an den Fluß. »Das Wasser ist niedrig. Komme ruhig hindurch,« sagte Congi.

»Du willst mich in dein Dorf führen?«

»Ja.«

»Wäre es nicht besser, du ließest mich hier und gingest voran, deine Freunde zu meinen Gunsten zu stimmen?«

»Ich bin dein Bruder und darf dich nicht allein lassen. Komm! An meiner Seite hast du nichts zu fürchten.«

Diese Versicherung beruhigte mich.

Offenbar waren wir vom Dorfe aus gesehen worden, denn als wir an das jenseitige Ufer gelangten, trat eine Menge wohl bewaffneter Pelugen aus dem Walde; sie begrüßten Congi mit Jubel, während sie gegen mich eine feindliche Stellung einnahmen. Für einen Augenblick überlief es mich kalt. Wehe mir, wenn Congi den Verräter spielte!

Aber Congi war treu. Er legte seine Hand auf meine Schulter und rief: »Keine Feindseligkeiten, Freunde! Dieser Mann ist mein Bruder.«

Diese Worte übten mächtigen Eindruck auf die Pelugen; sie senkten die Waffen und betrachteten mich halb erstaunt, halb neugierig. Der Sohn ihres Häuptlings hatte mit einem weißen Manne Bruderschaft geschlossen – wie sollten sie sich das erklären?

Sie umringten uns und führten uns in das Dorf.

»Congi ist zurückgekehrt! Congi ist zurückgekehrt!« riefen sie dabei fortwährend.

Diese Jubelrufe brachten das ganze Dorf in Bewegung. Der Sohn des Häuptlings kam wohlbehalten zurück.

Das halbe Dorf strömte uns entgegen und konnte sich nicht genug tun an Freudenbezeigungen.

Unter der Menge fesselte ein alter Mann meine besondere Aufmerksamkeit. Seine hohe imposante Gestalt von edlem Anstand, seine weißen Haare und zitternden Hände erweckten in mir ein lebhaftes Gefühl der Hochachtung. Er stützte sich auf ein anscheinend sehr gutes Gewehr, als wenn er einen Stock hätte.

Als der Alte Congis ansichtig wurde, blitzte es freudig auf unter seinen buschigen Brauen. Er eilte auf ihn zu, drückte ihn an seine Brust und küßte ihn: »Congi, ich glaubte dich tot! Gautama sei gepriesen, daß ich dich lebend wieder habe!«

»Vater,« entgegnete Congi, »bisher hattest du nur einen Sohn, nunmehr aber hast du zwei. Dieser Mann ist mein Bruder.«

Der Alte trat einen Schritt zurück. »Du hast mit ihm Blutsbruderschaft geschlossen?« fragte er ernst, fast drohend.

»Ja.«

»Ohne meine Erlaubnis?«

»Dazu hatte ich nicht Zeit, Vater.«

»Ist dieser Mann würdig, mein Sohn zu heißen?«

»Er ist es.«

»Folgt mir auf den Platz, ich werde dort die Sache prüfen und dann mein Urteil abgeben. Hast du einen Unwürdigen zum Bruder gewählt, dann hast weder du noch er Barmherzigkeit von mir zu hoffen.«

Das durfte ich mir vor den Pelugen nicht bieten lassen, wollte ich in ihren Augen nicht für immer gebrandmarkt dastehen. Ich riß das Repetiergewehr von der Schulter und legte auf den Häuptling an.

»Was soll das heißen?« rief dieser erstaunt.

»Ich rüste mich zur Verteidigung.«

»Gegen wen?«

»Gegen dich!«

»Bei Buddha, das ist eine Beleidigung! Nirgends kannst du sicherer sein als bei mir.«

»Ich glaube dir nicht.«

»Du wagst, mich zu beschimpfen?« schrie der Häuptling, feuerrot im Gesichte. Auch seine Untertanen betrachteten mich drohend und mehr als einer griff nach seiner Waffe.

»Ich habe nicht die Absicht, dich zu beleidigen, ich richte mich einfach nach deinen Worten.«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Du sagtest, daß, wenn du mich nicht würdig findest, dein Sohn zu heißen, weder Congi noch ich aus Gnade zu hoffen hätten. Für den Fall also erklärst du mir den Krieg.«

»Und du fürchtest, daß ich dich unwürdig finde, ist es nicht so?« fragte Amoi mit einem spähenden Seitenblick.

»Ich kenne dich nicht. Ich beurteile dich genau so, wie du mich beurteilst und hoffe, daß ich dich bei näherer Prüfung meiner Achtung würdig finde.«

Der Alte erwiderte nichts. Es war gewiß das erstemal, daß ihm jemand derart entgegenzutreten wagte. Die Pelugen murmelten etwas Unverständliches, und nur in Congis Gesicht las ich, daß ihn mein freies, mutiges Auftreten befriedigte.

Amoi ging schweigend voran. Congi und ich folgten ihm ebenso still inmitten der Pelugen, die immer noch drohende Blicke auf mich warfen.

Schon nach wenigen Schritten erreichten wir das Ende des Waldes und die weißen Häuser schimmerten herüber. Ein schmales, schmutziges Gäßchen nahm uns auf und dann gelangten wir auf einen kleinen viereckigen Platz. Im Hintergrunde desselben erhob sich ein langes, niedriges Gebäude aus Backsteinen, das wohl zwei Türen, aber keine Fenster aufwies – offenbar der ›Palast‹ meines ›Vaters‹. Die anderen Seiten wurden von sehr kleinen, weiß angestrichenen Hütten begrenzt.

Vor dem ›Palaste‹ lagen einige halbnackte gefesselte Gestalten – meine Freunde.

Der Platz war mit Neugierigen angefüllt, die uns nur eine schmale Gasse frei ließen. In der Mitte des Platzes hielt der Häuptling an.

»Mein Sohn Congi,« begann er ernst, »schloß mit einem Fremden die Bruderschaft des Blutes, ohne mich um meine Zustimmung zu befragen. Es ist das eine unerhörte Sache, doch ich hoffe, das Vorgehen meines Sohnes entschuldigen zu können. Zuvor aber muß ich die Gründe zu seiner Handlungsweise kennen, muß ich wissen, ob du dieser Ehre würdig bist.«

Die Pelugen reckten die Hälse und spitzten die Ohren, um sich nur ja nichts von dieser interessanten Szene entgehen zu lassen.

»Prüfe mich,« sagte ich ruhig.

Noch hatte ich diesen Satz nicht beendet, als sich die Gefangenen bewegten, und plötzlich erklang Merlans Stimme voll Entrüstung: »Bei Gautama! Der Engländer, der Verräter!«

Nun, das hatte gerade noch gefehlt! Eine schöne Meinung in der Tat, die sich der Häuptling der Cheren da von mir gebildet hatte! Und sagen zu müssen, daß ich soeben mein Leben für ihn in die Schanze schlug.

Die Pelugen hatten diese Worte vernommen.

»Der Engländer! Der Engländer! Der Mörder des Senmeng!« gellte es aus hundert Kehlen und hundert Arme streckten sich nach mir aus: Ich stieß die ersten, die mir nahe kamen, zurück und brach mir mit Gewalt Bahn bis zu der Mauer des ›Palastes‹, so daß diese mir den Rücken deckte.

Ich rief Congi zu: »Folge mir, Bruder!« Und dann machte ich mein Gewehr schußfertig.

»Der erste, der sich mir nähert, ist ein Kind des Todes!«

Ein ungeheurer Tumult entstand.

Die Pelugen, weit entfernt, eingeschüchtert zu sein, gebärdeten sich immer drohender, und schon fürchtete ich, wirklich Gebrauch von der Feuerwaffe machen zu müssen, als ein gebieterischer Befehl Amois all den Lärm übertönte.

Der Häuptling erfreute sich sichtlich großer Wertschätzung bei seinem Stamme, denn wie durch einen Zauberschlag verstummte das Getöse.

»Platz!« erklang Amois Stimme von neuem.

Die Pelugen wichen zurück und bildeten eine schmale Gasse, durch welche der Häuptling auf uns zukam. Er sah sehr bleich und tief erschüttert aus, offenbar hielt er mich für schuldig und sah sich in die Notwendigkeit versetzt, seinen Sohn hart strafen zu müssen . . .

Er trat schützend vor mich hin, wobei er mir jedoch einen nicht eben freundlichen Blick zuwarf. Zu seinen Untertanen gewendet, sagte er: »Bis jetzt haben die Pelugen noch nie einen Mann getötet, dem nicht zuvor das Urteil gesprochen worden war.«

Leises Gemurmel der Zustimmung folgte.

»Und noch nie hat ein Richter das Urteil gesprochen, ohne zuvor den Angeklagten gehört zu haben,« fügte ich hinzu.

»Wer gab dir die Erlaubnis zu sprechen?« wandte sich der Alte mit gerunzelter Stirne an mich.

»Amoi,« entgegnete ich ernst, »in meinem Vaterlande sagt man: Ehre das Alter! Nur deinen weißen Haaren hast du es zu danken, daß ich meinen Zorn zügele und dein Leben schone.«

Er machte eine heftige Gebärde. »Verwegener! Wie darf ein zum Tode Verurteilter es wagen, so zu sprechen?«

»Du nennst mich einen dem Tode Geweihten? Als ob ich nicht euch alle, wie ihr da seid, dem Tode überantworten könnte! Gib acht!«

Auf einem ganz nahe befindlichen Häuschen waren die Fetzen einer alten Fahne aufgepflanzt.

Den Schaft, an dem dieselben hingen, nahm ich aufs Ziel und gab Feuer. Die Kugel blieb in dem runden Holze stecken.

Ich hörte ein Gemurmel der Bewunderung. Die Pelugen erkannten meine Kunstfertigkeit an, obwohl sie mich als ihren Feind haßten.

Ein zweiter Schuß! – auch er traf sein Ziel, ebenso ein dritter, vierter und fünfter. In gerader Reihenfolge legten sich die Kugeln nebeneinander in das Holz.

Bei dem zweiten Schuß wiederholte sich das Beifallsgemurmel; bei dem dritten wurde es schwächer, um bei dem vierten ganz zu verstummen. Auf den braunen häßlichen Gesichtern malte sich Angst und Schrecken.

Ich hatte noch acht Kugeln in der Kammer meines Repetiergewehres, aber ich feuerte sie nicht ab, weil ich auf alle Fälle vorbereitet sein wollte und ich nicht wissen konnte, ob mich die Pelugen trotz meiner Proben in der Schießkunst nicht dennoch angreifen würden. Ich ließ das Gewehr sinken und redete zu den braunen Gesellen vor mir also:

»Es sind noch mehr Kugeln in meiner Waffe. Ihr habt gesehen, daß jeder Schuß trifft und daß ich schnell hintereinander, ohne erst laden zu müssen, schießen kann. Hütet euch nun, denn wenn ich will, seid ihr in wenigen Augenblicken des Todes.«

»Herr,« – begann Amoi zögernd.

»Wenn ich euch das Leben schenke, geschieht es allein um Congis willen. Aber damit ihr erfährt, wer ich bin und wie groß das Unrecht ist, das ihr gegen mich begeht, verlange ich, daß du nun auf meine Fragen antwortest. Wessen beschuldigt ihr mich?«

»Du bist ein Engländer.«

»Ich bin kein Engländer, sondern ein Italiener. Aber auch wenn ich es wäre, ist das ein Verbrechen?«

»Du bist das Haupt dieser Cheren,« fuhr der Häuptling fort, auf die Gefangenen deutend.

»Das leugne ich nicht. Ich bin sogar nur deswegen hierher gekommen, um deren Freiheit zu verlangen.«

»Herr!« schrie Merlan, »verzeih, was ich vorhin sagte. Du bist kein Verräter.«

»Niemals hatte ich die Absicht, einer zu werden. Wessen beschuldigt ihr mich noch?«

»Du hast den Senmeng ermordet,« antwortete Amoi endlich.

»Darüber befrage Congi. Er wird, daran zweifle ich nicht, seinen Bruder verteidigen,« erwiderte ich.

Und Congi ließ sich das nicht zweimal sagen; er hielt eine vorzügliche Verteidigungsrede. Die Pelugen hörten mit sichtlicher Spannung zu. Congi begann vom Augenblicke seiner Gefangennahme an, wie ich ihn hätte töten können oder wenigstens darauf bestehen, ihn gegen die Gefangenen auszuwechseln, wie ich ihm aber das Leben geschenkt und sogar die Bruderschaft angeboten hätte. Ich hätte die Pelugen töten und die Gefangenen auch so befreien können, aber ich sei ihm frei und offen nach dem Dorfe gefolgt – sei das nicht ein Beweis für meine Schuldlosigkeit? Schließlich sprach er auch von dem Wongy Pagan und wie er sie alle getäuscht hätte —

»Unmöglich!« unterbrach Amoi die Erzählung seines Sohnes.

»Es ist wahr,« griff ich hier in das Gespräch ein. Dann erzählte ich von dem Haß zwischen Pagan und Mangvé-Mengyi, von der Vergiftung des Senmeng und wie ich den Racheplan Pagans durchkreuzte, ich erzählte von meiner Reise zu dem Senmeng, von Pagans Verfolgung und dem Zusammenstoß mit ihm.

Ich berichtete in einfacher, schlichter Rede, aber die Überzeugung, welche meine Erzählung beseelte, machte sichtlich großen Eindruck auf die Zuhörer.

»Wäre ich wirklich der Mörder des Senmeng, hätte ich dann nicht auch euch nach dem Leben getrachtet, um so mehr, als ihr mir so viele teuere Freunde getötet habt? Einem Manne, der grausam genug ist, ein heiliges, verehrtes Tier zu töten, würde es gewiß nicht einfallen, Frieden mit euch zu schließen,« beendete ich meine Verteidigung.

Die Pelugen waren außer sich. Sie hatten den verbrecherischen Wongy in Händen gehabt und ihn mit Freundlichkeiten überhäuft, ihm den Weg nach Muang-la gezeigt und erleichtert, und hatten sogar seinetwegen den Kampf mit uns aufgenommen. Das empörte diese tapferen Bergbewohner und entflammte in ihren Herzen den Wunsch nach Rache. Sie gelobten feierlich, daß der Wongy sein Vergehen mit dem Tode sühnen müsse; bis nach Muang-la, ja, wenn es nötig war, bis nach Amarapura wollten sie ihn verfolgen.

Jetzt wandte sich der Häuptling wieder zu mir: »Was willst du nun von uns, tapferer Fremdling?« fragte er ehrerbietig.

»Ich biete dir Krieg oder Frieden. Was wählst du?«

»Den Frieden!«

»So erfülle meine Forderungen.«

»Und was begehrst du?«

»Vor allem, daß du meine Freunde wieder in Freiheit setzest.«

»Dann verlangst du zu viel. Weißt du nicht, daß die Cheren geschworene Feinde der Pelugen sind?«

»Das ist nicht wahr. Und wenn es so wäre, so sind sie jetzt die Rächer des Senmeng.«

»Ohne weiteres soll ich sie freilassen, kein Lösegeld darf ich dafür fordern?«

»Ich verzeihe euch, du gibst dafür meine Freunde frei – ist das nicht genug?«

»Er verlangt die Freiheit der Rächer des Senmeng, Häuptling,« schrien die Pelugen, die mir plötzlich ihre Freundschaft zugewandt hatten.

»Gut denn, es sei, doch nur unter der Bedingung, daß einige unserer Männer dich nach Muang-la begleiten dürfen, sei es unter meiner oder unter Congis Führung.«

»Um dies wollte ich dich gerade bitten,« entgegnete ich.

»So umarme mich denn, Sohn meines Herzens und Bruder meines Congi,« rief der Alte, die Arme ausbreitend.

Ich gehorchte, und nachdem wir den üblichen Kuß getauscht hatten, löste ich die Bande der Gefangenen.

»Warum hast du meine Leute nicht gerächt?« fragte Merlan.

»Wozu? Es hätte den Toten keinen Nutzen, uns aber unendlichen Schaden gebracht. Danke deinen Göttern, daß es mir gelang, euere Freiheit zu erhalten,« erwiderte ich.

Fünfzehntes Kapitel.
Der weisse Elefant

An jenem ereignisreichen Abend schloß Merlan noch innige Freundschaft mit dem Häuptling der Pelugen. Die Toten wurden ehrenvoll beerdigt. Auf die Tränen, die ihrem Andenken geflossen waren, folgte ein bis tief in die Nacht währendes fröhliches Mahl, bei welchem die erbitterten Feinde sich in zärtliche Brüder verwandelten.

Den nächsten Morgen machte ich mich frühzeitig auf den Weg. Merlan und zwei Cheren, sowie Congi mit zehn Pelugen begleiteten mich.

Unsere Reise verlief ohne Unfall. Von den Pelugen, mit denen wir unterwegs zusammentrafen, erfuhren wir, daß Pagan seinen Weg mit großer Schnelligkeit fortsetze, und wir bei aller Anstrengung ihn nicht einholen würden.

Am fünften Tage überschritten wir die chinesische Grenze.

Am Vormittage dieses Tages verließen wir das Tal des Bamo-Nam-Tapug und gelangten auf eine weite Ebene, auf welcher sich ein Städtchen erhob: es war Muang-la.

Endlich, endlich! Ganze 35 Tage hatte ich zu meiner Herreise gebraucht, nun blieben mir noch 25 übrig. Würden sie zur Rückreise genügen? Ich hoffte es.

Als wir die Stadt betraten, trat ein alter Mann aus einer Pforte heraus. Alt mußte er sein, das bewies der schneeweiße Schnurrbart des chinesischen Großvaters.

Ich blieb stehen und grüßte den Alten mit einem tiefen ›Cingleao‹. Er antwortete höflich: »Cin-Cin.«

Der Chinese betrachtete mich mit einem Gemisch von Furcht und Staunen.

»Wie geht es, alter Vater?« fragte ich nach chinesischer Sitte.

Meine Höflichkeit gewann mir auch sofort das Herz des bezopften Sohnes der Mitte. Er lächelte geschmeichelt: »Herr, ich bin alt, aber du bist noch viel älter als ich.«

»Die Zahl meiner Jahre ist bedeutend geringer, als die der deinen,« wehrte ich ab.

»Herr, niemals hätte ich geglaubt, daß du lügen würdest. Dein Äußeres täuscht; du bist tausendmal älter als ich.«

Es stand zu befürchten, daß dieser höfliche Streit bis abends fortdauern werde; ich entschloß mich daher, ihm ein Ende zu machen. »Einigen wir uns dahin, daß wir in dem gleichen Alter stehen, denn weiter kann ich dir unmöglich nachgeben. Ich wollte artig sein, doch du übertriffst mich an Höflichkeit und zwingst mich, dir wenigstens dies Zugeständnis zu machen.«

»Gut denn! Wir sind also beide in demselben Jahr, demselben Monat, an demselben Tage und unter demselben Stande der Sonne geboren worden.«

»Ja und da wir nun am gleichen Tage und zur gleichen Stunde geboren wurden, wirst du es gewiß nicht verweigern, mir eine Auskunft zu erteilen.«

»Sprich!«

»Du bist doch gewiß in der Stadt bekannt?«

»Ich lebe seit vielen Jahren in Muang-la und kenne jeden einzelnen Einwohner.«

»Besitzen diese wohl auch Elefanten?«

Ein höchlichst verwunderter Blick traf mich. »Also auch du kommst wegen des weißen Elefanten?« rief der Alte.

Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen.

»Was heißt das?«

»Du bist nun schon der dritte, der sich nach diesem Tiere erkundigt. Die ganze Stadt spricht nunmehr von dem weißen Elefanten und dem fabelhaften Glück seines Besitzers, der durch ihn sicher noch zu großem Reichtume gelangt. Zwei vornehme Herren sind bereits in der Stadt, die ihn zu erwerben suchen, wenn nun auch du diese Absicht hegst, muß das ja den Preis in die Höhe treiben.«

Diese Worte gaben mir zu denken.

Zwei also bewarben sich um das kostbare Tier? Pagan war der eine, natürlich – aber der zweite?

Nun, jedenfalls durfte ich keine Zeit mehr verlieren. Es war noch ein Glück für mich, daß sich zwei Bewerber eingefunden hatten, sonst wäre Pagan wohl schon mit dem Elefanten auf dem Wege nach Amarapura.

»Wer sind die zwei Männer, die den Senmeng kaufen wollen?« erkundigte ich mich bei dem Chinesen.

»Der eine scheint ein Landsmann von dir zu sein. Er kam gestern abend hier an, von einigen Männern begleitet, die genau so gekleidet und bewaffnet sind, wie dein Gefolge.«

»Ist er alt?«

»Ja, doch noch nicht so alt wie du. An einem Arme ist er verwundet – vielleicht ist er unterwegs von Räubern überfallen worden.«

Kein Zweifel, das war Pagan.

»Und der andere?«

»Dieser weilt seit gestern mittag in unserer Stadt.«

»Beschreibe ihn mir!«

»Er ist gekleidet wie ein Chinese, doch er ist es nicht.«

»Wie weißt du das?«

»Er versteht unsere Sprache nicht und trägt Fenster vor den Augen.«

Wer mochte diese geheimnisvolle Persönlichkeit sein, die sich mit dem Zopfe und Augengläsern schmückte?

»Wie verständigt er sich denn mit euch?« forschte ich weiter.

»Er hat einen Dolmetscher bei sich.«

»Wo befindet sich der Eigentümer des Elefanten?«

»Wenn du das Tier sehen willst, genügt es, daß du dich auf den öffentlichen Platz begibst, wo heute der Verkauf stattfindet und diese beiden Käufer auch schon anwesend sind. Sie werden indessen noch lange steigern können, denn der Besitzer ist nicht gesonnen, das Tier so rasch loszuschlagen.«

»Wer ist der Besitzer?«

»Huang-tse, ein armer Teufel, der außer dieser Bestie nichts besitzt. Jetzt wird er sicher seine tausend Tael dafür lösen.«

Ich hatte genug gehört und durfte meine Zeit nicht länger bei dem redseligen Alten vergeuden. Ich reichte ihm ein kleines Geldgeschenk und entfernte mich.

Unterwegs teilte ich den beiden Häuptlingen mit, was ich soeben in Erfahrung gebracht hatte.

»Pagan ist also nahe!« rief Merlan mit glühendem Gesicht.

»Ich kann es kaum erwarten, ihn in meine Hände zu bekommen,« ereiferte sich Congi.

»Ja, in die Hände bekommen und würgen, würgen – ah, endlich ist die Zeit der Rache da.«

»Freunde,« bat ich, »erweist mir einen Gefallen.«

»Was willst du?« fragten beide wie aus einem Munde.

»Zügelt eueren Zorn und greift Pagan nicht an, bevor ich den Senmeng sicher habe.«

»Das ist unmöglich!« rief Merlan rasch. Congi antwortete nicht. Auch ihm war meine Bitte nicht angenehm.

»Wenn ich dich bitte! Denke doch an den Senmeng. Das unersetzliche Tier darf keiner Gefahr preisgegeben werden. Sobald ich Herr des Senmeng bin, mögt ihr mit Pagan machen, was ihr wollt.«

»Aber wenn er uns unterdessen entflieht?«

»Er kann nicht entfliehen. Behaltet ihn gut im Auge, überwacht jeden seiner Schritte, folgt ihm wie sein Schatten. So viele Männer werden doch imstande sein, einen einzigen zu überwachen?«

»Nun denn, dir zuliebe will ich mich so lange beherrschen. Aber das sage ich dir, sobald du für Mendun-Men den neuen Schutzgeist erworben hast, lasse ich mich nicht länger zurückhalten und dann wird es nicht länger heißen, Merlan der Gütige, sondern Merlan der Gerechte, der Rächer!« sprudelte der Häuptling erregt hervor.

»Immerhin möchte ich dir Klugheit und Mäßigung anempfehlen. Es könnte dir teuer zu stehen kommen, Pagan in einer belebten chinesischen Stadt anzugreifen —«

»Schweig!« unterbrach mich Merlan heftig; »schweig, oder ich vergesse, was du für mich getan hast. Gewiß, Merlan ist kein Undankbarer, aber höher als alles steht ihm die Rache.«

Ich zog es vor, dem erzürnten Manne nicht weiter zu widersprechen.

Schon lagen die ersten Häuser der Stadt vor uns.

Der Chinese legt großen Wert auf das Äußere und beurteilt demgemäß die Menschen. Mir stellte er aber gegenwärtig gewiß kein günstiges Zeugnis aus, denn der Anzug, den ich in Bamo gekauft hatte, befand sich in einem wahrhaft jammervollen Zustand. Aber im Bündel trug ich noch das kostbare Gewand, welches mir der eingekerkerte Mangvé-Mengyi zum Geschenk gemacht hatte. Rasch entschlossen warf ich meine Fetzen ab, hüllte mich in den Samtmantel, hing das Hörrohr an die Seite und setzte das Barett auf; zum Überfluß nahm ich noch Betelschachtel und Spucknapf zur Hand. Der laute Beifall meiner Gefährten bewies mir, wie sehr sie meine äußere Umwandlung überraschte. Befriedigt betrat ich die Stadt.

Enge Straßen mit bizarren Häuschen und einem entsetzlich holperigen Pflaster, das war Muang-la .

Doch die Straßen waren leer und die Läden geschlossen. Eine Weile irrten wir planlos in den Straßen herum. Endlich wies mir ein dumpfes Stimmengewirr den Weg.

Der weite, unregelmäßige, von einer halbverfallenen Pagode überragte Platz war vollgestopft mit Chinesen, die eifrig durcheinander schrien. Diese lebende Mauer entzog den weißen Elefanten und die nach seinem Besitz Lüsternen meinen Blicken. Ich näherte mich einem Manne in den mittleren Jahren und erkundigte mich: »Was geht hier vor?«

»Kennst du denn die große Neuigkeit nicht?« fragte er erstaunt zurück.

»Ich bin fremd hier und soeben erst angekommen.«

»Daß du kein Chinese bist, sehe ich wohl. Man verkauft den ›Herrn‹ Elefanten.«

Ich setzte meine Fragen nicht fort, denn plötzlich lenkte ein offenbar von einem eisernen Instrument geführter Schlag meine Aufmerksamkeit ab. Das Plaudern der Menge verstummte und in der tiefen Stille vernahm man deutlich den Ruf: »Sechshundert Tael!«

Das war Pagans Stimme.

Und nun sprach eine tiefe Baßstimme auf englisch – man denke sich mein Erstaunen —: »Bah – Kleinigkeit! Sechshundert und ein Tael!«

Eine jugendliche Stimme übersetzte diese Worte in die chinesische Sprache.

»Zu wenig!« rief ein dritter.

Darauf brach die Menge in Freudengeschrei und wildes Klatschen aus.

Der öffentliche Verkauf des weißen Kolosses hatte also bereits begonnen.

Wer war der Engländer, der da um den Senmeng mitbot? Die Stimme hatte mir so bekannt geklungen, sie erinnerte mich an einen lieben Freund und Reisegefährten. —

Der Preis des weißen Elefanten war augenblicklich noch sehr niedrig gestellt. Ein Tael ist gleich acht Lire. Sechshundert Tael repräsentieren also zweihundert Pfund Sterling – und ich konnte über tausend verfügen.

Ich suchte mich durch die Menschen hindurch zu winden, um in die Nähe des Tieres und seines Verkäufers zu gelangen, doch das ging nicht so leicht.

Die Chinesen setzten mir zähen Widerstand entgegen und erst unseren vereinten Anstrengungen gelang es, sie zum Weichen zu bringen – allerdings nicht ohne lauten Protest seitens der Unterliegenden.

Das Schauspiel, das sich jetzt meinen Blicken bot, wird mir ewig unvergeßlich bleiben. Inmitten eines kleinen Kreises befand sich der Senmeng, ein großes und ziemlich wohlgenährtes Tier von tadelloser Farbe.

Auf einem hölzernen Stuhl saß gravitätisch ein Mandarin der elften Klasse. Neben ihm stand ein kleiner, dürrer, schlecht gekleideter Chinese, dann kam Pagan in sehr vernachlässigtem Anzuge und noch zwei Chinesen.

Der eine von diesen beiden war ein noch junger Mann von gewöhnlichen Gesichtszügen, der andere dagegen eine hohe, hagere Gestalt mit einem blonden Barte und ›Fenster‹ vor den Augen.

Erstaunt betrachtete ich den mir sehr bekannt vorkommenden Mann. Nein, es war kein Zweifel möglich, er war es wirklich, mein alter Freund und Reisegefährte, Sir John Daffley aus New York.

Sir Sohn in Muang-la ! Das ging nicht mit rechten Dingen zu.

Eine Weile stand ich in stille Betrachtung verloren, dann aber näherte ich mich entschlossen dem Mandarin.

Neugierige Blicke begrüßten mich von seiten jener, denen ich fremd war. Pagan aber erschrak sichtlich und die Augen traten ihm fast aus dem bleichen Gesichte. Sir John dagegen betrachtete mich mit einem so wenig geistreichen Ausdruck der Verwunderung, daß ich zu jeder anderen Zeit in ein lustiges Lachen ausgebrochen wäre. Jetzt jedoch schienen mir die Augenblicke viel zu kostbar selbst zum Lachen!

»Cing-leao, mächtiger Cuangfu!«

»Cin-Cin! Du sprichst unsere Sprache?« fragte der Mandarin erstaunt.

»Wie du siehst!«

»Was willst du hier?«

»Ich will den weißen Elefanten kaufen.«

Das Gesicht des glücklichen Besitzers verklärte sich förmlich vor Freude, während die Menge in neuen Beifall ausbrach. Die Sache wurde immer interessanter.

»Habe ich recht gehört? Du willst den weißen Elefanten kaufen?« wiederholte der Beamte.

»Gewiß!«

»Und wieviel bietest du?« »Erlaube mir erst eine Frage.«

»Sprich!«

»Du bist der Cuangfu des Ortes?«

»Ja.«

»Wer stellte dich auf diesen Posten?«

»Der Sohn des Himmels.«

»Aus welchem Grunde?«

»Welch eine Frage! Natürlich, um die Stadt zu pflegen und dafür zu sorgen, daß ihre Einwohner seine Gesetze auch wirklich befolgen.«

»Sehr gut! Nun eine andere Frage: Was geht hier vor? Ein einfacher Verkauf oder eine öffentliche Feilbietung?«

Der Mandarin bedachte sich eine Weile. Endlich entgegnete er: »Eine Feilbietung.«

»Und für wann ist das Ende derselben anberaumt?«

»Sobald der Eigentümer das Tier losschlägt, ist sie zu Ende, das versteht sich doch von selbst.«

»Du scherzest wohl, Cuangfu?«

»Warum?« gab er erstaunt zurück.

»Weißt du nicht, daß das Gesetz bestimmt, daß bei jeder Feilbietung ein bestimmter Zeitpunkt festgesetzt wird, der nicht überschritten werden darf? Mit dem Schlag der betreffenden Stunde darf kein Gebot mehr gemacht werden.«

»Wahrhaftig, du hast recht! Ich hatte das ganz vergessen. Die Versteigerung endet —«

»Cuangfu, das wirst du doch mir nicht antun?« fleht der Verkäufer angstvoll.

»Ich kann nicht anders handeln.«

»Wer kann dich zwingen, dich, den Herrn der Stadt?«

Der Mandarin wiegte unentschlossen den Kopf hin und her. »Wenn ich es recht betrachte, so hast auch du nicht unrecht —«

Aber ich war auch noch da. »Cuangfu, zu groß ist deine Weisheit und Gerechtigkeit, als daß du die Gesetze verletzen möchtest. Ich bin ein Wongy von Birma.«

Ich fürchtete im stillen, Pagan werde nun das Wort ergreifen und mich bloßstellen, doch er schwieg.

Meine Worte hatten sichtlich Eindruck auf den Cuangfu gemacht. »Ich bin Cuangfu und kenne meine Pflicht,« entschied er. »Die Versteigerung dauert bis Sonnenuntergang. Wer um diese Zeit das letzte Gebot tut, ist der Herr des Tieres.«

Um Sonnenuntergang – und jetzt war es erst ein Uhr. Also hatten wir noch gute sechs Stunden Zeit, die ich denn auch nutzbringend anzuwenden gedachte.

»Dagegen erhebe ich Einspruch,« schrie der Verkäufer ganz außer sich.

Der Mandarin sprang auf, puterrot im Gesichte.

»Was unterstehst du dich, Saote? Du widersprichst den Anordnungen deines Cuangfu? Soll ich dir etwa fünfzig Peitschenhiebe auf die nackten Fußsohlen geben lassen?«

Der unglückliche Chinese erwiderte nichts mehr.

»Nun möchte ich dich bitten, die Käufer auch an die weitere Vorschrift des erwähnten Gesetzes zu erinnern,« fuhr ich fort.

»Was meinst du?«

»Das Gesetz schreibt weiter vor, daß jeder, der bei einer öffentlichen Versteigerung mitbietet, dem Leiter derselben oder dem Verkäufer beweisen muß, daß er auch genügend Geld bei sich führt, um den vereinbarten Preis sofort erlegen zu können.«

»Richtig! Auch das hatte ich vergessen,« bemerkte der Mandarin trocken; dann erhob er seine gellende Stimme, daß sie weithin über den Platz tönte: »Die Versteigerung währt bis Sonnenuntergang. Jeder kann daran teilnehmen, doch muß er beweisen können, daß er genug Geld bei sich trägt, um den Kaufpreis nötigenfalls sofort erlegen zu können.«

»Verwünscht!« stieß Pagan hervor. Er schüttelte die Faust gegen mich und rief: »Am Abend also!«

Ich ging zu Merlan: »Ich muß dich jetzt verlassen und werde erst gegen Abend zurückkommen. Bleibe solange hier und bewache den weißen Elefanten, daß er nicht etwa getötet oder von hier fort gebracht werde. Versprich mir das!«

Congi aber gab ich folgende Anweisung: »Folge Pagan und sieh zu, daß du ihn auch nicht für einen Augenblick aus den Augen verlierst!«

Das war also geordnet. Nun kam wieder der Mandarin an die Reihe. »Cuangfu,« sagte ich zu ihm, »ich bewundere deine Weisheit und werde sie verkünden, wohin ich komme.«

Der Mandarin lächelte geschmeichelt. »Herr, schade, daß du kein Chinese bist; du wärest würdig, ein solcher zu sein,« sagte er; er war überzeugt, mir damit die größte Schmeichelei gesagt zu haben. Ist denn nicht der Chinese der Inbegriff aller Vollkommenheit?

»Ich habe noch nie einen Beamten gesehen, der sein Amt so klug und geschickt zu verwalten wußte, wie du, Cuangfu! Verzeih, wenn ich mich jetzt auf kurze Zeit entferne.«

»Wohin gehst du?«

»Es ist noch lange bis Sonnenuntergang. Ich will einen Rundgang durch die Stadt machen, die ich noch nicht besichtigt habe; ich gedenke erst kurz vor dieser Zeit zurückzukehren.«

Ich verabschiedete mich von dem Beamten mit einer tiefen Verneigung und trat auf Daffley zu, der bisher seinen Blick noch nicht von mir gewandt hatte.

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04 декабря 2019
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