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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 8

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Zehntes Kapitel.
Vom Flammentode bedroht

Ich ließ den Wongy und seine Mannen abziehen und folgte ihnen langsam. Ich holte mein Bündel und dann ging es vorsichtig dem Feinde nach.

Dieser rückte verhältnismäßig schnell vor, denn der Weg mußte mehr als schlecht genannt werden. Das Tal wurde immer enger, der Urwald immer dichter. Später trat jedoch der Wald zurück und das Tal verbreiterte sich. Weit konnte hier mein Blick schweifen und ich suchte denn auch sofort meine Feinde. Mit Hilfe meines guten Fernglases gelang es mir bald, sie ausfindig zu machen, wie sie, etwa vier Kilometer von mir entfernt, einträchtig dahinzogen.

Nunmehr hatte ich gewonnen und konnte meinen Weg nicht mehr verfehlen.

Die Verfolgung des Feindes wurde für mich jetzt aber weit schwieriger.

Kurze Zeit vor Sonnenuntergang hielten die Feinde bei einer riesigen Tamarinde an. Ich konnte durch mein Glas beobachten, wie sie den Gefangenen an den Baum banden, wie der Wongy sich bequem auf die Erde lagerte und seine Leute emsig dürres Gras und Äste zusammenrafften. Die Finsternis entzog mir den Anblick des feindlichen Lagers, von dem bald ein lodernder Flammenschein gen Himmel stieg. Ich besorgte nun nicht weiter, entdeckt zu werden und näherte mich dem Lager vorsichtig bis zur Grenze, an der Licht und Finsternis miteinander kämpften.

Ich konnte alles bequem übersehen. Der Gefangene lehnte sich müde gegen den Stamm, während die Gefährten des Wongy sich damit beschäftigten, ein schönes Stück Wildbret über dem Feuer zu braten. Zwei Männer bildeten die Schildwache, einer von ihnen hielt den Revolver in der Hand, den ich Meharamen gegeben hatte.

Lange stand ich auf der Lauer. Die Feinde hatten bereits ihr Abendessen beendet und einer nach dem anderen streckte sich zum Schlafe nieder. Nur die beiden Schildwachen blieben munter.

Ich sah ein, daß für diesen Abend nichts mehr zu machen war. Ich wählte mir ein sicheres Versteck und schloß ebenfalls die Augen zur Ruhe.

Die Sonnenstrahlen weckten mich. Ich sprang auf, es war bereits neun Uhr.

Mit meinem Feldstecher spähte ich in die Runde, entdeckte aber keine lebende Seele. Nach einer halben Stunde erreichte ich die Tamarinde, bei welcher die Feinde gelagert hatten. Ich untersuchte die Fußspuren, die von hier weg das Tal hinaufführten, und machte mich dann sofort auf den Weg. Zum Glück war der Weg wenigstens vorläufig noch gut zu nennen. Bis Mittag konnte ich meinen Marsch rasch und bequem fortsetzen, dann aber änderte sich das landschaftliche Bild wieder. Der Boden begann zu steigen. Die Berge schoben sich mehr und mehr zusammen und der Fluß stürzte in tollen Kaskaden die Schluchten und Abhänge hinunter. Der Wald war angefüllt mit dornigem Gestrüpp, durch das ich mir nicht selten mit Gewalt einen Weg bahnen mußte. Manchmal fand ich meine Gasse aber auch bereits gebahnt durch die Leute, die mir voran gingen und die ich so eifrig verfolgte.

Der Wald schien kein Ende nehmen zu wollen. Seit Stunden schon hatte er mich aufgenommen und immer noch folgten Bäume auf Bäume und Dornen auf Dornen. Ich war bereits müde und auch der Hunger machte sich mehr und mehr geltend. Endlich fand ich eine Kokospalme. Ich kletterte hinauf, brach einige Früchte und öffnete sie mit meinem Damaszenerdolche. In langen Zügen schlürfte ich die erfrischende Milch und aß dann den süßen Kern.

Ich folgte der Spur des Feindes, solange es mir möglich war, aber schließlich ließ sich in der dichten Finsternis nichts mehr unterscheiden. Ich hielt bei einem Baume an. Hier gedachte ich die Nacht zu verbringen.

Ich hatte kaum einige Minuten geschlafen, als mich ein geller Schmerzensschrei wieder in die Höhe fahren ließ. Hatte ich recht gehört und war das eine Menschenstimme gewesen? Ich lauschte gespannt. Da war ja derselbe Wehruf wieder – nein, ich hatte mich nicht getäuscht, irgendein menschliches Wesen befand sich in Todesgefahr und flehte um Hilfe.

Ich hing mir die Gewehre wieder um und eilte nach der Richtung, aus welcher der Hilferuf erklungen war. Es war dies dieselbe, welche der Wongy mit seinen Leuten genommen hatte.

Der Schrei wiederholte sich noch einige Male und leitete mich richtig in der dichten Finsternis, die mir ohnedies genug zu schaffen machte.

Einige hundert Schritte mochte ich so zurückgelegt haben, als ich durch die Zweige hindurch einen roten Schein sah. Das verwunderte mich nicht wenig.

»Hilfe! Hilfe!« gellte es wieder in herzzerreißendem Flehen. Es war nicht Meharamens Stimme. Ich atmete erleichtert auf.

Der Feuerschein wurde immer stärker, er zeigte mir nunmehr den Weg. Nach einigen Schritten bog ich die dichten Zweige eines Busches auseinander und gewahrte so eine Szene, die mir den Herzschlag stocken ließ.

Vor einem brennenden Häuschen standen zwei Tamarindenbäume, an denen zwei Menschen festgebunden waren, ein Mann und eine Frau. Ihre Hände und Gesichter waren von Rauch geschwärzt; sie hatte bereits die Besinnung verloren, er dagegen krümmte sich vor Wut und Schmerz und schrie um Hilfe mit der ganzen Kraft, die in seiner Kehle wohnte. Er hatte Ursache dazu. Die Hitze hatte die Blätter der Tamarinden bereits versengt, ein Funke fiel in das dürre Geäst des Baumes, an dem die Frau festgebunden war und schon lohten die Flammen aus ihm empor. Rasch riß ich das Dolchmesser aus dem Gürtel und sprang auf den brennenden Baum zu. Der Mann sah mich. »Hilfe! Hilfe!« schrie er von neuem.

»Schreie nicht mehr! Erst sie und dann du,« gab ich zurück.

Mit zwei scharfen Schnitten trennte ich die Stricke, die tief in das Fleisch der Besinnungslosen einschnitten, hob sie mit dem linken Arme empor und trug sie aus dem Bereiche des Feuers, worauf ich sie sanft auf den Boden legte. Dann löste ich auch die Fesseln des Mannes.

Er dehnte die steifen Glieder, hob die Rechte gegen Himmel und rief mit wildem Ausdrucke: »Ich danke dir, Buddha, daß du mir Gelegenheit gibst, mich zu rächen.«

Dann wandten sich seine Gedanken seiner Frau zu.

»Ist sie tot?« fragte er mich.

»Nur betäubt.«

Er beugte sich nieder zu ihr, um sich von der Wahrheit meiner Worte zu überzeugen.

»Sie lebt! sie lebt!« schrie er voll Freude und wollte sie aufwecken.

»Laß sie noch eine Weile,« wehrte ich ihm. »Es ist besser, wenn sie diese Zerstörung noch nicht gewahrt.«

»Du hast recht,« sagte er. »Es ist besser, wenn ich allein leide.«

»Groß ist das Unglück, das dich betroffen hat.«

»Groß?« rief er bitter. »Herr, ich finde keine Worte, um dir den Schmerz zu schildern, welcher meine Brust zerreißt, ich danke, o ich danke dir! Fortan sei mein Leben nur zwei Dingen geweiht: der Rache und deinem Dienste.«

»Ich habe keinen Anspruch auf deine Dankbarkeit. Was ich für dich getan, war wenig genug.«

»Wenig? Du rettetest mich und meine Frau vom sicheren Tode.«

»Wer war es, der dein Haus in Brand steckte und dich selbst an den Baum band?« fragte ich ihn.

»Ein Wongy war es, den die Göttin Cali auf der Stelle in den Körper eines Skorpions schicken möge.«

»Ein Wongy?« wiederholte ich, lebhaft interessiert.

»Ja, ein Wongy.«

»Erzähle mir ausführlich, wie sich alles zugetragen hat,« bat ich.

»Was soll ich dir erzählen? Siehst du dieses Haus? Es ist jetzt die Beute des Feuers. Dieses Haus war mein Eigentum und seit drei Jahren lebte ich glücklich in ihm mit meinem Weib. Ich selbst habe es erbaut, aus Liebe zu ihr und weil ich mich nach einem friedlichen Familienleben sehnte. Ich rodete den Wald aus und brach den Boden um – ja, ich, der stolze Häuptling, erniedrigte mich soweit, den Landmann zu spielen.«

»Verlierst du dadurch deine Würde?« fragte ich.

»Nein! Durch meine Geburt bin ich Häuptling und bleibe es bis an mein Ende. Die Regenzeit pflege ich inmitten meines Stammes zu verbringen, aber auch während der übrigen Zeit des Jahres finde ich mich häufig bei ihm ein. Diesen Nachmittag nun plauderte ich mit meinem Weibe gemütlich auf der Schwelle unseres Hauses, als aus dem Walde ein kleiner Trupp bewaffneter Männer kam, die in ihrer Mitte einen Gefangenen führten. An ihrer Spitze ging ein alter Mann von vornehmem Aussehen, dessen reiches Gewand aber durch den Marsch bereits sehr gelitten hatte. Sie verlangten von mir Speise. Ich gab ihnen, was ich gerade zur Hand hatte. Sie ließen es sich schmecken und nahmen sich dann noch Vorräte von Reismehl und frischem Fleische mit. Soweit ging alles gut, als ich aber verlangte, sie sollten mich auch bezahlen, wollten sie nichts davon wissen. Sie verlachten mich und als ich auf meiner gerechten Forderung bestand, warfen sie sich auf mich und mein Weib. Ich kämpfte lange mit ihnen, aber es waren ihrer zu viele. Sieh, mein Gesicht trägt noch die Spuren des Kampfes; endlich überwältigten sie mich und banden mich und mein Weib an die Bäume.

Ich mußte nun zusehen, wie sie mein Eigentum zerstörten. Die Elenden bemächtigten sich kurzer Hand meiner geringen Habe und nahmen mit sich, was ihnen von einigem Wert schien: Kleidungsstücke, Decken, Geschirr, die Schmucksachen meines Weibes und meine Vorräte an Reis und Tee. Alles andere zerschlugen sie. Dann steckten sie mein Haus in Brand. Ich flehte sie an, mich loszubinden und mir doch wenigstens das Leben zu lassen. Sie verlachten mich, wünschten mir einen glücklichen Tod und zogen ab.

Bald darauf kamst du, Herr – o mir war es, als käme Wischnu in eigener Person, mich zu befreien. Brahma möge dich segnen, daß du mir Gelegenheit verschafftest, mich zu rächen!«

»Ich bin bereit, dir dabei zu helfen, wenn du willst,« bot ich ihm an.

»O Herr, wie gut bist du!«

»Ich bin nichts weniger als das. Mein Anerbieten entspringt sogar einem sehr selbstsüchtigen Grunde. Der Wongy ist mein Feind und ich verfolge ihn schon seit einiger Zeit. Der Gefangene, den er mit sich schleppt, ist ein Freund von mir, den ich befreien muß.«

»Dein Freund wird frei werden. Ich eile diese Nacht noch zu meinen Untergebenen.«

»Aber wirst du in der Nacht nicht den Weg verfehlen?«

»Was glaubst du? Ich würde ihn mit verbundenen Augen finden.«

»Dann eile! Der Wongy bemüht sich, seinen Marsch soviel als möglich zu beschleunigen, weil er weiß, daß ich ihm auf den Fersen bin. Wollen wir ihn in unsere Hände bekommen, so müssen wir womöglich schon morgen früh die Verfolgung aufnehmen, sonst wäre es nicht mehr möglich, ihn einzuholen.«

»Ich ginge sogleich,« sagte der Birmane zögernd, »wenn nicht —«

»Du fühlst dich nach den ausgestandenen Leiden zu schwach, den Weg zu unternehmen?«

»Nein, das ist es nicht. Aber es schneidet mir ins Herz, mein Weib hier allein lassen zu sollen.«

»Wir wollen versuchen, sie ins Leben zurückzurufen. Vielleicht fühlt sie sich kräftig genug, dich zu begleiten. Dann kannst du sie der Obhut der Frauen deines Stammes anvertrauen, die gewiß zärtlich für sie Sorge tragen werden. Sollten ihr aber die Kräfte fehlen, mit dir zu gehen, so laß sie unterdessen in meiner Hut und führe sie erst morgen den Frauen zu.«

»Dein Rat scheint mir gut. Wir wollen sehen, ob er sich ausführen läßt.«

Das Häuschen war nunmehr vollständig ein Raub der Flammen geworden. Das Dach und die hölzernen Bestandteile waren eingeäschert und nichts war übriggeblieben als die nackten Mauern, die jeden Augenblick mit dem Einsturze drohten.

Wir wandten uns dem armen Weibe zu. Mit Hilfe des Wassers, das der Birmane aus einem Kanal holte, und einer belebenden Essenz, die ich bei mir führte, erlangte sie rasch das Bewußtsein wieder. Sie befand sich aber noch unter dem Einflusse des großen Schreckens und der Todesangst, die sie ausgestanden und konnte es zuerst kaum fassen, daß sie gerettet und in Sicherheit war. Die beruhigende Stimme ihres Mannes rief sie zur Wirklichkeit zurück und langsam erholte sie sich. Sie erklärte sich sofort bereit, ihren Gatten zu begleiten. Wir ließen ihr noch einige Zeit, ihre Kräfte wieder zu gewinnen, und dann machten sich die beiden Eheleute zu meiner großen Freude auf den Weg.

»Willst du nicht mit uns kommen?« fragte mich der Birmane noch.

»Nein! Ich werde hier deine Rückkehr abwarten.«

»Fürchtest du dich nicht?« fragte er weiter.

»Wen oder was sollte ich fürchten?«

»Du bist sehr mutig. Also erwarte mich hier und tröste dich unterdessen mit dem Gedanken, daß dein Freund bald frei und der Wongy bestraft sein wird, so wahr ich Merlan bin, der Häuptling der roten Cheren.«

Die beiden verschwanden in der nächtlichen Dunkelheit. Ich aber setzte mich auf einen Baumstamm in der Nähe der Brandstelle, nahm das Gewehr zwischen die Knie und dachte über mein Abenteuer nach.

Ich war nun der Freund eines Häuptlings der Cheren geworden und hatte mir seine und seines Stammes Hilfe bei meinem Unternehmen gesichert. Ich konnte also mit Gewißheit hoffen, den Wongy unschädlich zu machen und meinen unglücklichen Begleiter befreien zu können, sowie auch, daß mich Merlan bis nach Muang-la begleiten würde. – Das Feuer hatte die Blätter und Äste der Tamarinden verzehrt und leckte nun weiter an dem Stamme, es fand jedoch keine Nahrung mehr an dem grünen Holze und erlosch allmählich. Der Wald sank wieder in die alte Finsternis zurück. Der Mond jedoch stand am Himmel und in seinem bleichen Lichte gewährten die ausgebrannten Mauern einen seltsamen, fesselnden Anblick.

Elftes Kapitel.
Der Kampf

Ich erwachte durch ein fernes Geräusch. Es schien, als nähere sich meinem Standorte ein Trupp Leute. Rasch entschlossen sprang ich hinter einen Baum, der mir genügende Deckung bot und spähte den schmalen Fußpfad entlang.

Die Schritte näherten sich. Endlich erschien ein Mann auf dem Platze, sah sich um, trat vor die Brandstelle hin und brach in ein Wutgeheul aus.

Diesem Manne folgte ein zweiter, dritter, vierter und fünfter. In kurzer Zeit waren an dreißig stattliche Männer hier versammelt und aus dreißig Kehlen gellten Racheschwüre durch den Urwald. Zuletzt erschien Merlan.

Jetzt, im hellen Tageslichte, konnte ich ihn besser betrachten, als es mir in der vergangenen Nacht möglich gewesen war. Seine Kleidung unterschied sich in nichts von jener der andern, nur daß sie ganz und reinlich gehalten war. Im übrigen aber fand man den Häuptling sofort heraus. Er war von hoher, schlanker Gestalt und der majestätische Gang, das funkelnde Auge, sowie der stolze Ausdruck des braunen Gesichtes – alles verriet den kühnen Mann.

Augenblicklich aber war das schöne Antlitz von Narben und Wunden entstellt. Das waren die Andenken an den nächtlichen Kampf mit seinen Feinden. – —

Das dunkle Auge flog suchend in die Runde.

Ich erriet, was er wollte, verließ rasch mein Versteck und nun blitzte es freudig über das bronzefarbene Antlitz. Er nahm meine Hand und sagte: »Wie du siehst, habe ich mein Versprechen gehalten.«

»Ich zweifelte nicht an dir. Aber es überrascht mich freudig, daß deine Leute so rasch zur Stelle waren.«

»Meinen Leuten ist ein Wunsch von mir Befehl,« entgegnete er mit stolzem Lächeln. Die Cheren hatten unterdessen einen engen Kreis um uns geschlossen; ihre Blicke ruhten mit einem Gemisch von Neugierde und Bewunderung auf mir.

»Mein Retter,« sagte der Häuptling, auf mich deutend.

Durch die Reihe der Bergbewohner lief ein Gemurmel der Anerkennung.

»Ihm verdanke ich das Leben und ihr euern Häuptling,« fuhr Merlan fort.

Er suchte mich vor seinen Untergebenen herauszustreichen, und wenn ich diesen urwüchsigen Menschen gegenüber nicht alle Überlegenheit einbüßen wollte, durfte ich ihn daran auch nicht hindern.

Ich sagte also: »Ich danke Gott, daß er mich hiehergeführt und mir die Gnade erwiesen hat, euern Häuptling vom sicheren Tode zu retten.«

Meine Worte fanden kein Echo in ihren Herzen; der Begriff der Gottheit war ihnen fremd.

»Dir gebührt die Ehre und der Dank! Mögest du ewig leben!« riefen sie.

»Es lebe Merlan!« rief ich statt aller Antwort.

»Es lebe Merlan, dem du das Leben gerettet hast!« brauste es durch den Wald.

»Es lebe die Rache! Tod dem Wongy!« schrie Merlan.

»Rache! Rache!« heulte der Chor.

Der Häuptling gebot mit der Hand Stillschweigen. Sofort war alles ruhig.

»Meine tapferen Cheren, hört mich an!« begann er nun. »Ihr wißt, euer Häuptling lebte hier glücklich und zufrieden mit seiner Familie. Da kam ein Wongy, zündete sein Haus an und bedrohte sein Leben. Ohne die Dazwischenkunft dieses mutigen Mannes hier lägen er und sein Weib jetzt als verkohlte Leichen vor euch. Nun sagt, welche Strafe verdient der Wongy für dieses Verbrechen?«

»Den Tod!« riefen die Cheren einstimmig.

»Recht so, meine Wackeren. Den Tod also! Aber höret weiter! Der Wongy beging noch mehr. Er raubte auch den Freund meines Retters und schleppte ihn mit sich in die Gefangenschaft. Welche Strafe steht auf den Raub eines Mannes?«

»Der Tod!« riefen die Cheren wieder.

»Und der Geraubte —?«

»Erhält nebst der Freiheit die Hälfte der Güter des Räubers.«

»Richtig! Aber der Verbrecher freut sich weit von hier seiner Freiheit.«

»Wir verfolgen ihn und nehmen ihn gefangen,« schrien die Männer, entflammt durch die klug berechnende Weise ihres Häuptlings.

»Das ist auch mein Wunsch. Aber der Weg ist weit, der Kampf wird nicht leicht sein und mehr als einer dürfte fallen. Ich bin euer Häuptling und ihr seid meine Untergebenen, ich könnte euch also zwingen, mir zu folgen aber ich will das nicht. Ich mag nur freie Männer um mich haben und keine Sklaven. Tapfere Cheren! Ihr seid mir hieher gefolgt, um mein einst so stattliches Haus in Trümmern zu sehen und das Verbrechen des grausamen Mannes seinem vollen Umfange nach kennen zu lernen. Wer von euch fühlt sich nun bewogen, mit mir zu kommen und mich zu rächen?«

Die Wirkung dieser Worte läßt sich nicht beschreiben. Die Cheren tobten wie besessen, sie verlangten mit Entschiedenheit, zum Kampfe gegen den feindlichen Wongy geführt zu werden und gelobten, lieber zu sterben, als feige umzukehren. Alle wollten ihren Häuptling begleiten.

Merlan gebot von neuem Stillschweigen.

»Meine Tapferen!« fuhr er fort, – »laßt mich euch so nennen, denn ihr habt mir schon zahllose Beweise eures männlichen Mutes gegeben – ihr habt gewählt, wie ich es von euch erwartet habe. Ihr alle verdient euren Namen, und ich bin stolz darauf, euer Häuptling zu sein. Ich zweifle auch gar nicht daran, daß der Sieg unser sein wird, denn wir sind sowohl klug als mutig und überdies will mein edler Retter uns begleiten. Wollen wir ihn nicht bitten, sich an unsere Spitze zu stellen?«

Das kam mir so unerwartet als willkommen. Auch den Cheren schien der Vorschlag nicht zu mißfallen, denn sie stimmten ihm lebhaft zu.

»Hörst du, Herr? Meine Leute wollen dich zum Häuptling haben. Wirst du unsere Bitte erfüllen?« fragte Merlan.

Aus der Art und Weise, in der er mit seinen Untergebenen verkehrte, schloß ich, daß die Redekunst bei ihnen in hohen Ehren stehen müsse. Ich machte mir sein Beispiel zunutze, indem ich den Cheren eine Lobrede hielt, wie sie eine gleiche sicher noch nie gehört hatten. Stürmisch stimmten sie meinen Vorschlägen zu und selbst Merlan überhäufte mich mit Lob.

»Nun, tapfere Cheren, stille! Kommt mit mir und Merlan, um den Verbrecher zu verfolgen,« sagte ich, als sich der Tumult einigermaßen gelegt hatte.

Ich beschrieb einen Kreis um die Lichtung und fand alsbald die Spuren, die der Wongy hinterlassen hatte. Wir folgten ihnen.

Unterwegs befragte ich den Häuptling über seine Frau. Er konnte mir nur Gutes mitteilen. Er war glücklich mit ihr bei den Freunden angekommen und hatte sie in der liebevollen Obhut der Frauen derselben gelassen.

Ich fragte dann: »Erstreckt sich dieser Wald noch weit?«

»Ja.«

»Dann haben wir noch lange zu wandern?«

»Bis die Sonne die Hälfte ihres Weges zurückgelegt haben wird.«

»Also bis Mittag. Und wohin kommen wir dann?«

»Das Tal wird jetzt immer noch schmäler. Du kannst das nur nicht sehen, Herr, weil du dich mitten im dichten Walde befindest. Aber wenn du auf dem Gipfel des Berges ständest, läge es deutlich vor dir. Endlich wird es so schmal, daß sich der Fluß nur mehr mit Mühe durchwinden kann. Der Wanderer muß sich dicht an den Abhang der Berge halten, wenn er es nicht vorzieht, sie zu erklimmen, um über ihren Rücken hinweg seine Reise fortzusetzen.«

»Sind die Gipfel bewaldet?«

»Nur zum Teil. Meistens sind sie mit grünen Wiesen und Feldern bedeckt, auf welchen die Cheren anbauen, was ihnen zum Leben nötig ist.«

»Befindet sich Muang-la weit von hier?«

»Ich war ein einziges Mal dort und brauchte dreizehn Tage zu meiner Reise. Der Weg ist schlecht und zur Regenzeit fast ungangbar.«

»Sind die Einwohner von Muang-la reich?«

»Sehr reich.«

»Halten sie auch Elefanten?«

»Einige tun das, aber es sind ihrer nicht viele. Du weißt wohl, die Chinesen sind feig und lieben darum diese riesigen Tiere nicht. Sie fürchten sich vor ihnen. In meinem Hause, das nun in Asche liegt, hingen die Zöpfe von sechs Chinesen, die ich im Kampfe überwunden habe. Vier davon leben nicht mehr. Zwei ließ ich gegen ein reiches Lösegeld frei, schnitt ihnen aber vorher ihre Zöpfe ab. Wie sie heulten und mir Geld boten, daß ich ihnen nur ihre Haare lassen sollte!«

»Hast du zu Muang-la Elefanten gesehen?«

»Ich sagte dir ja schon, nur wenige.«

»Befand sich unter diesen nicht auch ein weißer?«

»Ein Senmeng?« rief Merlan erstaunt.

»Ja.«

»Wie kommst du darauf, Herr? Ein Senmeng gehört in den Tempel zur öffentlichen Verehrung.«

»In Muang-la befindet sich ein weißer Elefant, darauf kannst du dich verlassen.«

»Wenn es wirklich so wäre, Mendun-Men würde gewiß nicht zögern mit den Chinesen Krieg zu beginnen, um sie zu zwingen, ihm das heilige Tier zu geben. Wir Cheren würden ihm sofort helfen und er müßte siegen über die feige Rasse. Herr, wir Cheren lieben die Freiheit und erkennen keine Oberhoheit über uns an. Wir wollen nichts zu tun haben mit dem Herrscher in Amarapura, aber wenn es sich darum handelt, das heilige Tier zu befreien, verbinden wir uns sofort mit ihm, ist doch der Senmeng ein göttliches Tier.«

»Und wenn ich nun dich bäte, mit mir gemeinschaftliche Sache zu machen?«

»Herr!«

»Nun, was ist?«

»Dein Gewand ist ärmlich und hat von der Reise gelitten, aber deine Waffen sind kostbar und du scheinst mir weit eher zum Befehlen als zum Gehorchen geboren zu sein.«

»Ich gehorche nur einem Herrn und das ist Gott.«

»Auch deine Gesichtszüge sagen mir, daß du nicht zu dem Volke gehörst, das in unseren Bergen wohnt. Bist du vielleicht ein Wongy und hieher gesandt worden, uns aufzufordern, an der Befreiung des Senmeng teilzunehmen?«

Der Häuptling hatte den Hauptzweck meiner Reise aus meinen Fragen erraten.

»Ich bin kein Wongy,« entgegnete ich, »überhaupt kein Untergebener Mendun-Mens. Ich sagte dir schon, daß ich außer Gott keinen Herrn über mir anerkenne.«

Merlan stimmte mir zu. »Herr, du hast recht. Ich will auch weit lieber ein freier Cherenhäuptling sein, als der erste Diener am Hofe Mendun-Mens.«

»Allerdings, aber es ist meine Absicht, den Senmeng von Muang-la zu befreien,« fuhr ich fort.

»Ah!« rief Merlan.

»Der Senmeng von Amarapura ist tot.«

Diese Worte erfüllten Merlan mit tiefem Entsetzen. »Tot? Unglücklicher Mendun—Men!«

»Mendun-Men ist auch sehr erregt und will seinen Zorn über einen Freund von mir ausschütten, den Vater des Jünglings, den der Wongy Pagan gefangen genommen hat. Wenn es mir nicht gelingt, dem Kaiser in kurzer Zeit einen neuen Schutzgeist zu verschaffen, muß mein Freund sterben. Ich bin deshalb auf dem Wege nach Muang-la , um das heilige Tier zu kaufen.«

»Muang-la ist nicht weit. Wenn du Geld hast, kannst du es leicht kaufen.«

»An Geld fehlt es mir nicht, aber ich fürchte einen mächtigen Mitbewerber.«

»Wer ist dieser Mann?«

»Der Wongy, der dich töten wollte. Er trachtet Muang-la vor mir zu erreichen, um den weißen Elefanten für sich zu kaufen. Um sich an dem Tode meines Freundes weiden zu können und mir meine Pläne zu verderben, ist er mir gefolgt, hat meinen Begleiter gefangen genommen und raubte ihm sein Geld.«

Über das Gesicht des Häuptlings blitzte es verständnisvoll. »Ja, nun begreife ich alles,« sagte er, bebend vor Zorn. »Aber fürchte nichts von deinem Feinde. Morgen schon darf er nicht mehr unter den Lebenden sein. Merlan wird dich auch nicht verlassen, bis er dich im Besitze des heiligen Elefanten weiß.«

Von nun an verfolgten wir still unseren Weg.

Nach zwei Stunden erreichten wir den Ort, wo unsere Feinde gelagert hatten. Wir fanden dort auch einige kleine Gegenstände, die Merlan als sein Eigentum erkannte. Die Spuren, die sich vom Lager weg weiter verfolgen ließen, waren noch ganz frisch.

Der Vorsprung war nicht groß und wir durften hoffen, ihn bald zu erreichen. Mit angehaltenem Atem folgten wir der Spur.

Zuerst aber hatte ich noch einen kleinen Streit mit dem Häuptling, der den Feind durchaus sofort stellen und bis auf den letzten Mann niedermachen wollte. Ich dagegen war dafür, ihn zu umschleichen und mit List gefangen zu nehmen; denn Merlans Vorschlag hätte Meharamen in eine schwere Gefahr gebracht. Ich fürchte auch, daß ein offener Kampf zu viel Cheren das Leben kosten würde – das war mein letztes Argument, welches auch endlich den Häuptling überzeugte. Mutwillig wollte er seine Leute nicht in schwere Gefahr bringen. Er fügte sich deshalb meinen Vorschlägen und bat mich sogar, die Sache nach meinem Gutdünken zu leiten.

Gegen Mittag hielten wir eine kleine Rast. Die Cheren hatten sich mit Lebensmitteln zur Genüge versehen. Da kam sowohl Fleisch zum Vorschein, als Reis, der bereits in Wasser gekocht. Wir speisten behaglich und dann ging es weiter.

Der Wald wurde lichter, das Tal aber schmäler.

Ich hörte bereits das Rauschen des Flusses. Mit Mühe hatte sich der Fluß durch diese schmale Schlucht ein Bett gegraben. Nur ein schmaler Pfad war an dem Fuße der Berge frei für den Wanderer, sonst spülten die Wellen hart an denselben vorüber.

Unweit des Waldsaumes beschrieb das Tal eine scharfe Biegung; der Häuptling sagte mir jedoch, daß es sich noch stundenlang so hinziehe.

Soweit ich das Tal übersehen konnte, war es leer. Der Wongy mußte also die Biegung schon hinter sich haben, wenn er es nicht vorgezogen hatte, den Höhenzug zu ersteigen und über dessen Kamm hinweg seine Reise fortzusetzen.

»Ich werde jetzt einmal schauen, ob ich den Feind irgendwo entdecke,« sagte ich zu Merlan.

»Ganz allein? Begibst du dich dadurch nicht in eine zu große Gefahr?«

»Habe keine Angst, Merlan! Er wird mich nicht sehen.«

»Wie willst du es denn anstellen, ihn zu sehen, ohne daß das gleiche bei ihm der Fall ist?«

»Auch ich werde ihn nicht sehen.«

»Nun, wie willst du dann wissen, wohin er gegangen ist?«

»Ich folge der Spur, die er hinterlassen hat.«

»Ich glaube nicht, daß er hier eine hinterlassen hat; ich sehe wenigstens nichts davon. Aber ich sehe wohl, daß du viel mehr weißt und kannst als ich. Handle also nach deinem Gefallen.«

Ich verließ den Wald. Mit Leichtigkeit fand ich die Spur in dem feuchten Boden wieder. Der Sand, welchen der Fluß reichlich hierhergespült hatte, hatte die Abdrücke wohl behalten. Dann fand ich auch zwei nackte Füße dem Boden eingeprägt, die gewiß Meharamen angehörten.

Ich beugte mich nieder, die Abdrücke mit Genauigkeit zu prüfen und fand, daß die Wanderer erst vor wenigen Minuten hier vorübergekommen sein mußten. Unter anderem sagte mir dies auch der Umstand, daß mehrere Blutstropfen, welche offenbar die nackten wundgetretenen Füße hinterlassen hatten, noch nicht vollständig von dem Boden aufgesaugt worden waren.

Das gab mir zu denken. Die Biegung, welche das Tal machte, war einen guten Kilometer weit von dem Orte entfernt, wo ich mich eben befand.

Wenn sie also den Fußpfad dem Flusse entlang verfolgt hätten, hätte ich sie notwendigerweise sehen müssen. Aber das Tal war leer. Sie mußten sich also hinter den Bäumen verborgen haben, die sich den Abhang hinaufzogen.

Ich sah die Birmanen nicht, wohl aber konnte der Fall sein, daß sie mich sahen. Vielleicht hatten sie mich gar schon belauert und nahmen mich von ihrem Versteck aus aufs Korn. Ich wandte mich rasch, um zu meinen Begleitern zurückzukehren, als ich plötzlich einen mir nur zu wohlbekannten pfeifenden Ton vernahm. Instinktmäßig warf ich mich auf die Erde nieder. Der Pfeil sauste durch die Luft und fiel unweit von mir zu Boden. Gleichzeitig hörte ich den schwachen Knall eines Revolvers, doch die Kugel verlor sich im Walde.

Da galt es, keinen Augenblick zu zögern. Ich riß das Gewehr von der Schulter und gab rasch hintereinander dreimal Feuer nach der Richtung, aus welcher der Pfeil geflogen war. Ein dumpfes Schreckensgeschrei, untermischt mit Schmerzensrufen, kam als Antwort zurück. Ich hatte offenbar einen von den Feinden verwundet und der Umstand, daß ich mit einem und demselben Gewehre so oftmals hintereinander feuern konnte, jagte ihnen Angst ein.

Auf den Knall der Feuerwaffe hin drangen die Cheren schreiend aus dem Walde.

»Blutrache!« heulten sie. »Rache für Merlan!«

»Ich bitte euch, schont meinen Freund! Und nun vorwärts, auf den Feind los!« feuerte ich sie an. Ich drang, mit dem Revolver in der Hand, in den Wald ein, in dem sich die Feinde verborgen hielten. Die Cheren folgten mir, wie besessen heulend. Ich war zum äußersten entschlossen, wenn es sein mußte, obwohl ich im stillen wünschte, die Feinde möchten entfliehen und mir Meharamen unbeschädigt zurücklassen.

Doch vorläufig war von ihnen nichts zu sehen noch zu hören. Entweder hatten sie wirklich die Flucht ergriffen oder aber, sie hatten sich schlau ein Versteck gewählt, aus dem sie uns zu überfallen beabsichtigten.

Schon nach wenigen Minuten wurde ich mir über diese Frage klar.

Als erster erreichte ich eine kleine Fläche, die offenbar zu einem Lagerplatz hätte umgeschaffen werden sollen, wie die bunt durcheinander liegenden Kleidungsstücke und Lebensmittel, sowie das zum Feuer bereit gelegte Holz bewiesen. Zwischen diesen Gegenständen aber lagen drei menschliche Gestalten, die förmlich im Blute schwammen – zwei von ihnen waren Birmanen, die durch meine Hand gefallen waren, der dritte aber mein unglücklicher Freund, der fest gefesselt dalag, einen scharfen Dolch in der Brust. Die Elenden hatten ihn kalten Blutes ermordet, als sie die Unmöglichkeit einsahen, ihn weiter mit sich schleppen zu können.

»Der Gefangene!« rief der Häuptling, ihn erblickend. »Bleibe hier bei ihm, mein Freund, und sieh, ob noch Leben in ihm ist. Ich verfolge unterdessen die Mörder.« Und damit verschwand er auch schon in der Dunkelheit des Waldes mit samt seinen Leuten. Sein Rat war gut. Ich kniete bei Meharamen nieder, um wenn möglich, das stockende Leben in ihm zurückzuhalten. War er tot, so war ich entschlossen, den feigen Mörder zu verfolgen.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
220 стр. 1 иллюстрация
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Public Domain

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