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Читать книгу: «Der Schutzgeist des Kaisers von Birma», страница 7

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»Aber unser Vertrag mit dem Häuptling gehört ja der Vergangenheit an —«

»Also muß er bereits in den europäischen Büchern stehen. Wer leugnet das? Aber sage mir doch, wann haben wir diesen Vertrag abgeschlossen?«

»Vor einigen Tagen.«

»Und wo befand sich damals unser Feind?«

»Auf dem Flusse natürlich, auf dem Wege hierher.«

»Gut, wie wäre es ihm dann möglich gewesen, das betreffende Buch zu lesen?«

Der andere legte seine Stirne in die Handfläche.

»Tropf, der ich bin! Deine Weisheit, großer Wongy, ist bewundernswert und ich schätze mich glücklich, dich meinen Bruder nennen zu dürfen.«

»Deinen Freund und Vertrauten ja, aber niemals deinen Bruder,« hielt der Alte entgegen.

»Du hast nicht so unrecht. Ein ehrenhafter Mann kann nicht der Bruder eines —«

»Still,« unterbrach ihn sein Herr. »Horch!«

Aus der Ferne tönte ängstliches Rufen: »Gautama! Brahma! Wischnu! Shiva! Cali! Heiliger Senmeng! Hilfe! Hilfe! Hilfe!«

An der Stimme erkannte ich Meharamen. Der Unglückselige! Er verdarb mir all meine schönen Pläne und stürzte sich und mich in schwere Gefahr, indem er die Aufmerksamkeit des Feindes auf uns lenkte.

Das Geschrei alarmierte diesen natürlich sofort.

Der Wongy und sein Gefährte sprangen in die Höhe: »Zu den Waffen! Zu den Waffen!«

Ein dumpfes Geheul beantwortete den Warnruf: »Tod den Feinden!« Das Geschrei näherte sich von beiden Seiten mehr und mehr. Ich mußte handeln, wenn ich nicht in die Hände derer fallen wollte, die mich haßten und gewiß ohne Barmherzigkeit ermordet hätten.

Ich ahmte das entsetzliche Kriegsgeschrei der Indianer Westamerikas nach und sprang aus meinem Versteck, in jeder Hand einen Revolver, die ich blindlings nach der Richtung des Feindes hin abfeuerte. Wie ich es erwartet hatte, erschreckten die Schüsse und das Ohrenzerreißende Geheul die Birmanen.

Ein Schmerzensruf ertönte und hierauf das Angstgeschrei der Birmanen: »Die Geister des Waldes, die Feinde! Hilfe! Hilfe! Rette sich, wer kann!«

Das Geschrei wurde immer schwächer und erstarb endlich in der Ferne. Sie waren geflohen, vor einem einzigen Manne geflohen.

Wenn das Geschrei der Birmanen erstorben war, so kam dafür das meines tapferen Gefährten immer näher.

»Hilfe! Gautama! Ich bin tot!« kreischte er in Tönen der höchsten Angst.

Ich eilte nach der Richtung, aus der diese kläglichen Töne drangen. Schon nach wenigen Schritten ließ mich das Licht des Mondes den Gesuchten erblicken; er war am Fuße eines großen Baumes hingestreckt und verbarg das Gesicht in den Gräsern.

»Augenblicklich still, Feigling!« stieß ich heftig hervor. Ich war so aufgeregt und empört über ihn, daß ich es nicht über mich brachte, mich freundlich gegen ihn zu zeigen.

Er hörte gar nicht auf mich, sondern fuhr fort zu kreischen: »Hilfe! Weg von mir, ihr bösen Geister! Ich bete Brahma an und sonst niemand!«

Eine solche Feigheit war mir doch noch nicht vorgekommen. Ich faßte ihn bei den Schultern und rüttelte ihn heftig: »Schweig doch, Knabe! Siehst du nicht, daß ich es bin?«

»Du, Herr?« klang es zwischen Zweifel und Erleichterung zurück.

»Ja, ich! Mit Fleisch, Knochen und Haut!« versicherte ich und rüttelte ihn von neuem.

Das überzeugte ihn endlich, daß er es nicht mit einem Gespenst, sondern mit einem Manne von Fleisch und Blut zu tun hatte. Er richtete sich in die Höhe und stammelte verwirrt: »Herr, was für eine schreckliche Nacht!«

»Meharamen, ich hätte dich niemals für so feige gehalten!« sagte ich scharf.

»Herr, ich bin ein Held!« rief er entrüstet.

»Folge mir! Zu seiner Zeit magst du mir deine Handlungsweise erklären und – wenn es möglich ist – entschuldigen.«

»Wohin führst du mich?«

»Komm!«

»Aber die Geister?«

»Kein Wort weiter! Wenn du mitkommen willst, beeile dich, sonst gehe ich allein.«

Wir durften hier nicht länger bleiben. Es war ja nicht unmöglich, daß die Helden zurückkehrten, wenn sie sahen, daß niemand sie verfolgte; einen Kampf mit ihnen wollte ich aber um jeden Preis vermeiden, weil ich meines Begleiters nicht sicher war.

Wir entfernten uns deshalb ein gutes Stück von dem Schauplatze meines Abenteuers, immer dem Tale folgend, in das uns der verräterische Häuptling geführt hatte, aber die dem Dorfe entgegengesetzte Richtung einschlagend. Nach einer halben Stunde gelangten wir in eine schmale Schlucht und hier warf ich mich, erschöpft wie ich war, in einem dichten Gebüsch zur Erde. Meharamen lagerte sich neben mir.

»Erzähle mir nun, was dir begegnet ist,« befahl ich kurz.

»Herr, du ließest mich an einem verantwortungsvollen Posten.«

»Einen gebundenen Mann zu bewachen, nennst du einen schweren Posten?«

»Du ließest mich allein in der Dunkelheit der Nacht, mitten im Walde, wo die Geister der Luft und der Erde umgehen —« »O der Held! Er hat Furcht vor Gespenstern!«

»Vor Menschen fürchte ich mich nicht. Ich hatte ja den Revolver, den du mir vor deinem Weggange gabst.«

»Hast du diese Waffe noch?«

»Hier ist sie,« erwiderte er und zog sie aus der Tasche.

Ich nahm den Revolver zurück und schob ihn in den Gürtel. Dabei gedachte ich der beiden anderen, die ich abgeschossen hatte. Ich zog sie hervor und lud sie von neuem.

»Fahre fort,« befahl ich dem Sohne des Wongy, während ich mich mit den Waffen beschäftigte.

»Du hattest dich kaum entfernt, als die Geister kamen und mich zu necken begannen. Sie nahmen zuerst die Gestalten von Fledermäusen und Vampyren an —«

»Unschuldige Tierchen, die zur Nachtzeit in jedem Forste zu finden sind,« sagte ich lachend.

»Man sieht wohl, Herr, daß du ein Ausländer bist,« entgegnete der Jüngling mit einer gewissen Empfindlichkeit. »Diese Tiere waren schrecklich anzusehen. Ihre Augen sprühten Funken und ihr Atem verpestete die Luft.«

»Warum richtetest du deine Waffe nicht auf sie?«

»Meine Waffe? Sie hätte dem Gespenste ja doch nicht schaden können, da dieses unverwundbar ist.«

Solch lächerlichem Aberglauben also huldigte ein junger Mann, der zu den gebildetsten Klassen Birmas gehörte.

»Du ergriffest also lieber die Flucht vor diesen Tieren?«

»Nicht gleich! Eine Zeitlang hielt ich ihnen mutig stand. Aber als dann noch eine Hyäne ihr Geheul hören ließ, ertrug ich es nicht mehr und floh.«

»Also sogar vor einer Hyäne fürchtest du dich, du tapferer Held?« fragte ich ironisch.

»Eine wirkliche Hyäne gewiß nicht, denn ich weiß ja, daß sie sich nur von Aas nährt und niemals lebende Menschen anfällt.

Aber dies war auch keine wirkliche Hyäne, sondern ein Geist, der die Gestalt einer solchen angenommen hatte —«

»Genug!« unterbrach ich ihn barsch. Sein Geschwätz fing an, mich zu langweilen.

Er suchte sich zu verteidigen: »Herr, was kann ich dafür, wenn die Geister —«

»Still jetzt davon! Ich bin schläfrig. Lege dich an meine Seite!« befahl ich nicht weniger barsch. Mein Groll gegen ihn war noch zu frisch.

»Aber die Geister?«

»Ich habe ein unfehlbares Mittel, sie entfernt zu halten. Fürchte also nichts!«

»Nenne mir dieses Mittel!«

»Morgen ist dazu auch noch Zeit. Gute Nacht!«

Ich schloß die Augen. Es war nicht wahrscheinlich, daß Pagan uns verfolgte, und selbst wenn er es tat, hätte er uns hier nicht so leicht aufzufinden vermocht.

Neuntes Kapitel.
Gefangen

»Herr!«

Ich schlug die Augen auf. Meharamen stand vor mir.

»Was willst du?«

»Herr, die Sonne ist schon aufgegangen. Wollen wir nicht unsere Reise fortsetzen?«

»Hast du solche Eile?« fragte ich.

»Das Schicksal meines unglücklichen Vaters bekümmert mich —«

»Und dann wünschest du, so schnell als möglich aus dem Bereiche der Feinde zu kommen, nicht wahr?«

»Nein, das ist es nicht,« erwiderte der Jüngling, aber dieses Nein wollte ihm doch nicht so recht aus der Kehle. Er war nicht gewöhnt, zu lügen; diese Lüge kostete ihm daher keine kleine Überwindung.

»Du beleidigst mich! Du weißt gut, daß ich tapfer bin. Aber unsere Feinde sind uns an Zahl weit überlegen —«

»Wenn du dich verflossene Nacht nicht vor einer Fledermaus und dem Geschrei einer Hyäne gefürchtet hättest, wären Pagan und seine Leute jetzt unschädlich gemacht.«

»Was sagst du?«

Ich erzählte ihm in kurzen Worten, wie nahe ich dem Feinde bereits gewesen war.

Er hörte still zu. Es fiel ihm nicht ein, mir ein Wort über die Gefahr zu sagen, in die ich mich begeben hatte. »Herr,« rief er statt dessen, »Herr, Pagan weiß von dem Senmeng zu Muang-la ? Laß uns eilen, daß wir noch vor ihm dort anlangen.«

Damit wollte er auch schon das Gebüsch verlassen, aber ich hielt ihn zurück.

»Warte doch! Erst muß ich die Sachlage studieren und mir einen neuen Plan zurechtlegen.«

»So lege ihn dir zurecht, aber mach schnell!«

»Vor allem muß ich zu erforschen suchen, wohin sich unsere Feinde gewendet haben. Erwarte hier meine Rückkehr, aber ich bitte dich um Gottes willen, vermeide jegliches Geräusch, das dich verraten könnte. Rühre dich nicht vom Platze, bis ich zurück bin.«

»Du willst mich allein lassen?« fragte er weinerlich.

»Ich muß es.«

»Wirst du auch gewiß zurückkehren?«

»Auf jeden Fall, wenn ich nur dich noch am Platze finde.«

»Bezweifle das nicht. Ich werde mich von hier nicht wegrühren.«

Ich setzte gerade kein großes Vertrauen in seine Worte, aber mitnehmen konnte ich ihn auch nicht.

Die Schlucht, in der wir uns befanden, war sehr eng und ganz von hohen, schroffen Spitzen umschlossen. Sie schien selten von menschlichen Wesen betreten, denn ich entdeckte außer den unsrigen keine menschlichen Fußspuren. Ich versteckte mein Bündel in ein großes Gebüsch, merkte mir dessen Lage gut und dann folgte ich unseren alten Fährten. Ich tat es mit möglichster Schnelligkeit, blickte aber fortwährend scharf um mich, ob ich den Feind nicht schon auf den Fersen hätte und hielt auch die Ohren scharf gespitzt.

So kam ich in das Seitentälchen bis zu dem Platze, wo ich den Wongy belauscht hatte. Ich sah den besagten Feigenbaum, in dessen Stamme noch einige Kugeln steckten und fand die Erde von Blut gefärbt. Meine Kugel mußte also jemanden verwundet haben.

Im Weitergehen betrachtete ich mir das Lager des Feindes. Die Erde war zertreten und mit den Resten des Abendessens bedeckt. Da lagen abgenagte Knochen, Bananenhülsen und Feigen, und die Beeren des Tamarindenbaumes. Auch einige Pfeile gewahrte ich, die ich aufhob und aufmerksam betrachtete. Sie waren sehr kurz, aber nicht vergiftet. Dies beruhigte mich ungemein.

Viele Fußspuren führten von dem Lager nach dem Haupttale und umgekehrt zurück. Ich begab mich in dieses letztere und versuchte den Weg wiederzufinden, den ich gestern gekommen war, um nach dem Platze zu gelangen, wo ich den dicken Häuptling liegen gelassen hatte. Auch hier war der Boden von einer Menge Personen zertreten. Ich erkannte unter all den Fußspuren auch die nägelbeschlagenen Absätze meiner Stiefel, sowie Meharamens Pantoffel.

Der Wongy und seine Leute hatten offenbar die Richtung nach dem Dorfe eingeschlagen. Sie mußten also den Häuptling gefunden und seiner Bande entledigt haben.

Sollte ich jetzt dem Feinde folgen oder so schnell als möglich den Weg nach Muang-la nehmen, um das Städtchen vor Pagan zu erreichen und den Senmeng zu kaufen?

Der letztere Plan schien mir der beste. Eben wollte ich zu Meharamen zurückkehren, als sich ein leises Zischen hören ließ. Ein Gegenstand sauste durch die Luft und bohrte sich in meine Schulter. Ein stechender Schmerz überzeugte mich rasch über die Herkunft des fraglichen Gegenstandes: der Feind hatte mich entdeckt und aufs Korn genommen.

Ich zögerte keinen Augenblick. Ich riß die Flinte an die Wange und gab Feuer nach der Richtung hin, aus der der Pfeil geflogen kam. Der Knall brach sich tausendmal in den Bergen und erzielte eine von mir nicht erwartete und nicht gewünschte Wirkung. Ich hörte ein Geheul aus wenigstens zwanzig Kehlen und dann sauste ein wahrer Hagel von Pfeilen nieder. Einige bohrten sich in die Bäume, andere fielen auf die Erde, einer aber traf mich in die Brust, vermochte mich aber, dank dem hirschledernen Wamse, das ich unter meinem birmanischen Kostüm trug, nicht zu verletzen.

Wie mir diese Menge von Pfeilen bewies, befand ich mich einem ziemlich starken Feinde gegenüber. Es blieb mir nichts weiter übrig, als die Flucht zu ergreifen; aber nach dem Orte, wo sich Meharamen befand, durfte ich sie gewiß nicht richten. Den heroischen Jüngling hätte angesichts der Birmanen eine panische Furcht ergriffen.

Also dann in das Tal, in welchem der Wongy vergangene Nacht gelagert hatte! Auf diese Weise entfernte ich mich wenigstens noch mehr von Meharamen.

Hinter einem Baume erschien ein Arm. Ich legte sofort darauf an – ein Schmerzensschrei sagte mir, daß ich gut getroffen. Noch mehrmals feuerte ich mein Repetiergewehr nach derselben Richtung ab, allein diesmal, wie es schien, ohne Erfolg.

Neue Pfeile und der Knall einer Feuerwaffe antworteten. Eine Kugel schlug auf dreißig Schritte Entfernung in einen Baum, die Rinde zersplitternd. Die Feinde hatten also eine Feuerwaffe bei sich.

Ich feuerte mein Gewehr nochmals ab und wandte mich dann zur Flucht. Die Feinde heulten abermals auf und schickten sich an mich zu verfolgen.

Während des Laufens lud ich das Repetiergewehr von neuem.

Wieder zischten Pfeile um mich nieder und eine Kugel sauste dicht an mir vorbei. Den Inhaber dieser Waffe mußte ich um jeden Preis unschädlich zu machen suchen. Ich drehte mich um, mit dem Repetiergewehr an der Wange, um Feuer zu geben. Zwischen den Bäumen sah ich mehrere schlecht gekleidete Birmanen daherrennen. Sie waren mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, nur ein einziger trug ein Gewehr bei sich, eine alte Flinte.

Dieses kostbare Stück, welches der glückliche Eigentümer soeben wieder gegen mich richtete, nahm ich mir zum Ziel. Zwei Schüsse ertönten, ein wilder Schrei und der Flintenträger stürzte zu Boden. Die Waffe war zersprungen und hatte ihm den Kopf verletzt.

Ich wartete das Weitere nicht ab, sondern setzte den Wettlauf fort. Bald hatte ich das Seitental erreicht.

Ich hielt an und schöpfte tief Atem. Dann begann ich meine Waffen wieder zu laden und überlegte eine Weile. Was tun? O, daß ich allein gewesen wäre! Sofort hätte ich den Weg nach Muang-la eingeschlagen. Aber so lag die Sorge für den Sohn des Wongy auf mir und ich mußte wohl oder übel zurückkehren, um ihn zu holen.

Ich lauschte. Alles blieb still. Die Feinde waren von meiner Verfolgung abgestanden.

Ich wandte mich neuerdings, um in das Haupttal zurückzukehren, leise schleichend und mich vorsichtig hinter den mächtigen Bäumen verbergend. Zwei Kilometer mochte ich auf diese Weise zurückgelegt haben. Nach meiner Schätzung konnte ich nicht mehr weit von dem Feigenbaume entfernt sein, der in dem Abenteuer der vergangenen Nacht eine so hervorragende Rolle gespielt, da drang an meine Ohren ein gedämpftes Freudengeschrei. Deutlich unterschied ich unter den lauten Jubelausbrüchen das Wort: »Gefangen!«

Für einen Augenblick ließ ein eisiger Schrecken meinen Herzschlag stocken. Zweifelsohne war der unglückliche Meharamen in die Hände meiner Verfolger gefallen.

Hinter einer großen Tamarinde warf ich mich zu Boden und verharrte einige Zeit regungslos. Die Jubelrufe wiederholten sich noch einigemal, dann wurde es still. Ich kroch nun vorsichtig nach der Richtung, aus welcher sie gekommen waren und gelangte so wieder in das Haupttal.

Aus der Ferne schlugen abgerissene Laute an mein Ohr, die weder näher kamen, noch sich entfernten. Ich folgerte daraus, daß die Leute sich gelagert hatten und beschloß, mich zu überzeugen, ob der Gefangene, den sie zweifelsohne mitschleppten, wirklich Meharamen war oder nicht.

Wie gestern näherte ich mich ihnen, von den üppigen Tropengräsern zur Genüge verborgen. Bei jedem Schritt drangen die Stimmen deutlicher an mein Ohr. Ich hatte das Lager erreicht.

Ein großer Strauch bot mir Gelegenheit, die Leute zu belauschen. Behutsam bog ich die Zweige auseinander und schlüpfte hinein.

Auf einem freien Platze lagerten etwa fünfzig Männer. Acht davon trugen einfache Kleidung und waren mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Die anderen waren zerrissen und schmutzig; auch sie trugen Bogen und Pfeile bei sich, nur ein einziger wies eine alte Büchse auf. Es war derselbe, dem ich den bewußten Denkzettel gegeben hatte. Einige schienen mir bekannt; es waren Einwohner von Bamo.

In der Mitte dieser Tapferen saßen zwei Männer: der dicke Häuptling und ein beleibter, schielender Alter mit grauen Haaren und in vornehmer Kleidung. Dieser hielt auf seinen Knien ein Bündel, dessen Inhalt er eben untersuchte, sowie eine wohlgefüllte Börse. Der Eigentümer dieses Bündels und dieser Börse, der arme Meharamen, war unweit davon an einen Baum gebunden.

Seine Kleidung war zerrissen und aus einer Wunde an seiner Stirne rieselte das Blut über sein Gesicht.

»Ein Gewand und einige Lebensmittel – sonst ist nichts darin,« verkündete Pagan.

»Eine schöne Kleidung!« rief der Häuptling bewundernd.

»Möchtest du sie gerne haben?« fragte der Wongy.

»Herr, würdest du sie mir geben?«

»Sehr gerne! Wir fanden bei dem Gefangenen ein Bündel und eine Börse. Das Bündel sei dein und die Börse mein.«

»Dein Vorschlag gefällt mir gerade nicht,« entgegnete der Häuptling.

»Warum nicht?« fragte Pagan streng.

»Die Börse ist mit Gold gefüllt.«

»Sie enthält kaum einige Geldstücke, die nicht einmal das Zählen lohnen.«

»Gut denn! Ich schlage vor, das Bündel und die Börse gleich zu teilen.«

»Nein!« wehrte Pagan entschieden.

»Warum nicht. Ich habe den Feind überwunden, ich fordere deshalb auch die Hälfte der Beute,« entgegnete der Häuptling nicht weniger entschieden. Mit seinen vierzig Männern wußte er sich Herr der Situation.

»Du hättest den Feind besiegt? Nein, mein Freund, den Sieg habe ich errungen!«

»Du? Was hättest du ohne meine vierzig Krieger angefangen? Du wärest längst dem Europäer zum Opfer gefallen.«

»Vergiß nicht, daß ich dich gebunden und geknebelt im Walde fand.«

»Du willst nicht mit mir teilen?« fragte der Häuptling drohend.

»Gewiß! Ich biete dir ja schon zum zweiten Male das Bündel an.«

»Die Hälfte der Börse und die Hälfte des Bündels für jeden!«

»Nein!«

»Dann betrachte ich dich als meinen Feind und werde mir die Beute mit dem Dolche in der Hand nehmen,« rief der Häuptling und sprang in die Höhe.

Er schien im Vergleich zu gestern wie ausgewechselt. Eine wilde Entschlossenheit prägte sich auf seinen Zügen aus, und seine Augen funkelten vor Zorn. Das war nicht mehr das zaghafte Männchen, das mit List und Heuchelei sein Ziel zu erreichen strebte, sondern der stolze Häuptling.

Dem Wongy entging das nicht und er erkannte auch, daß sich im Falle eines Kampfes der Sieg schwerlich auf seine Seite neigen dürfte. Auch seine Augen sprühten Zornesfunken und die Hände zitterten ihm konvulsivisch, aber als vollendeter Hofmann wußte er sich zu beherrschen und ein süßliches Lächeln auf seine Lippen zu zwingen.

»Beruhige dich, Häuptling!« bat er.

»Erst gib mir, was mir gebührt!« schrie dieser.

»Du wirst es erhalten. Nur setze dich und laß uns vernünftig reden. Es wäre nicht recht, wenn zwei so gute Freunde sich um ein Nichts entzweien wollten.«

»Um ein Nichts,« wiederholte der Häuptling zornig.

»Ja, einer wahren Kinderei halber. Oder hältst du den Wongy Pagan für so schlecht, daß er einiger erbärmlicher Goldstücke wegen seinen besten Freund erzürnen möchte, den klugen Häuptling der tapferen Shan von Bamo?«

Die süßen Worte blieben nicht ohne Eindruck auf den Häuptling.

»Ich habe dich vorhin wohl nicht recht verstanden,« entschuldigte er sich.

»Sprechen wir nicht mehr davon, Freund! Setze dich, ich will dir alles erklären,« fuhr der Wongy in demselben einschmeichelnden Tone fort, obwohl es in ihm kochen mußte.

Der Häuptling tat, wie ihm geheißen worden.

»Also dir gehört das kostbare Gewand. Betrachte es nur einmal, wie schön es ist. Sieh die neue Goldstickerei – wenn du es verkaufst, bekommst du viel Geld dafür.«

»Ich werde es aber nicht verkaufen.«

»Es würde auch schade darum sein. In dasselbe gehüllt, wirst du der größte Häuptling der Erde sein. Dein Ruhm wird die Welt erfüllen.«

Der Dicke lächelte geschmeichelt. »Aber das Geld?«

»Das Geld kann ich dir nicht geben, denn es gehört Mendun— Men und ich muß es ihm bringen. Oder soll ich Seiner Majestät sagen, daß ich das nicht konnte, weil der Häuptling von Bamo sich in den Besitz seines Eigentums gesetzt hat?«

Der geheiligte Name des Monarchen machte Eindruck auf den Häuptling. »Du bringst die Börse dem Kaiser?« fragte er noch einmal zweifelnd.

» Natürlich!«

»Schwöre es mir!«

»Ich schwöre!« log ruhig der Wongy.

Der dicke Häuptling senkte das gedankenschwere Haupt: »Das ist alles ganz schön und gut, aber ich brauche Geld.«

»Wozu?«

»Ich muß meine Leute bezahlen und auch ein neues Gewehr kaufen, das mir zur Verteidigung des Dorfes unumgänglich notwendig ist.«

»Ich wüßte ein Mittel, wie du schnell zu Geld kommen könntest,« bemerkte Pagan.

»Und dieses wäre?«

»Verfolge den Europäer. Er führt gewiß viel Geld bei sich und dieses soll dann dein sein.«

Der Häuptling sah nachdenklich zu Boden.

»Diesen Mann verfolgen? Niemals! Das ist kein Mensch, sondern ein böser Geist, der sich gegen den großen Buddha aufgelehnt hat und darum von ihm verstoßen worden ist. Er weiß alles und liest sogar unsere Gedanken. Ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben.«

»Ei, ei, so feige?« spottete Pagan.

»Du hast soeben Beweise meines Mutes erhalten. Aber ich kämpfe nur gegen Menschen, nicht gegen Geister.«

»Der Europäer ist ein Mensch wie wir, nichts anderes,« sagte der Wongy.

»Und ich behaupte, daß er ein böser Geist ist. Aber wenn du so fest davon überzeugt bist, daß das nicht wahr ist, so verfolge ihn doch selbst und bemächtige dich seiner Reichtümer. Ich wiederhole dir nur: ich brauche Geld!«

»Da du mein Freund bist, will ich dich nicht im Stiche lassen. Ich gebe dir aus meiner Kasse zwanzig Tael,« sagte Pagan.

Die Äuglein des Häuptlings blitzten begehrlich aus dem fetten Gesichte: »Gib mir hundert und wir scheiden in Frieden.«

Jetzt wurde der Wongy zornig. »Du bist unersättlich. Ich biete dir aus freien Stücken zwanzig Tael, gewiß eine große Summe, und statt mir dankbar zu sein, forderst du hundert.«

»Bedenke, daß du in meinen Händen bist,« entgegnete der Häuptling kalt.

Der Wongy erbleichte: »Dummkopf, der ich war, daß ich dich nicht im Walde verenden ließ! Jetzt lägest du wohlbehütet im Magen einer Hyäne.«

»Dein Bedauern kommt zu spät. Ich lebe noch und du wirst damit wohl oder übel rechnen müssen. Also sprich: gibst du mir die hundert Tael?«

»Es ist zu viel. Begnüge dich mit dreißig.«

»Das ist wieder zu wenig. Gib mir wenigstens achtzig.«

»Dreißig!«

»Nun denn, fünfzig, aber das ist mein letztes Wort.«

»Fünfzig Tael will ich dir allenfalls geben,« willigte der Wongy ein.

Ein elegantes Etui hervorziehend, zählte er ihm das Geld in die Hand. Dann ließ er die Börse meines armen jungen Freundes in seiner Tasche verschwinden. Mich freute es sehr, daß dieses Geld nicht geteilt worden war. Ich mußte es um jeden Preis zurückzuerlangen suchen, denn nur mit seiner Hilfe vermochte ich mich in Muang-la zum Herrn der Situation aufzuschwingen, indem ich den Senmeng kaufte.

»Was soll jetzt aus dem Gefangenen werden?« fragte der Häuptling.

»Kümmere dich nicht um ihn! Ich habe dich für deine Dienste bezahlt und du wirst am besten tun, wenn du mir möglichst schnell aus den Augen gehst,« sagte Pagan brutal.

»Oh, langsam, mein teuerer Wongy! Du darfst nicht glauben, daß ich unter deinen Befehlen stehe. Der Gefangene gehört mir und ich werde bestimmen, was mit ihm zu geschehen hat.«

»Bist du von Sinnen? Er ist mein,« tobte der Wongy.

»Meine Leute waren es, die ihn gefangen nahmen,« machte der Häuptling furchtlos geltend.

»Das leugne ich nicht, aber die fünfzig Tael —«

»Gabst du mir für die Dienste, die ich dir geleistet habe. Und da du es wünschest, werde ich mich sogleich entfernen und den Jüngling mit mir nehmen. Ich brauche einen Sklaven.«

»Du wirst ihn als Sklaven behalten?« fragte Pagan.

»Hm, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Vielleicht kehrt der Europäer zurück,« entgegnete der Häuptling scheinbar gleichgültig.

»Du willst ihn freilassen,« schrie der Wongy, zitternd vor Zorn.

»Warum nicht, wenn ich gut dafür bezahlt werde?«

»Der junge Mann ist mein Feind. Ich ließ ihn nicht gefangen nehmen, um ihm die Freiheit so rasch wieder zu schenken. Er muß sterben,« eiferte der Wongy.

»So kaufe ihn doch.«

»Willst du ihn mir verkaufen?« fragte Pagan rasch.

»Warum nicht?«

»Was verlangst du für ihn?«

»Willst du ihn auf der Stelle töten oder mit dir nehmen?«

»Warum fragst du?«

»Ich will es wissen.«

»Ich werde ihn nicht sofort töten,« sagte der Wongy.

»Dann gib mir noch fünfzig Tael. Hättest du ihn in meiner Gegenwart getötet, so hätte ich nur zwanzig verlangt.«

»Warum dieser Unterschied?« fragte Pagan verwundert.

»Weil ich überzeugt bin, daß du die Absicht hast, für den jungen Mann ein ansehnliches Lösegeld zu fordern. Aus welchem anderen Grunde würdest du ihm sonst das Leben schenken?«

»Du bist ein Narr,« gab der Wongy verächtlich zurück.

»Nein, nur klug!«

»Fürchtest du meinen Zorn nicht?« Pagan war außer sich vor Wut.

»Ich fürchte nur, daß du mich nicht bezahlen könntest.«

»Reize mich nicht länger —«

»Bezahle mich, und ich reize dich gewiß nicht mehr.«

Der Wongy tobte und drohte – vergebens! Der Häuptling blieb unbeweglich auf seiner Forderung bestehen. Da fügte sich denn Pagan. Er warf dem Häuptling die fünfzig Tael hin und knirschte zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor: »Buddha sende nach deinem Tode deine Seele in eine Schlange, die auf dem Bauche kriecht, Erde frißt und von allen verfolgt wird!«

»Und dich möge er in ein Pferd verwandeln und einem Engländer zu eigen geben, der dir nichts zu essen gibt, dir die Sporen in die Weichen drückt und dich Tag und Nacht ohne Ruhe traben läßt mit blutenden Weichen, schaumbedecktem Maule und zitternd vor Müdigkeit.«

»Buddha verderbe dich und die Göttin Cali kürze dein Leben ab!« schrie der Wongy.

»Und deine Seele wechsele so oft die Gestalt, als du Gold in deiner Tasche hast,« lachte der Häuptling.

Damit erhob er sieh, machte dem Wongy eine spöttische Verbeugung und entfernte sich mit seinen Leuten.

Lange noch vernahm man das Freudengeheul der Shan. Sie wähnten sich reich und glücklich und waren ganz zufrieden mit dem Erfolge ihres Feldzuges.

Nach dem Fortgange des Häuptlings verharrte der Wongy eine Weile still. Endlich erhob er sich und trat vor Meharamen hin.

»Mangvé-Mengyis Sohn ist in meinen Händen,« begann er höhnisch.

Meharamen antwortete nicht.

»Er wollte den weißen Elefanten von Muang-la holen, um die Freiheit seines Vaters zu erlangen, aber es ist ihm nicht gelungen. Pagan verdarb ihm sein Spiel; Pagan wird der Herr des Senmeng werden und Mangvé-Mengyi stirbt am Pfahl als der Giftmörder des heiligen Tieres.«

»Töte mich!« sagte der Jüngling mit schmerzlich gepreßter Stimme.

»Du wünschest dir den Tod. Ich glaube es dir wohl. Nein, du sollst Zeuge meiner Triumphe werden.«

»Freue dich deines Triumphes nur nicht zu früh,« hörte ich Meharamen sagen.

»Ah, du hoffst auf den Europäer! Verräter, mit einem Feinde unserer Nation machst du Gemeinschaft! Aber erwarte nicht, daß dich dieser Mann retten wird. Er ist tot.«

Ich sah Meharamen erbleichen. Dieses Wort hatte ihn schwer getroffen, denn es raubte ihm die letzte Hoffnung. Aber das war nur ein Augenblick, dann regte sich der Zweifel in ihm und er erwiderte: »Wenn du meinen Freund tötetest, so zeige mir seine Waffen.«

Der Wongy wurde doch etwas verlegen.

»Glaubst du, daß ich meine Hände damit befleckt hätte? Ich ließ sie bei der Leiche liegen.«

»Die kostbaren Waffen hättest du liegen gelassen? Mein Begleiter lebt. Er wird mich retten!« rief der Jüngling zuversichtlich.

»Hoffe nur, hoffe! Cali möge deine Hoffnung verwirklichen,« entgegnete Pagan und dann goß er seinen Zorn über seine Leute aus: »Auf, ihr Taugenichtse, auf! Nehmt den Gefangenen in euere Mitte und wehe euch, wenn ihr ihn entfliehen laßt. Vorwärts!«

Geräuschvoll erhoben sich die Männer und ich benutzte dies, um mein Versteck zu verlassen und mich vorsichtig zurückzuziehen.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
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