Читать книгу: «Die Bruderschaft des Baums», страница 3

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Der eine seiner Begleiter war lang und dünn und hatte einen etwas dümmlichen Gesichtsausdruck. Sein braunes Haar war fettig und seine Kleider wirkten ungepflegt. Der andere Begleiter war klein und wirkte irgendwie verschlagen. Hanrek konnte nicht sagen, wodurch dieser Eindruck entstand. Vermutlich waren es das fliehende Kinn und die kleinen etwas zu nahe beieinanderstehenden Augen, die wieselflink hin und her gingen.

Hanrek zeigte sich und trat auf den Weg hinaus, die Reiter kamen näher. Als die Drei ihn erreicht hatten, begrüßte er sie mit dem Gruß des Königs.

Der Gruß des Königs war die förmliche Begrüßung im Königreich. Dazu streckte man die rechte Hand mit dem Handrücken nach oben gerade nach vorne aus und drehte dann die Handfläche nach oben. Dies sollte zeigen, dass man unbewaffnet war und nichts Böses im Sinn hatte. Im Dorf nutzte man den Gruß des Königs fast nie, aber wenn man Fremden begegnete, wurde er fast immer verwendet. Es galt dann als unhöflich, wenn man den Gruß nicht anbot.

Nachdem er diese förmliche Geste ausgeführt hatte und die Reiter den Gruß erwidert hatten, sprach Hanrek sie an.

„Guten Abend, mein Herr. Ist euch bewusst, dass euer Pferd lahmt?“

„Hm.“

Der Mann musterte Hanrek von oben bis unten.

„Nein, das habe ich nicht bemerkt. Was denkst du, welcher Fuß es ist?“

„Vorne rechts.“, kam die prompte Antwort Hanreks.

Der etwa fünfundzwanzigjährige Mann stieg vom Pferd, kam auf die andere Seite und fuhr mit der Hand am Bein des Pferdes entlang abwärts zum Huf.

„Geschwollen ist es nicht. Sei so gut und führe es mir ein paar Schritte am Zügel, damit ich mir das ansehen kann.“

Hanrek tat, wie er gebeten wurde.

„Hm.“, sagte der Steuereintreiber nach einer Weile.

„Ich denke, du hast recht.“

„Wenn ihr gestattet.“, sagte Hanrek.

Er nahm sein Messer aus der Tasche, hob den Huf an und begann den Dreck aus dem Huf zu kratzen. Als er an die Stelle kam, wo der Stein saß, ging er behutsamer zu Werk. Ganz vorsichtig, ohne dem Tier weh zu tun, hebelte er den Stein unter dem Hufeisen heraus.

„So mein Alter. Jetzt kannst du wieder schmerzfrei laufen.“

Dabei klopfte er dem Tier aufmunternd den Hals. Der Steuereintreiber hatte die ganze Zeit aufmerksam zugesehen.

„Gut gemacht, mein Junge.“, die beiden Gehilfen tauschten heimlich neidische Blicke.

„Wie ist dein Name?“

„Hanrek, mein Herr.“

„So wie Hanrek, der Drachentöter?“, fragte der Mann.

Die beiden Burschen grinsten sich hämisch an.

Hanrek verbeugte sich.

„So ist es. Zu euren Diensten, mein Herr. Ist euch unterwegs ein Drache begegnet, bei dem ich euch mit einer kleinen Heldentat beistehen soll.“

Der Steuereintreiber lachte.

„Nein, nein.“, sagte er schließlich.

„Nicht nötig. Du hast heute genug Heldentaten vollbracht.“

Dabei klopfte er seinem Tier, als ob er es belohnen wollte, den Hals und es war klar, dass diese Anerkennung für Hanrek bestimmt war.

„Und du brauchst mich nicht mit mein Herr anreden. Ich bin Lucek, der Steuereintreiber aus Haffkef, wie du vielleicht schon festgestellt hast.“

Hanrek nickte.

„Und das sind meine Gehilfen Rannold und Tonnir.“

Bei „Rannold“ deutete er auf den kleineren der beiden und bei „Tonnir“ auf den langen dünnen.

Hanrek schaute die beiden offen an, erntete aber nur abfällige Blicke. Er schätzte, dass die beiden ungefähr drei Jahre älter waren als er selbst.

„Wir sind auf dem Weg nach Hallkel. Kannst du uns sagen, wie weit das noch ist?“, fragte Lucek.

„Es ist nicht weit. Wenn ihr möchtet, kann ich euch begleiten.“, bot Hanrek an.

Lucek nahm dankend an. Rannold und Tonnir blieben auf ihren Pferden sitzen und ließen sie im Schritt hinter Lucek und Hanrek hergehen. Lucek ging neben Hanrek her und führte sein Pferd am Zügel hinter sich her. Dabei stellte er ihm viele Fragen. Wie das Erdbeben letztes Jahr war, wie viele gestorben waren, wie alt er sei, wie weit seine Ausbildung gediehen wäre und viele Fragen mehr. Hanrek beantwortete alle Fragen wahrheitsgemäß, und als sie den Dorfrand erreicht hatten, erklärte er ihm noch, wo die Dorfschenke zu finden war, verabschiedete sich und lief nach Hause.

Sein Vater horchte auf, als Hanrek erzählte, wen er ins Dorf begleitet hatte. Der Steuereintreiber war unerwartet gekommen.

„Stonek. Kannst du bitte bei den elf anderen Dorfratsmitgliedern vorbei laufen. Sag ihnen, ich würde sie bitten, zu uns zu kommen. In einer Stunde wäre gut. Ich möchte wegen des Steuereintreibers hier in unserem Haus ein kurzes Treffen haben. Hanrek, ich möchte, dass du auch dabei bist. Du sollst noch mal kurz berichten, was du mit dem Steuereintreiber gesprochen hast und wie er so ist.“

Stonek sauste los und eine Stunde später saß der ganze Dorfrat sowie Hanrek etwas beengt um den schweren Esstisch. Zaras hatte jedem das gewünschte Getränk in die Hand gedrückt. In kleinen Gruppen unterhielten sich die Frauen und Männer des Dorfrats. Dabei hatten viele eine besorgte Miene aufgesetzt. Da war Hirt der Bauer vom anderen Dorfende, Moreno der Dorfschmied, Zacharia der Dorfgelehrte, Wackes der Wirt von der Dorfschenke, der seinen Posten in der Schenke nur ungern verlassen hatte. Er hatte selbst kurz mit Lucek dem Steuereintreiber gesprochen und ihm ein Zimmer für die Nacht vermietet.

Pirion bat um Aufmerksamkeit.

„Wie ihr ja alle mitbekommen habt, ist heute Abend der Steuereintreiber aufgetaucht. Mein Vorschlag ist, dass vor allem der Dorfrat mit dem Steuereintreiber spricht. Die Gefahr, dass von uns jemand mit etwas prahlt, was der Kerl hinterher besteuern will, ist klein. Wir haben zwar alle nichts zu verbergen, aber solange wir den Mann nicht kennen und einschätzen können, halte ich das für den richtigen Weg.“

Im letzten Jahr war der Steuereintreiber wahrscheinlich wegen des Erdbebens nicht gekommen. Der jetzt aufgetauchte Steuereintreiber war neu und gänzlich unbekannt. Außerdem war er für einen Steuereintreiber sehr jung. Pirion vermutete, dass dieser sich noch profilieren wollte und daher übermotiviert war. Das waren Voraussetzungen, die die Gespräche vielleicht schwieriger machen konnten als nötig.

Hanrek und Wackes berichteten kurz über ihre Begegnungen mit Lucek. Für Hanrek war das eine sehr ungewohnte Situation. Und das eine oder andere Mal geriet er leicht ins Stocken, da er nicht wusste, ob er zu ausführlich berichtete. Immer wenn er stockte, suchte er instinktiv den Blick seiner Mutter, die sich dezent im Hintergrund hielt, da sie ja nicht Teil des Dorfrats war. Sie nickte ihm jedes Mal beruhigend zu und er fuhr dann jedes Mal bestätigt fort. Nachdem noch die eine oder andere Frage von den Dorfratsmitgliedern gestellt worden war, bedankte sich Pirion bei den beiden. Hanrek war dankbar, als es vorbei war und er merkte erst jetzt, dass er ganz durchgeschwitzt war.

Man besprach sich noch eine Weile und am Ende einigte man sich darauf, den Steuereintreiber zum Gespräch in die Schenke zu bitten.

Als alle gegangen waren, fragte Hanrek seinen Vater: „Warum macht ihr euch wegen Lucek so große Sorgen? Ich denke, er ist ganz nett.“

„Nun. Dass er ganz nett ist, wie du sagst, ist eine Sache. Aber wenn er die falschen Steuern erhebt, kann das für den einen oder anderen aus dem Dorf eine große Belastung sein. Wer will schon einen wertvollen Bullen verkaufen müssen, nur damit er die Steuern bezahlen kann. Natürlich unterstützen wir uns im Dorf untereinander, wenn einer in Not ist, so wie wir das ja schon immer getan haben, aber das sollte wenn möglich die Ausnahme bleiben und vor allem sollte es nicht an den Steuern liegen. Oder denk nur mal an die Ledersäckchen mit dem Holzmehl vom Heronussbaum, die wir im Keller vergraben haben oder gar an deinen Stab. Willst du den versteuern, nur weil irgendjemand seinen Mund nicht halten kann?“

„Oh.“

Da hatte Hanrek begriffen. Noch in der Nacht suchte er sich ein sicheres Versteck, in das er seinen geliebten Stab versteckte. Er nahm sich fest vor, seinen Stab bei nächster Gelegenheit so zu präparieren, dass keiner ihn als kostbar erkennen würde.

Am nächsten Vormittag traf sich wie verabredet der Dorfrat mit Lucek in der Schenke. Lucek gefiel die Idee sich mit nur wenigen im Dorf auseinanderzusetzen, da er dann nicht von Haus zu Haus gehen musste.

Der Steuereintreiber begann damit zu erzählen, dass der vorherige Steuereintreiber bei dem Erdbeben gestorben war.

„Er wurde mit zwei seiner Gehilfen in seinem Haus verschüttet. Man konnte alle drei leider nur noch tot bergen. Das ist natürlich auch der Grund, wieso im letzten Jahr niemand zum Eintreiben der Steuern gekommen ist.“

„Aber ihr wollt doch nicht ...“, setzte Pirion an.

Doch Lucek unterbrach ihn.

„Keine Sorge. Die Steuern vom letzten Jahr werden euch erlassen.“

Erleichtert atmeten die Dorfratsmitglieder am Tisch aus. Man unterhielt sich dann eine Weile über das Erdbeben und die Auswirkungen, die es hatte.

„Ich bin erst ein halbes Jahr nach dem Erdbeben nach Haffkef gekommen und natürlich ist viel schon wieder aufgebaut worden aber es gibt in der Stadt noch große Schäden und noch viel zu tun.“

Lucek fuhr fort.

„Der Tef hat mir erzählt, dass ihr um Hilfe ersucht habt, er hatte aber keine Möglichkeit welche zu schicken. Ich soll euch noch mal sein Bedauern mitteilen. Sobald er kann, will er euch selbst einmal besuchen.“

Die Unterredung stellte sich alles in allem als erfolgreich für die Dorfbewohner dar. Der Steuereintreiber war umgänglich und nicht unverschämt in seinen Forderungen und Pirion hatte den Eindruck, dass sie gut mit ihm auskommen würden. Doch dann kamen sie zu einem Punkt, der Pirion im Innersten traf.

„Wie ich ja bereits erzählt habe, sind der letzte Steuereintreiber und zwei seiner fähigen Gehilfen beim Erdbeben gestorben.“

Dabei warf Lucek unbewusst einen kurzen missbilligenden Blick auf die beiden Gehilfen, die an einem weiter entfernten Tisch ebenfalls in der Schenke saßen und dort schon mehrere Gläser Bier getrunken hatten. Pirion war sich fast sicher, dass sie Kirtan, die Tochter des Wirts mit unflätigen Bemerkungen belästigt hätten, wenn nicht ihr Meister in der gleichen Schenke gesessen hätte.

„Ich selbst bin jetzt seit einem halben Jahr in Haffkef. Die normale Anzahl an Gehilfen, die ein Steuereintreiber benötigt, liegt bei vier, ich habe zurzeit aber nur zwei Gehilfen und ich bin auf der Suche nach zwei neuen Jungen, die ich zu Gehilfen ausbilden kann. Heute habe ich einen davon gefunden. Es ist Hanrek.“

Pirion wollte sofort widersprechen. Aber es hatte ihm die Sprache verschlagen. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Als er dann seine Sprache wiedergefunden hatte, klang alles, was er vorbrachte, lahm gegen die selbstbewusst vorgetragene Forderung des Steuereintreibers.

„Ich weiß“, sagte Lucek, „das kommt jetzt sehr überraschend und ist für dich Pirion ein ziemlicher Schlag. Aber ich habe meine Wahl getroffen. Wie du weißt, habe ich heute Nachmittag Hanrek auf dem Weg hierher getroffen. Er hat erkannt, dass mein Pferd lahmt, ehe ich es bemerkt habe. Dann hat er mit einer ausgezeichneten Fingerfertigkeit den Stein aus dem Huf entfernt. Ich habe mich mit ihm unterhalten und habe festgestellt, dass er nicht auf den Kopf gefallen ist. Ich habe mich daraufhin über Hanrek im Dorf erkundigt und nur das Beste über ihn gehört. Sein Ausbilder war voll des Lobes über ihn und seine Fertigkeiten mit dem Stab. All das sind Eigenschaften, die er als Gehilfe eines Steuereintreibers gut gebrauchen kann. Und wer weiß, vielleicht wird er ja selbst einmal Steuereintreiber.“

Lucek fuhr fort.

„Wie du weißt, werden die Eltern des Lehrlings damit entschädigt, dass sie die nächsten beiden Jahre keine Steuern bezahlen müssen. Ich werde Hanrek nicht sofort mitnehmen. Ich mache meine Runde noch über die anderen Dörfer und komme auf dem Rückweg wieder vorbei. Dann nehme ich den Jungen mit.“

Nach einer Weile fügte er noch hinzu.

„Ich komme morgen bei euch vorbei und rede selbst mit Hanrek.“

In Hallkel war es Jahre her, dass ein Steuereintreiber von seinem Recht Gebrauch gemacht hatte, einen jungen Lehrling notfalls gegen den Willen der Eltern und des Lehrlings selbst einfach zu bestimmen.

Pirion ging niedergeschlagen nach Hause und berief trotz später Stunde einen Familienrat ein. Als alle um den Küchentisch versammelt waren, erzählte er die Neuigkeit.

Hanrek war wie vor den Kopf gestoßen. Er sollte das Dorf verlassen. Seine Familie, seine Freunde und die vertraute Umgebung einfach verlassen, um Gehilfe eines Steuereintreibers zu werden. Die Stadt, die ihm zwar immer gefallen hatte, die er aber für zu groß und zu laut empfand, das sollte plötzlich der Ort sein, wo er lebte, aß, arbeitete und wohnte. Er vermisste jetzt schon seine Freunde im Dorf, die Felder, seine Wanderungen im Wald, die Lichtung auf der er mit seinem Stab übte.

Warum war er auch nur Lucek auf dem Weg begegnet und warum war er so dumm gewesen, sich in den Vordergrund zu drängen, indem er seinem Pferd geholfen hatte? Spätestens, wenn das Pferd richtig gelahmt hätte, hätten sogar die beiden anderen Gehilfen des Steuereintreibers bemerkt, dass das Pferd einen Stein unter dem Hufeisen hatte und jeder, der ein bisschen Erfahrung mit Pferden hatte, hätte ihn entfernen können. Auch dann hätte das Pferd keinen Schaden genommen. Der Steuereintreiber hätte einfach etwas länger zu Fuß gehen müssen. Aber nein. Er hatte sich ja mithilfe seiner Gabe einmischen müssen. Und warum hatte er sich nicht dümmer gegeben, als er war, damit so ein blöder Steuereintreiber ein Beamter aus der Stadt nicht auf die Idee kam, ihn als Gehilfen zu wollen? Und warum hatte sein Vater das nicht verhindert? Schließlich brauchte er ihn doch bei der Arbeit.

Immer mehr steigerte Hanrek sich in eine Stimmung hinein, in der er am liebsten das Geschirr aus dem Küchenschrank genommen hätte und jedes Teil einzeln mit einem lauten Knall dem Steuereintreiber an den Kopf geworfen hätte.

Pirion, der seinen Sohn gut kannte, bemerkte seine Stimmung. Er versuchte erst gar nicht, ihn zu besänftigen sondern erzählte weiter von dem, was Lucek ihm in der letzten Stunde erzählt hatte. Er erzählte von der Arbeit, die Hanrek bevorstand, wie die Lehrzeit ablaufen würde, wo er zum Wohnen untergebracht war und dass er die Eltern hin und wieder besuchen könnte.

Ganz allmählich konzentriert sich Hanrek nicht mehr auf seine Wut sondern hörte zu und stellte widerwillig Fragen. Viele dieser Fragen konnte Pirion nicht beantworten und er empfahl Hanrek, dass er diese Lucek am nächsten Morgen stellen sollte. Noch bis spät in die Nacht redete die Familie über das Thema. Und als Hanrek ins Bett ging, lag er lange wach und konnte nicht einschlafen. Seine Gedanken kreisten weiter um seine Zukunft, die er sich so anders vorgestellt hatte.

Am nächsten Morgen kam Lucek wie angekündigt vorbei, um mit Hanrek zu sprechen. Die beiden gingen in den Garten hinters Haus und setzten sich in die Nähe des Heronussbaums.

Beim Anblick des Baums war Hanrek den Tränen nah. Er hatte sich so darauf gefreut, mitzuerleben, wie der Baum wuchs, gedieh und schließlich „erwachsen“ würde. Bis heute vermittelte der junge Baum noch nichts von der königlichen Würde, wie ihn Hanrek bei dem Heronussbaum im Wald kennengelernt hatte. Er nahm sich vor, diesen alten Baum wenn möglich noch mal vor seiner Abreise in die Stadt zu besuchen.

„Hanrek. Ich weiß, ich habe dich gerade in eine Stimmung versetzt, in der du aufgewühlt bist. Du würdest mich am liebsten verprügeln, verfluchen oder sonst etwas mit mir tun. Dafür habe ich Verständnis. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals von dem Steuereintreiber in Korref als Lehrling ausgewählt wurde und wie ich mich damals gefühlt habe.“, begann Lucek das Gespräch.

Er erzählte ihm von seiner eigenen Zeit als Lehrling und wie er sich früher seine Zukunft vorgestellt hatte. Er verschwieg nicht, dass ihm seine Lehrzeit oft zuwider gewesen war. Aber er erzählte auch von den Möglichkeiten, die sich ihm durch die neue Aufgabe ergeben hätten. Er hatte mehr von der Welt gesehen, als er sich als Junge hatte vorstellen können. Er war in Kiroloom gewesen und hatte auch sonst einige der Städte des Königs gesehen.

Hanrek war am Ende des Gesprächs fast besänftigt und sah seine Zukunft nun in einem etwas anderen Licht. Lucek gab Hanrek noch einige Tipps, was er mitnehmen sollte, was er besser zu Hause ließ und vieles mehr. Nach zwei Stunden schien alles gesagt zu sein und Lucek verabschiedete sich.

Am übernächsten Tag verließ Lucek mit Rannold und Tonnir Hallkel auf dem Weg in Richtung des Nachbardorfes Hannkel.

In den Tagen nach dem Gespräch mit Lucek begann Hanrek, sich auf seine neue Zukunft vorzubereiten. Dazu gehörte, dass er mit der Vergangenheit abschloss.

Er verbrachte viel Zeit mit seinem Bruder Stonek und er führte lange Gespräche mit seinen Eltern. Sie wollten ihm in dieser Zeit am liebsten schnell noch alle die guten Ratschläge mit auf den Weg geben, die sie ihm zeit seines Lebens vorgelebt hatten. Dabei handelt es sich um die Art Ratschläge, die alle Eltern ihren Kindern geben, in der Hoffnung, dass sie nicht all zu viele Fehler in der großen weiten Welt machen.

Er besuchte, wie er es sich vorgenommen hatte, den alten Heronussbaum im Wald und saß einen ganzen Nachmittag unter seinen weit überhängenden Ästen eingehüllt in seine väterliche Präsenz. Als er sich verabschiedete, hatte er viel neue Kraft gesammelt, die er, da war er sich sicher, in den nächsten Wochen und Monaten brauchen würde.

Es galt außerdem, sich von allen Freunden zu verabschieden und zahlreiche Dinge, die er in der vergangenen Zeit vor sich hergeschoben hatte, wollten noch schnell erledigt werden.

Er versuchte, wie er sich an dem Abend als Lucek das erste Mal nach Hallkel gekommen war, vorgenommen hatte, seinen Stab so zu behandeln, dass niemand ihn als wertvoll erkennen würde. Das stellte sich als nicht einfach heraus. Alle Stoffe, die er probierte, drangen nicht ins Holz ein und konnten einfach wieder abgewischt oder abgewaschen werden. Sie hatten daher keinerlei Effekt.

Es war Zufall, dass er ein Mittel fand, mit dem er seinem Stab einen dunkleren Farbton geben konnte. Er war mit seinem Vater früh morgens in den nahen Wald gegangen, um Holz zu schlagen für den Winter. Seinen Stab hatte er mitgenommen, er konnte sich kaum von ihm trennen, legte ihn aber zum Arbeiten beiseite ins Gras.

Als sie um die Mittagszeit eine Pause machten und etwas aßen, setzte er sich neben seinen Stab ins Gras. Als er ihn in die Hand nahm, stellte er fest, dass er an einer Stelle einen Fleck hatte. Obwohl er sich bemühte, konnte er den Fleck nicht weg reiben. Verwundert versuchte er es mit etwas Wasser. Auch das ging nicht. Jetzt war er hellwach und suchte nach dem Grund für den Fleck. Wo hatte er ihn hingelegt und was hatte diesen Fleck erzeugt. Als er den Boden absuchte, wo der Stab gelegen hatte, fand er einen zerdrückten Pilz.

Es war ein normaler gelbbrauner Nockenröhrling, ein Pilz, der überall im halbhohen Gras wuchs, den man aber nicht essen konnte. Sehr schnell fand er dann heraus, dass es mithilfe des Saftes dieses Pilzes tatsächlich möglich war, das Kernholz des Heronussbaums in einem schönen Braunton zu färben. Den Rest der Pause brachte er damit zu, Pilze zu suchen und am Abend war sein Stab nicht mehr auffällig hell sondern er hatte einen unscheinbaren aber schönen braunen Farbton.

Hanrek wusste nicht, wie er sich von Miria verabschieden sollte. Er hatte ein merkwürdiges Ziehen in der Herzgegend, wenn er daran dachte, dass er die Nachbarstochter für sehr lange Zeit nicht mehr sehen würde. Seit der Ernte fiel es ihm leichter sich mit ihr zu unterhalten, aber trotzdem benötigte er immer noch einen Anlass, um mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Eines Nachmittags passte er sie ab, als sie auf dem Weg zum Brunnen war. Er bot sich an, ihr auf dem Rückweg die schweren Wassereimer zu tragen.

„Ja, da hätte ich auch die großen Eimer nehmen können, wenn ich gewusst hätte, dass mir unterwegs ein Held begegnet, der die Eimer für mich trägt.“, zog sie ihn auf.

Hanrek blieb dabei ungewöhnlich ernst.

„Miria, ich möchte mich von dir verabschieden. Vielleicht hast du ja mitbekommen, dass ich in ein paar Tagen eine Lehre beim Steuereintreiber beginnen soll. Er nimmt mich mit in die Stadt, sobald er auf seiner Rundreise wieder durch Hallkel kommt.“

Miria blieb wie angewurzelt stehen.

„Was?“ fragte sie überrascht, „du gehst auch in die Stadt. Nein, das habe ich noch nicht gehört.“

„Was heißt auch? Wer geht denn noch?“, fragte Hanrek verwirrt.

„Ja ich, du Dummkopf.“

Jetzt war es an Hanrek, überrascht zu sein.

„Was? Aber wieso du?“

„Meine Mutter kann mir als Schneiderin nichts mehr beibringen. Wenn ich mehr lernen will, muss ich in die Stadt gehen. Meine Tante wohnt dort und ist auch Schneiderin. Sie stellt aber zusätzlich auch Teppiche her, außerdem kennt sie sehr viele und ausgefallene Webmuster. Meine Mutter ist der Meinung ich soll das alles lernen. Das Dorf kann zudem keine zweite Schneiderin ernähren. Ich müsste sowieso über kurz oder lang entweder in ein anderes Dorf gehen oder in die Stadt ziehen.“, erklärte Miria.

„Wann gehst du in die Stadt?“, fragte Hanrek.

„Angekündigt bin ich meiner Tante schon. Wir haben bisher nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet. Vielleicht kann ich sogar mit dir in die Stadt gehen.“, überlegte Miria. „Das wäre eine dieser günstigen Gelegenheiten, auf die wir gewartet haben.“

Plötzlich sah die Welt für Hanrek ganz anders aus. Jetzt auf einmal fand er Gefallen an dem Gedanken, nach Haffkef zu gehen.

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