Читать книгу: «Die Bruderschaft des Baums», страница 7

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Saffo deutete ihm an, dass er ihm folgen sollte. Pirion und die beiden anderen Krieger, die Saffo schon zuvor begleitet hatten, folgten ihm. Er ging in das nächstbeste Haus und setzte sich dort an einen Tisch.

Er deutete auf einen Stuhl, was wohl soviel heißen sollte wie. „Setz dich.“

Pirion zog den Stuhl an den Tisch und setzte sich. Die beiden anderen Krieger blieben neben der Tür stehen. Es war klar, dass sie Pirion und ihren Anführer keine Sekunde aus den Augen lassen würden.

„Wie heißt du?“, fragte Saffo.

„Pirion“, antwortete der Tel des Dorfes.

„Ich sagte ja bereits, dass ich nicht vorhabe, euch zu töten, Pirion.“, sagte Saffo.

„Dass wir euch verschonen, hat aber seinen Preis. Ihr werdet uns mit Proviant versorgen. Ich werde euch meinen Proviantmeister schicken und Ihr werdet ihm ohne Widerstand geben, was er verlangt. Das sind vor allem Gemüse, Getreide und Fleisch.“

„Hm.“, sagte Pirion.

Saffo stellte die Augenbrauen auf, weil er damit rechnete, dass Pirion versuchte, sich herauszureden oder dass er gar widersprechen würde. Das hatte Pirion auch vorgehabt, ihm wurde aber sofort klar, dass er auf verlorenem Posten stand. Stattdessen entschloss er sich, ein anderes Thema anzusprechen.

„Die Ernte steht bevor und wenn wir die nicht wie geplant einfahren, werden wir nächstes Jahr nichts zu essen haben.“

„Hmmm. Gut. Das ist kein Problem.“, antwortete Saffo.

„Wenn ihr die Ernte einfahrt, um so besser. Dann werden wir davon auch profitieren. Ich werde meine Leute anweisen, dass sie euch dabei in Ruhe lassen.“

Pirion entschloss sich, es jetzt doch mit dem Verhandeln zu versuchen.

„Weil jetzt die Ernte bevorsteht, sind unsere Vorräte aus dem letzten Jahr fast aufgebraucht vor allem die von Gemüse und Getreide.“, er zuckte dabei mit den Schultern und tat so, als ob er es ehrlich bedauerte, was er natürlich nicht tat.

Der Blick des Kriegers verfinsterte sich sofort, was Furcht einflößend aussah.

Pirion hatte seine Bedenken geäußert und schob deshalb sofort die Versicherung nach, dass er es ihm oder besser gesagt seinem Proviantmeister in den Getreidespeichern zeigen könnte, dass nicht mehr viel übrig war, dass es aber beim Fleisch besser aussehen würde. Es wäre zwar nicht das beste Jahr gewesen aber zumindest habe es keine Krankheiten unter den Tieren gegeben, sodass nicht allzu viele Tiere gestorben waren. Er erzählte einige weitere Details, dass man sich im Frühjahr Sorgen gemacht hätte, weil die Kühe so spät gekalbt hätten und auch die Schafe so spät dran gewesen wären, dass dann ein wilder Sturm gewesen wäre und ...

Und er erreichte damit genau dass, was er erreichen wollte. Diese Tirade über bäuerliches Alltagsgeschwätz interessierte Saffo überhaupt nicht und er schnitt Pirion mit einer Geste das Wort ab.

Damit war das Thema Proviant erledigt. Pirion hatte zwar nicht ganz das erreicht, was er erhofft hatte, aber er hatte Saffo zumindest klar gemacht, das nicht alles so einfach werden würde, wie er sich das dachte.

Saffo ging zum nächsten Thema über. Pirion war erst einmal erleichtert. Die Erleichterung wich aber schnell, als Saffo wissen wollte, wie die nähere und weitere Umgebung aussehen würde.

Pirion beschrieb ihm die nähere Umgebung. Ihm war bewusst, dass er es tunlichst vermeiden musste, all zu viele Informationen preiszugeben. Jede Information, die er ihm gab, konnte den fremden Kriegern helfen, das Land tatsächlich zu erobern. Auf der anderen Seite war alles, was Pirion sagte, auf einfache Weise nachprüfbar. Er kam langsam ins Schwitzen.

Er versuchte es damit, dass er einfach Informationen weg ließ. Saffo wusste aber genau, was er wollte und instinktiv fragte er immer an diesen Stellen gezielt nach, sodass Pirion oft gezwungen war sogar noch mehr Details preiszugeben, als ob er gleich von Anfang an mehr erzählt hätte. Er musste Saffo von den anderen Dörfern und von Haffkef berichten.

Dann fragte ihn Saffo nach dem Fluss und man merkte ihm an, dass es sich für ihn um ein wichtiges Thema handelte. Pirion war selbst erst einmal am Fluss gewesen und darüber hinaus war er noch nie gewesen und es gab kaum jemanden im Dorf, der schon einmal auf der anderen Seite des Flusses gewesen war. Da könne er nur berichten, was er gehört hätte.

Saffo wurde zusehends unzufriedener. Er forderte Pirion auf, das was er vom Fluss wisse oder „gehört“ habe zu erzählen.

Manche hätten dies berichtet, andere hätten das erzählt, kam Pirion der Aufforderung nach. Ob denn der Fluss breit wäre, wollte Saffo wissen.

„Nein. Im Frühling nach der Schneeschmelze ist der Fluss zwar breit aber jetzt nicht mehr. Jetzt kommt man schon in einer halben Stunde mit einem Boot gut über den Fluss.“, antwortete Pirion.

Saffo sah ihn entgeistert an.

„Eine halbe Stunde.“, und kurz darauf kam die Frage.

„Was ist ein Boot?“

Jetzt war es an Pirion, überrascht zu sein.

„Äh, also, ein Boot ist aus Holz und damit fährt man auf Wasser. Man benutzt zwei Ruder, die man ins Wasser taucht, damit man vorwärts kommt.“

Saffo blickte erst Pirion und dann seine beiden Begleiter mit einem seltsam verwirrten Blick an. Die beiden Krieger schauten genauso verwirrt zurück. Pirion wurde bewusst, dass die drei Krieger nicht verstanden hatten, von was er eigentlich sprach. Sie hatten noch nie ein Boot oder geschweige denn einen Fluss gesehen.

Pirion entschloss sich deshalb im Gegensatz zu seiner vorhergehenden Taktik, den Fluss etwas genauer wenn auch nicht ganz wahrheitsgetreu zu beschreiben.

„Nun natürlich ist der Fluss jetzt nicht mehr so breit wie im Frühjahr.“, winkte Pirion ab, „aber ich habe gehört, dass manchmal, wenn in den Bergen eine Schneelawine in den Fluss rutscht, es riesige Flutwellen geben soll, die dann meterhoch das ganze Ufer überschwemmen. Die meisten, die in eine solche Welle geraten, ertrinken. Aber wie gesagt, das kommt gar nicht so oft vor. Vor ungefähr zwei Jahren hatten wir im Frühling ein starkes Erdbeben“ alle drei Krieger nickten zustimmend mit dem Kopf, „und da hat uns das Wasser unseres Bachs auch erwischt. Da war fast das ganze Dorf überschwemmt.“

Er unterließ es zu erwähnen, dass die Überschwemmung dadurch zustande gekommen war, dass Trümmer der zusammengefallenen Häuser den Bach aufgestaut hatten.

„Wir mussten alle Häuser neu aufbauen. Schaut es euch an, hier, das Haus ist noch ganz neu so wie alle anderen Häuser auch. Das Holz ist noch ganz frisch.“

Dabei deutete Pirion auf eine Stelle, an der die Balken der Wand frei zu sehen waren. Die Wirkung seiner Erzählung war sehenswert. Die Augen der Krieger gingen erst zu der Stelle auf die Pirion deutete. Dann schauten sie auf den hinter dem Haus vorbei fließenden friedlich vor sich hinplätschernden Bach.

„Aber im Großen und Ganzen ist das mit dem Fluss und auch mit unserem Bach nicht so schlimm. Wenn so was passiert wie diese Welle muss man nur etwas Sicherheitsabstand zum Wasser lassen so an die tausend Schritt und schon ist die Gefahr nicht mehr so groß. Jetzt im Spätsommer ist auch die Strömung am Fluss nicht mehr so stark wie im Frühsommer. Wenn man im Frühsommer mit einem Boot über den Fluss fahren will, dann soll man fast nicht auf die andere Seite kommen. Neulich habe ich gehört, dass dieses Jahr ein etwas größeres Boot gekentert ist und dass dabei 10 Männer gestorben sind. Einige sind wohl sofort ertrunken. Nur die, die schwimmen konnten, sollen von den Fischen im Fluss lebendig gefressen worden sein. Ein Boot bietet gegen die Fische normalerweise einen guten Schutz, nur wenn man halt hinein fällt, können sie gefährlich werden. Es soll nur sehr selten vorkommen, dass es die Fische schaffen, sich während der Überfahrt durch das Holz zu beißen.“

Saffo stellte ihm noch so manche Frage zum Fluss und man merkte ihm an, dass ihm dabei nicht wohl war. Pirion war erfindungsreich, bemühte sich jetzt aber, nicht zu sehr über das Ziel hinauszuschießen. Er war sich aber sicher, dass er den einen oder anderen Zweifel gesät hatte.

Als Saffo nach ungefähr zwei Stunden mit seinen Fragen fertig war, getraute sich Pirion ebenfalls eine Frage zu stellen.

„Wo kommt ihr eigentlich her? Da ihr nicht aus dem Süden kommt, nehme ich an, ihr seid aus dem Norden.“

„Das ist richtig.“, sagte Saffo.

„Wir kommen aus Narull. Das liegt hinter den Bergen.“, Saffo deutete durch die Wand auf die Berge im Norden.

In diesem Moment wurden sie durch lautes Geschrei gestört. Sekunden später kam ein weiterer Krieger ins Haus.

„Verzeiht Kommandant, aber ihr wolltet informiert werden, wenn der Reiter zurück ist.“

„Ist gut. Wir sind hier sowieso fertig. Ich komme.“, sagte Saffo.

Mit diesen Worten stand er auf und verließ mit dem Krieger das Haus. Die beiden verbliebenen Krieger schauten sich fragend an. Dann machte der eine Krieger eine Geste mit dem Kopf und forderten Pirion damit auf, ihnen zu folgen.

Als sie das Haus verließen, merkte Pirion, dass das Geschrei von den Dorfbewohnern gekommen war. Viele kleinere Kinder kreischten fast panisch und versteckten sich hinter ihren Eltern. Und dann sah Pirion warum. Der Grund war nicht zu übersehen.

Vom südlichen Dorfrand kam ein Untier die Dorfstraße entlang direkt auf sie zu. Es war so hoch, wie die Häuser an denen es vorbei kam, es war einfach Furcht erregend und es erinnerte Pirion an die Bilder von Feuer speienden Drachen, die er in einigen Büchern gesehen hatte.

Der Drache zeigte lange spitze Zähne, die Pranken waren riesig und mit langen Krallen versehen und sein langer gefährlich aussehender Schwanz schwang bei jedem Schritt hin und her. Der Drache war mit großen Stacheln und Schuppen bedeckt.

Pirion stand mit offenem Mund an die Hauswand gepresst, an die er instinktiv zurückgewichen war. Als das Tier bei Saffo angekommen war, hielt es an und legte sich wie ein Hund auf den Boden. Ein sehr großer Hund.

Die Kreatur ließ seinen Blick in die Runde schweifen. Ihr Blick traf den von Pirion. Einen Moment lang sah die Kreatur Pirion direkt in die Augen. Die Augen waren fast menschlich nur viel größer. Pirion hatte das Gefühl, dass das Tier seinen Blick festhielt und ihn abschätzte. Dann wanderte der Blick weiter.

Er erschauerte. Er kam zu sich wie nach einem schweren Albtraum. Erst jetzt, nachdem ihn der Blick losgelassen hatte, bemerkte er den Mann, der auf dem Rücken des Tieres saß.

Er stieg jetzt vom Rücken des Ungeheuers, fasste in seine Tasche und warf das, was er heraus geholt hatte nach vorne in Richtung des Kopfes des Tieres. Eben hatte die Kreatur noch die Umgebung systematisch begutachtet, im nächsten Moment schnellte der Kopf in einer rasend schnellen fließenden Bewegung nach hinten, fing den Gegenstand, den Pirion jetzt als großen Fleischbrocken erkannte, mit einem lauten Klacken seiner Zähne auf und verschlang es gierig unter großem Schmatzen. Sekunden später war von dem Fleischbrocken nichts mehr zu sehen und das Tier legte seinen Kopf nach vorne auf die Pfoten. Wie ein Hund. Wie ein sehr großer Hund.

Pirion schaute eine Weile der Szene zu, die sich ihm bot. Der Anführer der Krieger und der Reiter unterhielten sich leise. Der Drache lag entspannt neben seinem Reiter, überragte diesen aber sogar noch im Liegen.

Dann wurde sich Pirion seiner Pflichten als Tel und als Anführer des Dorfes bewusst. Er musste sein Dorf und dessen Bewohner schützen, und er musste dafür sorgen, dass die nahe gelegene Stadt und das ganze Königreich von diesem Ungeheuer erfuhren.

„Was ist das für ein Tier? Ist das ein Drache?“, fragte er einen der beiden Krieger, die immer noch neben ihm standen.

Der schaute ihn an, als ob er gefragt hätte, ob Wasser nass ist.

„Ein Drache? Es gibt keine Drachen. Das ist ein Exzard. Hast du noch nie einen Exzarden gesehen?“

„Nein.“, antwortete Pirion“, „Das ist das erste Mal, dass ich einen sehe. Exzard sagst du heißt das Tier.“

Der Krieger nickte.

„Schlaue Tiere und sehr gefährlich, wie du dir denken kannst.“, sagte der Krieger fachmännisch.

„Bemerkenswert, dass man die reiten kann wie ein Pferd.“, sagte Pirion, um den Krieger am Reden zu halten.

„Hahaha.“, lachte der Krieger, „Reiten wie ein Pferd. Der Witz war gut.“

Der Krieger lachte, als hätte Pirion tatsächlich einen Witz gemacht.

„Der Unterschied zwischen einem Exzarden und einem Pferd ist nur der, dass ein Pferd nicht vorhat, dich zu fressen. Ein Exzard dagegen tötet dich schneller als du ausspucken kannst und wenn er Hunger hat, frisst er dich, nachdem er dich gefangen und ein wenig mit dir gespielt hat.“

Dann murmelte er unter leisem Lachen noch mal vor sich hin.

„Wie ein Pferd.“

Pirion fragte nach einer Weile zögerlich.

„Spuckt der Dra ... Exzard ... Spuckt der Exzard Feuer?“

Da war es mit dem Krieger geschehen. Er brach in hemmungsloses Lachen aus. Auch sein Kumpan, der das ganze Gespräch mit angehört hatte, sich vorher aber mit einem Schmunzeln begnügt hatte, lachte jetzt mit. Es dauerte eine Weile, bis der Krieger wieder in der Lage war zu sprechen.

„Nein. Ein Exzard spuckt kein Feuer. Nicht mal ein kleines Dampfwölkchen.“

„Ist es in Ordnung, wenn ich zu meinen Leuten zurückgehe?“, fragte Pirion kleinlaut.

„Geh nur.“, kam als Antwort.

Statt zu gehen, fragte Pirion den Krieger.

„Wie lange hat Saffo noch vor uns so zu bewachen. Die Kinder sind wegen dem Exzarden total verängstigt, wahrscheinlich haben sie mittlerweile auch großen Hunger. Wir sind für euch doch keine Gefahr.“

„Kann ich nicht sagen. Das hat Saffo zu entscheiden.“

Damit war für ihn das Gespräch beendet.

Pirion verließ die beiden Krieger und ging zurück zu seinen Leuten. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass einige der jungen Männer den Versuch unternahmen, die Stadt zu erreichen und die Leute zu warnen. Der Tef würde wahrscheinlich die Stadt nicht einfach so kampflos aufgeben, wie Pirion es mit seinem Dorf getan hatte. Aber der Tef sollte zumindest wissen, worauf er sich einließ, wenn er gegen die Krieger mit den Drachen, die Drachenkrieger, kämpfte.

***

Hanrek und Jorgen hatten nach langer Zeit endlich einmal wieder etwas Zeit gefunden und waren abends gemeinsam auf Tour gegangen. Sie waren in einer kleinen heimeligen Schenke in der Nähe der Stadtmauer gelandet. Stadtmauer konnte man das Gemäuer eigentlich fast nicht mehr nennen, da es für eine Stadtmauer sehr niedrig war. An vielen Stellen war sie vor Altersschwäche eingefallen oder was viel wahrscheinlicher war, flinke Hände hatten sich beim Bau des eigenen Hauses an den Steinen der Mauer bedient und damit den Materialkauf gespart. Das sah in der Stadt auch niemand so richtig eng, da es für die im Hinterland des Königreichs liegende Stadt Haffkef ziemlich unwahrscheinlich war, dass man jemals einen Krieg oder eine Belagerung erleben würde.

Hanrek und Jorgen hatten sich lange darüber unterhalten, wie es bei der Bruderschaft des Baums jetzt weitergehen würde. Ihnen war die Grundlage ihres täglichen Lebens genommen worden. Keiner der Brüder hatte sich als derjenige zu erkennen gegeben, dem das Kunststück mit dem Baum gelungen war. Man beratschlagte sich täglich in ewigen Diskussionsrunden. Die Ordnung in der Bruderschaft drohte zu zerfallen.

Gerade hatte Hanrek per Handzeichen beim Wirt zwei Bier bestellt, als Jorgen auf die noch erhobene Hand deutete.

„Zeig mal her.“, bat Jorgen.

Hanrek tat Jorgen den Gefallen und streckte seine rechte Hand aus, wie wenn er den Gruß des Königs entbieten wollte. Jorgen fasste Hanreks Hand mit beiden Händen.

Nachdem er Hanreks Hand eingehend betrachtet hatte, blickte er Hanrek mit sich zusammenziehenden Augen an und fragte in einem drohenden Unterton. „Wer hat dir das mit dem Erkennungszeichen verraten?“

Hanrek sah Jorgen angesichts des drohenden Tons überrascht aber verständnislos an. Einen solchen Ton hatte er bei Jorgen noch nie gehört.

„Was denn für ein Erkennungszeichen? Was meinst du?“

Jorgens Augen zogen sich noch ein wenig enger zusammen. „Tu nicht so. Du weißt genau, was ich meine.“

„Nein, ich weiß nicht, was du meinst.“

„Ich meine“, Jorgen wurde laut, „dieses Zeichen auf deiner Hand, das du dir hast machen lassen. Was hat dich das Einritzen gekostet? Wann hattest du vor, das Kunstwerk der Bruderschaft zu präsentieren? Aber du hast dich geschnitten, so läuft das nicht. Die Bruderschaft muss dich als obersten Bruder anerkennen, bevor du dir das Erkennungszeichen machen lassen darfst. Du hast die Schmerzen umsonst ausgehalten.“ Damit stand er auf und wollte mit hochrotem Kopf den Tisch verlassen.

Mit einem schnellen Griff packte ihn Hanrek am Handgelenk bevor Jorgen zu weit weg war.

„Lass mich los.“ Jorgen zerrte, um die Hand los zu bekommen. Hanrek ließ aber nicht los und so einfach war es nicht, sich von Hanreks Griff loszureißen.

„Setz dich. Wir müssen reden.“

„Und beruhige dich erst einmal.“, fügte Hanrek besänftigend hinzu.

Widerwillig setzte Jorgen sich und Hanrek ließ sein Handgelenk los.

Inzwischen schauten schon die meisten Gäste interessiert zu den beiden herüber.

„Was gibt es da noch zu reden. Du verhöhnst die Bruderschaft, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.“, sagte Jorgen immer noch viel zu laut.

Hanrek legte leicht den Kopf schief.

„Du hast ein sehr kurzes Gedächtnis, Jorgen. Gerade mal 8 Wochen ist es her, da bin ich mit verbrannter und schmerzender Hand zu dir gerannt und du hast mir mit einem Eimer Wasser geholfen, die Verbrennung zu lindern. Und jetzt fragst du mich, was es mich gekostet hat. Jorgen, Jorgen.“, Hanrek schüttelte den Kopf, „ich will dir deine Frage beantworten. Geld habe ich dafür nicht bezahlt, wenn du das meinst. Aber die Narben haben mich einige Schmerzen und vor allem viel verletzten Stolz gekostet.“, damit sah er Jorgen an und wartete.

Jorgen sah zurück. Es dauerte eine Weile, bis er Hanreks Worten die nötige Bedeutung zuordnen konnte.

„Nein.“ Jorgen schüttelte mit leerem Blick den Kopf.

„Doch.“ Hanrek nickte.

„Das kann doch nicht sein.“, Jorgen schüttelte immer noch den Kopf. „Das ist die Narbe von der Sudkannen Geschichte mit Rannold?“

Hanrek nickte.

Jorgen stützte den Kopf auf die Hände und bedeckte dabei sein Gesicht.

Nach einer Weile kam kleinlaut. „Ich habe mich wie ein kompletter Idiot benommen. Ich weiß nicht was ich sagen soll, um das je wieder gut zu machen.“

Hanrek grinste. „Nicht der Rede wert. Sag einfach gar nichts. Aber vielleicht kannst du mir etwas über dieses Erkennungszeichen erzählen, wenn es nicht zu geheim ist und vor allem was das ausgerechnet mit meiner Narbe zu tun hat.“

„Es ist geheim. Aber ich fürchte, ich habe jetzt wohl keine andere Wahl als dir etwas mehr zu erzählen.“

Hanrek nickte. „So ist es.“

„Nun ja.“

„Hmmmm.“

„Also.“

„Ich werde es schon keinem weiter erzählen. Das Geheimnis ist bei mir sicher.“, versuchte Hanrek ihn zum Reden zu bringen.

Jorgen atmete einmal tief durch, wie um Mut zu sammeln und dann erzählte er.

„Ich habe dir ja schon einiges von der Bruderschaft erzählt. Unser Ziel ist es oder besser gesagt war es, die Prophezeiung des Baums zu erfüllen und den toten Baum wieder zum Wachsen zu bringen. Derjenige, der das schafft, soll unser oberster Bruder sein und kann auf die Unterstützung der ganzen Bruderschaft zählen. Und damit meine ich, wie ich dir neulich ja schon erzählt habe, nicht nur die aktiven Brüder in Haffkef sondern alle Brüder im ganzen Königreich.“

Hanrek nickte, er konnte sich gut daran erinnern, was Jorgen ihm erzählt hatte.

Jorgen fuhr fort. „Damit aber die Brüder im Königreich den obersten Bruder erkennen, soll dieser, nachdem er die Prophezeiung erfüllt hat, eine Tätowierung auf der Handinnenfläche bekommen, die genau unserer Tätowierung auf der linken Hand entspricht. Mit diesem Erkennungszeichen kann er bei jedem Bruder im Königreich um Hilfe und Unterstützung bitten und er wird sie bekommen. Inzwischen ist die Nachricht, dass die Prophezeiung des Baums in Erfüllung gegangen ist, schon in alle Winkel des Königreichs unterwegs. Der oberste Bruder würde überall im Königreich von den Brüdern wie ein König empfangen werden.“ Jorgen lachte kurz und bitter. „Jetzt ist die Prophezeiung in Erfüllung gegangen und wir wissen nicht, wer sie erfüllt hat. Folglich wird es auch keinen obersten Bruder geben.“

Hanrek fragte. „Habt ihr immer noch keine Idee, wer den Baum zum Wachsen gebracht hat?“

„Nein.“, kam die knappe Antwort.

Beide schwiegen eine ganze Weile, bis Hanrek schließlich einer Eingebung folgte und sehr leise sagte. „Ich habe den Baum wieder zum Wachsen gebracht.“

Jorgen starrte ihn entgeistert an.

„Es ist aber nicht so, wie ihr von der Bruderschaft euch das vorstellt. Der tote Heronussbaum ist weiterhin tot. Und er wird auch tot bleiben, es ist keine Spur Leben mehr in ihm. Aber unter dem Baum lag eine Heronuss, die bisher nicht gekeimt hatte. Du weißt ja vielleicht, dass eine Heronuss nicht in unmittelbarer Nähe eines Heronussbaums keimt. Deshalb hat die Heronuss dort viele hundert Jahre unter dem Baum gelegen. Ich musste ihr nur den nötigen Impuls geben, den sie gebraucht hat, um zu keimen. Und jetzt wächst halt ein neuer junger Heronussbaum direkt aus dem alten Baumgerippe heraus und für euch sieht es so aus, als ob der alte Baum neu ausgetrieben hätte. Sehr glücklich bin ich darüber nicht, dass der junge Baum direkt durch den alten Stumpf wächst, weil ich nicht weiß, ob es der junge Baum schafft, einige enge Stellen innerhalb des Stumpfes zu sprengen.“

Jorgen hatte den Erklärungen Hanreks ruhig zugehört. Zu ruhig. Dann sagte er mit einem leisen Zischen.

„Du bist ja noch schlimmer, als ich vorhin gedacht habe. Jetzt verdrehst du auch noch die Prophezeiung zu deinem Vorteil, erfindest einfach schnell eine Heronuss unter dem Baum, die auf wundersame Weise direkt durch den alten Baum wächst und so aussieht, als würde der Baum austreiben. Ich habe dich durchschaut. Du willst dich zum falschen obersten Bruder machen lassen. Es kann dir ja keiner nachweisen, dass du den Baum nicht zum Wachsen gebracht hast. Und das nötige Erkennungszeichen hast du ja schließlich auch schon. Sogar ich hätte die Narben als Erkennungszeichen anerkannt. Ich bezweifle nicht, dass die Narben aus der Sudkannen Geschichte entstanden sind. Aber es gehört schon viel Kaltschnäuzigkeit dazu, die Situation so schamlos auszunutzen. Und ich Idiot habe dir auch noch alle Einzelheiten zum Erkennungszeichen erklärt.“

Hanrek schaute Jorgen entsetzt an. Er hatte nicht erwartet, dass dieser ihn so missverstehen würde. Er begann, stammelnd auf Jorgen einzureden.

„Jorgen. Ich will nicht euer oberster Bruder sein. Das musst du mir glauben. Ich wollte lediglich dir als meinem Freund erklären, warum der Baum wieder gekeimt hat oder besser, dass er nicht wieder ausgetrieben hat. Aber das habe ich dir ja gerade erklärt.“ Hanrek merkte, dass die Erklärung fade wirkte.

Jorgen nickte nur. „Ist schon gut, Hanrek. Spar' es dir, die Prophezeiung zu deinem Vorteil zu verdrehen und die Bruderschaft weiter zu verhöhnen. Ich kenne jetzt deine Absichten und sei dir sicher, ich werde alles tun, damit du dich nicht als oberster Bruder ausgeben kannst. Verlass dich drauf, mein Freund.“ Die letzten Worte hatte er überbetont und war dabei aufgestanden. Jetzt ging er an der Theke vorbei, legte dem Wirt eine Münze auf den Tisch und verließ die Schenke.

Er ließ einen verwirrten und verzweifelten Hanrek zurück. Wie hatte das so schief gehen können? Er hatte das doch gar nicht erzählen wollen und er wollte doch tatsächlich nicht der oberste Bruder der Bruderschaft werden. Alles, was mit der Bruderschaft zusammenhing, war für Jorgen heilig und er war so fanatisch, wenn es um sie ging. Er hätte es wissen oder zumindest ahnen müssen. Er hätte besser seinen Mund gehalten. Aber jetzt war es zu spät. Er seufzte, zahlte seinen Teil der Zeche und ging. Von Jorgen war weit und breit nichts mehr zu sehen. Er ging noch lange durch die nächtliche Stadt und grübelte vor sich hin. Erst sehr spät ging er nach Hause und legte sich hundemüde ins Bett.

Hanrek wurde durch lautes Rufen und durch heftiges Klopfen an der Tür wach. Er hatte das Gefühl, dass er gerade erst eingeschlafen war. Sein Gefühl trog ihn nicht. Es war wahrscheinlich gerade mal ein paar Minuten her. Hanrek rappelte sich auf und auch Binno kam schlaftrunken hoch. Gerade wollten sie aufstehen, um die Tür zu entriegeln, als ihnen die Tür mitsamt dem vorgeschobenen Riegel entgegen flog. Der nächtliche Störer hatte die Geduld verloren. Es war Spartak der Ausbilder von Hanrek.

„Spartak! Was ist los? Wo kommst du denn her und warum trittst du unsere Tür ein?“

„Zieht euch an. Schnell. Wir müssen weg. Beeilt euch.“

„Was ist los? Ist was mit Zaras und Pirion. Oder mit Stonek.“

„Es ist Krieg. Das Königreich wurde überfallen.“

„Was!“

„Ich erzähle euch alles später. Jetzt ist es wichtig, dass ihr euch schnell fertig macht. Wir müssen Miria holen und fliehen. Schnürt euch ein kleines Bündel.“, damit verließ er das Zimmer und ließ zwei verstörte Burschen zurück.

Wenige Minuten später war der ganze Haushalt zusammengelaufen und traf sich in der Küche. Hanrek hatte in sein Bündel alle seine wenigen Wertsachen eingepackt. Auch sein Säckchen mit dem Mehl vom Heronussbaum hatte er darin verstaut.

Lucek beratschlagte sich leise in einer Ecke mit Spartak. Als der Stallbursche Mico mit seinem Bündel als Letzter in die Küche kam und damit alle versammelt waren, ergriff Lucek das Wort.

„Wie die meisten von euch mittlerweile schon mit bekommen haben dürften, haben wir Krieg. Fremde Krieger aus dem Norden sind aus den Bergen gekommen und haben die umliegenden Dörfer überfallen. Wie sie es geschafft haben, über die Berge zu kommen? Ich weiß es nicht. Ihr braucht nicht beunruhigt zu sein“, damit wandte er sich an Hanrek und Binno, „Spartak hat gesehen, wie sie in Hallkel einmarschiert sind. Es hat keine Kämpfe und auch keine Toten oder Verletzten gegeben. Die Übermacht war zu groß, mindestens zehn Kringe. Das Dorf Hallkel hatte keine Chance und hat erst gar nicht gekämpft. Ich denke in den anderen Dörfern wird es ähnlich gelaufen sein ...“, Lucek machte eine Pause, „und noch etwas hat Spartak gesehen, ...“, damit warf er Spartak einen Seitenblick zu, bevor er langsam fortfuhr, „... er hat gesehen, dass einige der Krieger auf riesigen drachenähnlichen Tieren reiten.“

Spartak nickte bestätigend mit dem Kopf und fiel Lucek ins Wort. „Die sehen aus wie geboren fürs Kämpfen. Und gegen diese Drachenkrieger mit ihren Drachen hat auch die Stadt nicht die Spur einer Chance.“

Rannold und Tonnir schauten sich an, als wollten sie gleich in schallendes Gelächter ausbrechen. Man merkte, dass sie Spartak kein Wort glaubten. Sie fingen leise zu tuscheln an.

Mit einem tadelnden Blick in Richtung Rannold und Tonnir ergriff Lucek wieder das Wort. „Hanreks Vater hat Spartak gerade noch rechtzeitig losgeschickt, um den Tef vor den Drachenkriegern zu warnen.“

Spartak fiel Lucek erneut ins Wort. „Es war ein hartes Stück Arbeit, durch ihre Reihen zu schlüpfen. Sie hatten die ganze Umgebung um das Dorf abgeriegelt. Sie wollten wohl verhindern, dass jemand vor der Zeit ihr Geheimnis verrät.“

Lucek ergriff erneut das Wort. „Wie gesagt. Spartak wollte den Tef warnen aber diese Toren von Dienern waren der Meinung, dass die Nachtruhe des Tef wichtiger wäre, als ein drohender Überfall und haben weder den Tef geweckt noch haben sie Spartak vorgelassen. Dadurch wurde wertvolle Zeit verschenkt und jetzt ist wahrscheinlich die Chance vertan, dass man die Stadt noch mobilisieren kann oder dass die Leute fliehen können. Spartak schätzt, dass der Angriff auf Haffkef jeden Moment beginnen kann, deshalb die Eile. Ich möchte, dass wir alle die Stadt verlassen und nach Süden fliehen.“

Das Wort alle hatte er stark betont und jeden Einzelnen in der Runde angeschaut.

„Wir sind keine Feiglinge und wir können uns wehren.“, sagte Binno. Die meisten in der Küche hatten keine Verwandten in der Stadt oder in der Umgebung, aber Hanrek und Binno hatten welche und es war klar, dass sie nicht daran dachten, ihre Familien im Stich zu lassen.

„Ich möchte jetzt nicht darüber diskutieren, ob wir fliehen oder nicht. Wir werden fliehen. Alle. Zurückkommen können wir jederzeit wieder. Wenn wir aus der unmittelbaren Reichweite der Drachenkrieger sind, haben wir die Zeit gewonnen, die man braucht, um einen guten Schlachtplan zu schmieden. Was man aber außer Zeit noch braucht, ist, dass man viel von seinem Gegner weiß. Wir wissen bisher fast gar nichts. Irgendjemand muss außerdem die Städte im Süden warnen. Wir werden uns jetzt erst einmal in kleinere Gruppen aufteilen. Jeder übernimmt eine Aufgabe und wir treffen uns wieder und zwar südlich außerhalb der Stadt.“

Lucek zeigte jedem den Punkt auf der Karte, wo sie sich alle einfinden sollten. Er gab den Sonnenaufgang als den Zeitpunkt vor, bis zu dem am Treffpunkt gewartet werden sollte, ehe man alleine losziehen sollte. Dann fing er an, die Anwesenden in Gruppen einzuteilen und ihnen ihre Aufgaben zu erläutern.

Zollan und Mico bekamen die Aufgabe, die fünf Pferde im Stall fertig zu machen. In der Zwischenzeit sollten Rannold und Tonnir so viele Vorräte wie möglich aus dem Vorratskeller holen und die Pferde beladen. Zusammen sollten Sie dann mit den Pferden zum Treffpunkt kommen.

„Hier hast du etwas Geld Zollan. Solltest du feststellen, dass noch etwas Wichtiges an Proviant fehlt, kauf es ein. Egal woher du es bekommst und wen du dafür wecken musst.“ Damit überreichte er Zollan ein Säckchen mit Geld. Er zögerte kurz. Dann reichte er ihm ein zweites Säckchen. „Sicher ist sicher. An etwas Geld soll es nicht liegen, dass uns am Ende eine wichtige Sache fehlt.“

Hanrek und Binno bekamen die Aufgabe, die Bruderschaft aus dem Schlaf zu holen und vor der Gefahr zu warnen. Lucek hoffte, dass die Bruderschaft helfen könnte, möglichst viele Leute auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Die Bruderschaft bestand immerhin aus 20 Brüdern. Außerdem war sie gut organisiert. Mit ihrer Hilfe sollte es gelingen, möglichst viele Leute in der Umgebung zu wecken und zu warnen. Lucek hoffte auf einen Schneeballeffekt. Jeder der geweckt worden war, sollte wiederum soviel wie möglich andere Leute warnen. So würde die Menge der Leute, die gewarnt waren, schnell anwachsen. Wenn die beiden Lehrlinge die Bruderschaft geweckt, gewarnt und instruiert hatten, dann sollten sie zu Miria und ihrer Tante gehen und diese dazu bewegen, ebenfalls zu fliehen und mit ihnen zu kommen. Darauf hatte Spartak bestanden.

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