promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Utz wider die Alben», страница 4

Шрифт:

Arme Nordlinger

„Heute muss ich selbst erzählen, was weiter geschah, liebe Waltruda.

Es verging eine so lange Zeit, dass es auf Erden noch keinen Namen dafür gibt. Die Alben lebten in ihrer Verbannung tagein tagaus und es veränderte sich nichts.

Natürlich legten Sie alles daran, ihrer im Krater versenkten Macht wieder in irgendeiner Form habhaft zu werden. Doch sie konnten sich nur bis auf Sichtweite dem Vulkan nähern. Die gebündelte Kraft aller Alben war derart mächtig, dass es sie ein Leben kostete näher heran zu treten.

Danach versuchten sie herauszufinden, wie weit sie sich von der Insel entfernen könnten. An manchen Stellen erreichten sie aber nicht einmal die Küste ihres Gefängnisses. Fast augenblicklich spürten sie, wie sie von allen körperlichen Kräften verlassen wurden, machten sie nur wenige Schritte über diese unsichtbare Grenze hinaus. Selbst wenn also das Meer gänzlich zufrieren würde, wären sie an die Vulkaninsel gebunden. Entkommen absolut unmöglich.

Erst viel später kamen andere böse Wesen, vornehmlich Menschen, die für eine gewisse Zeit das Los der Alben teilen mussten, weil sie gegen die göttlichen Gesetze unverzeihlich verstoßen hatten. Für Alamon und sein Gefolge waren diese Bestraften nichtswürdige Genossen, die eher zu ihrer Kurzweil dienten. Sie misshandelten sie und vergnügten sich an ihrem Leid. Sie mussten den Alben dienen und für sie sorgen. Diesen, von den Göttern zur Sühne, Verbannten war es zwar möglich, an allen Stellen die Küste zu erreichen, denn nur das Meer hielt sie auf, doch auch sie konnten sich dem Krater nur unwesentlich mehr nähern. Anscheinend war kein Lebewesen befähigt, auf den Berg zu steigen.

Und die Erde versuchte ständig weiter, sich der bösen Macht der Alben zu entledigen. Immer wieder kam es zu gar fürchterlichen Explosionen, die heiße Lava ausspie und grässlichen dreckigen Staub bis weit über die Wolken hinaus schleuderte.

Dann geriet das Bündnis der Götter aus den Fugen. Ihre Schöpfung entwickelte sich derart, dass es ihnen nicht gefiel und sie keinen Spaß mehr an ihren Kreaturen hatten. Sie vernachlässigten zum Teil ihr Werk und erhörten das Flehen ihrer Wesen nicht mehr.

Da erhob sich einer über die Götter, der mächtiger war, als sie alle zusammen. Er sah auf das Werk und war sehr unzufrieden. Dieser mächtige Eine schimpfte die Götter, deren Werk mangelhaft war und jagte sie fort. Daraufhin waren einige der Gerügten so erzürnt, dass sie einen großen Brocken aus dem Firmament rissen und diesen auf die Erde schleuderten, ihr Werk gänzlich zu vernichten, bevor sie flüchteten. Aber die Erde hatte sich schon so sehr verändert, dass das Vorhaben misslang. Der Fels zersplitterte hoch über dem Kontinent und viele Stücke verbrannten bevor sie Schaden anrichten konnten oder fielen in das große Meer. Nur das größte Stück schlug den Boden hart und grub ein tiefes Loch. Der Aufschlag war so heftig das sich die Erdmassen in Bewegung setzten und so entkamen viele Geschöpfe. Trotzdem ward fast alles Leben auf der Erde vernichtet.

Der mächtige Eine sah, wie sich langsam die böse Macht von ihrer Insel über die Erde verteilte. Er sah aber auch, dass die Alben selbst dies noch nicht bemerkt hatten. Und er erkannte, was in Zukunft geschehen werde. Also schickte er sich an, die Menschen neu nach seiner Vorstellung zu erschaffen und er gab ihnen von Anfang an das Wissen um Gut und Böse mit. Und er gab ihnen Gesetze, wie sie sich verhalten sollten. Dann ließ er sie Erfahrungen des Lebens sammeln und regelte nur ab und an. Er baute auf das größere Verständnis der neuen Menschen und hoffte auf den Reifeprozess, der sich nach seinem Willen einstellen sollte.

Natürlich trafen sich alte und neue Menschen und tauschten sich aus, was sie gelernt hatten. Auf diese Weise blieb auch das Wissen um die alten Götter erhalten, die es seit langem bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr gab.

Die Götter, deren Werk gut geheißen wurde und die mit Liebe ihre Geschöpfe versorgten und behüteten, hieß der mächtige Eine, mit ihrer Arbeit fortzufahren. Sie mussten sich aber getreu an die vereinbarten Gesetze der Götter halten, die den Bestand der Welt garantierten. Ihre Änderung hätte unweigerlich das Ende der Erde bedeutet. Zu diesen Göttern gehört bis auf den heutigen Tag auch Gabbro, unser Zwergengott.

Auch das Urteil über die Alben behielt Bestand. Der mächtige Eine nutzte dies dazu, die Geister seiner neuen Menschen zu formen. Jeder, der im Leben fehlte, wurde mehr oder weniger lang zur Buße zu den Alben verdammt. Und so geschieht dies bis auf den heutigen Tag.

Den Elben gab der Eine eine Heimat in den Bergen von Schambala, wo sie in Frieden leben und nur noch in seinem Auftrag in die Welt ziehen, um regulierend in das Geschehen einzugreifen. In ihrer Abgeschiedenheit hoffen sie bis heute, ihre Zahl wieder herstellen zu können. Es will ihnen aber nicht gelingen, wie es scheint.“

„Das ist aber sehr schade.“, finde ich, die ich sehr aufmerksam gelauscht und mir alles gemerkt habe. „Sicher wäre das Leben vor dem Fall der Alben dem heutigen vorzuziehen.“

„Das wissen nur die Götter. Brauchst du nun Zeit, meinen Bericht aufzuschreiben oder fühlst du dich bereit, noch mehr zu erfahren?“

„Ich bin bereit für mehr, werter Gilbret.“

„So höre und sehe und merke wohl.“

* * * * *

„Nun wirst du in eine ganz andere Welt eintauchen, Waltruda. Dies hier ist ein Nordlinger, der vor sehr vielen Jahrhunderten lebte. Zu einer Zeit, da die Alben noch auf ihrer Insel gefangen saßen, aber doch schon andere böse Seelen bei ihnen waren.“

Neben Gilbret Steinschleifer erscheint ein Mann, der gut zwei Köpfe größer ist als der Zwerg, trotz einer leicht gebeugten Haltung. Er ist breitschultrig, hat eine wetterbraune Haut und starke Arme und Beine. Kaum dass ich ihn erblicke, zeigt sich mir auch schon ein Bild, das mir der Mann erklärt.

„Das bin ich, als ich im zweiundzwanzigsten Winter lebte.“

Ich sehe eine große Zahl von Menschen und wie um mir die Person zu verdeutlichen, ist kurz ein helles Licht auf sie gefallen und ich erkenne meinen Erzähler. Die pechschwarzen Haare, die zu einem lockeren Zopf gefasst sind, sind stammesüblich. Im Grunde ist er ein Mann, der in der Menge nicht sonderlich auffällt.

„Mein Name ist für deine Zunge fast unaussprechlich. Er bedeutet: Der den Lachs mit der Hand fängt. Wir erhalten unsere Namen immer erst, wenn wir etwas Besonderes getan haben und der Rat der Alten uns für reif hält, in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen zu werden. Dies habe ich getan und so wurde ich seit dem genannt. Ich bin erst vor kurzer Zeit dazu berufen worden. Um es dir einfacher zu machen, nenne mich Lachsfänger.“

„So werde ich gerne tun, Lachsfänger.“

„In diesem Moment sind wir gerade am Ende unserer Flucht vor dem Feuer.

Einst hatten wir unser Lager an einem breiten Fluss, der voll von leckeren Fischen war. Viele hundert Köpfe zählte damals unser Stamm. Wir waren ein stolzes Volk und folgten den Zeichen, die uns unser Gott Wakan-Tanga sendete. Unser Medewiwin war sehr gut darin, diese Hinweise zu lesen. Allerdings benötigte er die Hilfe seiner Tochter Morgentau, uns diese mitzuteilen. Er verlor vor Jahren durch einen Sturz in den Bergen seine Sprache. Darum wurde sein Name geändert in Stummer Fisch.“

Begleitend zu Lachsfängers Erzählung sehe ich die dazu gehörenden unbewegten Bilder.

Auf einer großen Lichtung liegt die Siedlung dieser Menschen nahe an einem sehr breiten, langsam fließenden Gewässer. Sie leben in merkwürdigen Hütten. Eine Anzahl von langen Stangen sind in einem Kreis aufgestellt und oben, wo alle Hölzer zusammen kommen, miteinander verbunden. Darüber sind große Lederplanen geworfen, die vor Wind und Regen schützen. Oben ist eine Klappe gebildet, die bei manchen Behausungen offen ist, um den Rauch des Feuers heraus zu lassen.

Zwischen diesen Hütten, die sie Wi-Kiwa nennen, wie ich ohne weitere Erklärung plötzlich weiß, herrscht reges Treiben. Kinder laufen spielen herum, Frauen gehen ihren Arbeiten nach und alte Männer sitzen Pfeife rauchend um ein Lagerfeuer. Gerade kommt eine Gruppe von Männern zurück. Sie tragen ein großes Tier, das einem heutigen Pferd nicht unähnlich ist, als Jagdtrophäe an Stangen gebunden, zwischen sich ins Lager. Ihre Waffen sind lanzenähnlich und einige haben Pfeil und Bogen über der Schulter hängen.

Bekleidet sind diese Menschen mit Hemden und Hosen und Röcken aus Leder, die mit Röhrenknochen oder Lederfransen verziert sind. An den Füßen sehe ich leichte Schuhe aus weichem Leder, die mit dünnen Bändern oder Schnüren gebunden sind.

Die Haare tragen sie offen oder leicht gebündelt, aber nicht geflochten. In diese Bündel haben sich manche Federn als Schmuck gesteckt.

Nicht unweit des Lagers sehe ich Felder, auf denen sie Getreide anbauen. Das Dorf muss schon sehr lange hier bestehen.

„Doch zurück zu unserer Flucht.“, fährt Lachsfänger fort. „Wir lebten also im Lager am Fluss. Unsere Wachen entdeckten auf der anderen Seite im Wald Rauch, der sich langsam näherte. Wir wussten also, dass sich dort ein Feuer vorwärts fraß. Dies war normaler Weise nichts Besonderes. Das kam immer wieder einmal vor, wenn der Sommer besonders heiß und trocken war. Trotzdem hieß unser Häuptling die Wachen, weiter die Rauchsäule nicht aus den Augen zu lassen.

Des Nachts wurde der Brand so groß, dass nun auch ein Feuerschein den Himmel über dem Wald erhellte. Häuptling Adlerblick besah es sich, nachdem ihn die Wachen geweckt hatten, hielt es aber noch nicht für gefährlich. Leider ein gewaltiger Irrtum. In der zweiten Nachthälfte kam ein Wind auf, der die Flammen weiter anfachte und als wir des Morgens durch die Wächter mit einem Alarmruf geweckt wurden, konnte man schon das Prasseln des brennenden Waldes hören. Unzählige Tiere brachen zwischen den Bäumen hervor und suchten ihr Heil in der Flucht durch den Fluss. Viele schwache und kleine Tiere ertranken und wurden von den Fluten fort gerissen. Andere waren derart von der Situation verwirrt, dass sie zurück in die Flammen eilten.

Kaum, dass wir unser Hab und Gut zusammen gerafft hatten stand das gegenüber liegende Ufer in hellen Flammen und der immer noch starke Wind trug den Funkenflug trotz der gewaltigen Breite des Stromes bis auf unsere Seite herüber. Es wurde augenblicklich sehr heiß. So schnell unsere Beine es erlaubten, flüchteten wir vor dem Feuer. Die Alten und Kranken und kleinen Kinder wurden gestützt oder getragen. So mancher alter Krieger ergab sich seinem Schicksal und schickte uns fort. Sie wollten uns nicht behindern und opferten ihr Leben. Möge Wakan-Tanga sie in den ewigen Jagdgründen verwöhnen.

Tagelang flohen wir, stets das unbändige Flammenmeer auf den Fersen. Tag und Nacht waren wir auf den Beinen. An Ruhe war nicht zu denken. Immer schwächer wurde unser Volk und nicht wenige brachen zusammen, unfähig, die Flucht fortzusetzen. Keiner mehr war stark genug, ihnen beizustehen oder gar zu helfen. Erst als der Wind drehte und das Feuer auf die verbrannte Erde zurück trieb, wo es nichts mehr zu verbrennen gab, konnten wir es wagen, Halt zu machen. Vor uns lag eine scheinbar grenzenlose fast öde Graslandschaft. Hinter uns flackerten immer noch ein paar Glutnester über der schwarzen Erde. Wenige ausgebrannte Bäume hielten sich noch aufrecht. Es schien, als wollten sie uns warnen, ja nicht zurückzukehren.

Völlig erschöpft lagerten wir uns einfach dort, wo wir standen.“

Lachsfänger macht hier eine Pause in seinem Bericht und ich bin völlig gebannt und damit beschäftigt, die dazu gesehenen Bilder zu verarbeiten.

Als das Feuer über den Fluss sprang, packten die Frauen ihre Sachen in große Ledertragen, einem offenen Sack gleich, die sie sich auf die Schulter warfen und mit einem Band über die Stirn nur mit der Kraft des Nackens trugen. Die Männer hatten die Stangen ihrer Behausungen zu Tragen mit Lederplanen dazwischen zusammen gebunden und darauf die Felle, Nahrungsmittel und sonstige Habe gebündelt abgelegt, die sie hinter sich herzogen. Mit dem breiten Band um die Stirn oder der Brust und zwei der Stangen in den Händen zerrten Sie ihre Last über den holprigen Boden. Die Frauen, die noch Säuglinge hatten, trugen diese, fest gewickelt, auf einem Wiegebrett. Dann musste sie ihre Sachen, wie ein Mann auf Stangen ziehen. Die lauffähigen Kinder mussten sich an den Tragestangen festhalten, um Schritt zu halten oder wurden von größeren Geschwistern an der Hand hinterher gezerrt, dass die kleinen Beinchen kaum folgen konnten. Bei den Männern lag oftmals auch ein alter Mensch zwischen den Stangen, der mit ängstlichem Blick und lautem Gejammer das nahende Feuer verfluchte.

Entsetzlich und herzzerreißend musste ich mit ansehen, wie sich ein alter Mann unter großer Mühe während des Marsches aus seiner Trage stürzte, um es seinem Sohn leichter zu machen. Anfangs noch sahen sich die Kinder um, wurden aber von den Alten fortgeschickt, die Familie zu retten. Fast lautlos starben die Zurückbleibenden. Einen sah ich, der sich noch aufraffte, einen neben ihm liegenden dicken Ast als Stütze nehmend aufstand und wankend, die Arme stolz ausgebreitet, auf das Flammeninferno wartete. Das Feuer war schneller heran, als er stürzen konnte.

Mein Blick verschleiert sich vor all der Tränen, die ich darüber vergieße. Gar fürchterlich ist das Geschehen.

„Ich denke, für diesmal ist es mehr als genug.“, schaltet sich nun Gilbret ein und schickt mich zurück.

* * * * *

Die Niederschrift des Gesehenen nimmt mich erneut heftig mit und immer wieder muss ich unterbrechen, da ich mich der Tränen nicht erwehren kann. Mir wird eine traumlose Nacht der Erholung gewährt. Fast den ganzen folgenden Tag verschlafe ich, derart erschöpft bin ich.

* * * * *

„Willkommen zurück, Waltruda.“, begrüßt mich Lachsfänger. „Dein Mitgefühl für mein Volk ehrt dich sehr. Ich hoffe, dies wird sich nicht ändern, wenn du nun unseren weiteren Leidensweg erfährst, wo doch auch dein Volk unter den Nachfahren meines Stammes zu leiden hatte.“

Jetzt erst wird mir wieder bewusst, dass Gilbret mir den Mann als Nordlinger vorstellte, also einen jener Krieger der Alben, die uns Zwerge später im großen Krieg bekämpften. Sein gänzlich anderes Aussehen hat mich dies völlig vergessen lassen.

Ich habe keine Gelegenheit, darauf etwas zu erwidern, denn schon beginnt Lachsfänger.

„Die Ältesten und viele der kleinen Kinder haben diese Flucht nicht überlebt. An so manchem Kleid oder Hemd haben Flammen genagt. Wenige haben mehr als das eigene Leben retten können.“

Wie ein Geist scheine ich zwischen den Menschen zu stehen.

„Höret meine Worte!“

Häuptling Adlerblick ist aufgestanden und macht auf sich aufmerksam. Er hat seinen rechten Arm erhoben, an dem das Lederhemd nur noch in Fetzen hängt. Ein Tuch wurde um eine Brandwunde gewickelt.

„Ein jeder von uns hat durch das rasende Feuer große Verluste erlitten, sei es Vater oder Mutter oder Mann oder Weib oder Kind. Groß ist die Trauer, die jeden von uns ergriffen hat. Keiner soll diese seine Lieben vergessen, aber bedenkt: Wir leben noch und dafür müssen wir Sorge tragen. Lasst uns zusammentragen, was noch vorhanden ist. Alles, was an Nahrung noch genießbar ist, bringt hier auf diese Seite.“ Dabei zeigt er nach rechts. „Schnatternde Gans und Bärenpranke, ihr ordnet und sichtet, was gebracht wird.“

Wie ich von Lachsfänger gelernt habe, geben die Namen der Menschen ihre Eigenschaften oder Leistungen wider. Darum ist klar, weswegen Schnatternde Gans seinen Namen trägt. Jedem auf seinem Weg zu seinem Platz muss der etwas schmächtige Mann berichten, dass der große Häuptling ihn mit einer Aufgabe betraut hat und welche Ehre dies doch ist.

Bärenpranke hingegen könnte tatsächlich einen kleinen Bären darstellen. Mit leicht tapsenden Schritten geht der breite starke Mann mit den unglaublich großen Händen zum Häuptling vor.

„Alles was ein Wi-Kiwa werden kann, bringt dorthin.“ Dabei zeigt er auf seine linke Seite. „Zwei-Federn Geier und Skunk, seht, was vorhanden ist und sorgt dafür, dass zumindest die Bedürftigen unter kommen.“

Weil sich mir die Namen der beiden Letztgenannten nicht sogleich erschließen, höre ich, wie mir Lachsfänger diese erklärt. „Zwei-Federn-Geier will von jeder Beute das Meiste für sich. Also ist er wie ein Geier und auch beim Haarschmuck ist ihm eine Feder nicht genug.

Skunk hat einmal auf der Jagd ein Stinktier mit einem Dachs verwechselt und dabei die gesamte stinkende Wolke des Tieres abbekommen. Es hat sehr lange gedauert, bis er wieder ins Dorf durfte, weil der Gestank weg war. Den Namen wird er wohl nie wieder los, gleich was er tut.“

Adlerblick spricht weiter: „Heulender Kojote, Adler-Einauge und große Steinaxt, ihr werdet mit den Männern die Umgebung erkunden und auf Jagd gehen. Ich brauch euch bestimmt nicht zu sagen, dass wir hier in unbekanntem fremdem Gebiet sind. Achtet auf alles und lasst euch nicht entdecken. Wir sind noch nicht in der Lage, Krieg mit einem anderen Stamm zu führen.“

Mit einem Wink beendet er seine Ansprache und wendet sich dem neben ihm liegenden alten Medewiwin zu. Ernst und nahezu vorwurfsvoll sieht er ihn an.

„Wie konnte das geschehen, Stummer Fisch? Gab es keine Anzeichen oder Warnungen? Oder bist du nun nicht mehr nur stumm sondern auch blind? Wakan-Tanga, unser Gott, hat uns doch nicht verlassen, oder?“

Ärger, Enttäuschung und viel Hilflosigkeit schwingen in seinen Worten mit. Fast tut ihm der alte Mann leid, der kaum in der Lage scheint, sich jemals wieder zu erheben. Doch offensichtlich kann man sich in diesem Volk sehr täuschen.

Mit Empörung im Blick ist der Alte, mit Hilfe seines dicken Holzstabes, wieder auf den Beinen. Der Stab ist Zeichen seiner Würde. Oben ist eine Steinspitze befestigt, darunter ein Sammelsurium aus kleinen Fellen, Federn und anderen Dingen. Wild gestikuliert Stummer Fisch, wobei er sich vor die Stirn schlägt, die Hand vor die Augen legt, zum Himmel zeigt und so weiter. Es geschieht so schnell, dass ich nicht in der Lage bin zu begreifen, was das nun soll.

Die Erklärung kommt von seiner zarten Tochter Morgentau, die die Flucht vor dem Feuer anscheinend ohne Schwierigkeiten bewältigen konnte. Das Mädchen muss enorme Kraft und Stärke haben.

„Mein Vater sagt, Ihr, Häuptling Adlerblick, seid wohl von Sinnen. Die Flucht muss euch die Sinne vernebelt haben, solche Rede mit mir zu führen. Er sieht noch sehr gut, was Wakan-Tanga ihn sehen lässt. Doch wo kein Feuer ist, ist auch kein Rauch zu sehen. Also waren da auch keine Anzeichen oder Warnungen unseres Gottes. Das alles ist aber noch lange kein Grund, an ihm zu zweifeln. Wenn ein Gott es für angebracht hält, wird er seinem Volk schon Zeichen geben. So lange wird ein erwachsener Krieger sich doch wohl selbst beschützen können. Oder hat unser Häuptling das in den letzten Tagen verlernt? War er nicht der Meinung, das Feuer wäre keine Gefahr für uns? Wer ist denn nun der Blinde von uns beiden?“

Sie spricht geradeso zornig, als habe der Häuptling sie selbst heftig angegriffen. Ihr Blick spuckt Gift und Galle.

In des Häuptlings Augen blitzt es verdächtig, als er zwischen Vater und Tochter hin und her blickt. Seine rechte Faust ballt sich vor Zorn. Die Umstehenden, die die Auseinandersetzung mitbekommen, weichen unwillkürlich einige Schritte zurück. Sie spüren die Spannung, die sich zwischen den Kontrahenten aufbaut. Beide sind gleichrangig im Stamm und damit ist der Medewiwin der Einzige, der überhaupt ein Widerwort gegenüber dem Häuptling erheben darf. Das schmeckt Adlerblick überhaupt nicht, doch er muss den Vorwurf des alten schlucken, denn leider hat er recht und das zu verleugnen, würde sein Ansehen schädigen. Nichts ist diesem Volk so wichtig, wie die Wahrhaftigkeit.

Er schluckt tatsächlich und seine Faust öffnet sich wieder. Gequält ruhig spricht er:

„Wenn also dein Blick ungetrübt ist für die Zeichen unseres Gottes, so sage mir, was er uns mitzuteilen hat.“

Erneutes wildes Gestikulieren ist die Antwort und schon bevor Morgentau zu antworten beginnt, dreht er sich um und verlässt die lagernden Menschen.

„Ich werde sehen, was mich Wakan-Tanga sehen lässt. Kümmere dich um den Stamm, ich kümmere mich um Gott.“, übersetzt sie schnell und eilt ihrem Vater hinterher.

„Es wird Zeit, dass der Alte sein Wissen an einen Jüngeren weiter gibt und dieses böse junge Weib endlich wieder sein Maul halten muss.“ brummelt der Häuptling und wendet sich den Sammlungen zu. Er kann die junge Frau nicht leiden, wohl auch, weil sie durch ihren Vater ein großes Ansehen im Stamm geniest.

Stummer Fisch hat sich einen Platz erwählt, auf dem er mit Steinen einen Kreis auslegt und in dessen Mitte er aus ausgesuchten umliegenden Hölzern einen Haufen errichtet.

Morgentau hat schon die Feuersteine geholt und einige kleine Lederbeutel, von denen der Medewiwin sich einen erwählt. Dann entzündet er das Feuer, setzt sich mit verschränkten Beinen an den Rand des Steinkreises und wirft ab und zu eine Prise des Pulvers in die Flammen. Dabei achtet er darauf, den Rauch inhalieren zu können. Er beginnt leise eine merkwürdige Melodie zu singen, die mich fast an ein Jammern erinnert.

* * * * *

Ich löse mich aus dem Geschehen und kehre wieder zurück zu Lachsfänger.

„So wird er nun einige Tage sitzen. Wenn das Singen verstummt und er kein weiteres Pulver ins Feuer einstreut, spricht er mit unserem Gott. Es ist dann, als würde er schlafen, doch er fällt dabei nicht um.“, erklärt er mir.

„Und Trinken? Und Essen?“, frage ich entgeistert.

„Nichts. Jegliche Regung stört ihn jetzt nur. Seine Tochter wird sich ihm nicht nähern und auch niemand anderes aus dem Stamm. Es muss schwer sein, mit Gott zu reden. Ich mein so richtig reden, dass man auch eine Antwort erhält, wenn du verstehst.“

Oh ja, ich verstehe ihn. Wie oft habe ich schon zu Gott Gabbro gebetet und keine Antwort erhalten.

„Er wird Tage so sitzen, sagt ihr. Das ist aber doch gefährlich, nicht wahr?“, will ich wissen.

„Natürlich, doch so ist seine Aufgabe. Er wurde von seinem Lehrer und Vorgänger dazu erwählt, nachdem er gewisse Geschicklichkeiten bewiesen hatte. Unser alter Medewiwin ist bei solch einer Unterhaltung mit Gott gestorben. Er ist einfach nicht umgefallen. Stummer Fisch wollte nach ihm sehen, weil es denn doch schon sehr lange dauerte. Er fand ihn auf seinem Gebetshügel, da kamen schon Maden aus seiner Haut.“

Mich schaudert. Ein merkwürdiges Volk.

„Die nächsten Tage kann ich abkürzen. Der Stamm wartet auf die Anweisungen Wakan-Tangas. Derweil haben die Jäger nicht nur reiche Beute gebracht, sie haben auch heraus gefunden, dass wir weit und breit die Einzigen sind, die hier wohnen. Völlig ungefährdet erholen sich alle wieder. Und auch wenn die Trauer über die Verstorbenen immer noch groß ist, so geht doch das Leben wieder seinen gewohnten Gang. Häuptling Adlerblick hat zunächst keine Veranlassung, das Lager abbrechen zu lassen.

Es kommt der Tag, da Stummer Fisch sich wieder bewegt.“

Augenblicklich bin ich wieder zwischen den Menschen und höre gerade ein sonderbares Gurgeln. Es kommt aus der Richtung, in der der Medewiwin sitzt. Sofort ist Morgentau neben ihm und reicht ihm zu trinken. Mit großen Schlucken leert er die Schale. Dann erhebt er sich ohne jegliche Hilfe und Stütze, als habe er nicht tagelang in dieser seltsamen Haltung gekauert, und schreitet auf den Stamm zu. Eiligst haben sich alle neugierig vor ihm eingefunden. Adlerblick muss sich erst einmal einen Weg nach vorne bahnen.

Erhaben wartet der Alte, die Aufmerksamkeit genießend. Dann beginnt er in seiner Zeichensprache und seine Tochter erklärt mit lauter Stimme:

„Nach dem Willen unseres Gottes sollen wir hier lagern bis der Winter anbricht. Wir sollen so viel Jagen und Vorräte anlegen, wie wir nur können und später zu tragen vermögen. Sammelt Holz und Früchte in großer Menge. Es wird sehr kalt werden. Fertigt dichte warme Kleidung. Wenn der erste Schnee fällt, brecht nach Norden auf. Die Wi-Kiwa lasst zurück. Die Felle darum nehmt zum Schutz vor Kälte mit. Ihr werdet sehr lange und nur mit wenig Sonne wandern. Grüne Lichter werden euch den Weg weisen. Wandert, denn ihr werdet erwartet.“

An manchen Stellen stockt die Tochter mit ihrer Übersetzung und erhält jedes Mal einen auffordernden Rempler von ihrem Vater.

Nachdem alles gesagt ist, wendet sich Stummer Fisch um und lässt sich zum Wi-Kiwa führen, das schon lange fertig ist. Sonderbare Abbildungen sind darauf zu sehen. Wo andere mit Jagd- und Kampfesbildern, vermutlich die ruhmreichen Taten ihrer Bewohner, verziert sind, sehe ich dort nur unklare Symbole. Lediglich Sonne und Mond kann ich erkennen.

* * * * *

Lachsfänger hat mich wieder zu sich geholt und erzählt.

„Zwei Tage lang hat man den Medewiwin anschließend nicht mehr gesehen. Erst danach war er soweit bei Kräften, dass er wieder, auf seinen Stab gestützt, gehen konnte.“

Das Lager mit seinen Menschen um mich herum ist verschwunden.

„Das waren aber deutliche Worte. Spricht euer Gott immer so, wie soll ich sagen, ausführlich und klar mit euch?“

„Nein, Waltruda. Auch für uns war das neu. Aber gegen die Anweisungen Wakan-Tangas gibt es keine Wiederworte. Denen muss sich auch ein Häuptling unterwerfen.

Sogleich begannen wir, uns mit allem zu versorgen, was benötigt werden würde. Wild gejagt, gehäutet und zu Kleidung verarbeitet, Fleisch und Fisch getrocknet und alles sonst noch so. Schon fürchteten wir, des Guten zu viel getan zu haben und das Fleisch würde uns verderben, da begann es zu schneien. Das Lager wurde abgebrochen und alles so zusammen gepackt, dass es getragen werden konnte.

Wohl geordnet machten wir uns auf den Weg. Tagelang wanderten wir gegen den Wind und den Schnee. Dick in Kleidung und Decken gehüllt, mit dicht geflochtenen Schneeschuhen an den Füßen, stapften wir, jedem Wetter zum Trotz, gen Norden. Wir hatten uns die Augen verbunden und nur noch kleine Schlitze zum Sehen gelassen. Der Wind biss in die Haut, die Flocken machten uns weinen. Und wehte es einmal nicht, dann war das gleisende grelle Weiß des Schnees so blendend, dass man nichts mehr sehen konnte.

Keine Klage kam über unsere Lippen. Selbst die wenigen Kinder, die wir noch hatten, kämpften sich verbissen neben ihren Eltern voran. Manch einer war froh, die Alten auf der Flucht vor dem Feuer verloren zu haben. Nicht, weil sie eine Last gewesen wären, sondern weil die Anstrengung sie völlig überfordert hätte.

Die Gegend war trist und langweilig. Kein Hügel sorgte für Abwechslung, kein Baum, kein Wasser. Nichts. Nur Eis und Schnee.

Wäre Stummer Fisch nicht stumm gewesen, hätte man sagen können, er würde schweigsam. Immer weniger gab er seiner Tochter ein Zeichen. Immer gebeugter ging er, völlig in sich gekehrt. Auf Fragen des Häuptlings schüttelte er nur unwirsch den Kopf. Dann drängte sich Morgentau zwischen die beiden Männer und schirmte ihren Vater ab.

Eines Nachts, ich nehme an, es war gerade Nacht, denn es war schon lange nicht mehr so recht hell geworden, sahen wir zum ersten Mal die grünen Lichter am Himmel. Wunderschön anzusehen. Doch als habe Stummer Fisch Schreckliches erblickt, beginnt er aus Leibeskräften zu schreien. Wakan-Tanga hatte ihm die Stimme zurück gegeben.

Lüge, Betrug, Verrat. Bösartige Täuschung. Hütet euch vor dem schwarzen … , schrie er. Es waren seine letzten Worte. Dann brach er auf der Stelle tot zusammen. Was er mit seinen Worten gemeint hat, sollten wir erst viel später erfahren.“

„Ich fürchte, ich ahne schon, was er meinte.“, entfährt es mir.

„Das glaube ich wohl, Waltruda. Nur was sollten wir Unwissenden auch tun? Wir waren in großer Not. Unser Medewiwin, das Sprachrohr zu Wakan-Tanga, war nicht mehr. Ein Nachfolger war nicht bestimmt und angelernt worden. Seine Tochter darf diese Aufgabe nicht übernehmen, auch wenn sie es wohl kann. Es muss ein Mann sein. Sie darf von nun an ihre Stimme nicht mehr im Rat erheben.

Unsere Vorräte sind schon fast aufgebraucht, ein Zurück gibt es darum nicht für uns. Häuptling Adlerblick versammelt die Ältesten zum Rat um sich. Wir anderen stehen im Kreis drum herum.“

Ich stehe mit im Kreis und sehe und höre, als sei ich eine von ihnen.

„Hört mich an, ihr Männer des Rates.“, spricht Adlerblick vernehmlich. „Wir sind in einer sehr schlechten Lage. Unser Medewiwin ist in die ewigen Jagdgründe gerufen worden. Es ist zwingend notwendig, alsbald einen Nachfolger für ihn zu bestimmen. Leider hat er sich bis jetzt keinem Manne anvertraut und ihn in die Geheimnisse seines Tuns eingeweiht. Seine Tochter Morgentau ist mit Abstand diejenige, die in allem unterwiesen ist. Ihr aber sind jegliche Handlungen untersagt. Wenn ich mich in eurem Kreise umsehe kommt nur einer in Frage, den Platz von Stummer Fisch einzunehmen.“

Langsam blickt er suchend in die Runde, bis sein Blick auf einem hängen bleibt. „Lachsfänger!“, ruft er vernehmlich. „Du hast als kleiner Knabe schon in seinem Wi-Kiwa gesessen und ihm bei vielerlei Verrichtungen geholfen. Du sollst unser neuer Medewiwin sein.“

Ich höre die Gedanken meines Erzählers in meinem Kopf.

„Mir ist, als habe mich der Schlag gerührt. Stocksteif stehe ich und kann mich vor Schreck nicht rühren. Dies wird wohl allseits als Einverständnis gewertet. Zustimmendes Gemurmel wird laut. Ich versuche, etwas zu sagen, doch unser Häuptling spricht schon weiter.“

„Ich höre keinen Widerspruch aus dem Rund des Rates. So soll es also sein. Morgentau, bringe dem neuen Medewiwin die Zeichen seines Amtes.“

983,64 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
440 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783738092950
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip