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Читать книгу: «Utz wider die Alben», страница 5

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Die Frau schickt sich an, dem Befehl Folge zu leisten und geht zu dem Leichnam ihres Vaters, seinen Stab und den Büffelschädel, den er stets trug, zu holen.

„Wir alle wissen, dass du, Lachsfänger, erst noch Zeit brauchst, dich in dein Amt einzufinden, darum sage ich: Nimm Morgentau zu deinem zweiten Weib. Sie soll dir helfen, alles zu lernen.“

Nun ist es an ihr, vor Schreck und Überraschung zu erstarren. Auf der Stelle dreht sie sich um und schaut voll Empörung Adlerblick an.

„Es ist richtig, dass Morgentau nun einem Mann übergeben werden muss.“, erklären mir Lachsfängers Gedanken. „Es gibt auch genügend Krieger, die ihr Weib während der Flucht verloren haben. Aus diesem Grund darf eigentlich kein anderer Mann eine Zweitfrau haben. Ich erkenne die List, der sich unser Häuptling bedient. Als zweite Frau eines Kriegers hat sie weniger Rechte als die Erste. So hat ihr Adlerblick im Grunde ihren Status genommen, den sie zu Lebzeiten ihres Vaters hatte. Ich sehe in die Augen von Morgentau und erkenne darin Tränen der Wut und Ohnmacht. Lieblicher Sonnenstrahl, mein Weib, schaut im Moment auch nicht mehr sonnig und lieblich. Zu engen Schlitzen haben sich ihre Augen zusammen gezogen. Es drängt sie sicherlich, sich gegen die Entscheidung zu wehren. Allein, sie darf es nicht. Würde sie jetzt Klage erheben, müsste ich sie dafür vor allen hart bestrafen. So schweigt sie, doch ich weiß, es wird lange dauern, bis sie sich wieder beruhigt hat.“

Aus den Reihen der alleinstehenden Männer erklingt Murren, was Adlerblick zu weiteren Erklärungen zwingt.

„Natürlich ist diese Entscheidung nicht ganz unseren Gesetzen entsprechend. Ein jeder von euch, die ihr ohne Weib seid, hätte ein Recht auf sie gehabt. Doch wer von euch will das Amt des Medewiwin übernehmen?“

Sofort verstimmt jeglicher Protest.

„Morgentau, was zögerst du?“, verlangt Häuptling Adlerblick zu wissen. Die angesprochene eilt, die Zeichen der Amtswürde zu bringen und Lachsfänger verhalten darzureichen. Immer noch kullern Tränen ihre Wangen hinab.

Lachsfänger als der neue Medewiwin nimmt den Schädel und setzt ihn sich auf den Kopf. Er wackelt ein wenig und er muss sich an das alte Ding erst einmal gewöhnen. Den Stab nimmt er in die Rechte und reckt ihn zum Zeichen seiner Amtsübernahme in die Höhe. Nur verhaltener Jubel erschallt. Der Häuptling hat seine Entscheidung verständlich begründet, doch nicht alle sind von der Richtigkeit überzeugt.

Auffordern sieht Adlerblick den jungen Mann an. Er soll etwas sagen.

„Lasst uns eine kurze Zeit rasten und Stummer Fisch die Ehre erweisen, die er verdient hat. Danach werden wir weiter ziehen, so, wie er es vorgegeben hat. Die grünen Lichte werden uns den Weg weisen.“, ruft er laut.

Dann höre ich wieder seine Gedanken.

„Mit Blicken fordere ich meine beiden Frauen auf, mir zu folgen und gehe zum Toten. Bekümmert stehe ich neben ihm. Morgentau dreht ihn auf den Rücken und legt ihm seine Hände auf die Brust. Dann kniet sie sich neben ihn. Ich erwarte, dass der Medewiwin nun ein Klagelied anstimmt, bis mir siedend heiß einfällt, dass dies ja nun meine Aufgabe ist. Krampfhaft versuche ich mich daran zu erinnern, wie dies Stummer Fisch tat, als er noch sprechen konnte. Mir wird trotz der Eiseskälte so heiß, dass mir Schweißperlen unter dem Schädel hervortreten. Ich schließe die Augen und sehe in Gedanken, wie es damals war. Langsam wiege ich mich im Rhythmus und beginne zu singen und um die Leiche zu tanzen. Möge Wakan-Tanga ihm großes Glück in den ewigen Jagdgründen schenken.“

Die Gestalten um mich herum verblassen, bis ich wieder mit Lachsfänger alleine bin.

„Ich habe heute eine völlig fremde Welt kennen gelernt. Das hat mich verwirrt und erschöpft. Solche Regeln gibt es bei uns Zwergen nicht. Wir Frauen sind nicht der Besitz unserer Männer. Auch haben wir die gleichen Rechte unsere Stimme zu erheben. Können wir später fortfahren?“, bitte ich und erwache.

* * * * *

Wie jeden Abend steige ich auf das Dach unseres Berges und kaum dass ich oben angelangt bin, stehe ich im Hand umdrehen in der Geisterwelt, wo ich bereits erwartet werde. Dieses Mal sind Gilbret Steinschleifer und Lachsfänger gemeinsam da.

„Hättest du nicht darum gebeten, Waltruda, hätte Lachsfänger selbst dir vorgeschlagen, zu unterbrechen. Heute wird es besonders schwer für dich werden. Wie du gestern schon erahntest, handelt es sich bei dem >schwarzen<, vor dem Stummer Fisch warnte, um einen Alben. Der Stamm von Häuptling Adlerblick wurde in die Irre geleitet und ist auf kurzem Wege auf der Insel angekommen. Es war eine so kalte Zeit damals, dass sogar enge Meeresstellen zu froren und niemand bemerkte, dass man auf dickem Eis über das Wasser wanderte. Während Lachsfänger weiterhin seine Geschichte erzählt, werde ich den ergänzenden Teil der Alben übernehmen. Es soll dir erspart bleiben, in ihren Kreis einzutauchen und ihre abscheulichen Gespräche zu hören. Derlei Unterhaltungen mit allen Streitereien, Beschimpfungen und Beleidigungen lenken dich nur allzu sehr von der eigentlichen Geschichte ab.“, eröffnet mit Gilbret. „Damit ist es also an mir, dir zu berichten, was in der Zeit vor dem Eintreffen auf der Insel geschah.“

Nach einer Wiedergeburt ist Alamon auf die Insel zurückgekehrt und hat die Ankunft der Menschen angekündigt. Mit glühenden Worten hat er seine Heldentat, den Medewiwin Stummer Fisch auf den Weg geschickt zu haben, zum Besten gegeben. Selbstverständlich gab es nicht den frenetischen Jubel, den er, wider besseres Wissen, erwartet hatte. Getrieben von Missgunst und Neid wird niemals ein Alb zugeben, ein anderer habe etwas besser gemacht. Es ist schon als Fortschritt zu werten, dass Alamon inzwischen unbestritten als Anführer geachtet wurde. Die früher notwendigen schlagkräftigen Argumente unterblieben nun.

Man akzeptierte und wusste also, dass alsbald leibhaftige Menschen auf der Insel eintreffen würden. Alamon beauftragte Lunarus, er sollte den Neuankömmlingen entgegen gehen und sie erwarten. Seine schwächliche Gestalt würde an wenigsten erschreckend wirken. Mit gehässiger Absicht schickte er ihn Tage früher hinaus. Gemächlich machte sich der wohl Unscheinbarste der Alben in die ihm gewiesene Richtung auf den Weg. Mit dem unvergleichlich leichten, fast schwebenden Gang hinterließ er keine Spuren im Schnee.

Bald schon hatte er die ihnen allen bekannte Grenze erreicht und lies sich nieder. Mit seinen Sinnen lauschte er im weiten Rund umher, doch fand sich noch kein Lebewesen spürbar. Er wartete geduldig, auch wenn im klar war, dass er geärgert werden sollte. Eine Auseinandersetzung mit Alamon war nicht nach seinem Geschmack. Mochte sich ein anderer mit dem streiten. Er bevorzugte die Stille. Doch darf niemand glauben, Lunarus sei deswegen harmlos. Es gibt keinen harmlosen Alben. Seine Gefährlichkeit liegt in eben dieser Stille und Unergründlichkeit.

Aus purer Langeweile beschloss der Wartende, doch mal wieder die Grenze auszutesten. Es war ein sonderbares Gefühl, wenn langsam die Lebenskraft aus dem Körper wich. Er machte einen Schritt vor und lauschte in sich hinein. Nichts zu spüren.

Er ging weiter. Nichts.

Und weiter. Und als noch nichts.

Mit Bedacht setzte er einen Fuß vor den anderen, ohne dass er irgendetwas spürte. Er hob seinen Arm und ließ weiter voraus mit seiner Macht den Schnee aufwirbeln. Alles so wie immer. Mutig geworden ging Lunarus immer weiter und vollführte ein wahres Schneegestöber. Er war nach wie vor im Besitz seiner Kräfte. Grade so, als sei er genau neben dem Vulkan. Grübelnd drehte er sich um. Kaum noch konnte er den Berg erkennen, was nicht an seinen Schneewirbeln lag. Trüb hing eine Staubwolke darüber, die sich bis zu ihm hinzog und noch viel weiter. Da erkannte er den Zusammenhang.

Mit jedem Ausbruch lösten sich offensichtlich kleinste Teile der Albenmacht und wurden mit dem Gestein und Staub und Asche weit hoch in die Luft geschleudert. Dort konnte der Wind sein Werk vollbringen und alles weit in die Welt hinaustragen. So ging das schon seit Urzeiten. Der Verlust in der Masse war so gering, dass er auf der Insel nicht auffiel. Ganz offensichtlich war es aber schon mehr als genug in der Luft, dass die ehemalige Grenze nun ganz unbehelligt überschritten werden konnte.

Sehr zufrieden mit sich ging Lunarus wieder auf seinen Platz zurück und erwartete die Menschen, die da irgendwann kommen sollten. In der Zwischenzeit malte er sich aus, welche Überraschung das neue Wissen bei den anderen Alben hervorrufen würde. Es erfüllte ihn mit großer Genugtuung nun auch einmal etwas als Erster entdeckt zu haben. Das konnte ihm auch kein Alamon mehr nehmen.“

Damit beendet Gilbret zunächst seine Erzählung. Schaudern durchfährt mich bei der Vorstellung, dass die Alben nun frei waren. Wie dumm. Natürlich weiß ich, dass die Alben frei sind, waren sie doch bis vor unsere Festungen gekommen. Doch die anfänglichen Erzählungen hatten dieses Wissen förmlich in meinem Kopf gelöscht.

Ich sehe wieder Bilder, als Lachsfänger fort fährt: „Nachdem die grünen Lichter verloschen waren, lagerten wir uns. Es war zu dunkel um weiter zu gehen. Als es wieder heller wurde, schlugen die Wachen Alarm. Weit vorne stand eine schwarze Gestalt und winkte uns. Ich war mir sicher, am Vorabend war da niemand.

>Hütet euch vor der schwarzen< hörte ich noch die letzten Worte von Stummer Fisch. Meinte er schwarze Gestalt? Meinte er jenes Wesen, das uns winkte? Adlerblick sah mich an. Er musste doch die Zweifel in meinem Gesicht sehen, oder nicht?

Auf mit euch. Wir werden erwartet. Es ist, wie unser alter Medewiwin vorausgesagt hat, rief er und übersah mein Kopfschütteln. Mir war absolut nicht wohl in meiner Haut, aber noch war ich nicht so mächtig und anerkannt wie mein Vorgänger. Noch durfte ich keinen Widerspruch wagen. Was hätte ich auch sagen sollen. Die Götter hätten mir eine Warnung zukommen lassen? Das wäre eine Lüge. Was hätte Stummer Fisch getan? Hätte er gelogen? Meine Überlegungen sind zwecklos. Sicherlich war unser Schicksal besiegelt.

Jeder nahm sein Bündel auf und stapfte hin zu diesem schwarzen Mann. Er kam uns wohl entgegen, denn der Abstand zwischen uns wurde schnell kleiner. Als wir in Rufweite waren hörten wir: Willkommen, ihr müden Wanderer.

Schließlich standen wir uns gegenüber.

Ein ganz herzliches Willkommen auf der Insel der gottgleichen Alben, begrüßt uns der Fremde. Der große Alamon freut sich, euch kennen zu lernen.

Das Wesen ist sichtbar auf uns zu gekommen, doch sehe ich dahinter keinerlei Spuren. Eine Gestalt, die in dieser Kälte nur einen leichten schwarzen Umhang trägt, ohne Spuren über Schnee wandeln kann und sich gottgleich nennt, muss ein Abgesandter Wakan-Tangas sein. Das sagt mir mein Gefühl und ich werfe mich ehrfürchtig in den Schnee. Auch die anderen meines Stammes tun es mir nach.

Erhebt euch, meine lieben Freunde, schmeichelt uns der Mann.

Vertrauen und Wärme breitet sich in meinem Körper aus. Mit strahlendem Gesicht blicke ich den Gesandten an. Allen anderen ergeht es ebenso.

Sicher seid ihr erschöpft und müde von der langen weiten Reise. Lasst mich euch Kraft geben, eure Last leichter zu tragen.

Kaum, dass er das gesagt hat meine ich, die größten Bäume ausreißen zu können, wären welche in der Nähe.

Folgt mir. Es ist noch ein gutes Stück Weg bis in unser Dorf.

Er dreht um und geht uns voraus. Tatsächlich: Keine Spur eines Fußes. Mit neuer Kraft fällt es uns nicht schwer, ihm zu folgen. Er hält genau auf einen großen Berg zu, über dem eine dicke Wolke hängt. Vorbei an seltsamen rundlichen Häusern aus Eis, die sich in großer Zahl um den Fuß des Berges finden, geht es immer näher an den Berg heran.

Ich sehe eine Gruppe von weiteren schwarz gewandeten Wesen, vor denen unser Führer schließlich halt macht. Die größte Gestalt tritt hervor und sagt:

Ich grüße euch, Fremde, und heiße euch auf unserer Insel willkommen. Ich bin Alamon, der Große.

Unverständliches Murren der anderen schwarz gekleideten. War das Zustimmung oder Widerspruch? Ich habe nichts verstanden. Natürlich, wie soll ich auch die Sprache von Göttlichen verstehen können. Es ist für mich schon ein Wunder, dass diese Wesen ganz offensichtlich unsere Sprache sehr gut beherrschen. So mancher Stamm in unserer alten Heimat war dazu nicht in der Lage.

Ein kurzer Wink nach hinten und das Murren verstummt.

Uns ist schon seit langem bekannt, dass ihr hier her kommen würdet, darum haben wir das große Meer für euch frieren lassen und euch den Weg bereitet. Seht wir haben auch Hütten errichtet, wie sie bei uns üblich sind. Darin könnt ihr euch ausruhen und neue Kraft sammeln, denn wir benötigen Hilfe von euch. Nur einen kleinen Dienst. Doch dazu später mehr. Nun suche sich ein jeder für sich und seine Familie ein Haus. Alsbald werden wir euch essen bringen lassen. Dass es euch an nichts fehlt, dafür werden unsere Helfer sorgen.

Alamon winkt und urplötzlich kriechen aus den Rundhütten unsäglich viele Wesen, die nicht alles Menschen sein können. Auch sie tragen schwarze Umhänge, aber im Gegensatz zu den gottgleichen Alben ist ihr Kopf sichtbar und unverhüllt.

Ja, dafür sorgen wir, grölen viele Mäuler und es klingt irgendwie hässlich.

Mit einem unsichtbaren aber spürbaren Lächeln neigt sich der große Alamon und gibt den Weg zu den zugewiesenen Hütten frei.

Im Augenblick kann ich nicht denken. Gleich einer Herde Vieh trotten wir los und verteilen uns.

Zuerst schaue ich, ob nicht jemand in dieser seltsamen Herberge auf uns wartet. Nein, sie ist völlig leer. Nacheinander kommen Morgentau und lieblicher Sonnenstrahl mit unserer Habe hinein. Während meine Zweitfrau unsere Sachen verteilt und Decken zum Sitzen auslegt, blickt mich meine Sonne fragend stumm an.

Du erwartest doch wohl jetzt nicht von mir eine Erklärung, oder? Ich habe nicht gesehen, was Stummer Fisch gesehen hat. Ich weiß nicht, ob das hier gut oder schlecht ist. Ich hab noch nicht mit Wakan-Tanga gesprochen.

Das wirst du auch nicht, mischt sich Morgentau ein. Du bist kein Medewiwin. Mein Vater war einer und was er sah war wahr. Du bist nur eine Puppe und ein Handlanger für Adlerblick, unseren Häuptling.

Dann sage mir doch, will ich wissen, was wir davon zu halten haben. War es das, was dein Vater gesehen hat? Was sollen wir hier in dieser unwirtlichen Welt?

Die einschmeichelnde besänftigende Wirkung der Worte des Alben ist verschwunden. Ich fühle mich äußerst unbehaglich und in Gefahr.

Niedergeschlagen muss Morgentau zugeben, dass sie darauf keine Antwort hat. Sie hat nur übersetzt, was ihr der Vater mit Zeichen gezeigt hat.

Hier, meine süßen Häppchen, leckeren Fisch für euch. Lasst es euch schmecken, plärrt eine hässliche Stimme von draußen und ein Bündel getrockneter Fisch fliegen herein. Er durftet recht gut und wir essen, trotz aller Ängste und Sorgen, gierig.

Diese Nacht machte ich kein Auge zu.“

„Für den Empfang hatten die Alben dafür gesorgt, dass die Verbannten sich in ihren Eishütten verstecken sollten und erst auf Geheiß Alamons hervor kommen sollten.“, reißt mich Gilbret aus den Bildern. Nun sollten die Schergen dafür Sorge tragen, dass keiner das Dorf verlassen könne. Aber es war ihnen verboten, den Menschen etwas anzutun. Noch war das böse Spiel für sie nicht eröffnet. Mit hässlichen und giftigen Bemerkungen durch die offenen Eingänge schüchterten sie die Neuankömmlinge ein. Sie johlen und lärmen zwischen den kalten Hütten, als gäbe es eine große Feier. Es wurde für alle eine unruhige und beängstigende Nacht.“

„In dieser Nacht nun“, fährt Gilbret fort, „berichtet Lunarus von seiner Entdeckung. Höchst erstaunt nimmt Alamon diese Nachricht zur Kenntnis und verfällt in tiefes Grübeln.

Das ändert an meinem Plan für morgen nichts, meint er dann. Ich muss wissen, ob unsere Macht im Krater irgendwie erreichbar ist. Für die weitere Verwendung der Menschen aber ergeben sich ganz neue Möglichkeiten. Ich habe da schon so meine Vorstellungen. Das wird die Verbannten überhaupt nicht erfreuen. Ihr vermeintliches Spielzeug wird am Ende mit ihnen spielen; sehr grausame Spiele.“

„Es kommt ein neuer Morgen.“, erzählt nun wieder Lachsfänger.

„Alles aus den Hütten, ruft Lunarus, der mit der weiteren Betreuung der Menschen bedacht wurde. Und wie wir betreut wurden. Nicht eine Minute wurden wir aus den Augen gelassen. Die Meute umlagerte uns wie eine Beute.“

Lachsfänger zeigt mir wieder packende Bilder. Mit langen Stangen schlagen die Verbannten auf die Dächer der Eishütten, um die Menschen heraus zu treiben.

„Furchtsam, wie gejagtes Wild, drängen wir uns zu einem wahllosen Haufen zusammen. Unseren Häuptling hat man irgendwo in der Mitte zu finden. Irgendwie ist es passiert, dass ich ganz vorne zu stehen komme.

Macht euch bereit, den großen Alamon mit freudigen Hochrufen zu begrüßen, verlangt Lunarus. Die Worte sind zwingend und keinem gelingt es, bei des Alben Anblick zu schweigen. Wir alle schreien unser Hoch aus vollem Halse. Sind wir noch einer eigenmächtigen Regung fähig? Ich glaube nicht. Zumindest nicht, solange wir uns einem schwarz Vermummten gegenüber sehen.

Alamon spricht zu uns: Sicherlich würden unsere Diener es freudig begrüßen, würden wir euch nun allesamt auf den Berg jagen, uns etwas von der Kraft, die in diesem Vulkan schlummert, zu holen. Es gäbe herrliche Kämpfe, denn jeder wöllte der Erste sein. Aber wir haben größeres mit euch vor. Ihr sollt unser Volk werden, das wir mehren wollen und mit dem wir gegen die Götter Krieg führen wollen. Daher begnügen wir uns damit, einen Einzigen zu beauftragen. Nun, wen nehmen wir denn?

Mit diesen Worten ist der Albenfürst einfach so in unseren Haufen hinein gegangen. Wären wir frei in unserem Willen, er käme nicht mehr lebendig aus unserer Mitte heraus. So aber hat er Macht über uns und kann sicher sein, dass ihm kein Leid geschieht. Jeder weicht vor ihm zur Seite und ein breiter Weg entsteht. Vor Hauptling Adlerblick bleibt er stehen.

Natürlich, sagt er. Wer ist besser für solch eine gefährliche Arbeit geeignet, als der Oberste dieses Stammes.

Er legt ihm seinen Arm auf die Schulter, vielleicht aber auch nur die Hand. Sie steckt tief im Ärmel und ist nicht zu sehen.

Nun lieber Adlerblick, dir gebührt die Ehre auf den Berg und in den Krater hinab zu steigen. Dort sollte dir auffallen, was uns von Wert ist. Finde es und bring es mir. Beeile dich.

Unser Häuptling hat gänzlich die Gesichtsfarbe verloren. So blass habe ich noch keinen unseres Volkes gesehen. Er wendet sich wortlos um und läuft eiligst los. Der Berg war damals noch nicht so hoch wie heute. Noch wurde nicht allzu viel Lava aufgeschüttet.

Wir sehen zu, bis er oben am Rand angekommen ist. Dann steigt er hinein. Die Alben und ihre Schergen lassen uns allein. Wortlos warten wir. Nicht im Geringsten kommt ein Wille zum Widerstand auf. Wir haben uns nichts zu sagen.

Am Erschrecken einiger unserer Gruppe erkenne ich, dass erneut ein Alb erscheint. Ich spüre es förmlich. Wen werden sie nun erwählen? Mit Bangen erwarte ich, meinen Namen zu hören. Sie kennen uns. Vielleicht können sie unsere Gedanken lesen.

Warum denn eigentlich nicht. Du bist ein schlauer Kerl, höre ich Alamon in meinem Rücken. Dreh dich nur um zu mir. Du weißt, dass ich mit dir rede, Lachsfänger.

Ob ich will oder nicht, ich muss ihn ansehen.

Der Auftrag ist der Gleiche. Doch gib acht, dass du nicht auch abstürzt, Sonst schick ich dir deine beiden Weiber hinterher, droht er.

Willenlos gleich einer Puppe mach ich mich auf den Weg. Je höher ich komme, desto freier fühle ich mich wieder. Der Bann Alamons lässt nach. Ich kann frei denken. Offensichtlich können die Alben und ihre fürchterlichen Diener nicht hierher. Vermutlich haben sie hier keine Macht. Ich müsste unseren Stamm hierher bringen. Irgendwie würde sich dann vielleicht ein Weg finden, den Alben zu entkommen.

Ich hab ja schon gesagt, dass du ein schlauer Kerl bist, drängt sich Alamons Stimme in meine Gedanken. Der Ton passt überhaupt nicht zu der Abneigung, die ich gegenüber dem Alben empfinde. Er wirkt offen und ehrlich. Was bedeutet das?

Vergiss alle Fluchtpläne, vernehme ich weiter seine Gedanken.. Wer den Krater verlässt, wird sofort wieder von uns bemerkt. Ihr würdet elendig verhungern. Oder ihr wartet auf den nächsten Ausbruch. Dann können wir in weitem Umkreis eure gebratenen Gebeine aufsammeln und unseren Dienern schenken. Vielleicht schmeckt ihnen in Vulkanfeuer gebratenes Menschenfleisch.

Auch wenn diese Unterhaltung tonlos war, empfinde ich doch die Häme, die darin steckt. Ich drehe mich um. Meine Leute sind ein Haufen kleiner Wesen. Irgendwo weit abseits sehe ich den schwarzen Fleck im weißen Schnee, der wahrscheinlich Alamon heißt.

Ich zucke mit den Schultern und erkenne unsere Ohnmacht. Unser Schicksal ist besiegelt.

Der Abstieg ist zunächst leichter als erwartet. Hier kann man eigentlich nicht abstürzen. Sagt, Alamon, was ist mit Adlerblick geschehen, will ich wissen. Und dabei will ich auch erkennen, ob irgendwann seine Gedanken mich nicht mehr erreichen.

Du hast recht, er ist nicht abgestürzt. Er hat sich das Leben genommen, der Spaßverderber, bekomme ich zur Antwort.

Warum?

Das wirst du noch früh genug selbst erkennen. Klettere weiter.

Allmählich wird der Abstieg schwieriger, denn ich finde immer weniger Möglichkeiten, mich festzuhalten. Kräftemäßig aber wird es immer leichter, so als würden meine Muskeln erstarken, obwohl mein Körper mehr und mehr schmerzt. Schon vor geraumer Zeit habe ich meine Fäustlinge ausgezogen, um besser greifen zu können. Der Fels wird wärmer. Je tiefer ich komme, desto größer sind die Schmerzen in jeder Faser meines Körpers. Beim nächsten Griff bemerke ich, dass meine Haut dunkler wird und ich sehe meine Hand, die Finger, alles wird breiter, muskulöser, stärker. Zudem sprießen Haare, wo früher glatte Haut war. Die Nägel werden krallenartig lang und hart, behindern aber nicht das Greifen, sodass ich weiter, nein, sogar leichter mich am Fels halten kann.

Was ist das? Was passiert mit mir, Alamon?

Du wirst respektlos, Lachsfänger. Wo bleibt der mir gebührende Titel? Wie wär es mit Albenfürst? Du wirst es noch lernen.

Um deine Frage zu beantworten: Du badest soeben in unser aller Macht.

Eure Macht? Erzählt mir mehr, Fürst der Alben, frage ich nach.

Na also, geht doch.

Alamon scheint amüsiert zu sein.

Dir alles zu erzählen dauert zu lange. Es soll dir genügen zu wissen, dass wir Alben an diesen Berg gefesselt sind, denn unsere Lebenskraft und die Kraft unserer Magie, alles das wurde im Boden tief versenkt. Daraufhin hat sich der Vulkan gebildet, weil die Erde sich gegen diesen Eingriff wehrt. Mit jedem Ausbruch werden kleine Teilchen davon heraus geschleudert. Ich will wissen, ob es jetzt einen Zugang in den Fels gibt. Ob sich irgendeine Höhle oder dergleichen finden lässt.

Ich spüre, dass du schon sehr bald außerhalb meines Bereiches bist, in dem ich dich erreichen kann. Sieh dich gründlich um, ob du etwas Besonderes entdeckst, gleich, wie es aussieht. Versuch dein Glück. Es soll dein Schaden nicht sein. Ich warte auf dich und wenn du Erfolg hast, mache ich einen ganz Großen aus dir.

Ich fühle den Druck in meinem Kopf schwinden. Darf ich deswegen nun glauben, ich sei für mich allein? So ganz allein? Zunächst kümmere ich mich erst einmal um meinen Abstieg auf den Grund des Vulkans. Inwendig geht es deutlich tiefer hinab, als von außen hinauf.

Als ich unten angekommen bin, sehe ich, dass sich mein ganzer Körper verändert hat. Es erschreckt mich zu tiefst. Soweit unbedeckt sehe ich auf der Haut fellähnliche Behaarung. Nicht sehr lang, aber dicht und wärmend. Die Hände erinnern mich entfernt an tierische Krallen an dicken Pranken. Doch die Finger sind weiterhin ausgebildet und ich spüre eine enorme Kraft, als ich einen Stein neben mir aufhebe. In geringer Entfernung sehe ich in der beginnenden Dämmerung ein dunkles Bündel liegen. Es ist nicht mehr hell genug, als ich es erreiche und ich muss die Untersuchung auf morgen verschieben.

Ich kauere mich auf den Boden wie ein kleines Kind und schlafe traumlos.

* * * * *

Beim ersten Morgenlicht erwache ich. Was ich für ein Bündel hielt, ist tatsächlich ein menschliches Wesen, das an einem dicken Felsbrocken liegt, als habe es sich darum gekauert und wolle es nicht mehr loslassen. Ich löse die Umklammerung und drehe es auf den Rücken. Voll Entsetzen stelle ich fest, dass das Bündel Häuptling Adlerblick ist. Oder sollte ich sagen, er war es? Ich erkenne ihn nur an den Gewandfetzen, die noch an ihm hängen. Er hat sich sehr verändert, um es gelinde auszudrücken.

Haare an jeglicher Körperstelle. Das Haupthaar schwarz und zottelig. Muskulös, Krallenpranken statt Händen. Widerwillig muss ich Übereinstimmungen mit meinen Händen und Armen zugeben.

So also sehe wohl auch ich aus. Die Ohren sind klein und erinnern an einen Kojoten. Die Knochen über den Augen haben sich stark nach vorn geschoben und überschatten nun enorm die Augen. Das Nasenbein wirkt dadurch als läge es tiefer. Es mündet in einer Nase, der man anscheinend die Spitze abgeschnitten hat. Weit offen liegen die Nasenlöcher. Die Augen hat er im Tod weit aufgerissen und ich blicke in starre schwarze Augen. So schwarz, dass man nicht einmal einen Unterschied zur Pupille feststellen kann. Die Lippen liegen wulstig über den nach vorne erweiterten Kiefern. Adlerblicks Kiefer ist mehrfach gebrochen und geben den Blick auf mehr als die üblichen Zähne frei. Es wirkt wie ein Raubtiergebiss und hat tatsächlich stark ausgebildete Reißzähne. In seinem Körper gibt es wohl kaum noch einen heilen Knochen. Arme und Beine liegen völlig verdreht neben dem geschundenen Leib. Insgesamt ist der Tote gegenüber seinen Lebzeiten einiges kleiner, dafür aber deutlich breiter geworden. Ein Wunder, dass der Schädel bei seinem Sturz nicht völlig zu Matsch wurde. Das Blut seiner offenen Wunden ist rot und getrocknet. Wenigstens die Farbe des Lebenssaftes ist noch geblieben. Sonst hat dieses tote Wesen vor mir kaum noch etwas mit dem alten Häuptling gemein.

Ich sehe auf meine Hände und Tränen schießen mir in die Augen. Verfluchte Alben! Welch unglückliches Schicksal hat uns in eure Hände gegeben? Was kann ich tun, um mein Volk zu retten? Vielleicht sehen wir in naher oder ferner Zukunft alle so aus, wenn wir fortwährend dieser Macht ausgesetzt sind; so nah am Berg.

Zunächst will ich mich umsehen, wie mir Alamon aufgetragen hat. Es könnte ja sein, dass mir dabei etwas einfällt. Doch, wohin ich auch blicke, nur Geröll des letzten Ausbruchs in verschiedenster Größe. Gigantische Brocken bis zum kleinsten zerriebenen Sandbröckchen. Da ist nichts Besonderes, nichts Auffälliges lässt sich entdecken. Bis auf …

In der gegenüber liegenden Seite erkenne ich durch den momentanen Lichteinfall eine Spalte im Fels. Jetzt, wo ich die eine Öffnung entdeckt habe, sehe ich immer mehr dieser Risse. Eine liegt nicht besonders hoch und ich erklimme recht leicht die Wand. Neugierig stecke ich meinen Kopf in das Loch und augenblicklich nimmt ein durchdringender Gestank mir den Atem. So etwas habe ich noch nie gerochen. Am nächsten kommt der Vergleich mit etwas fauligem. Nur mit einer Hand haltend baumele ich im Fels und ringe nach Atem. Widerwillig blicke ich zum Loch, hole tief Luft und sehe erneut hinein. Ein vergebliches Unterfangen, denn in dieser schwarzen Bodenlosigkeit ist überhaupt nichts auszumachen. Die anderen naheliegenden Spalten lasse ich aus. Ich erwarte dort kein anderes Ergebnis. Von einer entfernteren größeren Öffnung im Fels verspreche ich mir mehr. Die Öffnung ist so breit, wie ich groß bin und liegt nur ein bisschen höher in der Kraterwand. Dadurch fällt ein wenig mehr Licht hinein, doch auch hier ist nur der faulige Geruch und gähnende Schwärze zu finden.

Ich gebe auf. Nichts außer Steinen ist hier zu finden und die erscheinen mir wenig interessant. Ich kehre zu Adlerblick zurück, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er hat nicht verdient, derart offen liegen zu bleiben. Auch wenn in diesen Krater kein anderes Lebewesen kommt gehört es sich, ihn zu bestatten. Ich lege seinen Leichnam leidlich gerade und bedecke ihn mit den Steinen, die um ihn herum liegen. Einen besonders großen will ich als Abschluss oben auflegen. Er ist sehr schwer und Wakan-Tanga will es, dass er mir aus den Händen gleitet und heftig auf dem Boden aufschlägt. Er zerbricht und legt ein, in vielen Farben schillerndes, glänzendes Inneres frei.

Das muss es wohl sein, wonach ich für Alamon suchen soll. Ja, ich bin mir sicher. So schön wie dieser Brocken ist, kann es nur so sein. Eigentlich habe ich als Zierde für den Grabhügel ein Stück von Adlerblicks Hemd zurück behalten. Dies nutze ich nun, um den Stein einzuwickeln und mir um den Leib zu binden. Jetzt schnell hier heraus. Vielleicht zeigt sich Alamon gnädig und lässt uns ziehen, wenn wir viele der glänzenden Steine besorgen. Ein Blick gen Himmel aber sagt mir, dass es für einen Aufbruch nun zu spät ist und so verbringe ich eine weitere Nacht am Boden des Kraters.

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe. Es ist hier alles sehr merkwürdig. Sonst bin ich mit dem ersten Licht schon wach. Ich habe auch weder Hunger noch Durst. Ob ich vielleicht doch mein Volk hier hinein führen sollte? Wir sähen dann zwar fürchterlich aus, wären aber vor den Alben in Sicherheit. Lebenslang hier unten zu vegetieren erscheint mir aber auch nicht sehr erstrebenswert. Erneut binde ich mir den Stein um und beginne dann mit dem Aufstieg. Fast wie erwartet, verändern sich Haut und Nägel wieder zurück. Wahrscheinlich sieht auch der Rest von mir nun wieder aus wie Lachsfänger auszusehen hat. Durch diese Rückbildung werde ich schlanker und fast wäre mir der Gesteinsbrocken in den Krater zurück gefallen. Fast im letzten Moment erst bemerke ich es. Ausgerechnet hier, wo ich kaum einen Stand habe und selbst dicht an die Wand geschmiegt hinten über kippe, wenn ich nicht mindestens eine Hand zum Halten nutze. Ich kann nur das umgebundene Tuch hoch ziehen und mit einer Hand versuchen, den Knoten fester nachzuziehen. Ungeheuer schwer wird so mein Weg nach oben. Quälend langsam erscheint mir mein Vorwärtskommen.

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9783738092950
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