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16

Francesca Tardea fällt nach der Beerdigung ihrer Schwester in ein tiefes Loch. Erst jetzt bemerkt sie, wie sehr sie sich in den letzten Jahren mehr Kontakt zu der Verstorbenen gewünscht hätte, wie viel zwischen beiden letztendlich unausgesprochen blieb.

Erst als sie erfährt, dass Clarissa schwanger ist, hellt sich ihre Stimmung ein wenig auf.

Der Lago di Bolsena ist in den 60er Jahren ein Insiderziel für Italiener.

Hier findet man urige italienische Dörfer, unberührte Natur, und malerische Landschaften am Rande der Toskana.

Francesca Tardea sitzt im Ferienhaus der Familie und strickt. Es ist eine alte Sitte in der Familie, Neugeborene mit selbst gestrickten Kleidungsstücken auf der Erde willkommen zu heißen.

Das Telefon klingelt.

„Ciao, zia preferita.“

„Lieblingstante? Du hast doch nur eine...“, Francesca lacht. „...ciao, Clarissa.“

„Wie geht es Dir und was wachst Du gerade schönes?“

„So langsam geht es wieder, danke. Ich stricke. Die ersten Söckchen sind fertig. Jetzt mache ich mich an ein Schlabberlätzchen.“

„Ach, Francesca, da bist Du aber früh dran.“

„Es gibt ja noch genug andere Sachen, die man erledigen muss, bevor der principe oder die principessa kommt.“

„Du bist lieb, Francesca. Manchmal fehlt Ihr mir doch alle sehr.“

„Du wolltest es ja nicht anders, Clarissa.“

„So einfach war es nicht. Ich konnte ja nicht nur an mich denken.“

„Werner hätte auch hier arbeiten können. Wir haben gute Kontakte, das weißt Du.“

„Ja, sicher. Aber er hat sich hier gerade in der Zeitung etwas aufgebaut. Ich verstehe, dass Werner das nicht aufgeben möchte.“

„Und wenn wir ihm eine Arbeit besorgen, wo er weniger arbeiten müsste, um genau so viel zu verdienen?“

„Auch dann würde er sich für die Zeitung entscheiden.“

„Euch ist nicht zu helfen“, lacht Francesca.

„Ja, so sind „wir-Kölner“, auch Clarissa lacht.

„Wir-Kölner? Fühlst Du Dich etwa schon als Kölnerin?“

„Ein bisschen schon...“.

„Clarissa, Clarissa...“.

„Komm' uns doch mal für eine längere Zeit besuchen, vielleicht willst Du dann auch gar nicht mehr weg.“

„Das mache ich. Wenn das Kind da ist. Versprochen.“

„Ich nehme Dich beim Wort, zia.“

„Nun aber zum Thema: Wie geht es Dir? Wie geht es dem Kind?“

„Zweimal die gleiche Antwort: Benissimo! Bestens!“

„Das freut mich zu hören.“

„Ich passe auch sehr auf mich auf. Viel frische Luft, keine Zigaretten, beim Stammtisch trinke ich nur Wasser.“

„Ich weiß, dass Du das tust, liebes.“

„Du, ich rufe Dich eigentlich an, um Dir zu sagen, dass wir planen, nach der Geburt des Kindes für ein oder zwei Wochen nach Italien zu fahren.“

„Nach Italien? Du meinst, zu uns?“

„Nicht direkt. Natürlich kommen wir Euch auch besuchen. Aber Werner will erst einmal die Toskana kennenlernen: Pisa, Siena, Viareggio. Auch für zwei der drei Tage nach Elba rüber wollen wir.“

„Das kann ich verstehen. Aber danach bleibt Ihr mindestens drei Tage bei uns, darauf bestehe ich! Schließlich muss der Kleine seine Großtante -nennt man das so?-, kennenlernen.“

„Ich werde sehen, ob sich das einrichten lässt...“

„Halt' mich auf dem Laufenden, was die Schwangerschaft betrifft. Ich will jede Kleinigkeit wissen, hörst Du?!“

„Ist in Ordnung, Tante Francesca, das mache ich.“

„Grüß' Antonella von mir. Sie hält ja überhaupt keinen Kontakt mehr zur Famiglia.“

„Ich habe auch kaum Kontakt zu ihr, obwohl sie nur vier Kilometer entfernt wohnt. Wir waren immer schon grundverschieden, das weißt Du.“

„Ja. Da die eitle Antonella...“

„...genau, immer hübsch angezogen, viel Zeug im Gesicht und die Haare toupiert...“, Clarissa lacht.

„Und da die rastlose Clarissa...“

„...,die ihre Zeit am liebsten damit verbrachte, Hunde der Nachbarn auszuführen, Fahrrad zu fahren oder auf dem Bauernhof zu arbeiten.“

„Du ahnst nicht, wie oft mir Deine Mutter von Euren Streitereien erzählt hat, vor allem immer wieder die Geschichte mit dem Kleid.“

„Du meinst, als ich den abgeschlossenen Kleiderschrank meiner Schwester von hinten geöffnet habe, weil sie mir kein Kleid für einen Ball leihen wollte?“

„Genau.“

„Und wo ich das Pech hatte, das ausgerechnet ein Bild von mir anlässlich der Berichterstattung über den Ball in der Zeitung auftauchte? Du meine Güte, was war Antonella sauer!“

„Das kann man in dem Fall auch verstehen, oder?“

„Na ja. Als Revanche hat sie dann mein schönstes Foto mit rotem Lippenstift bemalt und drunter geschrieben: 'meine bildhübsche Schwester Clarissa‘“.

Francesca lacht laut.

„Ihr wart schon zwei...“

„Die sind wir immer noch...“

„Amanda fehlt Euch sehr, was?“

„Ja, gerade jetzt in der Schwangerschaft hätte ich sie gerne bei mir. Auch Vater leidet noch immer sehr unter ihrem Tod. Es ist ja auch erst ein paar Monate her, dass Mama gestorben ist.“

„Das braucht Zeit, mein Kind. Und ganz wird dieses Gefühl des Verlustes wohl nie verschwinden.“

„Nein, das glaube ich auch nicht, Francesca.“

„Grüß Werner von mir, auch Deinen Vater und denk' dran: Deine Tante will jede Kleinigkeit wissen. Sobald es etwas Neues über das Baby zu berichten gibt, bin ich die Erste, die Du anrufst!“

„Zu Befehl, comandante.“

17

Als Clarissa völlig überraschend schwanger wird, muss Werner Schmitz erneut auf Wohnungssuche gehen. Schließlich soll das Kind in geordneten Verhältnissen aufwachsen. So lässt auch der Heiratsantrag an die Dame des Herzens nicht lange auf sich warten.

Werner und Clarissa heiraten in der Kirche St. Mechtern in Ehrenfeld und feiern ihre Hochzeit in der Gaststätte „Bei Josip“, einem jugoslawischen Lokal, im gleichen Stadtteil. Der Besitzer ist ein guter Bekannter Werners, er hat alles für ihn organisiert.

Die Hochzeitsreise fällt aus, schließlich steht für die werdenden Eltern der Umzug an.

Werner schwankt zwischen einem kleinen Reihenhaus in Holweide und einer großzügigen Wohnung in Braunsfeld.

Aufgrund der Nähe zu den Spielstätten der beiden größten Kölner Fußballklubs 1.FC und Fortuna, beide tragen ihre Heimspiele in der 'Kölner Radrennbahn' aus, entscheiden sich die Frischvermählten schließlich für das Objekt in Braunsfeld.

Schon bald beziehen sie die Wohnung in Nähe des Kölner Stadtwaldes.

Alles scheint perfekt für die frisch Vermählten.

Die Schwangerschaft verläuft in den ersten Monaten ohne jedwede Auffälligkeiten, Clarissa geht es blendend, sie ist trotz der Tatsache, dass sie in anderen Umständen ist, in ihrem Tatendrang kaum zu stoppen.

Das tagtägliche Rauchen, sieben Zigaretten am Tag und nicht mehr!, und das geliebte Gläschen Rotwein am Abend sind tabu, trotzdem geht sie weiterhin mit Werner zum montäglichen Nachbarschaftsstammtisch, besucht regelmäßig die Kölner Oper und begleitet Werner zunehmend zu den Sportveranstaltungen, über die ihr Mann berichten muss.

Bei aller Harmonie sind sich Clarissa und Werner nicht einig, was den Namen des neuen Erdenbürgers betrifft.

„Es wird ein Junge. Das weiß ich. Ein strammer Stammhalter, Clarissa.“

„Und wie soll der dann heißen?“

„Mach' mal einen Vorschlag.“

„Also, wenn ich schon mit Dir in Deutschland lebe und Bella Italia aufgegeben habe, dann möchte ich wenigstens den Namen des Kindes bestimmten dürfen. Tomaso! Ja, Tomaso.“

„Aber doch keinen italienischen Vornamen!“

„Die sind doch viel schöner als die Deutschen. Überhaupt: Die italienische Sprache ist doch mit die schönste, die es gibt. Nehmen wir mal ein Beispiel...,genau, Sommersprossen. Was für ein furchtbares Wort! Und auf italienisch: lentiggine...herrlich!“

„Trotzdem. Wir sind eine alteingesessene Kölner Familie. Tomaso, ich weiß nicht.“

„Bitte, Werner. Nur den Vornamen.“

„Ist gut, Kleines. Du sollst Deinen Tomaso haben.“

Werner und Clarissa sind überglücklich, planen schon die Zeit nach der Geburt und richten die Wohnung kindesgemäß ein.

Der Himmel hängt voller Geigen für die beiden – bis Clarissa im fünften Schwangerschaftsmonat eine schwere Infektion erleidet, die sie für gut zwei Wochen ans Bett fesselt.

Es hat sie böse erwischt. Sie kann tagelang kaum Nahrung bei sich behalten, das Fieber will nicht sinken, sie fühlt sich fortwährend ausgelaugt und schwach.

Ganz werdende Mutter gilt ihre Sorge weniger ihrer Gesundheit, sondern den möglichen Schäden, die ihr Baby davontragen könnte.

Clarissa Schmitz hat sich seit Beginn der Schwangerschaft ausgiebig über mögliche Komplikationen während derselben informiert, dass Infektionen schwangerer Frauen ein Risiko für das ungeborene Kind bedeuten, beunruhigt sie doch sehr.

Erst kürzlich hat Clarissa einen Zeitungsbericht gelesen, indem von neuen Untersuchungsmöglichkeiten am ungeborenen Baby mit Ultraschall die Rede war.

1965 / 1966 konstruieren Holmes und Wells einen Kontakt-compound-Scanner, dessen Schallkopf an einem Arm befestigt, und der durch Gelenke frei beweglich ist. Durch eine Mechanik kann die Schnittbildebene versetzt werden (26).

Das Diagnosespektrum, welches die neuen Geräte abdecken, wächst stetig, es scheint sogar möglich, den Entwicklungsstand ungeborener Kinder im Mutterleib mittels Ultraschall überwachen zu können.

Auch in der Kölner Universitätsklinik werden Anfang der 60er die ersten Untersuchungen mit Kontakt-compound-Scannern durchgeführt.

Noch sind die Untersuchungen nicht Gegenstand der ärztlichen Diagnostik im Rahmen des Leistungsangebots deutscher Krankenkassen, möglich jedoch sind sie bereits.

„Ich mache mir immer mehr Sorgen, Werner“, schüttet Clarissa ihrem Frischvermählten ihr Herz aus.

„Um das Kind, meinst Du?“

„Ja. Das war schon eine sehr starke Infektion, nicht, dass dem Kleinen etwas passiert ist.“

„Fühlst Du denn irgendein ungewöhnliches Gefühl im Bauch? Hast Du Schmerzen? Ist Dir schlecht?“

„Nein, überhaupt nicht. Aber trotzdem...“

„Ich glaube, so lange Du Dich gut fühlst, brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen.“

„So einfach geht das aber nicht.“

„Ich weiß, Clarissa. Ich weiß.“

„Werner, Du kennst doch Hinz und Kunz hier in Köln. Es gibt da eine neue Untersuchungsmethode – Ultraschall.“

„Habe ich nichts von gehört, sagt mir nichts.“

„Damit kann man allerlei Sachen im Körper bildlich darstellen, auch ungeborene Babys.“

„Aha.“

„Meinst Du, Du könntest mal nachfragen, ob an der Uniklinik schon so ein Gerät existiert?“

„Ach, Clarissa. Dem Kind geht es gut, glaub es mir. Aber wenn Du möchtest, höre ich mal nach, ob die Uniklinik solche Untersuchungen durchführt.“

„Danke. Du bist ein Schatz!“

Werner Schmitz ist durch seinen Job bei der Zeitung mittlerweile in und um Köln ein bekannter und angesehener Mann, der über vielfältige Kontakte verfügt. Einer der Professoren an der Universitätsklinik ist Mitglied im 1.FC Köln, hat eine Dauerkarte und besucht des Öfteren die Pressekonferenzen nach Heimspielen der „Geißböcke“.

Nach einer schmerzlichen 1:3-Niederlage gegen den 1.FC Kaiserslautern erspäht Werner Schmitz den Mediziner im gut gefüllten Presseraum in den Katakomben des Müngersdorfer Stadions.

„Herr Dr. Freudenberg, schön, Sie zu sehen.“

„Guten Tag, Herr Schmitz, freut mich auch, Sie zu sehen. Das war ja wenig, was heute auf dem Platz bei unserer Mannschaft zusammenlief.“

„Das stimmt. Vorne zu harmlos und hinten ungewohnt anfällig. Die haben den 7er von Lautern nie in den Griff bekommen.“

„Der Neumann. Mal Weltklasse, mal Kreisklasse. Heute leider eher das Erste.“

„Ja, der war sehr stark. Und hinten noch der Haudegen Schwager.“

„Es kommen auch wieder bessere Spiele, Herr Dr. Freudenberg.“

„Hoffentlich schon nächste Woche – da geht’s gegen die Zebras aus Duisburg, die sind gut in Form im Moment.“

„Das wird schon. Herr Dr. Freudenberg, darf ich Sie noch in einer persönlichen Angelegenheit ansprechen?“

„Aber gern doch, Herr Schmitz.“

„Meine Frau ist im fünften Monat schwanger.“

„Herzlichen Glückwunsch!“

„Danke. Sie hatte vor Kurzem eine richtig schwere Infektion und macht sich Sorgen um das ungeborene Kind.

„Ich verstehe. Wie kann ich Ihnen da helfen?“

„Clarissa hat etwas gelesen über Ultraschallgeräte, die Bilder vom Kind im Mutterleib machen können.“

„Kontakt-compound-scanner, ja.“

„Haben Sie an der Uniklinik bereits ein solches Gerät?“

„Wir experimentieren damit. Wir analysieren gerade, für welche Einsatzgebiete diese Scanner infrage kommen.“

„Wäre es möglich, meine Frau damit zu untersuchen?“.

„Sie meinen, um die Bilder des Ungeborenen hinsichtlich möglicher Fehlentwicklungen zu interpretieren?“

„Ja.“

„Nun, gewisse Fehlbildungen könnte man wahrscheinlich erkennen. Eine genaue Diagnose jedoch wird durch diese Bilder kaum möglich sein.“

„Es ist also möglich?“

„So würde ich es nicht ausdrücken. Es könnte möglich sein. Die Gewissheit, etwas zu erkennen, so denn eine Fehlentwicklung vorliegt, gibt es nicht.“

„Darf ich meine Frau trotzdem vorbeibringen?“

„Also, diese Untersuchungen werden noch nicht im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung durchgeführt, sondern sind bislang rein experimentell.“

„Herr Dr. Freudenberg, meine Frau leidet sehr unter den Sorgen, die sie sich macht. Ich habe große Angst, dass diese Sorge sie und auch das Baby krank macht.“

„Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann, Herr Schmitz. Aber versprechen Sie sich nicht zu viel.“

„Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll.“

„Man hilft sich, wo man kann in Köln. Das wissen Sie doch besser als ich, der ich ja nur ein „Zugereister“ bin.“

„Danke.“

„Ich melde mich die Tage bei Ihnen.“

18

Am Kölner Hauptbahnhof wimmelt es einmal mehr nur so von Menschen.

Borna Krupcic steht an Gleis 4 und erwartet seinen Bruder Davor. Er hat ein Zimmer seiner Zweizimmerwohnung in Chorweiler geräumt. Hier soll sein Bruder zunächst wohnen.

Borna weiß, dass Davor ein anderer Typ Mensch ist als er selbst. Er ist sich nicht sicher, ob er sich in Deutschland wohlfühlen wird.

Davor ist sensibel, oft in sich zurückgezogen und hat Probleme, offen auf Menschen zuzugehen. Ob das große Ford-Werk für ihn der richtige Arbeitsplatz ist, muss sich erst erweisen.

Der Zug aus München rollt ein. Davor musste dreimal umsteigen, war insgesamt gut siebzehn Stunden unterwegs. Borna weiß aus eigener Erfahrung, wie kräftezehrend die Anreise aus Jugoslawien in den 60er Jahren noch ist.

Die Passagiere verlassen den Zug, Borna versucht, seinen Bruder zu erspähen.

„Borna!“, hört er auf einmal einen Schrei. Borna Krupcic dreht sich um und schon fliegt ihm sein Bruder in die Arme.

„Borna!“, Davor schluchzt, Tränen laufen ihm über das Gesicht.

„Mein kleiner Bruder ist bei mir in Köln. Ich kann es kaum glauben.“

„Ich auch nicht, Borna.“

„Wie war die Fahrt?“

„Reden wir nicht drüber...vor allen Dingen die langen Wartezeiten an verschiedenen Haltestellen und an den Bahnhöfen beim Umsteigen. Es ist schon eine einzige Strapaze.“

„Ich weiß, kleiner Bruder, ich weiß. Aber jetzt bist Du ja hier.“

„Hauptsache, ich bin bei Dir. Alles andere wird sich ergeben.“

„Du brauchst sicher eine kleine Stärkung. Gib mir einen Deiner Koffer, wir gehen in ein Wirtshaus.“

„Jetzt direkt? Sollen wir nicht erst einmal in die Wohnung?“

„Die ist ein gutes Stück entfernt, da müssen wir noch einmal mit der Bahn fahren.“

„Überredet – davor brauche ich dann wahrscheinlich wirklich eine kleine Stärkung.“

„Richtig, Kleiner. Es gibt ein großes Brauhaus ganz in der Nähe vom Bahnhof. Lass uns dahin gehen.“

„Du bist der „Kölner“, nicht ich, Borna.“

„So ist es, also los.“

Köln ist wohl die deutsche Stadt mit den meisten Biersorten und Brauhäusern überhaupt. Jede Kölsch-Sorte hat ihren eigenen, individuellen Geschmack und natürlich ein eigenes Brauhaus. "Drink doch ene mit" ist eine der Redensarten der Kölner, die sie so sympathisch machen.

Die Gaststätte „Früh“ ist nicht nur durch ihre Nähe zum Kölner Dom sehr beliebt, sondern auch, weil sich die Brauerei bemüht, alte Kölner Brauhaustraditionen zu erhalten. Hier herrscht stets eine ursprüngliche Brauhausatmosphäre, der Fassausschank durch Zappes, die Bedienung durch Köbesse, das Anbieten typisch kölscher Gerichte – all' das hat in den mittelalterlichen Gewölben Tradition (27).

Nach nur fünf Minuten Fußweg erreichen die Brüder Krupcic das Gasthaus.

„Unfassbar. Wie viele Leute sind denn da drin?“, staunt Davor.

„In Köln sind die Brauhäuser immer voll. Das Bier wird direkt hier vor Ort gebraut.“

„Wirklich? Na ja, groß genug, um sich das vorstellen zu können, ist es ja hier.“

„...und trotzdem bekommt man nicht immer einen Platz, wie Du siehst.“

„Da vorne! Da stehen doch zwei Leute auf, Borna.“

„Dann mach' schnell.“

Borna und Davor haben einen kleinen Tisch in einer Ecke des Lokals erspäht, den sie schnell besetzen.

Sie haben kaum Platz genommen, da erscheint auch schon ein Köbes.

„Ihr seht durstig aus, Jungs. Hier habt ihr schon mal zwei und ich bin gleich wieder bei Euch.“

„Wie sieht denn der aus?“ wundert sich Davor beim Anblick des Köbes.

„Das ist ein „Köbes.“

„Ein was?!“.

„Ein Köbes. Die sind für die Versorgung der Gäste hier zuständig.“

Ein Gast am Nebentisch mischt sich ein:

„Köbes ist die kölsche Form von Jakob. Als Köbes wird seit etwa dem 19. Jahrhundert ein Mitarbeiter der Gastronomie bezeichnet, der in Brauhäusern in Köln Bier serviert. Traditionell trägt er stets eine blaue Schürze aus Leinen mit einer ledernen umgeschnallten Geldtasche. In einem Kranz bringt er das Kölsch zum Tisch. In Köln bestellt man kein Kölsch in einem Brauhaus, man bekommt es zugeteilt. Wenn ein Bierglas leer ist, stellt der Köbes ohne Bestellung ein neues Glas hin, es sei denn, der Gast legt einen Bierdeckel auf das Glas oder signalisiert, dass er zahlen will.“ (28).

„Köbes...aha“, Davor schüttelt den Kopf.

„Laufen hier noch mehr Menschen so komisch rum?“

„Wenn Du den Köbes schon „komisch“ findest, warte mal den Karneval ab...“

„Ich bin schon gespannt, Borna.“

Die beiden Männer stoßen noch einmal an.

„Willkommen in Köln, Davor.“

19

Während viele andere Universitätsgründungen im spätmittelalterlichen Deutschland ihre Entstehung der Initiative bedeutender geistlicher und weltlicher Regenten verdanken, sind es in Köln die Bürger, die die Hochschule errichten. Genauer: Der Rat der Freien Reichsstadt Köln, die auch die Kosten für den Lehrbetrieb übernimmt und sich durch die Universität umfangreiche Vorteile für die Belebung der Stadt erhofft.

So ist die Kölner Universität eine Stadt-Universität im doppelten Sinne: von den Bürgern der Stadt Köln gegründet und als Campus-Universität mitten im Stadtgebiet gelegen (

(29).

Sie wird am 21. Mai 1388 als vierte Universität im spätmittelalterlichen Deutschen Reich nach der Karls-Universität Prag(1348), der Universität Wien (1365) und der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg (1386) gegründet.

Am 28. April 1798 wird die Universität von den 1794 in Köln eingerückten Franzosen geschlossen. Erst 1919 wird die städtische Universität neu gegründet (30).

Clarissa und Werner Schmitz stehen vor dem großen Eingangsportal der medizinischen Fakultät. Es ist Sonntag, die Universitätsklinik hält heute eigentlich ihre Pforten geschlossen.

Bereits wenige Tage nach dem Gespräch im Müngersdorfer Stadion hat Werner einen Anruf von Dr. Freudenberg erhalten.

Im Köln der 60er Jahre hilft man sich, wo man nur kann. Beziehungen zu einflussreichen Personen sind wichtig, der „Kölsche Klüngel“ ist allgegenwärtig.

Und so hat sich Dr. Freudenberg entschieden, an jenem Sonntag unbemerkt von seinen Mitarbeitern und Kollegen eine Ultraschalldiagnostik bei Clarissa Schmitz durchzuführen.

„Ich kann Ihnen gar nicht genug danken, Doktor“ begrüßt Werder Schmitz seinen Bekannten.

„Nicht der Rede wert. Mein größter Dank wäre, wenn die Bilder nichts Auffälliges erkennen ließen und das Baby gesund zur Welt kommt“.

Clarissa senkt den Kopf und fängt an zu weinen.

„Frau Schmitz, das wird schon. Auch eine schwere Infektion ist nicht direkt gleichbedeutend mit einer Fehlentwicklung beim ungeborenen Kind.“

„Danke, Herr Doktor. Danke, ich weiß.“

„Ich mache mich dann daran, den Diasonographen vorzubereiten. Vorher koche ich uns aber erst einmal einen leckeren Kaffee. Import aus Kuba, da kommt man nicht so einfach dran, etwas ganz Besonderes.“

„Stimmt, Dr. Freudenberg's Leidenschaft ist ja der Kaffee“, fällt Werner ein.

„Das ist ja interessant. Ich trinke auch leidenschaftlich gern Kaffee, bin aber bei Weitem kein Kenner, wie Sie einer sind“, fügt Clarissa hinzu.

„Bin gleich wieder da.“ Dr. Freudenberg verschwindet in der kleinen Küche der medizinischen Fakultät.

„Ich bin so aufgeregt, Werner.“

„Das wird schon.“

„Was, wenn Dr. Freudenberg doch etwas findet?“

„Das wird er nicht.“

„Und wenn doch?“

„Damit möchte ich mich gar nicht erst befassen, Clarissa.“

Aromatischer Duft strömt aus der Küche, als Dr. Freudenberg mit einer wunderschönen Kaffeekanne aus Porzellan zurückkommt.

„Da haben Sie aber eine bezaubernde Kaffeekanne. Die ist bestimmt sehr alt“, mutmaßt Clarissa.

„Ja, um 1850. Meine Leidenschaft beschränkt sich nicht nur auf die Bohnen...“

„Ein schönes Hobby haben Sie da.“

„Ich würde Sie dann bitten, hier zu warten, während ich die Apparaturen vorbereite. Genießen Sie Ihren Kaffee.“

„Das fällt bei dem Geschmack nicht schwer“, sagt Clarissa begeistert.

Beim Genuss des edlen Getränks vergessen Clarissa und Werner beinahe den Anlass ihres Besuches und plaudern über dieses und jenes, bis sie Dr. Freudenberg in die Realität zurückholt.

„Ich wäre dann soweit. Kommen Sie herein.“

Das Ehepaar Schmitz betritt den Untersuchungsraum.

„Ich möchte noch betonen, dass diese Untersuchungsmethode sich noch in der Entwicklungsphase befindet. Darum wird sie auch noch nicht an Patienten durchgeführt. Fehldiagnosen sind nicht ausgeschlossen. Bedenken Sie das bitte, bei allem, was ich sage.“

„Das wissen wir“, entgegnet Werner.

„Sie, Frau Schmitz, legen sich dann bitte hier auf die Liege. Werner, Sie nehmen hier auf dem Stuhl Platz. Dann können sie die Untersuchung auf dem Bildschirm mitverfolgen.“

„Ich fange dann an, Frau Schmitz, haben Sie keine Angst, die Untersuchung ist absolut schmerzfrei. Ich führe lediglich diesen Scanner über ihren Körper.“

„Ich habe keine Angst, Doktor.“

„Gut.“

Dr. Freudenberg beginnt mit der Untersuchung.

„Schauen wir uns zunächst die Wirbelsäule an.“

Clarissa schließt die Augen und betet im Stillen.

„Eine spina bifida, einen offenen Rücken, kann ich nahezu ausschließen. Ich kann keinen Spaltwirbel erkennen. Ich schaue zur Sicherheit am besten noch einmal. Nein, da ist nichts zu sehen. Keine Fehlbildungen an der Wirbelsäule.“

„Gott sei Dank“, Clarissa laufen Tränen über das Gesicht.

„Dann schauen wir uns jetzt einmal den Kopf des Kindes an.“

„Ist gut.“

„Keine Anenzephalie, am Grosshirn nichts auffälliges“

Clarissa schluchzt.

„Allerdings scheint mir der Kopf etwas zu groß geraten. Das muss aber noch nichts heißen.“

„Was meinen Sie konkret, Doktor?“, will Werner wissen.

„Es könnte, ich betone, KÖNNTE, sein, dass ein Hydrozephalus vorliegt, dass sich also etwas Wasser im Gehirn befindet.“

„Oh Gott“, Clarissa weint hemmungslos.

„Frau Schmitz, das ist nur ein vager Verdacht. Das Kind kann auch einfach einen etwas vergrößerten Kopf haben, ohne dass ein Hydrozephalus vorliegt.“

„Trotzdem...“

„Außerdem gibt es bei dieser Entwicklungsstörung auch weniger schwere Fälle, in denen sich das Kind völlig normal entwickeln kann.“

„Kann – entwickeln KANN“, wispert Clarissa kaum hörbar.

„Machen Sie sich erst einmal keine Gedanken – wie gesagt: der Hydrozephalus ist noch lange nicht diagnostiziert.“

„Vielen Dank, Herr Dr. Freudenberg“,, sagt Werner Schmitz gesenkten Hauptes.

„Ich lasse Ihnen zwei Karten für das Heimspiel gegen Gladbach zukommen.“

„Danke – aber das brauchen Sie nicht.“

„Ist doch ausverkauft. Haben Sie denn schon Karten?“

„Nein.“

„Ich lasse Sie Ihnen in den nächsten Tagen vorbeibringen.“

„Vielen Dank, Herr Schmitz. Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen.“

„Dass Du jetzt noch an Fußball denken kannst.“

Clarissa schüttelt den Kopf, als sie mit ihrem Gatten die Universitätsklinik verlässt.

286,32 ₽
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9783754170120
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