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Kapitel 5

Am nächsten Morgen blickte Verena mit einem gequälten Gesichtsausdruck in den beschlagenen Spiegel. Sie hatte gerade einmal drei Stunden geschlafen und das war auch zu sehen. Nicht das sie das bis jetzt sonderlich gestört hatte und nebenbei erwähnt, hätte sie ja auch noch länger im Bett bleiben können, doch irgendwie freute sie sich schon auf das Frühstück.

Aufseufzend schüttelte sie den Kopf. „Kaspar, irgendwie habe ich das Gefühl, das mein Leben in nächster Zeit etwas kompliziert wird, verrückt, nicht?“ Mit einem Schwall kaltem Wasser versuchte sie mehr Leben in ihr Gesicht zu bringen.

„Lass uns gehen, bevor ich mich vor mir selbst lächerlich mache“, brummte sie schließlich und ließ knallend die Tür ins Schloss fallen.

Aufatmend sog sie die klare Morgenluft ein und fühlte sich sogleich besser und auch ihr Verstand wurde klarer. Sie musste über sich selbst lachen, zeitweise kam ihr Hirn wirklich auf die seltsamsten Eingebungen.

Schwungvoll und mit einem bärigen Hunger machte sich ­Verena mit Kaspar auf den kurzen Weg zu Emilias Café. Gut gelaunt hüpfte sie wie ein kleines Mädchen auf einem Bein und rannte zu guter Letzt mit Kaspar um die Wette, dass natürlich der Rüde mühelos gewann.

Bellend sprang er übermütig an ihr hoch und versuchte ihr das Gesicht abzulecken. Lachend versuchte sie ihren vierbeinigen Freund abzuwehren, doch es war bereits zu spät. Mit einem heftigen Satz warf er sie um und nicht gerade galant landete Verena in Emilias Blumenbeet und ohne darüber nach zu denken, begann sie sich mit ihm zu balgen.

Erst Emilias entrüsteter Ausruf brachte Verena zur Besinnung und das schlechte Gewissen beschlich sie, als ihr Blick auf die geknickten Blumen fiel. „Schlimmer Hund! Sieh was du angerichtet hast!“, schimpfte Emila und mit den Armen in den Hüften rückte sie auf den armen Kaspar zu, der sich schuldbewusst winselnd vor ihr auf den Rücken legte.

„Wie es aussieht, ist er geständig“, tönte eine männliche Stimme in Verenas Rücken. Georg konnte sich das Lächeln nicht verkneifen, auch wenn Emilia noch so böse drein blickte.

„Guten Morgen“, räusperte sich Verena in der Runde. „Es tut mir leid Emilia. Es ist meine Schuld. Ich werde für den Schaden aufkommen.“ Der Hund wie seine Herrin sahen mit absolut reuigem Blick auf Emilia, die abgrundtief seufzte.

„Wahrscheinlich hätten sie sowieso nicht mehr lange geblüht“, lenkte Georg ein. Diese Aussage besänftige Emilia doch anscheinend nicht sonderlich.

„Trotzdem! Wie sieht das denn jetzt aus. Du weißt wie viel Zeit ich in meinen Garten investiere.“ Emilia schien nicht mehr böse, doch Verena erkannte, dass ihre Unachtsamkeit sie verletzt hatte.

„Emilia, versprochen – ich bringe es in Ordnung, gleich heute. Es tut mir leid, dass ich nicht nachgedacht habe. Kaspar und ich werden in Zukunft wo anders unsere Energien und Übermut ablassen.“

„Ach ja, ist schon gut. Das Frühstück wartet.“

Zögernd blieb Verena stehen, doch Georg gab ihr einen leichten Schubs. „Na geh schon. Ich garantiere dir, dass sie dir den Kopf abreißt, wenn du jetzt das Frühstück bei ihr sausen lässt.“

Verena befreite sich von der feuchten Erde und trat vor Georg mit laut knurrendem Magen in das Café. Emilia hörte es natürlich. „Mein Gott, Frau Verena, wann haben sie zuletzt gegessen. Und geschlafen haben sie ja auch nicht besonders viel“, kommentierte sie mit einem scharfen Blick in ihr Gesicht.

„Schuldig. Wenn ich arbeite vergesse ich auf solche elementare Begebenheiten.“

Emilia schien wieder ganz die Alte zu sein. Bestimmt legte sie zwei Semmeln mehr auf Verenas Teller und bedachte sie mit einem strengen Blick. „Ich glaube fast, sie leben alleine von diesen Frühstück.“

„Das kann mitunter vorkommen.“

„Ab heute werden sie zu Mittag herkommen und unser Tagesmenü einnehmen.“

„In Ordnung, setz es gleich auf die wöchentliche Rechnung dazu.“

„Emilia mag dich“, flüsterte Georg verschwörerisch.

„Ich glaube, es gibt nicht allzu viele Leute, die Emilia nicht leiden kann. Sie ist einfach zu gutmütig.“, seufzte Verena.

„Lass dich nicht täuschen, in ihr schlummert ein Temperament der Extraklasse.“

„Ja, ich hab es gemerkt.“

„Emilia ist nicht nachtragend.“

„Gut, trotzdem habe ich sie verletzt. Gibt es einen Gärtner hier in der Gegend, den du mir empfehlen kannst?“, fragte Verena hoffnungsvoll.

„Am Besten, du gehst zu Hans Weidmann. Erstens kauft Emilia ebenfalls bei Hans ein und er kennt daher ihre Vorlieben. Er hat einen Laden am Ende der Hauptstraße und seine Gewächshäuser stehen an der Ortsausfahrt Richtung Stegersbach“, führte Georg seine Erklärung aus.

„Ich kann mich erinnern, ich bin gestern daran vorbei gefahren“, murmelte Verena.

„Was zieht dich nach Stegersbach?“

„Möglicherweise Arbeit?“

„Ich wusste gar nicht, dass man als Geisterjäger so viel zu tun hat“, war Georg überrascht. „Nach Emilias Urteil könntest du sowohl nach deinem Arbeitsschema und offensichtlich auch nach deinen vielen Arbeitsstunden ohne Schwierigkeiten in den Polizeidienst wechseln. Zum Essen haben wir übrigens auch nie Zeit.“

„Dann sind wir aber auch schon am Ende der Gemeinsamkeiten“, erwiderte ­Verena trocken.

„Hört sich doch an als gäbe es viele Parallelen zwischen unseren Jobs“, widersprach Georg.

„Sagen wir es einmal so. Erstens jage ich gar nichts, ich forsche und dokumen­tiere, zweitens Geister sind keine Kriminelle.“

„Das kannst du nicht wissen, manche waren es vielleicht einmal“, warf Georg schlagfertig ein.

„Machst du dich gerade über mich lustig?“

„Das würde ich mir nie erlauben.“

Verena blickte in offene fröhlich funkelnde Augen. Georg besaß einen ganz eigenen Charme und woran es auch immer lag, innerhalb weniger Minuten waren sie bereits in einen Schlagabtausch verwickelt.

„Fünfzig Cent für deine Gedanken. Ich muss ehrlich einge­stehen, dass du schwer einzuschätzen bist.“

„Und dann sind dir meine Gedanken nicht mehr wert? Also ich muss schon sagen oder ist das eine neue Verhörmethode der Polizei?“ Verena schob sich genussvoll die Fruchttasche zwischen die Zähne.

„Tja, vielleicht sollte ich diese Methode einmal meinem Chef vorschlagen, doch ich fürchte, es wird an der Finanzierung scheitern. Welche Methode wendest du an?“

„Wie bitte? Was ist denn das für eine Frage?“

Georg verschränkte seine Arme und bedachte Verena mit einem verschmitzten Blick. „Deine Verhörmethode. Wie machst du es, denn Leuten alle möglichen Sachen aus der Nase zu ziehen.“

Verena zog indigniert ihre Stirne hoch. „Ich verhöre niemanden, dass habe ich gar nicht nötig und aus welchen Grund sollte ich irgendjemanden etwas aus der Nase ziehen.“

„Nun, ich verstehe, die Leute wie zum Beispiel auch die Gräfin von Stegersbach rufen bei dir an um dir ihre Geistergeschichten zu erzählen.“

Verena bedachte Georg mit einem verärgerten Blick. „Natürlich. Ich tippe auf Frau Berger oder vielleicht war es auch der Gärtner oder sonst wer, der dir natürlich noch gestern Abend brühwarm erzählen musste, dass ich eben da war. Wie ich doch die Verschwiegenheit der Menschen in so einem kleinen gemütlichen Gemeinschaftsleben schätze.“

Verenas gute Laune wich Verärgerung und Georgs Gespür verhieß ihm zur Vorsicht. „Es tut mir leid. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.“ Georg wirkte ehrlich und sogar der lustige Funke war aus seinen Augen gewichen. „Ich nehme an, dass die Menschen in Allgemeinen deine Arbeit nicht ernst nehmen.“ ­

Etwas heftig klatschte der Löffel mit dem Zucker in den Kaffee. „Und wie ist das bei ihnen, Herr Inspektor. Ich muss doch in den Augen der Polizei nicht ganz geheuer sein.“ Verenas brennende Augen forderten Georg geradezu heraus und er war sich nicht sicher, welche Worte die Situation entschärfen konnten.

„Eine weise Entscheidung zu schweigen. Und wenn du länger an diesem Tisch sitzen willst, wechselst du jetzt das Thema.“

Verena strich mit kräftigen Strichen die Butter auf und Georg sah ihr schweigend dabei zu. Diese Frau hatte ihm vom ersten ­Moment an fasziniert, obwohl sein Verstand ihn riet, es besser bleiben zu lassen. Doch wie er bereits gestern feststellen musste, hätte ihn nicht einmal ein Raubüberfall beim Nachbarn von diesen ­morgendlichen Treffen abhalten können. Sie war hübsch, klug und hatte enormes Rückrat.

„Ja, du hast Recht. Wir sollten uns über unverfängliche Dinge am Beginn unterhalten. Schließlich sind wir uns erst gestern das erste Mal begegnet.“

„Was soll denn das nun wieder.“ Verena war nun ehrlich verwirrt.

„Nun, abgesehen von deiner, sagen wir, ungewöhnlichen Tätigkeit, weiß ich deinen Namen, dass du einen blauen Mitsubishi Pick up fährst und einen ausgesprochen tollen Hund hast. Da ich aber, zugegeben meine Grenzen unbedacht überschritten habe, werde ich ganz einfach deine Fragen zu meiner Person beantworten.“ Das Lächeln war wieder in Georgs Augen zurückgekehrt und Verena fragte sich warum sie sich gerade wie eine Maus fühlte, die von einer Katze beobachtet wurde.

„Ohne unhöflich zu sein. Wieso denkst du, dass ich etwas über dich erfahren will?“ Verena versuchte desinteressiert zu klingen. Doch Georg lehnte sich weit herüber und seine Augen fesselten ihre, Verena wurde etwas heiß und seine Stimme schickte ihr einen wohligen Schauer über den Rücken.

„Das, Reni, sagt mir meine Berufserfahrung.“ Verena musste einmal schlucken, ihr Kopf schien plötzlich so leer.

„Na dann wollen wir deine Kompetenz als Polizeiinspektor nicht in Frage stellen.“

„Eine kluge Antwort. Doch leider müssen wir unser Gespräch morgen fortsetzen. Ich muss auf die Wache. Tschüß.“

„Schönen Tag noch.“ Und erst als Georg bei Tür draußen war, fiel ihr auf, dass er sie Reni genannt hatte.

Kapitel 6

Verena hievte bereits den dritten Kübel mit Pflanzen auf die Ladefläche. Hans Weidmann war ein Geschäftsmann und zwar durch und durch. Jener holte gerade noch den riesigen Hoya, eine Wachsblume aus dem anderen Gewächshaus. Eine ziemlich teure ­Pflanze, von der Emilia schon lange träumte. „Doch was soll’s“, dachte sich Verena seufzend. Sie konnte es sich leisten und Emilia war nun wirklich eine gute Seele. Außerdem hegte sie den Hintergedanken sich damit für ihren gesamten Aufenthalt in Großkirchen ihre ­Leckereien zu sichern.

Über die einzige Sache, deren sie sich noch nicht ganz im ­Klarem war, war die Tatsache ob sie tatsächlich selbst dazu in der Lage war, diese Blumen in Emilias Beeten fachgerecht einzusetzen. ­Verenas Stärke lag sicherlich nicht bei Pflanzen. Selbst Kakteen ­hatten bei ihr geringe Überlebenschancen. Aber da musste sie eben jetzt durch. Seufzend warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war bereits elf und unter Betracht ihrer Gartenkenntnisse brauchte sie sicherlich den Großteil des Nachmittags, wie es aussah, blieb ihre Arbeit heute liegen.

„Was soll’s Kaspar. Wir haben niemanden, der uns deswegen Vorschriften machen kann.“ Herr Weidmann rechnete ihr die Summe zusammen und Verena zählte ihm ganze zweihundertfünfundfünfzig Euro in die ausgestreckte Hand.

„Emilia wird ganz aus dem Häuschen sein, Frau Ritter.“

„Na, dass will auch mal hoffen“, murmelte sie leise. Emilia würde hoffentlich ihre Geste zu schätzen wissen.

„Wenn sie Hilfe brauchen, rufen sie mich an, aber vermutlich wird ihnen Emilia die Schaufel aus der Hand reißen. Sie ist sehr eigen, was ihren Garten betrifft.“ Wie nett, dass er sie darauf hinwies. Verena klopfte auf die Ladefläche um Kaspar zum Einsteigen zu bewegen. Sie bedachte ihren Rüden mit einem strengen Blick. „Hör zu, mein Freund. Wehe du machst an diesen zweihundertfünfzig teurem Grünzeug irgendetwas kaputt, dann bringe ich dich ins Tierheim.“ Kaspar winselte kurz auf und sah zur Seite, als ginge es nicht ihn an.

„Hier haben sie noch ein paar Handschuhe. Einen schönen Tag noch und wie gesagt, wenn sie mich brauchen…“

„dann rufe ich sie an. Ihre Karte habe ich in der Tasche.“ Verena schüttelte den Mann die Hand.

Sie brauchte erheblich länger zu Emilias Café als bei der Hinfahrt. Inzwischen hatte sich ihre botanische Fahrt zu einem kleinen Verkehrsproblem entwickelt und Kaspar schien Verenas Warnung ernst zu nehmen und verbellte alles und jeden, der sich an ihnen vorbei bewegte. Doch auf jeden Fall lag es Verena daran, ihre Lieferung unbeschadet an ihr Ziel zu bringen.

Erneut setzte ein grauer Peugeot, der letzte Rest der Kolonne zum Überholen an und gestikulierte wild und vor allem ärgerlich zu ihr hin. Verena antwortete mit einem grimmigen Lächeln, im Moment erwarb sie sich gerade einen neuen Ruf. Und dann ging alles furchtbar schnell. Der Fahrer des Peugeots sah plötzlich einen Laster auf seiner Fahrbahn auf sich zu kommen, der aus der Kurve auftauchte. Alle starrten erschreckt auf die Situation, Verena bremste um den Peugeot die Möglichkeit zu geben, schneller an ihr vorbei zu kommen. Doch der tat nach kurzer Unschlüssigkeit dasselbe. „Scheiße!“ Verena trat heftiger auf die Bremse, sie konnte beim besten Willen nicht ausweichen. Kaspar wurde jaulend mit den Blumenkübeln an die Bordwand gedrückt und panisch versuchte er sich zu befreien. Verena hielt sich fest und presste die Augen zusammen, doch der einzige Ruck war, als ihr Pick up zum Stillstand kam, der Lastwagen fuhr mit quietschenden Reifen an ihr vorbei und der Peugeot? Nun der hatte den letzten Ausweg in den Graben gewählt. „Scheiße“, kam es Verena noch mal über die Lippen. Besorgt sah Verena zurück nach Kaspar, der gerade mit seinen hektischen Bewegungen den Hoya köpfte. Verena sprang aus dem Wagen und öffnete die Ladefläche um ihren Hund zu befreien und gleichzeitig mit dem Rüden kippten auch zwei der Kübel auf die Straße. Konnte es noch schlimmer kommen?

Der Fahrer des Lasters sah zu ihr herüber. „Alles in Ordnung?“

„Einigermaßen. Lassen sie uns lieber nach dem Anderen sehen.“

Nach einem kurzen Blick auf Kaspar konnte sie keine ernstzunehmenden Verletzungen an ihm feststellen. Er humpelte zwar, doch sie musste sich später damit beschäftigen. Sie eilten über die Straße und erleichtert mutmaßte Verena das nur an Blech Schaden entstanden war. Der Peugeotfahrer kletterte gerade schimpfend aus seinem Auto. „Frau am Steuer. Der blöden Ziege geben sie einen Führerschein. Das gehört gesetzlich verboten.“

Der Erleichterung wich Verärgerung. „Na, jetzt reißen sie sich mal zusammen. Soweit ich weiß, ist es bereits gesetzlich verboten an unübersichtlichen Stellen zu überholen. Wer hat denn ihnen einen Führerschein gegeben?“ Verena fühlte den Knoten im Bauch, der sich immer bildete, wenn sie echt wütend wurde. Nur weil es der Kerl eilig hatte und nicht einen Kilometer hinter ihr fahren konnte, wären sie beinahe alle auf einer Tragbahre gelandet.

„Herrgott noch mal, sind sie verletzt?“, bellte Verena nach.

„Verletzt? Jetzt sehen sie sich doch meinen Wagen an. Das ist ihre Schuld! Ich sag doch immer, dass die Weiber zu Hause hinter dem Herd bleiben sollen.“ Verena zog hörbar die Luft ein, jetzt reichte es aber.

„Beruhigen sie sich doch. Seien wir doch froh, dass nicht mehr passiert ist“, lenkte der Lastwagenfahrer ein.

„Nicht mehr passiert? Nicht mehr passiert? Der Wagen ist ein halbes Jahr alt, noch nicht einmal richtig eingefahren.“ Dem Peugeotfahrer traten fast die Augen aus den Höhlen als er lauthals zu brüllen begann und einen Schritt auf Verena zu machte. Doch Kaspar brachte ihn mit einem warnenden Knurren zum Stehen. „Nehmen sie ihre Töle an die ­Leine. Reicht es nicht, dass sie meinen Wagen ruiniert haben, vielleicht beißt mich das blöde Vieh auch noch.“

„Seien sie doch nicht so aggressiv, damit machen sie es doch auch nicht besser“, versuchte es der Fahrer des LKWs erneut. Doch der Kerl wollte sich nicht beruhigen und fing sogar mit dem anderen einen Streit an. Alle waren Schuld nur nicht er. Verena begann am Straßenrand gewissenhaft Kaspar auf Verletzungen zu untersuchen. Sie atmete erleichtert auf, als sie zu dem Schluss kam, dass lediglich sein Hinterlauf durch den Aufprall eine Prellung erlitten hatte. Winselnd lag er zu ihren Füßen, so als ob das alles seine Schuld wäre.

„Brauchen sie Hilfe?“, tönte eine Frauenstimme.

„Ja, nein, ach ich weiß nicht.“

„Ich bin Karla Sonnleitner. Sind sie verletzt?“

Verenas Blick fiel auf die große Tasche, zweifellos eine Arzttasche. „Mir geht es gut. Soweit ich es beurteilen kann, wurde niemand verletzt außer mein Hund. Aber vielleicht sehen sie mal nach dem anderen da. Ich bleibe lieber hier, sonst gibt es vielleicht doch noch Verletzungen.“

„Karl Kafka, der brüllt schon sein ganzes Leben. Ich sehe mal kurz nach ihm, doch ich glaube nicht, dass er auf den Rat eines Tierarztes, der auch noch weiblich ist, was gibt. Seit seine Frau ihn verlassen hat, ist er gegenüber unserem Geschlecht ausgesprochen unfreundlich. Also nehmen sie es nicht persönlich. Dann sehe ich nach ihrem Hund.“ Die brünette Frau lächelte ihr aufmunternd zu und ging dann gelassen auf die beiden Männer zu.

Wenn die ganze Situation nicht schon genug wäre, hörte Verena allmählich die Sirene eines Einsatzfahrzeuges näher kommen und Augenblicke später hielt ein Polizeiwagen. Heraus stieg Georg Reuter mit einem Kollegen. Plötzlich zitterten Verenas Hände und sie fühlte sich gar nicht mehr gut. Der Ablauf der letzten viertel Stunde schien sich erst jetzt langsam in ihren Hirn zu realisieren und heftig presste sie ihre Handflächen gegen ihre Stirn. Wir kurz das Leben doch sein konnte und dabei wollte sie nur ein paar Blumen transportieren. Und auch wenn sie sich es nicht gerne eingestand, sie war froh ein bekanntes Gesicht zu sehen.

Georg kam mit Riesenschritten auf sie zu. „Mein Gott Verena, alles in Ordnung.“

„Wie man es nimmt. Kaspar hat sich den Hinterlauf geprellt, die Blumen um zweihundertfünfzig Euro liegen dahinten auf der Straße und soeben wurde ich mit antifeministischen Argumenten nieder gewalzt.“

„Wenn interessieren die Blumen, bist du verletzt?“

Hörte sie da echte Sorge in seiner Stimme? „Ja, ja, ich bin okay.“

„Kannst du mich dabei ansehen?“

Verena kämpfte mit ihrem inneren Chaos. „Später, ich bin gerade etwas aus der Bahn, in Ordnung? Gib mir fünf Minuten.“ Verdammt, wie weinerlich sie sich anhörte. Doch Georg schien fürs erste damit zufrieden und drückte ihr aufmunternd die Schulter.

Dieser Karl Kafka brüllte gerade die Tierärztin an und gestikulierte wild in der Luft und auch Georgs Kollege schien ihn nicht beruhigen zu können.

„Dem ist nicht zu helfen. Wie heißt denn ihr Hund?“, fragte die Tierärztin. Wenigstens Karlas Gesicht war freundlich.

„Kaspar. Ich glaube, sein Hinterlauf ist geprellt, er wurde gegen die Bordwand gedrückt und die Pflanzenkübel haben ihn eingezwickt.“

„Ist es nicht schon etwas spät für den Blumenanbau?“, war Karla verwundert.

„Sollte eine Wiedergutmachung für Emilia werden. Wir haben ihr heute Morgen einige kaputt gemacht.“

„Ohne neugierig zu wirken, doch ich nehme an, sie sind die bereits legendäre Geisterexpertin, die seit zwei Wochen die Runde in Großkirchen macht.“

„Hundert Punkte. Verena Ritter.“

„Fühlen sie sich jetzt besser?“ Verena nickte zur Antwort und während ihres Gespräches tastete Karla fachmännisch Kaspar ab. „Ich glaube, sie hatten Recht mit ihrer Diagnostik. Ich gebe ihm eine Spritze gegen die Schmerzen und morgen kommen sie in meine Praxis. Und in einer Woche ist er wieder wie neu“, versicherte sie.

„Danke.“

Verena streichelte ihren Hund tröstend und er winselte erbärmlich wegen des kleinen Picks der Spritze. Georg kam auf sie zu und ging vor ihr in die Knie. „Geht’s wieder? Wir müssen einen Unfallbericht aufnehmen“, erklärte er.

„Ja, klar. Das wird sicherlich interessant. Dieser Karl Kafka ist ja sehr kommunikativ.“ Verenas Kommentar und ihre Miene entlockte der Ärztin ein Lachen.

„Hallo Karla“

„Hey, Georg. Das wird ja sicherlich noch ganz unterhaltsam.“

„Wie geht’s Kaspar?“

„Fast wie neu.“

„Danke, dass du angehalten hast.“ ­

„Ehrensache, wir hören uns.“ Georg nickte zum Abschied und ­Verena bedankte sich.

Sie atmete tief durch. „Ich nehme an, er gibt mir die Schuld?“, fragte Verena resigniert.

„So in etwa“, stimmte Georg zu.

„Natürlich, allein das ich eine Frau bin, reicht aus um mich für die ganze Misere verantwortlich zu machen.“

„Verena, Karl ist kein schlechter Kerl, er hat nur persönliche Probleme, in seiner Ehe ist es in letzter Zeit nicht gut gelaufen. Lass uns das ­klären, dann bring ich dich in Emilias Café.“

Verena straffte sich und innerlich gewappnet trat sie Karl Kafka gegenüber, der sich inzwischen beruhigt zu haben schien. Doch vielleicht war ihm auch nur die Puste ausgegangen.

Georg ergriff gleich das Wort. „Also, wir wollen den Unfallhergang eruieren. Zuerst, ich bin Georg Reuter und mein Kollege Paul Kuhnt. Karl Kafka, Peter Lensen und Verena Ritter.“

Doch als dieser Karl die Namen hörte, explodierte er erneut. „Was, Ritter, doch nicht die irre Geisterjägerin. Was wollt ihr denn da noch wissen. Die hat ja nicht alle Tassen im Schrank, sieht an allen Ecken und Enden Geister, vermutlich ist sogar einer davon gefahren. Die Weiber haben ja alle einen Knall. Wie Livi, hörte und sah auch Dinge, die gar nicht da waren.“

„Jetzt reicht es aber, Karl“, rief ihm Georg streng zu Ordnung und in den Augenwinkel konnte er erkennen, wie alle Farbe aus Verenas Gesicht wich.

In Verena brodelte es, nicht nur, dass sie einen total blöden Tag gehabt hatte, dazu auch noch dieser Kerl, der sie in einem herab machte. „Der einzige, der hier einen Knall hat, sind doch sie, Karl Kafka. Und wenn sie sich mit mir anlegen, bedenken sie, dass ich ihnen einen netten lästigen Geist in ihr Haus schicken werde. Wissen sie, dass ist nämlich der Vorteil bei meiner Arbeit und gelegentlich äußerst praktisch.“

Obwohl diese Drohung absolut lächerlich war, erblasste Karl Kafka innerhalb Sekunden zu einer Leichenblässe und der Mund blieb ihm offen stehen. Und Verena hätte schwören können, dass sie sogar den Angstschweiß an ihm wahrnehmen konnte. Doch in dem Moment hatte sie kein Mitleid und alles war ihr egal. Der angesammelte Zorn der letzten Jahre brach aus ihr hervor und sie ergoss ihn über diesen frauenfeindlichen Karl. Er war das Sinnbild für all die Demütigungen und Tuschelein der Leute über ihre Person und ihre Arbeit.

„Und wenn sie endlich einmal aus ihrem benebelten Hirn zur Besinnung zurück finden, werden sie offen zugeben müssen, dass sie mich vor dieser Kurve überholen wollten, weil sie vermutlich keine Zeit hatten, eine Minute später an ihr Ziel zu kommen und unerwartet Peter Lensen mit seinem Laster auf der Gegenfahrbahn vor sich sahen.“

„Sie sind zu langsam gefahren“, widersprach er kleinlaut.

„Ja, verdammt noch mal. Weil ich um scheiß viel Geld Grünzeug auf der Ladefläche hatte und meinen Hund. Und das Beste aus Weidmanns Gewächshaus liegt jetzt da drüben auf der Fahrbahn. Und wenn sie es noch einmal wagen mich als verrückt zu bezeichnen, dann werden sie ein unvergessliches Erlebnis mit der blöden Ziege haben. Ist das klar?!“ Verena brüllte Kafka an, der nur mehr nickte und sie erschreckt anstarrte. Doch sie hatte genug und sie war nicht verrückt. „Und während ihr hier euren Unfallbericht schreibt, werde ich mein Zeug aufladen und zu Emilia fahren.“ Wütend machte Verena kehrt und stapfte zurück auf die Straße und ließ die Männer einfach stehen.

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9783847650706
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