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Kapitel 12

Verena hasste den Stadtverkehr, besonders wenn man ortsunkundig war. „Verflixt noch mal. Gibt es denn hier nur Einbahnen?“ Kaspar enthielt sich wohlweislich jeden Kommentars. Verena hatte sich hoffnungslos verfahren und die Karte auf ihrem Armaturenbrett wurde ihr immer unsympathischer. Das Beste war wohl, sich ­einen Parkplatz zu suchen und sich in Ruhe zu orientieren. Nach drei weiteren Einbahnen fand sie eine ruhige Seitenstraße und hielt in einer Bushaltestelle.

„Steingartengasse, mal sehen, die ist hier, aber in welcher Richtung stehen wir denn?“ Verena blies hörbar die Luft zwischen den Lippen durch. Kaspar bellte auf und versuchte über ihren Schoß an das Fenster zu gelangen. „Sag mal, bist du übergeschnappt, was soll denn das?“, rief sie ihm mit strenger Stimme zu. Doch nach einem Blick durchs Fenster war alles klar. In voller Montur lachte Georg durch die Scheibe. Kaspar stellte seine Pfote auf den Fensteröffner und leise surrend öffnete sich diese. „Na, dass nenne ich doch wirklich passend. Ein Polizist als Freund und Helfer, wenn sich Frau in der Stadt verirrt hat und ein ungehorsamer Hund, der nicht auf seinen Platz bleiben kann.“ Kaspar winselte beleidigt über den strengen Ton, trat jedoch vorsichtshalber den Rückweg an als ihn Verena mit starrem Blick fixierte.

„Sei nicht so streng, obwohl ich aus beruflicher Sicht verpflichtet bin, dich über Beförderungsrichtlinien bei Tieren hinzuweisen“, versuchte Georg ernst zu bleiben.

Verena schenkte ihm ein sarkastisches Blend-da-med Lächeln. „Ach ja?“ Hinter Georg tauchte ein zweiter Polizist auf, der sie hinter seinen dunklen Sonnenbrillen musterte.

„Das ist mein Kollege Philipp Kuhnt und wir wollten fragen, ob wir dir irgendwie behilflich sein können. Wir folgen dir schon seit gut fünfzehn Minuten quer durch die Stadt bzw. im Kreis.“ Diesen Philipp konnte Verena schwer einschätzen und es lag sicherlich nicht an der Sonnenbrille, hinter der sie seine Augen nicht sehen konnte.

„Kuhnt? Woher …“

„Du hast seinen Vater gestern kennen gelernt. Du weißt schon, ich war gestern mit ihm im Dienst.“

„Paul. Sie sind Pauls Sohn?“ Verena konnte nicht mehr verblüfft sein. Vater und Sohn waren wie Tag und Nacht und zwar nicht nur äußerlich. In Pauls Gegenwart hatte sie sich entspannt und angenehm gefühlt, bei Philipp hatte sie eher das Gefühl abschätzend betrachtet zu werden, obwohl sie das ja gar nicht sehen konnte.

„Guten Tag, Frau Ritter. Ich habe schon einiges über sie gehört.“ Philipp Kuhnt entblößte ein strahlendes Lächeln und schüttelte ihre Hand.

„Dass kann ich mir denken“, murmelte Verena als Antwort.

„Also, wo willst du hin?“, brachte Georg die Situation wieder auf den Punkt.

„Ich wollte zu diesem Elektrofachhandel Kiesleitner in der Burggrabengasse, doch durch die Umleitung, die endlos weit zurück liegt, bin ich – nun – kurz gesagt, ich habe mich verfahren.“

„Ich sag’s ja, Frauen“, kommentierte Philipp Kuhnt ironisch. „Ohne Männer sind sie hoffnungslos verloren.“

„Mit ihnen sind wir nicht wesentlich besser dran“, konterte Verena mit herausforderndem Augenaufschlag. „Aber möglicherweise ist mir eure Hilfe sogar ein Essen wert, doch ich komme auch ohne euch an mein Ziel, früher oder später.“

Georg bemerkte die unterschwellige Kriegsstimmung zwischen den beiden, Philipps lässige Art gegenüber Frauen war schon öfters ein Anstoß für Probleme gewesen. Gerade bei einer Frau wie Verena, die ihre Selbstständigkeit entschieden verteidigte, waren Philipps Machoallüren eine Kampferklärung.

„Ein Angebot, dass wir sicherlich nicht ausschlagen werden, nicht wahr Philipp? Fahr einfach hinter uns nach.“ Und mit ­einem Augenzwinkern ließ Georg seinen Worten Taten folgen.

Und tatsächlich, nach knapp fünf Minuten parkten sie vor dem gesuchten Laden. Verena schnappte sich ihre Liste und stopfte sie unachtsam in ihre Jackentasche. „So weit vom Ziel war ich ja gar nicht mehr entfernt, aber trotzdem, danke.“ Verenas Stimme überließ nicht den geringsten Zweifel, dass sie auch alleine zu Recht gekommen wäre. Georg konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Philipp hingegen setzte bereits zu einem nächsten Angriff an. „Was macht eine Frau in einen Elektrofachhandel? Glühbirnen hätten sie auch in Großkirchen bekommen und dazu ohne Schwierigkeiten einen Mann, der ihnen beim Auswechseln behilflich ist.“ Philipps Machogehabe stieß bei Verena sauer auf, doch sie fand den Kerl nicht wert, sich ihm gegenüber beweisen zu müssen.

„Eine Glühbirne? Wo habe ich diesen Ausdruck nur gehört? Ah, jetzt weiß ich es. Sind das nicht die diese Leuchten, die nicht das halten, was sie auf der Verpackung versprechen?“

Verena fühlte, wie sich Philipps Spott in Ärger umschwang, obwohl es ihm äußerlich nicht anzumerken war.

„Warum suchst du uns nicht einstweilen einen Tisch in der Pizzeria, während ich Verena bei ihrem Einkauf unterstütze?“ Der unterschwellige Ton in Georgs Stimme enthielt eine Warnung, sich zu benehmen und nicht lächerlich zu machen. „Klar, kein Problem.“

Georgs Kollege drehte ihnen den Rücken und hielt direkt auf die Pizzeria auf der anderen Straßenseite zu. Verena wusste, dass sie sich genau so daneben benahm wie dieser Philipp Kuhnt, doch was sollte es, sie mussten ja nicht gut Freund sein.

„Schwer vorstellbar, dass das Pauls Sohn ist. Bist du dir da wirklich hundertprozentig sicher?“, murmelte Verena halblaut.

„Zugegeben, er ist ein kleiner Angeber, aber sonst ist er ein guter Partner. Jeder hat eben seine Fehler“, versuchte Georg die Wogen zu glätten.

„Gibt es eventuell noch mehr frauenfeindliche Männer in der Gegend, die eine selbständige Frau einen Kilometer gegen den Wind nicht riechen können, von denen ich wissen sollte?“ Verenas Frage und ihr resignierter Gesichtsausdruck brachte Georg zum Lachen.

„Findest du nicht, dass du gerade etwas übertreibst? Karl und Philipp erwecken vielleicht auf den ersten Blick diesen Eindruck, doch du kannst mir glauben, du irrst dich.“

Verena sah jedoch zweifelnd ob seiner Aussage auf die andere Straßenseite. Georg verschwand gut gelaunt im Laden und Verena beeilte sich ihm zu folgen.

Suchend kramte sie in ihren Taschen nach der Liste. „Also, ich hoffe, sie können mich in den einen oder anderen beraten. Die Sache ist ein wenig kompliziert.“ Zuerst erweckte der Verkäufer eher den Eindruck, dass er sicherlich mit den Belangen einer Frau in dieser Angelegenheit bestens zu Recht kommen würde, doch bald musste er feststellen, dass sein Wissen durchaus gefordert wurde.

„Und was messen sie mit diesem Gerät?“, wollte er wissen.

„Energien. Das Problem ist, dass es bis jetzt eine Spannung von etwa 30 Volt standgehalten hat, dass bis jetzt auch vollkommen gereicht hat, doch die Begebenheiten haben sich verändert. Beim letzten Einsatz hat es die überhöhte Spannung nicht mehr ausgehalten und ist verschmorrt. Deshalb möchte ich es jetzt gleich stärker absichern“, erklärte Verena.

Eine gute halbe Stunde wurde beratschlagt, diskutiert und Materialien aus dem Lager geholt. Sicherungen, Überspannungsschutz, Kabeln, Stecker, Hülsen sammelte sich in der kurzen Zeit zu einem ganz ordentlichen Haufen zusammen.

Georg half Verena schließlich den Einkauf zum Wagen zu bringen. „Du möchtest das Gerät, das in deiner Küche liegt ­wieder in Schwung bringen?“ Verena sah kurz fragend hoch.

„Ich habe es gestern gesehen, während du unter der Dusche warst.“ Georg fühlte sich verlegen, er wollte sicherlich nicht, dass Verena dachte, er hätte ohne ihr Wissen in ihrem Leben herum geschnüffelt.

„Ich kenne mich mit solchen Sachen ganz gut aus. Ich würde dir gerne helfen.“ Lässig lehnte Verena sich an ihren Wagen.

„Machst du mir dieses Angebot, weil ich eine Frau bin?“

„Nein, das ist ­sicherlich nicht der Grund. Ich hätte es jeden Freund angeboten.“ Georgs prompte Antwort klang ehrlich.

„Dann bin ich froh über deine Hilfe. Ich muss zugeben, dass Technik nicht gerade meine starke Seite ist. Heute Abend fange ich an.“

„Dann werde ich da sein.“ Georg war, als hätte er einen kleinen Sieg errungen.

Wider erwarten verlief das Essen mit Philipp doch harmonisch und ohne weitere Sticheleien. Verena gestand sich schließlich ein, dass ihr erstes Urteil über Pauls Sohn nicht gerechtfertigt war.

Es steckte zwar ein kleiner Macho in ihm, doch sonst schien er durchaus in Ordnung zu sein.

Und zudem war Georgs Kollege ein unverfängliches Thema, denn Verena musste feststellen, dass die Nähe von Georg so ganz alleine im Haus sie aus dem Gleichgewicht brachte.

„Paul ist vermutlich stolz darauf, dass sein Sohn in seine Fußstapfen getreten ist“, erwähnte sie beiläufig, während sie versuchte den ersten Schaltkreis zu schließen.

„Nein, eigentlich nicht. Schon Pauls Vater war Polizist und Philipp hat sozusagen die Familientradition aufrechterhalten. Doch Paul wäre es lieber gewesen, wenn Philipp wie sein jüngerer Bruder Michael studiert hätte. Polizist ist einer der Wunschberufe bei kleinen Jungen, doch wenn man einmal erwachsen ist, weiß man, dass es oft anstrengend ist und auch gefährlich. Zudem kommt man schwer weiter und der Verdienst und die Arbeitszeit sind ja auch nicht gerade familienfreundlich. Paul hat sich gewünscht, dass es seinen Kindern einmal besser geht.“

„Bereust du es, dass du dich dafür entschieden hast?“, fragte ­Verena interessiert.

„Nein, keinen Augenblick, doch vermutlich hätte ich genauso wie Paul gedacht.“ Da war dieser kleine unterschwellige Klang in Georgs Stimme, der Verena zu verstehen gab, dass er sehr wohl darüber nachgedacht hatte und zwar für seinen Sohn.

Doch wenn Georg über seine Familie reden wollte, würde er das von selbst tun. „Und was ist nun Philipps Bruder geworden?“, fragte Verena interessiert.

„Investmentbanker.“

Fast hätte Verena aufgelacht. „Das ist doch nicht dein Ernst? Nicht, das ich diesen Michael das nicht zutraue. Aber so einen steifen Anzughai mit Paul und Philipp in einem Raum als Familie kann ich mir schwer vorstellen.“ Verenas Überraschung entlockte Georg ein Grinsen.

„Ja, das denke ich mir auch jedes Mal. Philipp und Michael sind sehr verschieden und glaube mir, Paul ist auf seine Söhne sehr stolz.“

Ja, Paul war stolz, daran hatte Verena keinen Zweifel. Vielleicht war er anfangs enttäuscht gewesen über Philipps Wahl, doch er hatte die Entscheidung akzeptiert. Wie sehr hatte sie sich das auch von ihren Vater gewünscht.

„Philipp ist ein guter Kollege und ein guter Freund, auch wenn er seine lästernde Zunge nicht im Zaum halten kann.“ Georg lag es offensichtlich daran, seinen Freund ist rechte Licht zu rücken.

„Ist mir aufgefallen. Doch es ist mir lieber, wenn Menschen sich geben wie sie sind und sich nicht hinter einer Maske verstecken.“ So wie es Matthew getan hatte.

„Höre ich hinter diesen Worten eine Geschichte“, sah Georg horchend auf.

„Die ist kompliziert und langwierig wie dieses Messgerät“, seufzte Verena.

„Ich habe Zeit und meine Ohren sind zurzeit nicht beschäftigt.“

„Du gehörst zu den Menschen die schwer ein nein akzeptieren können. Kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Verena sah nachdenklich ins Leere.

„Wenn du nicht willst, dann reden wir über etwas anderes.“ „Müssen wir denn ständig reden?“, seuftze Verena laut auf.

„Nein, aber warum auch immer, wir sind zwei Menschen die das Wesentliche in uns schweigend durchs Leben tragen und seit ich dich getroffen habe, hat sich dieser Damm gelöst, der die Flut im Zaum hielt. Es gibt eine Ebene zwischen uns, die mir das Reden überhaupt ermöglicht. Das ist etwas vollkommen Neues für mich.,“ bekannte Georg offen.

Ja, da war diese Ebene, doch Verena war sich nicht sicher, ob sie diese überhaupt wollte. Dieser Weg führte zu Verletzlichkeit und sie wollte nicht so angreifbar sein. Doch vielleicht war es schon zu spät abzubiegen.

„Ich glaube, wir verlassen den Pfad der Verlegenheit. Warum packst du eigentlich deine Sachen nicht aus?“, und Georg deute viel sagend auf die Schachteln und Kisten, die wie am ersten Tag im Haus verteilt waren.

„Damit ich schnell verschwinden kann“, flüstere Verena rau. Die Worte waren heraußen bevor sie sie aufhalten konnte. Sie gab es auf weiter an den Stromkreisen zu arbeiten, denn Georg hatte inzwischen das Gerät vollkommen an sich gerissen. Verena steckte ihre Hände in die Taschen, Georg fiel auf, dass sie das jedes Mal tat, wenn sie etwas von sich preisgab. Doch ihre Antwort überraschte ihn.

„Ich möchte nicht darüber reden.“ Verenas Aussage war klar und deutlich, doch Georg war viel zu sehr Polizist um die Sache ruhen zu lassen, zumindest auf längere Sicht. Doch er erkannte, wann er die Grenzen nicht überschreiten durfte. Er nickte, damit Verena erkannte, dass das Thema vorläufig für ihn beendet war.

Und den Rest des Abends verbrachten sie im einträglichen Schweigen über Verenas komplizierten Apparat.

Und so verging die Woche wie im Flug. Morgens gemeinsames Frühstück bei Emilia, während des Tages forschte sie weiter im Stadtarchiv und studierte die Aufzeichnungen in Stegersbach und verbrachte unterhaltsame Stunden mit der Gräfin. Karla wurde ihr jeden Tag eine bessere Freundin und mit ihren Hunden verwandelten sie abendlich den Park in eine Tollwiese. Nach sieben kam dann Georg und stundenlang schraubten, verdrahteten und zerlegten sie wieder das Messgerät von Verena.

„Dieses Mal funktioniert es“, meldete Georg selbst ­sicher.

„Das hast du schon vor zwei Tagen behauptet“, widersprach Verena belustigt. Doch auch Verena war zuversichtlich, es sah zumindest schon gut aus.

„Was misst du eigentlich damit?“, fragte Georg schon zum wiederholten Mal.

„Energien.“

„Kannst du mir das mal genauer ausführen? Denn wenn du nur „Energien“ misst, könnten wir es wesentlich einfacher haben.“

„Du hast Recht. Alles auf der Erde besteht – zumindest theoretisch – aus irgendeiner Form aus Energie. Das macht sich ja die Polizei zu nutze, z. B. mit Wärmekameras und ähnlichen. Doch ich möchte keine Lebewesen aufspüren, sondern Schwingungen aufzeichnen, die wir zwar geistig erfassen, jedoch nicht sehen können. Ich meine, je nach unseren Gemütszustand geben wir unterschiedliche Schwingungen ab. Wut, Ärger, Angst aber auch Freude setzt auch bei uns erhöhte Energie frei. Und das ist letztendlich auch die Quelle unseres Seins. Und dieses Messgerät besitzt die Eigenschaft nicht nur diese konzentrierten Energien von uns zu erfassen, sondern besonders jene die körperlos sind.“

„Geister.“

„Ja.“

Verenas Antwort war so spontan und bestimmt, dass sogar ­Georg selbst davon überzeugt war, dass es möglich war. Georg zog die letzte Schraube fest, schob den Schalter auf „On“ und stützte sich abwartend auf seine Handfläche. „Und wie testen wir jetzt, ob es funktioniert? Ich verspüre im Moment weder Wut noch Ärger und schon gar keine Angst.“

Verena sah dieses Funkeln in den Augen, den Glanz und sie ­hatte nicht die Kraft sich von seiner Aura zu lösen. In diesen ­Augen lag die ganze Welt. Georg war Polizist und im Grunde seines Herzens glaubte er nicht an Geister, doch er belächelte ihre Arbeit nicht, nahm ihre Aussagen als gegeben hin.

Vertrauen – das war das Wort, das alles möglich machte. Und in diesen Moment sehnte sich Verena schmerzlich danach. Verena hatte tiefes Vertrauen schon vor einiger Zeit verloren und ohne dieses Gefühl war man einsam.

Verena fühlte wie ihr Herz schneller zu schlagen begann und sie wischte ihre Bedenken zur Seite, überwand die Mauer die sie mühsam versucht hatte in den letzten Tagen aufrecht zu erhalten. Morgen würde wieder alles anders sein, doch das war ihr in diesen Moment egal.

Sie fühlte seine warmen Hände in ihren Nacken, die sie an ihn heranzogen. Sog den maskulinen Geruch ein, der ihn umhüllte. Ihre Lippen verbanden sich zu einem endlosen Kuss und die mühsam zurückgehaltenen Gefühle der letzten Woche brachen an die Oberfläche. Verena nahm vage wahr, dass sich der Schreiber des Gerätes zu bewegen begann, doch Georgs Bewegungen fesselten viel mehr ihre Aufmerksamkeit. Seine Hände bahnten sich den Weg von Nacken über den Rücken bis zu ihrem Gesäß, drückten sie fest und sicher an seinen Oberkörper. Doch Verena stand ihm in nichts nach. Ungeduldig schob sie sein T-Shirt hoch und grub ihre Finger in seine Muskeln.

Georg umnebelte ihre Sinne und mit einem Heißhunger nach Nähe stürzten sie übereinander her. Der Sessel kippte mit einem dumpfen Knall nach hinten als Georg Verena mit sich hoch zog und Richtung Schlafzimmer drängte. Ihre Kleidungsstücke segelten nach der Reihe zu Boden und legten eine Fährte bis zu ihrem Bett. Aufseufzend sank Verena zwischen die Kissen und nichts trennte mehr ihre nackte Haut von einander. Verena konnte ihre Gefühle nicht mehr im Zaum halten und folgte Georg in die sinnliche Welt der Liebe.

Allmählich setzte die Dämmerung ein und Verena lag mit offenen Augen in ihrem Bett. Georg schlief neben ihr wie ein kleiner ­Junge, seine Haare waren durchwühlt und seine Atemzüge waren entspannt und ruhig. Doch Verena war überhaupt nicht ruhig. Wie hatte das nur passieren können.

Sie wollte nicht, dass ein Mann wieder ihre Seele berührte und obwohl sie mit Georg geschlafen hatte, hatte das nichts zu bedeuten, gar nichts. In der Tiefe ihres Herzens wusste Verena, dass sie sich selbst belog, doch nie wieder würde sie einen Mann erlauben, massiv in ihre Persönlichkeit einzugreifen. Mit Georg war es nicht anders als mit den anderen Männern in den letzten Jahren und darum würde sie es genau so halten. Man hatte Spaß miteinander und dann ging wieder jeder seiner Wege. Doch warum war sie mit ­diesen Gedanken nicht zufrieden?

Verena unterdrückte mühsam den Drang zu schreien, sie brauchte Bewegung und zwar gleich. Leise schlüpfte sie aus dem Bett und zog ihren Jogginganzug an und tappte barfuss bis zur Haustür. Kaspar begrüßte sie freudig und im nächsten Augenblick lief sie mit ihm aus dem Garten.

Georg fühlte die Kälte, die Verena hinterließ als sie aus dem Bett stieg. Doch erst das leise Schnappen der Tür, die ins Schloss fiel, brachte in vollkommen zur Besinnung. „Verena?“ Natürlich blieb sein Ruf unbeantwortet. Nackt wie er war trat er zum Fenster und schob die Vorhänge zur Seite. Sie verließ mit Kaspar im Laufschritt den Garten. „Ja, lauf nur, aber so leicht entkommst du mir nicht“, murmelte Georg. In Gedanken an die letzte Nacht strich Georg über das Kissen und nahm noch ihren Duft wahr, der sich unwiderruflich in sein Gedächtnis verankert hatte.

Verena blockte ihre Gefühle ab, zweifellos hatte in ihrer Vergangenheit sich etwas zugetragen, dass sie so handeln ließ. Sein Blick fiel wieder auf die Kartons und Taschen. „Damit ich schnell verschwinden kann.“ Die Worte hallten in seinen Kopf wieder, die ihr vor ein paar Tagen unbedacht entkommen waren. Sie würde wieder gehen, die Frage war, ob er bereit war, sie aufzuhalten.

Im Grunde waren sie nicht so verschieden. Auch er hatte sich abgeblockt nach dem Tod von Inga und Christian. Er wollte nicht mehr lieben, einerseits weil es ihm wie ein Verrat vorgekommen wäre, anderseits wusste er nicht, ob er die Kraft hatte, erneut zu verlieren.

In den letzten drei Jahren hatte er sich eingeredet, es sei besser nicht zu lieben, frei zu sein zu kommen und zu gehen, zwar Freunde zu haben, aber nicht sein Herz zu verschenken. Doch seit er ­Verena begegnete, hatte er das Gefühl, dass das nicht mehr genug war. Sein Haus kam ihm einsam vor und kalt. Das Leben war kalt und leer, wenn man niemanden hatte um es mit ihm zu teilen.

Georg rang mit sich, was wollte er selbst? Hatte er überhaupt das Recht Verena vom Gehen abzuhalten? Er musste darüber nachdenken und fürs erste war es vielleicht das Beste etwas Abstand von Verena zu nehmen um Klarheit zu gewinnen.

Kapitel 13

Verena ließ sich Zeit und erst nach zwei Stunden kam sie zurück. Georg war verschwunden, nun gut, was hatte sie erwartet? Und es war auch besser so, dass allerletzte war, dass sie sich jetzt nach dieser Nacht ihm stellen musste. Doch warum war sie dann enttäuscht?

Ein Zettel lag auf dem Kissen: „Wir sehen uns.“ Das war alles? Wir sehen uns. Warum machte sie sich Gedanken, wenn Georg es anscheinend auf die leichte Schulter nahm. Männer, nichts als Probleme brachten sie mit sich. Verstimmt begab sie sich in die Küche um ein Glas Wasser zu trinken, da stand das Messgerät, das noch immer eingeschaltet war. Es funktionierte und passenderweise hatte es bereits Aufzeichnungen gemacht. Es hatte ihre erotischen Energien aufgefangen und in Kurven fest gehalten. In ziemlich großen Kurven. Wütend riss Verena den Bogen ab und warf ihn zerknüllt in den Eimer. Zum Kuckuck damit.

Mit energischen Schritten begab sie sich ins Bad. Es berührte sie nicht – Georg und sie waren Freunde und mehr war da nicht. Doch eine Stunde später gestand sie sich widerstrebend ein, dass sie sich beim Frühstück einsam fühlte.

„Wo bleibt denn heute Georg? Weißt du, wo der Junge ist?“ Emilia betrachtete aufmerksam Verenas Miene.

„Nein, warum sollte ich?“

„Nun, ich dachte, da ihr ja jetzt jeden Tag zusammen ward und na ja, und die Poldi hat mir erzählt, dass er heute die ganze Nacht bei dir war.“

Verena atmete hörbar aus. „Haben die Leute hier nichts anderes zu tun als anderen hinterher zu spionieren. Es geht niemanden etwas an und auch wenn Georg die ganze Nacht bei mir gewesen ist, so hat das gar nichts zu bedeuten. Und ganz sicherlich interessiert es mich nicht, was Georg den ganzen Tag treibt und er ist auch nicht verpflichtet sich bei mir abzumelden.“

Emilia sah verstört auf Verena, sie hatte doch nur eine harm­lose Frage gestellt. „Anscheinend bist du heute schlecht gelaunt. Entschuldige, dass ich dich gefragt habe.“ Verena bemerkte Emilias Verstimmtheit, doch der Ärger hinderte sie daran einzulenken.

Verena blickte auf ihre Uhr, sie war mit der Gräfin von Stegersbach um neun Uhr dreißig verabredet. Es kam ihr gerade recht, das kleinkarierte Dorfleben von Großkirchen für einige Stunden hinter sich zu lassen. „Guten Morgen, Emilia meint zwar du stehst heute nicht auf Gesellschaft, doch ich wage trotzdem den Versuch.“ Karla nahm ohne zu fragen auf Georgs Stuhl Platz, kraulte Kaspar zur Begrüßung hinter den Ohren und war unverschämt guter Laune.

„Morgen Karla. Was treibt dich denn schon so früh ins Café?“ Verena versuchte ihre Falten auf der Stirn zu glätten.

„Puh, ich hatte eine anstrengende Nacht. Eine Kuh von Eberhardt hat gekalbt und das dumme Vieh war nahe dran dabei drauf zu gehen. Manches Mal frage ich mich, wie die früher ihre Jungen zur Welt gebracht haben. Wenn es so weiter geht, müssen wir noch einen Kreissaal für Kühe einrichten.“ Doch Karla wirkte durchaus frisch nach dieser durchwachten Nacht. Ganz anders als sie heute.

„Und wie steht’s bei dir. Warum heute so missmutig?“ Karla biss herzhaft in ihren Schokoladekuchen.

„Was? Hat Poldi von gegenüber dich heute noch nicht angetroffen, damit sie dir die neuesten Einzelheiten von meinen Leben berichten konnte?“

In Karlas Augen funkelte es belustigt. „Das Dorfgetratsche ist manches Mal schon ziemlich anstrengend. Aber ich habe es nicht von Poldi, sondern von Maria Kerschner. Ihr seid übrigens schon die ganze Woche das Gespräch in Großkirchen.“

„Das ist nicht dein Ernst, haben die denn keine anderen Sorgen?“

„Doch, aber deine Person ist wesentlich interessanter, abgesehen von deiner Arbeit, hast du es geschafft, einer der begehrtesten Junggesellen der Gegend zu angeln. Sie sind neidisch.“ Karla konnte das Lachen nur schwer unterdrücken.

„Ich habe mir niemanden geangelt und das allerletzte was ich will, ist eine Beziehung. Herr Gott noch mal, ich komme auch ohne einen Kerl hervorragend zurecht.“ Verena schnaubte verärgert durch die Nase.

„Wieso nicht? Du und Georg scheint euch doch fabelhaft zu verstehen.“

„Vielleicht solltet ihr diese Angelegenheit einfach mir und Georg überlassen. Es geht nämlich niemanden etwas an.“ Verena hatte absichtlich laut gesprochen, um sicher zu sein, dass sie gehört wurde. Sollten sie sich diese Tratschtanten das mal untereinander verklickern.

„Die Sache scheint tatsächlich ernst zu sein.“ Verena fehlten die Worte, hörte ihr denn niemand zu? „Aber ich sehe schon, das Thema ist noch ziemlich heikel. Wie kommst du mit deiner Arbeit voran?“ Der abrupte Themenwechsel kam so überraschend, dass Verena für wenige Sekunden über die Frage nachdenken musste.

„Mit meinem Buch komme ich voran und die andere Sache steckt gerade in einen Leerlauf. Doch ich bin zuversichtlich, dass sich das in den nächsten Tage ändern wird.“

Karla kramte in ihrer Jackentasche und zog einige zerknitterte Zetteln hervor. „Übrigens, gestern habe ich Lisa getroffen, sie hat mir die Adresse von Livi gegeben. Warte, das ist der richtige oder weißt du schon wo sie wohnt?“

„Nein, meine Quelle ist gerade auf Tahiti. Toll, dass du daran gedacht hast.“ Verenas Laune besserte sich sofort, endlich konnte sie sich wieder mit dem Geheimnis beschäftigen und dabei viel versprechende Fortschritte erwarten.

„Hast du etwas dagegen, wenn ich mitfahre? Ich habe Livi schon lange nicht mehr gesehen und vielleicht kann ich zwischen euch beiden sozusagen eine erste Brücke schlagen.“ Karla zwinkerte vergnügt mit den Augen.

„Klar doch. Meinst du, sie ist Nachmittag zu Hause?“

„Ein Versuch ist es wert.“

„Gut, dann ruf ich dich später an, doch jetzt muss ich los. Denn die nette Frau Berger haut es mir jedes Mal auf die Schüssel, wenn ich auch nur fünf Minuten zu spät komme.“

„Ja, die Haushälterin von Stegersbach führt ein strenges Reglement, pass auf, dass du dich nicht mit ihr verfeindest.“

„Werde ich nicht. Bis später.“ Und sie musste sich jetzt wirklich beeilen, wenn sie nicht erneut zu spät kommen wollte.

Inzwischen kannte sie sich im Schloss schon gut aus und die Gräfin hatte zum Unmut der Haushälterin ihr den ungehinderten Zugang zu sämtlichen Räumen gewährt. So offen wie die Gräfin war, so verschlossen war Frau Berger und auch die Tochter Lydia war ein harter Brocken. Jeden Versuch sie zu einem Gespräch zu bewegen, hatte sie vehement bereits am Telefon abgeblockt.

Verena war gerade auf dem Weg in die Burgkapelle um eine Aufzeichnung der Burgchronik nachzuvollziehen. Vieles hatte sich im Laufe der Jahre zwar verändert, doch ohne Schwierigkeiten hatte sie bis jetzt eine Menge von Einzelheiten auf Stegersbach wieder gefunden.

Dieser Schutzgeist, Graf Gabriel de Maurión, füllte viele Seiten in den privaten Aufzeichnungen der Gräfin und gespannt fragte sich Verena, ob sie ihn wohl einmal selbst zu Gesicht bekam.

Ob das gut oder schlecht war, war anderseits wieder fraglich. Oft erschien er als Warnung vor Gefahr und das war für viele ein schlechtes Omen. Es war schon seltsam wie abergläubig Menschen sein konnten.

Die Burgkapelle gehörte zu den ältesten Teilen des Schlosses und es herrschte eine angenehme Aura. Selbst im Sommer war es durch die dicken Steinmauern immer kühl und die Sonne tauchte die Statue des Engels Gabriels in weiches Licht. Selbst der Name war passend für den Schutzgeist, der Erzengel war der Beschützer der Frauen und Kinder, oder einfacher gesagt der Schwächeren in der Gesellschaft. Verena erstaunte es oft, wie viele Kleinigkeiten sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügten.

Die Statue war aus weißem Marmor und wie es die Legende überlieferte, befand sich zwischen den Beinen ein dunkler Fleck, wie getrocknetes Blut. Vorsichtig rubbelte Verena über die Stelle, doch dieser Fleck war wie ein Teil des Steins. Sie stellte sich vor wie der Graf einst vor diesem Bildnis gekniet hatte, seinen Schwur ­leistete. Sie schloss die Augen und versuchte die Aura in sich wirken zu lassen, sah bildlich wie der Graf seine blutende Hand auf den weißen Marmor legte. Ein kraftvoller Schwur, der seine Antwort war auf die Unmenschlichkeit der Zeit, der Zorn über die Hilflosigkeit, seine Ohnmacht verfluchte, die ihm die Rangordnung aufzwang. Wie von selbst ballte sich Verenas Hand im Zorn zu einer Faust und unvorbereitet überschwemmte sie die Kraft dieses Eides.

Wie in Trance sah sie auf ihre Faust und meinte eine männliche zu sehen, doch beim nächsten Wimpernschlag war es nur ihre eigene. Langsam öffneten sich ihre Fingern und entspannten sich wieder.

Nur allmählich wurde sich Verena bewusst, dass sie nicht mehr alleine in der Kapelle war. Eine Frau in ihrem Alter starrte sie mit erschreckt geweiteten Augen an. Angst, es war Angst, die aus ­diesem Gesicht sprach. Die Gestalt straffte sich und ihre Augen nahmen einen rebellischen Glanz an, ihre langen dunkelblonden Haare unterstrichen jedoch noch die alarmierende Blässe.

„Verena Ritter, nehme ich an. Ich bin..“

„Lydia Stegersbach. Ich dachte nicht, dass ich ihnen so schnell begegne.“ Verena schnitt ihr absichtlich den Atem ab. Sie hoffte so, etwas von der Abwehr ab­zuschwächen.

„Ich bin nur deshalb hier, weil ich sie nun bitten möchte, nein, ich verlange es, dass sie endlich mich und meine Mutter in Ruhe lassen mit ihrem Geisterhokuspokus.“ Lydias Stimme hallte kraftvoll durch die Kirche, doch Verena hörte das Zittern darin. Irgendetwas hatte sie verstört und unsicher gemacht. Lydias Blick war unruhig und glitt immer wieder zu der Statue zurück.

„Ihre Mutter hat nichts dagegen, im Gegenteil sie unterstützt meine Arbeit. Lydia, sie brauchen keine Angst zu haben. Es gibt in Stegersbach nichts, was sie zu fürchten brauchen und mich schon gar nicht.“ Diese direkte Ansprache auf ihr offensicht­liches Problem war zwar ziemlich gewagt.

„Ich habe keine Angst vor Geistern, falls sie das meinen. Es wäre doch vollkommen un­sinnig sich vor etwas zu ängstigen, dass es gar nicht gibt.“ Lydia legte soviel Selbstsicherheit in ihre Stimme und Verena erkannte, dass sie einander gar nicht so verschieden waren, zumindest in gewisser Weise.

„Wenn wollen sie überzeugen? Mich? Da werden sie kein Glück haben, Lydia. Geister sind seit meiner Kindheit ein Teil meines Lebens, der Unterschied zwischen uns beiden ist, dass ich einen lieben Menschen hatte, der mir gezeigt hat, dass es eine Gabe ist und wie man lernt damit umzugehen. Sie werden nie ihre Ruhe finden, solange sie es verleugnen. Überall fragen sie sich, wann und wo es das nächste mal passieren wird. Sie haben Angst. Wie lange werden sie diese Ungewissheit, die ständige Erwartung der Konfrontation mit der Anderswelt noch aushalten?“ Lydia erstarrte und Verena sah, wie ihre Hände leicht zitterten.

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