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Kapitel 3

Es war bereits Mittag, als sich Verena entschloss zu dem Ort ihres nächtlichen Ausflugs zurückzukehren. Schließlich wollte sie ihr Gerät wieder haben. Kaspar durfte sie begleiten und hielt seine Schnauze auf der Ladefläche des Pick ups in den Fahrtwind. Auf der Lichtung parkte Verena neben der Kapelle und atmete tief ein, bevor sie ausstieg. Kaspar sprang sogleich auf den Waldboden und begann schnüffelnd nach Spuren zu suchen.

Entspannt lehnte sich Verena an ihren Wagen und ließ die Umgebung auf sich einwirken, sie schloss die Augen, horchte, richtete ihre Sinne auf die Umwelt. Der Wind rauschte sacht durch das Laub, das sich langsam zu verfärben begann, ein Eichelhäher pfiff zwischen den Baumkronen, es war alles friedlich und doch fühlte Verena den kribbeligen Knoten im Bauch.

Nun richtete Verena ihr Augenmerk auf die kleine Kapelle. Zweifellos war es ein Ort des Schutzes, war das der Grund, dass die weiße Frau gerade hier erschien? War sie ein Schutzgeist? Nach den gesammelten Informationen hatte die Erscheinung nie unangenehm oder bedrohlich gewirkt.

Doch sie hatte ja auch gar nicht die weiße Frau gesehen. Auch Kaspar zeigte keine Anzeichen von auffälliger Erregung und ­Verena vertraute den Sinn ihres Hundes zu hundert Prozent. Nun, am Tage waren durchaus die Energien dieser Geister vorhanden, wenn auch nicht so auffällig und meist gingen ihre Aktivitäten im normalen Leben unter. Vielleicht lag es auch daran, dass der Mensch eine ­natürliche Angst vor der Dunkelheit in sich trug.

Doch das war nicht der Grund der Angst in der vergangenen Nacht gewesen. Verena bedeutete Kaspar Platz zu nehmen und auf sie zu warten, während sie die Kapelle betrat. Nun, sie war nie sonderlich religiös gewesen, doch sie ignorierte nicht ihre inneren Warnsignale und Schutz konnte man immer ge­brauchen.

Die Stätte war hell und freundlich, die Sonne schien durch die kleinen Mosaikfenster und das Holz verströmte einen leichten harzigen Geruch. Die Kapelle war zweifellos ein Ort des Friedens und Verena nahm die Aura auf, sie fühlte wie sich der Knoten in ihrem Bauch löste.

Über dem Altar war neben der Marienstatue eine weitere Frauen­skulptur. Aus den Recherchen wusste Verena, dass es sich um die Heilige Katharina handelte. Sie war die Schutzpatronin ­dieses Ortes und ohne weiter darüber nachzudenken, vollführte Verena den Ritus des Schutzes.

Sichtlich freier trat Verena aus der kleinen Kapelle und mit neuer Entschlossenheit versuchte sie den Weg der letzten Nacht zu folgen. Die Sonne schien zwischen den Bäumen auf den dunklen Waldboden und deutlich konnte Verena ihre Fußspuren erkennen, die sie in der feuchten Erde hinterlassen hatte.

Auch Kaspar hatte die Fährte aufgenommen und bereits nach wenigen Metern veränderte sich sein Verhalten. Sein Schweif ­wurde steif und er begann leise zu winseln. Obwohl in diesem ­Moment nichts Außergewöhnliches zu bemerken war, fühlte ­Verena den Rest der enormen Energie der letzten Nacht.

Nach knapp weiteren zehn Minuten erreichte sie die Stelle an der ihr Instrument am Boden lag. Es war kaputt – durchgebrannt. Nachdenklich betrachtete Verena ihr Messgerät und kraulte dabei Kaspar beruhigend im Nacken. Die Rolle war aus der Halterung gesprungen, vermutlich durch den Aufprall und das Papier hatte sich an der feuchten Erde festgeklebt. Deutlich waren die enormen Kurven zu erkennen, die der Schreiber bei der gemessenen Energie aufgezeichnet hatte und letztendlich, wie es schien, durch eine Überbelastung die Drähte verschmort hatte.

Noch nie hatte sie das in so einer Situation gesehen weder je davon gehört. Vorsichtig sammelte sie alle Teile ein und verstaute sie sicher in ihrem Rucksack. Obwohl sie keinerlei Angst verspürte, nahm sie dennoch die negativen Schwingungen wahr, die auch Kaspar beunruhigten.

Verena erwartete zwar nicht, dass sie so leicht auf einen Hinweis stoßen würde, dennoch betrachtete sie die Umgebung intensiv und erneut verstärkte sich das Gefühl, dass sie sich an einem Ort befand, der ein schreckliches Geheimnis barg.

Wieder lauschte sie mit geschlossenen Augen, streckte ihre Sinne aus, mehr wagte sie jedoch nicht. Obwohl sie mit Erscheinungen vertraut war, so vergaß sie nie die eindringlichen Vorsichtsmaßnahmen, die sie ihre Großmutter gelehrt hatte.

Wehmütig dachte sie an sie zurück, ihre Großmutter hatte sie verstanden, denn sie war ähnlichen Wahrnehmungen ausgesetzt gewesen. Ganz anders als Verenas Vater, der sein ganzes Leben ihre Erlebnisse mit der Anderswelt als Humbug abgetan hatte. Ganz von selbst wanderten Verenas Gedanken weiter zu jenem Tag, an dem sie sich mit ihren Vater furchtbar gestritten hatte. Es war auch jener Tag gewesen, an dem sie ihr zu Hause verlassen hatte und bis heute war sie nicht ein einziges Mal zurückgekehrt. Nicht einmal, als ihr Vater starb, nicht nach dem Begräbnis auch nicht später.

Warum sie gerade in diesem Moment daran dachte, wusste sie nicht. „Ach Kaspar, das Leben ist oft kompliziert und das Leben danach anscheinend nicht einfacher. Für heute sind wir hier fertig.“

Noch einmal vollzog Verena einen intensiven Rundblick, doch es schien nichts ungewöhnlich, aber sie wusste es besser. „Ich werde das Geheimnis erfahren, wie lange es auch dauert“, flüsterte sie in den Wind und mit einem letzten Blick trat sie den Rückweg an.

Ihr Messgerät sah ziemlich hoffnungslos aus. Verena seufzte abgrundtief als sie daran dachte, welch mühevolle und langwierige Arbeit der Umbau gekostet hatte. Doch wie sie es auch drehte und wendete, sie brauchte ein paar Ersatzteile um es wieder in Schwung zu ­bringen. Ziemlich viele Ersatzteile. Und die Zeit erst um es wieder zum Funktionieren zu bringen. Technik war nicht gerade ihre starke Seite.

Auf jeden Fall sollte es mehr Spannung aushalten und mit einem Seitenblick auf die beschriebene Rolle musste sie sich stirnrunzelnd fragen, ob die Grundausstattung das überhaupt aushielt.

„Es sieht so aus, als ob wir noch heute in die Stadt fahren müssen, Kaspar und wir müssen uns beeilen. Um fünfzehn Uhr müssen wir in Stegersbach bei der Gräfin sein.“ Zweifelnd sah Verena auf ihre Armbanduhr, die bereits viertel nach zwei zeigte.

„Zuerst zu der Gräfin, sonst ändert sie ihre Meinung noch. Komm, polieren wir uns noch schnell auf.“ Verena raffte sich auf, verlor weitere wertvolle Minuten auf der Suche nach Kaspars Bürste und natürlich zierte sich der Rüde wieder einmal.

Anschließend griff sie in den Kleiderschrank, in dem sie einfach vor zwei Wochen die Tasche mitsamt den Kleidern hinein befördert hatte und zog eine leicht Bluse heraus, die hervorragend mit ihrer Cordhose harmonierte. Mit einem erneuten Blick auf die Uhr eilte sie zur Tür als ihr Blick auf den Spiegel fiel, der im Flur hing. „O Gott, meine Haare!“, stöhnte sie und hätte sich beinahe mit der Hundebürste gekämmt. Schließlich atmete sie tief durch und zwang sich zur Ruhe. Aus dem Spiegel sah ihr eine ordentlich gekleidete Frau entgegen, nicht bieder aber auch nicht zu modern mit einem Hauch von Weltoffenheit. Verena musste über ihre eigene Musterung lächeln. Seit wann gab sie viel auf ihr Äußeres. Nun ja, sie sah auch gerne hübsch aus und sicherlich brauchte sie sich nicht zu verstecken und nobody is perfect. Doch vor allem wollte und musste sie kompetent erscheinen.

Die Menschen, wie zum Beispiel auch die Gräfin von Stegersbach legten keinen Wert darauf öffentlich in welcher Form auch immer mit Geistererscheinungen in Verbindung gebracht zu ­werden.

Dreivierteldrei! „Kaspar, jetzt müssen wir aber aufs Gas treten, Ich hoffe, wir fallen diesbezüglich nicht auf.“ Schwungvoll ließ Verena die Tür ins Schloss fallen und fragte sich, warum noch niemand Türschlösser erfunden hatte, die wie bei einem Auto mit einem Sender funktionierten. Genauso schwungvoll warf sie ihre Tasche mit dem Diktiergerät und ihrem Schreibzeug auf den Boden beim Fahrersitz und Kaspar sprang manierlich auf den Sitz und sah aus dem Fenster.

„Na, dann los. Hoffen wir, dass die Gräfin es als Etikette ansieht nicht ganz so pünktlich zu sein.“ Und zehn Minuten vor Drei fuhr der Pick up rasant auf die Hauptstraße Richtung Stegersbach.

Kapitel 4

Die Regeln der Höflichkeit mussten schon ziemlich dehnbar sein, wenn Verena ihre Verspätung von mehr als einer halben Stunde als akzeptabel gelten ließ. Nicht nur dass sie zu spät dran war, nein, sie hatte sich zweimal verfahren. So kam es, dass ihr Pick up erst knapp um drei viertel vier in den Hof des Schlosses Stegersbach einfuhr.

Inzwischen hatte sich auch ihr Haar wieder strähnchenweise aus ihrem lockeren Zopf gelöst und Verena gab es auf, daran noch etwas zu ändern. „Kaspar, bitte benimm dich. Ich hoffe, wir werden überhaupt noch rein gelassen.“

Sie hatte gerade den Finger von der Glocke genommen, als auch schon die Tür aufging. Eine kleine Frau in den Fünfzigern in einer Schürze und erdigen Fingern stand im Eingang. Sie hatte dunkelbraunes Haar, das nicht weniger unordentlich aussah als ihre eigenen. In ihren Augen lag das Lachen wie auch auf ihren Lippen und Verena hoffte, wenn die Gräfin solch gut gelauntes Personal hatte, dass ihre Position doch nicht ganz so hoffnungslos war.

„Guten Tag, ich bin Verena Ritter. Ich habe einen Termin mit der Gräfin, leider habe ich mich zweimal verfahren, doch ich hoffe, die Dame des Hauses ist dennoch bereit, mir etwas von ihrer Zeit einzuräumen.“ Ach herrje, es erstaunte sie immer wieder selbst, wie leicht sie zwischen der echten Verena und der förmlichen wechseln konnte.

„Ach mein Gott, ist vielleicht heute schon der sechzehnte?“ Der Ausruf der Frau brachte Verena etwas aus dem Konzept.

„Wie bitte?“

„Entschuldigen sie meine Liebe. Meine Tochter hält mir jedes Mal vor, dass ich mir nichts daraus mache, welchen Kalendertag wir haben. Willkommen auf Schloss Stegersbach Frau …?.“

­„Ritter, ­Verena Ritter.“ Verena brauchte mindestens zehn Sekunden um zu rekapitulieren das die Frau im Türrahmen, die nun die Erde auch auf ihren Händen verteilte, die Gräfin selbst war. Die Situation war so überraschend für Verena, dass ihre Gefühle sich auf ihren Gesicht zeigten.

„Falls sie eine Dame mit lackierten Nägeln, zwei Schoßhündchen und einer Kompanie Dienern erwartet haben, muss ich sie enttäuschen“, lachte die Gräfin. „Ach herrje, jetzt habe ich sie ganz schmutzig gemacht. Kommen sie herein.“ Nun, jedenfalls schien die Gräfin keineswegs verschlossen zu sein.

„Hatty, zeigen sie doch Frau Ritter das Bad. Stellen sie sich vor, ich dachte, heute wäre der fünfzehnte.“

„Nein, Gräfin, heute ist der sechzehnte und Frau Ritter ist fast eine Stunde zu spät“, erwähnte die Haushälterin brummig.

Verena zeigte der Haushälterin lächelnd ihre Zähne. Was war schon eine Stunde gegen einen ganzen Tag.

Verena hatte sich schon lange nicht mehr so wohl in der Gesellschaft einer Gräfin gefühlt. Sie war vollkommen unkompliziert, freundlich und ausgesprochen guter Laune. Und vor allem hatte sie keine Probleme aus dem Nähkästchen des Schlosses zu plaudern.

„Und sie hatten schon mehrmals Begegnungen mit geisterhaften Erscheinungen auf Schloss Stegersbach?“ Verena macht sich nebenbei eifrig Notizen, obwohl auch das Aufnahmegerät das Interview aufzeichnete.

„So kann man das nicht sagen. Ich habe noch nie einen Geist gesehen, ich glaube, dafür fehlt mir die richtige Polung. Doch ich habe schon oft einen gehört. Mit der Zeit gewöhnt man sich sogar daran und es fallen dann einen nur mehr die wirklich außergewöhnlichen Geräusche auf. Manches Mal fühle ich auch die Anwesenheit einer Person, obwohl ich alleine bin.“

„Und was sind das für Geräusche?“, fragte Verena interessiert.

„Ein Schuss, zum Beispiel. Den bereits sogar mehrmals und immer um die gleiche Zeit“, nahm die Gräfin den Faden wieder auf.

„Ein Schuss?“, hakte Verena nach.

„Ja, im letzten Jahrhundert lebte hier die Familie Stegersbach bereits in dritter Generation. Der älteste Sohn Ottokar war in die schöne, junge Helena verliebt, die jedoch nicht dem gesellschaftlichen Stand der Familie entsprach. Angeblich soll der Vater darauf bestanden haben, sich von ihr zu trennen. Die beiden Liebenden hatten keine Aussicht je mit dem Segen der Familie heiraten zu können. Die ganze Situation hat sich immer mehr zugespitzt und die beiden sind verzweifelt gewesen. Nach einer letzten gemeinsamen Nacht haben sie sich erschossen – im blauen Zimmer. Ja und diese zwei Schüsse kann man hin und wieder hören.“

„Eine unglückliche Liebe, wahrlich nicht selten in den Herrschaftshäusern“, merkte Verena an. „Darf ich das Zimmer nachher sehen?“

„Natürlich meine Liebe, gerne zeige ich ihnen alles sehenswerte hier, sozusagen eine all inklusive Führung.“ Die Gräfin tätschelte ihr mütterlich die Hand.

„Das wäre toll. Was haben sie sonst noch ungewöhnliches bemerkt?“ Verena war in ihrem Eifer nicht mehr zu bremsen.

„Nun, da gibt es die Standardgeräusche wie Türen schlagen, klopfen und sonstiger Krach. Aber einmal hatte ich auch ein Erlebnis, dass mich zumindest erschreckt hat.“ Die fröhliche Miene wechselte zu einer ernsteren und Verena wurde hellhörig.

„Ja? Was war das?“

„Wie gesagt, einmal habe ich es gehört. Ich schreckte mitten in der Nacht von einem gewaltigen Lärm auf. Männer brüllten laut, Pferde trampelten, Schwerter klirrten. Es hämmerte laut am Tor, verlangten Einlass. Sogar meine beiden Hunde haben sich gefürchtet, verkrochen sich jaulend unter meinem Bett. Der Radau dauerte etwa zwei Minuten an und dann zogen sie weiter.“ Die Gräfin nippte an ihren Tee.

„Sie zogen weiter?“, fragte Verena verwundert.

„Ja, Es wurde wieder still und alles war wie immer. Ich habe keine Angst in meinem Haus, doch wenn diese Horde vorbei zieht, ziehe ich es vor nicht außerhalb dieser Mauern zu sein. Hier bin ich sicher.“

Verena wusste ziemlich genau wann ihr jemand eine Geschichte auftischte und wann sie wahr war. Nachdenklich ließ sie ihren Bleistift kreisen. „Es sind die Schweden, die vor etwa sechshundert Jahren durch unser Land gezogen sind.“ Die Gräfin erwähnte diese Begebenheit als hätte Verena danach gefragt.

„Was macht sie da so sicher?“

„Auch wenn es selten unter Schloss- und Burgbesitzern der Fall ist, zuzugeben, dass es Dinge gibt, die man mit klarem Menschenverstand nicht erklären kann, so tauschen auch wir untereinander Erlebnisse aus. Unter anderem gehört dazu die Geschichte der Schweden. Mehrere Personen an verschiedenen Orten auf der Route, der diese Horde damals folgte, haben sie gehört.“ Verena hatte bereits davon gehört, jedoch hatte noch niemand aus erster Hand mit ihr darüber geredet.

„Und diese, nun sagen wir „außergewöhnliche Erscheinung“ halten sie für bedrohlich?“ Verena wählte ihre Worte und den Tonfall äußerst bedacht. Sie wollte der Gräfin nicht den Eindruck erwecken, sie glaube ihr nicht.

„Ja, das tue ich. Zweifellos eine negative Energie. Schließlich sind sie plündernd, mordend durch unser Land gezogen, haben alles niedergebrannt, hinterließen Tod, Leid und Verzweiflung. Dieser Erscheinung zu begegnen hat sicherlich keine Vorteile nicht einmal für eine Verena Ritter.“ Die ernst gemeinte Warnung war nicht zu überhören.

Für einige Sekunden hielten ihre Augen aneinander fest und ­Verena wusste, dass es die Gräfin von Stegersbach nicht böse oder abfällig meinte.

„Gibt es noch andere Begebenheiten hier, die ihnen Angst machen?“ Verena zog es vor nicht weiter auf das Thema einzugehen.

„Nein“, kam ohne Zögern die Antwort. „Es gibt keinen Grund sich vor anderem zu fürchten oder besser gesagt, es gibt einen Grund um sich sicher zu fühlen.“

„Ach ja, und der wäre?“

„Dieser spezielle Grund hat den Namen Gabriel. Er ist der unumstrittene Schutzgeist dieses Gemäuers. Gesehen habe ich ihn noch nicht, doch der Schutz ist oft zu bemerken. Und es gibt einige Berichte über ihn. Gabriel de Maurión war einer der ersten Herrn im Schloss Stegersbach, er war sogar jener, der aus der baufälligen Burg im Laufe seines Lebens die Grundmauern für dieses Schloss legte. Er war zwar eher Landherr als Krieger, besaß jedoch einen brillianten Verstand und war ein tiefgläubiger Christ. Und er nahm seine Pflichten sehr ernst. Er soll auch seiner Zeit voraus gewesen sein, was die Wertigkeit des Einzelnen betraf.

Nun, auf jeden Fall soll er in der kleinen Schlosskapelle an der Statue des Erzengel Gabriels geschworen haben, sein Land und die darauf leben über den Tod hinaus zu beschützen. Der rote Fleck am Fuß der Statue, die noch heute in unserer Kapelle wacht, soll von dem Blut aus seiner Hand stammen als er den Schwur besiegelte. Und wie es aussieht, ist dieser Schwur noch immer wirksam.“

„Kennen sie jemanden, der ihm bereits begegnet ist?“ Verena konnte gar nicht fassen, in welcher Schatztruhe sie hier gelandet war.

„Ja, doch sie werden wenig Erfolg haben, wenn sie um eine Unterhaltung deswegen bitten.“ Verena war jedoch weit davon entfernt, enttäuscht deswegen zu sein. Sie gab nicht so leicht auf und irgendwie war es ja auch nicht einfach gewesen die Gräfin von Stegersbach um ein vertrautes Gespräch zu gewinnen. Dass jedoch Verena im Moment seltsam erschien, wenn sie bedachte wie leicht ihr die Geschichten über die Lippen kamen. „Vielleicht sollten sie es mich versuchen lassen.“ Doch die Gräfin schüttelte nur den Kopf.

„Meine Tochter meidet so gut es geht sogar in diesen Mauern zu verweilen und wenn, dann nur am Tag. Sie spricht nicht darüber, aber solange sie ein Kind war, waren wir nie für längere Zeit in Stegersbach, was ich für meine Person immer sehr bedauert habe. Ich fühlte mich hier schon immer wohl. Doch Lydia ist sehr empfänglich für übernatürliche Erscheinungen – sie kommt damit nicht gut klar. Sie fürchtet sich. Am Anfang begriff ich gar nicht, was ihr Angst machte. Inzwischen ist es so, dass sie vorwiegend in Häusern nächtigt, die keine Vergangenheit besitzen. Doch wenn sie genauere Berichte über die außergewöhnlichen Vorkommnisse von Stegersbach haben wollen, es gibt eine Art Tagebuch, das über Generationen weiter geführt wurde. Ich kann es ihnen nachher gerne zeigen.“

Verena konnte ihr Glück fast nicht fassen. „Das wäre toll. Sie sind eine wahre Bereicherung für meine Arbeit.“

„Sind sie nun bereit für die Führung durch das geschichtsträchtige Schloss Stegersbach?“ „Was denken Sie denn?“

Und so kam es, das Verena durch unzählige Räume geführt wurde, die zum Teil noch mit der originalen Ausstattung versehen waren und einer ganzen Reihe an alten Gemälden begleiteten sie auf ihren Weg. Die Gräfin wusste nahezu zu jedem Zimmer und Bild eine kleine Geschichte. Verena konnte fühlen, wie tief verbunden die Frau mit den Mauern war, in denen sie lebte.

„So, und hier sehen sie das blaue Zimmer in dem Ottokar und Helena überaus glückliche Stunden verbrachten und so tragisch ihr Leben beendeten.“

Die Gräfin überließ Verena den Vortritt. Das Zimmer alleine war schon beeindruckend, doch nichts im Vergleich zu den Schwingungen, die Verena wahr nahm. Fasziniert sah sich Verena um und ihr Blick blieb am Spiegel hängen, der mehr zeigte, als zu erahnen war. Eine Frau saß wartend am Fenster und sah sehnsüchtig nach draußen. Ihre Konturen waren verwischt und durchscheinend doch Verena konnte deutlich das volle, dunkle, lange Haar, das in sanften Wellen über den Rücken fiel, sehen, das ihr feines Gesicht umrahmte. Ihr Kleid war gewissermaßen elegant, wenn auch einfach gearbeitet. Es war Helena und als ihr Gesicht zu strahlen begann, konnte Verena verstehen, warum Ottokar so verliebt in sie gewesen sein musste. Nur Augenblicke später fühlte Verena die Anwesenheit einer weiteren Person, die sich in einer glücklichen Umarmung mit Helena vereinte.

Dieser Anblick aus vergangener Zeit nahm Verena so gefangen, dass sie die Hand der Gräfin nicht sogleich bemerkte. Wie durch einen Schleier erfasste sie ihre Gestalt bevor sie sich vollends aus ihrer Betrachtung lösen konnte. Die Gräfin sah wissend auf ihren Gast und als Verena sich erneut umsah, war nichts ungewöhnliches mehr zu sehen.

„Die Aura in diesem Raum ist überwältigend, sie fühlen es auch.“ Die Gräfin ahnte nicht, dass Verena weit mehr empfand.

„Sie sagen es. Zweifellos haben sich die beiden sehr geliebt.“

Die Gräfin hängte sich bei Verena ein und zog sie in den langen Flur. „Kommen sie, jetzt hole ich noch den geschichtlichen Schatz aus meinem Arbeitszimmer. Und dann haben wir für heute genug von Geistern gesprochen, meinen sie nicht auch Hatty?“

Das Funkeln in den Augen der Gräfin blitzte belustigt auf als sie ihrer Haushälterin begegneten. „Sie kennen ja meine Einstellung zu diesem Thema, Gräfin. Alles nur Geschichten.“ Und dabei betrachtete sie Verena mit einem intensiven Blick. Und sie konnte sich der Eingebung nicht erwehren, dass Frau Berger im Grunde genommen ganz anders darüber dachte.

Es war nahezu halb acht als Verena dem Schloss den Rücken kehrte. Leider hatte sie nicht die Erlaubnis bekommen sich die privaten Aufzeichnungen der Schlossbewohner auszuleihen. Doch die Gräfin versicherte ihr, dass sie jederzeit willkommen war und mit ihrer privaten Telefonnummer in der Tasche machte sie sich auf den Rückweg.

„So, Kaspar und was machen wir jetzt? Nicht nur, dass wir heute keine Teile mehr für das Messgerät bekommen, in unserem Kühlschrank sieht es auch ziemlich mager aus. Hast du Lust auf Pizza?“ Die Frage war zwar rein obligatorisch doch Kaspar winselte zustimmend.

Ja, Pizza war gerade richtig, sie hatte noch eine Menge Arbeit zu erledigen und mit einem Lächeln warf sie einen kurzen Blick auf ihre Mitschriften von Schloss Stegersbach.

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9783847650706
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