Читать книгу: «Die Hungrige Hexe», страница 5

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„Erstaunlich gut erzogen, Ihr Kater“, stotterte Jim verblüfft.

„Ja, manchmal glaube ich selbst, er versteht die menschliche Sprache. Nimm dein Schnäpschen ruhig, Luke wird dich nicht mehr stören.“

„Äh, ja …“ Jim, der plötzlich Unbehagen bei den Gedanken verspürte, das Zeug zu trinken, sah unentschlossen auf das Gläschen herunter.

„Das ist ein selbst gemachter Kräuterschnaps“, ermunterte Samira ihn lächelnd. Alle lächelten jetzt. Ein freundliches Lächeln, das die Augen nicht erreichte. Alle strahlten Jim an, wie er mit seinem Glas da dumm herumstand. Es wurde ihm langsam mulmig.

„Ich glaube, ich habe zu viel gegessen“, sagte da Jessica mit matter Stimme. Sie sank auf einen der Lehnstühle und sah aus, als sei sie fertig mit der Welt.

„Alles okay, Jessie?“, fragte Jim besorgt und eilte an ihre Seite. Sein Gläschen stellte er auf den Tisch. Vier Augenpaare zogen sich zusammen, während das der Katze sich etwas entspannte.

„Mir ist nicht gut …“ Jessica stand der Schweiß auf der Stirn. Ihre Augen schlossen sich, ihr Kopf fiel zur Seite. Jim nahm ihre Hand, fühlte ihre Stirn, und sah alles in allem sehr unschlüssig aus, was er nun tun sollte. Samira trat an seine Seite.

„Sie hat wohl wirklich zu viel gegessen“, beruhigte sie Jim, „sie wird bestimmt gleich wieder auf den Beinen sein.“

„Ja, nein, ach … Sie verstehen das nicht … sehen Sie, Jessie ist schwanger …“

„Ahhhh!“, stießen die Gäste aus, als habe ein Zauberer gerade ein besonders fettes Kaninchen aus seinem Zylinder gezerrt. Auch Samiras Augen leuchteten einen Moment lang grellgrün auf.

„Schwanger!? Du meine Güte! Wie schön!“

„Scheint dein Glückstag zu sein, Samira“, feixte William. Auch Mr. Hart wirkte zufrieden.

Jim sah verwirrt von einem zum anderen und klopfte Jessica besorgt den Puls.

„Schwangere Frauen im Haus zu Gast zu haben bringt Glück“, erklärte Samira. „Jetzt trag deine Freundin rein, sie muss sich hinlegen. Mr. Hart ist Arzt, er wird sie sich mal ansehen.“ Mr. Hart nickte zustimmend. William kam und bevor Jim protestieren konnte, hob er Jessica hoch und trug sie eifrig zum Haus herüber. Er verschwand mit ihr auf den Armen darin. Es war, als habe das Gebäude die beiden verschluckt.

Jim zögerte kurz, dann folgte er William. Er hörte aber noch, wie Mr. Hart Samira etwas zuzischte das sich anhörte wie: „… zu viel Bralocolin … schleunigst wieder raus …“

Dann verschluckte das helle Haus auch ihn.

Eingelullt

3

Dieser William schien sich hier gut auszukennen. Er brachte die fast Bewusstlose in ein kleines Gästezimmer neben der Küche und legte sie aufs Bett.

Dann wandte er sich Jim zu, legte ihm freundschaftlich den Arm um die Schultern, und geleitete ihn aus dem Zimmer. „Wieso habt ihr das nicht vorher gesagt? Schwangere Frauen sollten nichts trinken. Das ist schlecht für das Baby.“

„Naja, wir hatten doch auch nur Cola getrunken …“

„Schon, aber Samira wäre nie mit diesem besonderen Schnäpschen angekommen, wenn sie das gewusst hätte.“

„Ganz recht“, ertönte die Stimme von Mr. Hart, der so eilig wie sein schwächlicher alter Körper es vermochte, um die Ecke kam und noch im Laufen sein Jackett auszog, „diese Art Schnaps geht auf den Kreislauf, und der Kreislauf einer Schwangeren ist durch den niedrigen Blutdruck am Anfang einer Schwangerschaft nicht der Stabilste. Deswegen ist sie umgefallen. Ich kümmere mich um sie. Samira wird mir helfen.“

„Ach so, okay …“ Jim ließ sich ins Wohnzimmer bringen und auf die Couch setzen. Samira kam herein, würdigte Jim aber keines Blickes, und betrat hinter Mr. Hart das Gästezimmer. Die Tür wurde geschlossen.

„Komm, wir werden in der Zwischenzeit den Tisch abräumen.“ William zerrte ihn schon wieder hoch.

„Ja, aber Jessie …?“

„Die ist in den besten Händen. Komm, wir nehmen unserer reizenden Gastgeberin etwas Arbeit ab.“ Gehorsam folgte Jim William in den Garten und half, die Teller, Bestecks, Salate, Flaschen mit Ketchup und das übrig gebliebene Fleisch ins Haus zu tragen.

Jim trug die Platte mit dem gebratenen Fleisch und stellte sie in der Küche auf den Tisch, weil er sich hier nicht auskannte und keine Ahnung hatte, wo er sie sonst abstellen sollte. Da sprang Luke auf den Tisch, schnüffelte an dem Fleisch herum, sah Jim anklagend an und jaulte auf einmal so jammervoll, dass Jim ein Schauer über den Rücken lief. Luke sah traurig auf die Platte.

„Nein, da darf ich dir nichts von geben“, lächelte Jim entschuldigend und streichelte Lukes Kopf. Der schlug blitzschnell seine nadelspitzen Zähne in seinen Daumen.

„Au! Verdammt! Mistvieh, elendes!“ Wütend sah Jim auf den Kater. Der tat etwas Merkwürdiges: Er schob mit seiner Vorderpfote die Platte ein Stück von sich weg und schüttelte sich. Seine gelben Augen senkten sich in Jims, als wolle er ihm etwas sagen.

„Luke, runter vom Tisch, sonst kommst du in den Fleischwolf!“ Samira hatte ihre Küche betreten. Sie ging zum Spülschrank, holte einen roten Plastikeimer heraus, und ging zurück ins Krankenzimmer. Der Kater sprang sofort vom Tisch und floh in den Garten. Jim schüttelte den Kopf. Dieser Kater erschien einem ja fast menschlich. Manche Haustiere wurden mit den Jahren so.

Er lutschte an seinem blutenden Daumen und wartete, dass ihm irgendjemand sagte, was mit Jessie los war.

„Deine Freundin schläft jetzt.“ Mr. Hart kam aus dem Gäste WC und trocknete sich die Hände ab. Seine Hemdsärmel hatte er hochgekrempelt. Was zur Hölle hatte er denn mit Jessica gemacht?

William half dem älteren Mann respektvoll in sein Jackett. Sandra kam mit einer Schüssel Kartoffelsalat ins Haus und sah ihren Großvater fragend an. Der schüttelte nur den Kopf. Sie zog einen Flunsch.

„Wir werden jetzt nach Sharp-… nach Ryan’s Field zurückfahren“, verkündete er. William nickte. Sandra seufzte, stampfte mit dem Fuß auf, und stellte die Schüssel ab.

„Deine Zeit kommt auch noch, Sandra“, lächelte William sie an. Sie strahlte zurück.

„Darüber reden wir noch. Kommt, Kinder. Es wird schon dunkel.“

„Was ist denn mit uns?“, fragte Jim.

„Ihr bleibt erst einmal hier. Deine Freundin braucht Ruhe.“

„Müsste sie nicht ins Krankenhaus?“

„Nein! Es geht ihr ganz gut. Sie ist nur erschöpft. Sie schläft jetzt.“

Samira kam und verabschiedete ihre Gäste. „Wir sehen uns ja bald wieder“, lächelte sie. Die anderen grinsten zurück.

„Hast du die Liste?“

„Ja. Ich hole ihn morgen ab.“

„Gut. Und vergiss nicht …“

„Nein, keine Bange. Geschäft ist Geschäft“ versicherte Samira und winkte. Dann schloss sie die Tür und wandte sich Jim zu.

„Wie geht’s Jessie?“, fragte der ängstlich.

„Sie schläft jetzt. Und du … wie wär’s mit einer Dusche?“

„Du ... Ach so“, murmelte Jim verlegen. „Ja … natürlich. Das wäre sehr nett.“

„Geh nur nach oben, erste Tür links. Ich habe dir schon alles rausgelegt.“

Jim nickte und stieg die Treppe hoch. Oben betrat er ein großes, edel eingerichtetes Bad. Ein Stapel weißer Handtücher, die sehr weich waren und herrlich dufteten, lag bereit, ebenso ein Bademantel und ein Paar Hausschuhe. In der Dusche fand er Seife, einen Einmalrasierer, Rasierschaum und Duschgel. Jim nahm eine lange Dusche, rasierte sich seinen Fünftagebart, und hüllte sich in den flauschigen Bademantel. Seine völlig verdreckten Klamotten faltete er ungeschickt zusammen, nahm seine schlammigen Stiefel, und ging wieder nach unten.

„Gib mir die Sachen, ich stecke sie schnell in die Waschmaschine. Bis morgen sind sie wieder trocken.“ Samira nahm das Bündel entgegen und verschwand im Keller. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein schwarzes Oberteil aus Spitze und eine enge Lederhose. Sie sah verdammt sexy aus und es erschien Jim, dass sie sich in dieser Kleidung viel wohler fühlte als in ihrem Sommerkleid.

Sein Gehirn funktionierte wieder, daher trug er seine Stiefel auf die Terrasse und stellte sie dort ab. Morgen konnte er sie ja mit dem Gartenschlauch abspritzen.

Samira tauchte wieder auf. Sie sah ihn von oben bis unten an.

„Gut, so sauber bist du ein recht gut aussehender junger Mann. Komm, wir unterhalten uns. Ich habe so gerne Besuch.“ Jim folgte ihr ins Wohnzimmer. Es war inzwischen dunkel geworden. Samira hatte ein paar Kerzen angezündet und eine Flasche Wein aufgemacht.

Sie bugsierte ihn auf die Couch und setzte sich dicht neben ihn. Sie roch so gut … irgendein Parfüm, das er nicht kannte. Aber es hatte eine Wirkung auf ihn, die ihn froh sein ließ, einen Bademantel zu tragen. Der war wenigstens weit und seine körperliche Reaktion fiel nicht weiter auf.

„Jim … Jimbo … erzähl mir von dir.“ Sie legte einen Arm auf die Rückenlehne. Ihre Finger waren ganz dicht an seinem Haar.

Zögernd begann Jim, von sich zu erzählen. Nur Oberflächliches zuerst, aber schon bald stürzten ihm die Worte nur so aus dem Mund. Es war so einfach, mit Samira zu reden. Sie ermunterte ihn ab und zu mit einem Kopfnicken, unterbrach seinen Redefluss jedoch nie. Ab und zu schenkte sie ihm mehr Wein ein und nickte nur zu seinen Ergüssen. Jim ließ nichts aus. Sein Elternhaus, die Stiefväter, der Alkohol, die Schläge … und Jessie war es nicht viel besser ergangen. Ihre Mutter hatte sie mit dreizehn auf die Straße geworfen.

„Ihr Armen …“ Samira Finger spielten mitfühlend mit seinem Haar. Jim lief ein angenehmer Schauder über den Rücken. Sie wollte ihn eindeutig verführen. Die Kerzen erhellten sanft ihr Gesicht und spiegelten sich in ihren rätselhaften Augen. Die Spitze, aus der ihr Oberteil bestand, zeigte mehr Haut, als sie verbarg. Aber sie verbarg und enthüllte an den richtigen Stellen. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Der üppige Busen hob und senkte sich langsam unter ihrem Atem, das lange Haar schmiegte sich um ihren Hals. Jessie war vergessen. Der Wein umnebelte ihn. Trotzdem entfuhr Jim ein „und Jessie?“ als Samira ihr Glas auf den Tisch stellte, näher rückte, und eine Hand in seinen Bademantel schob.

„Sie wird es nie erfahren.“ Samira knabberte zart an seinem Ohr.

„Aber …“

„Schhhhh …“

Jim lernte an diesem Abend, dass man Erfahrung nicht unterschätzen sollte. Jessica und er waren jung, und der Unterschied war beachtlich. Samira schien zwar zufrieden, aber er wurde den Eindruck nicht los, dass er sie enttäuschte. Zwar sagte sie ihm, er sei der Beste, den sie je gehabt hatte, aber der schöne Augenblick wurde von ihrem Kater gestört, der, als er diese Worte hörte, auf Jims Rücken sprang und ihn heftig kratzte.

Samira nahm Jim mit nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie die Schulung fortsetzte. Erst morgens gegen vier durfte Jim endlich schlafen. Sie holte ihm noch etwas zu trinken, er war auch sehr durstig, dann gab sie ihm einen flüchtigen Kuss und sagte ihm Gute Nacht.

Als Jim wieder wach wurde, stand die Sonne schon sehr hoch am Himmel. Er wandte ächzend den Kopf. Auf dem Nachttisch stand ein Wecker: Es war viertel vor eins mittags. Jim wollte erschrocken hochfahren: Jetzt hatten sie die verdammte Hochzeit verpasst! Gestern war ihm das irgendwie nicht so wichtig erschienen. Aber er schaffte es nicht, aufzustehen. Er war noch immer todmüde und alle seine Muskeln fühlten sich an wie Gummi. Sein Kopf raste vor Schmerzen. Er bekam kaum die Augen auf. Der Wein, der viele Sex … aber nach neun Stunden Schlaf sollte er eigentlich wieder fit sein, er hatte schon ganz andere Drogen- und Sexpartys erlebt und war nach drei Stunden unruhigen Dösens wieder aufgestanden und im Meer schwimmen gegangen.

Er quälte sich trotzdem aus dem Bett. Samira war nirgends zu sehen, bestimmt wartete sie unten auf ihn, und bei der Erinnerung an die letzte Nacht wurde sein Gesicht flammend rot. Wenn er verglich, dann hatten Jessie und er bisher in puncto Sex die erste Klasse der Grundschule besucht, und letzte Nacht war er auf einmal an der Universität gewesen und hatte seinen Doktor gemacht.

„Meine Fresse“, murmelte er jetzt zutiefst beeindruckt. Er sah sich um. Samira hatte ihm einen Jogginganzug bereitgelegt. Waren seine Sachen denn immer noch nicht trocken?

Jim zog sich an und schlurfte die Treppe herunter.

Unten in der Küche blubberte etwas in einem hohen Edelstahltopf. Es roch sehr gut. Zu Jims Überraschung knurrte sein Magen erwartungsvoll. Jessie saß sehr blass am Tisch und hatte den Kopf auf die Arme gestützt. Auf ihrem unberührten Teller lag eine Art Grießbrei. Sie trug einen weißen Bademantel, so wie er am Abend zuvor, bevor … nun, bevor Samira ihre Gastfreundschaft etwas ausgeweitet hatte.

„Hey, Jessie. Alles okay?“ Er beugte sich zu ihr herunter. Wenn sie nun mitbekommen hatte, dass er von oben gekommen war, und nicht aus dem Wohnzimmer, wo er auf dem Sofa hätte schlafen sollen …

Jessica nickte, bekam aber die Augen kaum auf.

Samira fegte zur Tür herein. Sie trug ein Körbchen mit frisch geschnittenen Kräutern.

„Guten Morgen! Ist das nicht ein herrlicher Tag heute?“

Jim starrte Samira an und wurde rot. Er konnte einfach nicht anders. Sie behandelte ihn aber nicht anders als gestern. Sie war eine verdammt gute Schauspielerin.

„Setz dich und iss etwas, Jimbo.“

Er errötete noch tiefer. Tiefer … das war ein Wort, dass Samira letzte Nacht häufiger benutzt hatte. Jim glich mehr und mehr einer Tomate.

„Es muss dir nicht peinlich sein, dass du im Bad oben das Bewusstsein verloren hast und ich dich in die Dachkammer geschleift habe, damit du da deinen Rausch ausschlafen kannst. Aber bestimmt tun dir vom harten Boden alle Knochen weh, oder Jimbo?“

Jim seufzte erleichtert. Nicht schlecht, diese Erklärung für die rote Birne.

„Ja … äh, ja. Tut mir leid. Ich wollte Ihnen keine Umstände machen.“

„Hast wohl schon wieder vergessen, dass wir alle gestern Brüderschaft getrunken haben, was? Jetzt duz mich schon, sonst fühle ich mich uralt unter euch jungen Lausern“, lachte Samira und schnitt ein paar von den Kräutern klein.

„Äh, ja, äh, tschuldigung“, stammelte Jim. Es war ihm wohl nicht gegeben, auch nur einen vernünftigen Satz hervorzubringen.

„Hier, trink das, dann wirst du dich gleich viel besser fühlen.“ Samira stellte ihm eine Tasse mit heißem, aromatischem Kaffee vor die Nase. Jim nahm einen Schluck. Das Zeug hätte Tote aufwecken können, die seit tausend Jahren begraben waren, und dann schreiend zurück ins Grab getrieben.

Allerdings war der Kaffee etwas bitter. Trotzdem tat er gut.

„Und du, Jessie, musst diese Tablette hier nehmen. Die wird dir gut tun.“ Samira legte eine halbierte weiße Kapsel vor Jessica hin. Die sah nur müde darauf.

„Is’n das?“, murmelte sie.

„Das ist für deinen Kreislauf … damit du nicht wieder zusammenklappst wie gestern. Das ist nämlich nicht ungefährlich! Mr. Hart war so freundlich, dir das zu verschreiben.“

Müde und gleichgültig hob Jessica die Schultern und nahm die Tablette. Samira lächelte zufrieden. Sie stellte einen Teller mit Grießbrei vor Jim hin. Er löffelte ihn schnell leer. Der Pamps schmeckte richtig gut.

Luke kam in die Küche, schnüffelte an Jessies und Jims Beinen, und maunzte kläglich.

„Tja, Luke, da kommst du wohl zu spät“, grinste Samira.

Jim runzelte die Stirn. „Zu spät wozu?“

„Zum Frühstück, Jimbo, zum Frühstück. Und zu allem anderen auch.“

Jessica verlor noch auf dem Stuhl das Bewusstsein. Jim erschrak zu Tode. Erst saß sie müde ihm gegenüber und hielt sich den Kopf, die Augen waren ganz klein, auf einmal fiel sie vornüber. Jim sprang auf und schwankte zu ihr, sein eigener Kreislauf war heute auch nicht so recht auf der Höhe.

„Was ist denn mit ihr?“, rief er bestürzt und rüttelte seine Freundin an der Schulter.

„Das war ein ganz leichtes Beruhigungsmittel, das gleichzeitig den Kreislauf stärkt. Komm, wir legen sie ins Bett. Heute Nachmittag wird sie wieder quietschfidel sein.“ Samira half ihm, Jessie zu tragen, denn Jim fühlte sich selbst ziemlich schwach.

Auf dem Weg in das kleine Zimmer neben der Küche runzelte er die Stirn. Er kannte sich ganz gut aus mit Medikamenten, vor allem mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Eine Zeitlang hatte er sich damit die Rübe zugezogen, aber in den letzten Jahren nicht mehr. Er kannte aber kein Mittel, das einen das Bewusstsein verlieren ließ und gleichzeitig den Kreislauf stabilisierte.

Jim betrat den Raum und legte Jessica auf das Bett. Das Zimmer war hell gestrichen, aber sehr klein und spartanisch eingerichtet: ein Bett mit Metallrahmen, ein Tischchen, ein Fernseher, der hoch an der Wand festgeschraubt war wie im Krankenhaus, ein Stuhl. Es hatte tatsächlich eine große Ähnlichkeit mit einem Krankenzimmer.

Jim war schwindelig. Die Anstrengung, Jessies schlaffen Körper zu tragen, hatte ihn geschafft.

„Wieso bleibst du nicht bei ihr? Du könntest bestimmt auch noch eine Mütze voll Schlaf brauchen“, schlug Samira vor. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Sie war schwarz und auf ihr zog eine Spinne als Sekundenzeiger ihre Bahnen um ein weißes Spinnennetz, das die Stunden anzeigte. Samira wirkte etwas gehetzt.

„Nee, ich habe lange genug geschlafen“, wehrte Jim ab.

„Dann bleib aber bei ihr, während ich abwasche. Und lass sie nicht auf dem Rücken liegen, nur auf der Seite, okay?“

„Hm, na gut … wieso nicht auf dem Rücken?“

„Erklär ich dir ein andermal.“ Samira ging. Jim legte sich neben seine Freundin, was nicht so leicht war, denn das hier war ein Einzelbett, und passte auf. Schon bald überwältigte ihn eine bleierne Müdigkeit, und er schlief ein. Sofort verschloss Samira die schwere Metalltür und verriegelte sie. Dann lief sie zu ihrem Auto und raste davon.

„Ralph Smith?“

Der Mann drehte sich langsam um. Samira hatte ihn gerade noch erwischt. Er stand an der Bushaltestelle, denn da sie hatte warten müssen, bis Jim einschlief, war sie zu spät weggekommen, um ihr neustes Opfer direkt am Gefängnistor abzuholen.

„Wer sind’n Sie?“, nuschelte er und spuckte auf den Bürgersteig. Samira verzog kurz das Gesicht. Da hatte ihr ihr spezieller Freund im Gefängnis diesmal aber einen absoluten Widerling ausgesucht. Er sah sehr ungepflegt aus und war ihr sofort unsympathisch. „Den wird niemand vermissen“, hatte Paul gesagt, „er saß unter anderem wegen verschiedener Internetverbrechen. Und wegen Stalking.“

Samira war versucht, einfach wegzufahren. Der Kerl war keine Sekunde ihrer Zeit wert. Aber sie hatte einen Deal mit Mr. Hart, den sie einhalten musste. Oder sollte sie ihnen Jimbo geben? Aber Jim hatte Potential, und sie wollte ihn für sich selbst behalten. Also stieg sie innerlich seufzend aus dem Auto.

„Der Verein schickt mich.“

„Hä?“

Wenigstens war er nicht mit einem Übermaß an Intelligenz gesegnet.

Samira spulte ihren VWKG - Katalog ab. Dass es tatsächlich einen Verein dieses Namens gab, der aber zur Kirche gehörte und in einer Stadt tätig war, die es laut einiger Verschwörungstheorien nicht gab, störte sie nicht weiter. Bisher funktionierte es bestens.

Ralph war begeistert. Auch er hatte nicht gewusst wohin. Niemand mochte ihn. Kein Wunder, wenn sie sich seine Akte so ansah. Der Kerl hatte eindeutig ein Rad ab, war komplett gaga. Er schien ihre Antipathie aber nicht zu bemerken. Schon bald saß er neben Samira im Auto. Sie tastete sofort nach seinen Gedanken, sah, was er getan hatte, und ekelte sich. Samira biss die Zähne zusammen und gab Gas. Sie fuhr mit Höchstgeschwindigkeit aufs Land, und als sie aus dem Augenwinkel einen Cop mit Laserpistole bemerkte, der auf sein Motorrad sprang und ihr hinterherfuhr, bewegte sie leicht die Finger der linken Hand und zischte ein „on uoy tnod ees em“. Der Cop hielt sofort wieder an, stieg ab, und stellte sich mit seiner Laserpistole und einem leeren Ausdruck in den Augen an den Straßenrand, als sei nichts geschehen.

An der Kreuzung bog sie nicht links zu ihrem Haus ab. Sie hatte sich entschieden. Mit dem wollte sie nicht einen einzigen Tag in ihrem Haus verbringen, schon gar nicht die Monate, die es dauern würde, bis er Fleisch ansetzte. Sie gab noch mehr Gas und raste nach Ryan’s Field.

Sie hielt, wie auch Luke es getan hatte, mitten im Ort an und stieg aus. Ralph folgte ihrem Beispiel und sah sich verwirrt um. Samira stapfte derweil in den kleinen Laden von Mr. Kessler, nahm einen Baseballschläger, kam wieder heraus, und ließ den Schläger mit voller Wucht auf Ralphs linkes Knie niedersausen.

Ralph kreischte und fiel zu Boden. „Das ist für den Scheiß, den du gemacht hast“, brüllte Samira und hob den Schläger erneut. Sie schlug ihm wohl dosiert gegen die Schläfe, und er verlor das Bewusstsein.

Eine Menschentraube hatte sich um die beiden gebildet. Die grau und schwarz gewandeten Bewohner von Ryan’s Field amüsierten sich königlich. Es passierte nicht alle Tage, dass mitten im Ort eine Hexe eines ihrer Opfer verdrosch. Mr. Hart kam aus einem der Häuser und kicherte beifällig.

„Sehr schöne Einlage, Samira. Aber, äh, wer ist das? Doch nicht etwa der, den du für uns …“

„Doch“, knirschte Samira, „aber den behalte ich keine Minute in meinem Haus! Und seht ihn euch an, wie lange soll ich den denn mästen?? Hätte Paul keinen anderen aussuchen können?“

„Er wählt immer die, die keiner vermisst.“

„Ja, aber den da hätte er nicht auswählen sollen!“

„Und was nun? Wir hatten doch eine Abmachung!“ Mr. Hart und die anderen funkelten Samira zornig an.

„Schon, und ich gedenke, sie auch einzuhalten. Aber ich würde euch auch nicht empfehlen, den da zu essen. Diese Lebenskraft schlägt euch nur auf den Magen.“

Mr. Hart verlangte eine Erklärung. Samira erzählte, was Ralph für einer war, wie er feige Verleumdungen über das Internet verbreitet und anderen hinterher geschnüffelt hatte, und alle traten angeekelt einen Schritt zurück. Alle hier liebten das Böse in seinen vielen Gestalten, aber Feigheit duldeten sie nicht. Wenn sie ihn aßen, nahmen sie diese Eigenschaft in sich auf. Wer wollte schon ein feiger, hinterfotziger Vollidiot werden?

„Was schlägst du nun vor, Samira? Willst du ihn totschlagen und wir verscharren ihn?“

„Im Oktober ist Halloween. Warum bewahrt ihr ihn nicht in einem der Kellerverliese bis dahin auf und zeigt ihm dann, was wir von Typen wie ihm halten?“, fragte sie lächelnd. Alle lächelten zurück.

„Eine gute Idee“, meinte Mr. Hart gut gelaunt und verkündete seinen Anhängern feierlich: „So einer verdient den Tod eines Verräters, den auch Chris erleiden wird, wenn wir seiner habhaft werden. Wir bewahren den hier auf und üben an ihm. Denn einen Verräter haben wir seit fast zweihundert Jahren nicht mehr vernichtet. Wir wollen doch perfekt sein, wenn Chris wieder bei uns ist, oder nicht?“ Alle lachten roh und nickten. Zwei Männer in Grau traten vor und schleiften Ralph zu den Frischhaltehäusern abseits der Straße. Sie waren schalldicht und ausbruchsicher. Dort hängten sie ihn an den Handgelenken auf.

„Schön, aber was ist jetzt mit unserem Mastvieh, das du uns versprochen hast?“ Mr. Hart ließ nicht locker. „Was ist mit diesem Jim? Du hast ja noch das Ba- …“

„Ja, schon. Aber Jim will ich noch prüfen … er hat durchaus Potential, müsst ihr wissen.“

„Für was“, fragte Mr. Hart angewidert, glaubte er doch, es ginge dabei um Sex, den er verabscheute.

„Einer von uns zu werden. Ein Hexendiener. Vielleicht sogar ein Magier. Ich bin noch nicht sicher.“

„Der? Der harmlose, kindische Typ?“

„In ihm lauert viel verdrängte Dunkelheit. Er hat mir alles erzählt. Das Böse beherrscht sein ganzes Leben, ohne dass er es weiß … es wäre eine reine Verschwendung, ihn zu essen.“

„Hm.“ Mr. Hart strich sich nachdenklich seinen mächtigen Rauschebart. „Aber du musst verstehen, Samira, dass wir auch darauf bestehen, dass du uns einen Gemästeten bringst, den wir verspeisen können. Sandra und William …“ er seufzte, „nun, sie wollen sich verloben … die Zeiten haben sich geändert, früher hätten wir einen Verabscheuten, der auf so eine Idee kommt, voller Empörung an seinen wertlosen Geschlechtsteilen aufgehängt, aber seit Chris … und Sandra liebt ihn. Viele drängen mich, sie zu einer Verabscheuten zu erklären und den beiden meinen Segen zu geben. Aber mich schaudert es bei diesem Gedanken.“ Alle um ihn herum warfen sich unbehagliche Blicke zu und schüttelten sich, jedenfalls die meisten. Die in Grau und Weiß jedoch verschränkten die Arme und sahen die Schwarzgewandeten herausfordernd an. Die Atmosphäre hatte sich verändert, normalerweise forderten die Verabscheuten keinerlei Rechte ein und hatten auch keine. Chris hatte die alte Ordnung völlig durcheinandergebracht. Schon ewig hatte kein Erhabener mehr seinen Lebensstil aufgegeben, schon gar nicht Mr. Harts erwählter Nachfolger, der seine geliebte Enkelin geheiratet hatte. Der Schock darüber saß noch immer tief. Sandra hatte diese Schmach nie vergessen können und wollte Rache. Und jetzt war sie sogar so tief gesunken, einen Verabscheuten zum Mann zu nehmen, ja sogar selbst eine Verabscheute zu werden, freiwillig! Niemand konnte das verstehen. Es war alles nur die Schuld von Chris. Er hatte sie so tief verletzt, dass sie völlig aus der Bahn geworfen worden war.

„Nun ja, da ist noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Aber für den Fall eines Falles brauchen wir einen außergewöhnlich guten Festtagsbraten. Ich mag William … Er ist ein guter Junge und ich wünschte mir, er wäre nicht als Verabscheuter aufgezogen worden … hätte ich ihn bloß einer Erhabenen Familie übergeben, als er drei Jahre alt war! Er wäre der perfekte Nachfolger für mich.“ Alle hielten vor Staunen oder Empörung die Luft an. Das war ein ungeheuerlicher Gedanke. Samira war das völlig Wurst. Die Querelen der Erhabenen und der Verabscheuten fand sie überflüssig. Man vergeudete durch Sex keine Lebenskraft, und die, die freiwillig für ihr ganzes Leben darauf verzichteten, hatte in ihren Augen auch keine besonderen Rechte. Aber sie lebte nun einmal hier, in der Nähe von Sharpurbie, und sie wollte an den Zeremonien teilnehmen und jederzeit der riesigen Spirale, dem Tor zwischen den Dimensionen, einen Besuch abstatten können. Also musste sie sich arrangieren. Ungeduldig trat sie von einem Fuß auf den anderen. Die halbe Tablette Bralocolin würde nicht ewig wirken, mehr durfte sie einer Schwangeren aber nicht geben. Es wurde Zeit, nach Hause zurückzukehren. Wie sie es hasste, wegfahren zu müssen, während die Beute unbeaufsichtigt in ihrem Haus wartete!

Mr. Hart schien sich entschieden zu haben. Er sah sich genau um und wies schließlich mit dem Finger auf einen jungen Mann in Grau, der dumm in der Gegend herumstand und Samira gierig beglotzte.

„Du! Ja, du! Wie heißt du?“

Der Bursche verneigte sich. „Sebastian Peters, Sir.“

„Ah, ja. Deine Familie dient den Crawfords, nicht wahr?“

„Ja, Sir. Wir haben diese hohe Ehre seit 1534.“

„Und deine Eltern, haben sie genug Nachkommenschaft produziert?“

„Ich habe zwei Brüder … und eine Schwester, Sir. Die Crawfords haben sie für sich beansprucht, und sie wächst seit drei Jahren bei ihnen auf.“

„Ah stimmt, ich erinnere mich an die Übergabezeremonie. Dann ist sie aber seitdem nicht mehr deine Schwester und du darfst sie nie mehr so nennen! Sie ist jetzt eine Crawford und eine Erhabene und steht weit über dir!“ Mr. Hart sah den Jungen streng an. Der erbleichte.

„Ich wollte nur Ihre Frage beantworten, Sir …“

„Na, ist ja auch egal. Da sind noch zwei Brüder, die den Crawfords dienen können, also bist du entbehrlich. Samira wird dich mästen. Und wie ich sie kenne, dich vorher für dein verlorenes Leben, dein verlorenes Fleisch, auch fleischlich entschädigen. Steig in den Wagen.“

Gemurmel erhob sich. Samira sah sich aufmerksam um. Zu ihren geheimen Aufgaben, ihr von Tania Vehl persönlich übertragen, gehörte es, zu spionieren und die Stimmung in Ryan’s Field und Sharpurbie einzufangen und Bericht zu erstatten. Und es veränderte sich vieles. Die Spirale, die noch von den Kindern der Lilithu in Beschlag genommen wurde, würde bald endlich wieder den Hexen gehören. Chris hatte die alten gesellschaftlichen Strukturen gesprengt. Die Verabscheuten muckten auf. Sebastian wirkte alles andere als geehrt und dankbar, wie er noch vor dem Skandal um Chris gewesen wäre, denn als Braten auf der Tafel vom Hohepriester von Sharpurbie zu enden, war das Höchste, was ein Verabscheuter jemals erreichen konnte. Früher hätten sich die Burschen im passenden Alter - zwischen sechzehn und achtundzwanzig - darum geschlagen. Heute sahen die anderen Sebastian schadenfroh an und wirkten zutiefst erleichtert. Keine Frage, sie hofften auf eine Veränderung ihrer Lebensverhältnisse. Sie wollten nicht länger die Sklaven der Erhabenen sein. Und niemand sah es mehr ein, sein Leben für sie zu opfern. Das war ja interessant. Samira würde später eine lange E-Mail an ihre Gebieterin schreiben, soviel stand fest.

Sebastian sah die anderen hilfesuchend an, aber keiner stand ihm bei. Soweit waren sie noch nicht. Keine Revolution in Sicht, jedenfalls nicht in nächster Zeit. Er verbeugte sich halbherzig und stieg in Samiras eleganten Flitzer. Sie verabschiedete sich von Mr. Hart und versicherte ihm, dass es nicht lange dauern werde. Wenigstens wusste der hier, dass er zunehmen musste, und würde sich nicht sträuben.

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