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XV
Der Advokat

 
Wenn er ein Haar zerspalten kann,
So ist er just der rechte Mann;
Kann er’s nur in die Queer tranchiren,
So taugt er bloß dich zu barbieren.
 
Der Verf.

Der Doctor Rebhahn in B. . . war nach meiner Meinung der rechte Mann, um für Ferdinands Leben mit dem gewöhnlichen Stumpfsinne der Herren vom grünen Tische (der Urtheilsverfasser) einen siegreichen Kampf zu kämpfen. Zwar kannte ich ihn nicht persönlich, aber ich hatte mehrere Vertheidigungs-Schriften von ihm gelesen, die mit soviel Rechtskunde, Menschenkenntniß, Scharfsinn, Gefühl und Beredtsamkeit abgefaßt waren, daß ich von dem inneren Gehalt und Werthe dieses Menschen die höchste Idee gefaßt hatte.

Ich ging zu ihm. Ich hatte mir einen Mann in den mittleren Jahren, eine einnehmende und imposante Rednergestalt vorgestellt. Nichts weniger. Klein, hager, nicht eben verwachsen, aber merklich schief gestellt, eine spitzige, burgunderrothe Nase, graue, schlaue, stechende Augen unter struppigen Braunen, mehr Puder als Haar auf dem Kopfe, und dem Ansehen wie der Kleidung nach mit zwei Drittheilen des gewöhnlichen Menschenalters noch dem vorigen Jahrhundert angehörig; empfing er mich unter seinen Acten, wie ein Handwerker in seiner Werkstatt einen Kunden zu empfangen pflegt. Nachdem ich ihm Namen und Stand gesagt hatte, kippte er einen Stuhl um, auf welchem ein Actenberg gelegen hatte, und bot ihn mir zum Sitz, mit der Bitte, ihm mein Begehren sonder Einleitung und Umschweif vorzutragen. Sobald ich den Namen Albus genannt hatte, unterbrach er mich.

»Habe bereits von dem casu gehört. Fratricidium (Brudermord), freiwillige Selbstanklage unter seltsamen Umständen, den Tag vor der Hochzeit! Der Rumor läuft seit diesem Morgen durch ganz B. . ., immaßen der Herr Kammerrath Brand schleunig absagen lassen, und die Contenance dergestalt verloren, daß er die Ursache gegen seine Hausleute laut werden lassen. Der Herr Criminalrichter, hör’ ich, sind in dem werthen Hause bekannt?«

Ich bejahte, und fügte hinzu, daß ich an dem Unglück dieser Familie den lebhaftesten Antheil nähme, und es zu mildern hoffte, wenn ich den geschicktesten Sachwalter der Gegend bewegen könnte, die Vertheidigung des Inquisiten zu übernehmen.

»Oh, bitte recht sehr! Ja ja! Das schöne Judenmädchen ist schon dazu geeigenschaftet, lebhaften Antheil zu erregen. Der Herr Vater haben etwas dranzuwenden. Stelle nicht in Abrede, daß ich schon im Stillen auf den merkwürdigen Fall mich ein wenig gespitzt habe.«

An welchen Menschen war ich gerathen! War das der Verfasser jener meisterhaften Vertheidigungsschriften? Er klingelte, und sprach einer alten Magd in das Ohr.

»Der Herr Doctor« sagte ich, indem ich den Blick über die zahlreichen Actenstöße hinweg streifen ließ: »scheinen mit Geschäften sehr überladen zu seyn. Vermuthlich haben Sie einige junge, geschickte Anfänger zu Gehülfen?«

»Keinesweges. Selber ist der Mann, Verehrtester! Schreibe kein concepi unter fremdes Machwerk, und nehme nicht mehr an, als ich bezwingen kann. Excipe die Defensionen! Das ist mein Leibfach, da muß alles Andere warten.«

Also doch der rechte Mann? dacht’ ich. Die Magd brachte Wein und Imbiß. Ich stand auf, äußerte, daß ich pressirt sei, und bat nur um seine Erklärung, ob er die Acten am Orte des Gerichts lesen, oder zugesendet haben wollte.

»Bitte, ein Gläschen Ungar anzunehmen. Acten? Hm! Werden nicht dick seyn, und das beste Actenstück ist immer des Inquisiten Person. Werde mich also selbst einstellen. Der Herr Criminalrichter interessiren sich für die Sache, können mir inzwischen Ihre Privat-Ansicht mittheilen.«

Ich gab ihm den Hauptinhalt des Verhörs. Er hörte Anfangs schlau lauernd zu, als ob es ihm weniger um den Fall zu thun wäre, als um die Durchschauung meines Innern, und ich schrieb es bloß dem Weine zu, dem er fleißig zusprach, daß nach und nach seine Augen diesen unangenehmen Ausdruck verloren, und ein lebhafteres Feuer annahmen. Ich hatte mich geirrt.

»Prächtiger Fall!« rief er aus. »Eine Grenzlinie zwischen Absicht und Zufall, That und Unfall, wie die Schneide eines Rasiermessers.«

»Leider, Herr Doctor!«

»Thut nichts, thut nichts; wollen die Brodmesser der Herren von der Tafelrunde schon schleifen mit Gottes Hülfe. Wann werden der Herr Criminalrichter wieder zu Hause eintreffen?«

»Heute noch.«

»Werde mich morgen einfinden, vorausgesetzt, daß die Wahl des Inquisiten« –

»Dafür steh’ ich; er ist für seine Vertheidigung völlig gleichgültig.«

XVI
Das Urthel

Sie fassen’s nicht, was That, was Unfall ist.

Alf im Yngurd. V, 12.

Rebhahn kam, sprach den Verhafteten, nahm die Acten mit, und acht Tage später hatte ich eine Vertheidigungsschrift in den Händen, die ich als Rechtsgelehrter bewundern mußte, und die mich mit neuer Hoffnung erfüllte.

Dünne Acten haben in den Recht-sprechenden Collegien eine Art von Prärogative vor den dicken: sie werden eher gelesen. Binnen Monatsfrist ging das Urthel ein; aber welch’ ein Product!

»Ob es wohl scheinen möchte (das war ungefähr die Quintessenz seines Inhalts), daß Inquisit, da er seinen, eine ansehnliche Summe Geldes bei sich habenden Bruder unter dem Vorwande, ihn gegen Räuber zu schützen, in den Wald begleitet und zu diesem Behuf ein geladenes Terzerol mitgenommen, hierauf aber von demselben zu seinem eigenen Handels-Etablissement Geld begehret, ingleichen darüber, daß der Bruder sothanes Geld nach M. . . tragen wollen, anstatt es ihm auszuzahlen, sich bitterlich beschweret, ferner bei dessen fortgesetzter Weigerung demselben das Terzerol vorgehalten und ihm die darin befindliche Kugel durch das Gehirn zu jagen gedrohet, demnächst, als der Bedrohte zu seiner Vertheidigung nach dem bei sich gehabten Stockdegen gegriffen, Inquisit mit dem Terzerole dergestalt nach ihm geschlagen, daß solches losgegangen und ihn getödtet, worauf auch Inquisit, als der Geschossene todt gewesen, demselben Goldbörse, Brieftasche und Uhr ab und an sich genommen – als ein Raubmörder anzusehen, und dannenhero auf die Strafe des Rades gegen ihn zu erkennen wäre: Dennoch aber und dieweil Inquisit weder eingeräumet, noch aus dessen Handlungen nach der That mit Sicherheit abzunehmen, daß er die dem Erschossenen abgenommenen Gegenstände, als welche er dem Gericht übergeben, habe behalten wollen, hiernächst auch die Absicht eines Raubes sich gewissermaßen schon dadurch widerleget, daß der Inquisit, wenn ihm der Mord und die mit der schlauesten Heuchelei eingeleitete Verbergung des Urhebers gelungen wäre, ohnehin das ganze Vermögen des Ermordeten als nächster Intestaterbe überkommen haben würde, mithin aus den Acten bloß soviel zu befinden, daß der Inquisit um künftigen Vortheils willen mehr gedachten seinen Bruder heimlich um das Leben gebracht, und die That auf einen Unbekannten zu schieben versucht, wobei ihm jedoch, hinsichtlich des Blutsverwandten-Mordes und anderer zur Verschärfung der Todesstrafe geeigneten Umstände, sowohl das freiwillige und aus Reue herrührende Geständniß, als auch insonderheit der Umstand zu statten kommt, daß er an dem Ermordeten die vor ihm geforderte Summe wirklich zu fordern gehabt – etc. etc. etc.; So ist derselbe, wenn er von dem hochnothpeinlichen Halsgericht nochmals bei seinem gethanen Bekenntnisse beharret, mit dem Beil vom Leben zum Tode zu richten und zu strafen, auch werden die Unkosten aus seinem Vermögen – u. s. w.«

Wie gesetzmäßig auch immer die ausgesprochene Strafe seyn mochte; die Entscheidungsgründe waren wenigstens nicht denkgesetzmäßig. Albus hörte sie bei der Publikation mit Erstaunen, mit Unwillen, endlich mit so sichtbarem Ingrimm an, daß ich einem heftigen Ausbruch seines tiefverwundeten moralischen Ehrgefühls entgegen sah. Doch sobald er die Straf-Bestimmung vernahm, legte sich plötzlich der Sturm seines Gemüths, und sein Gesicht wurde heiter.

»Das ist gerecht,« sagte er: »das ist das Recht, welches ich fordern kann, weil ich es verdient habe. Aber großer Gott, was sind das für Menschen! Mußten sie mich denn in ihrer Vorstellung erst zum Teufel machen, um zur Versöhnung mit Gott mir den Weg zu eröffnen?«

Als ich ihm mit Bekümmerniß eröffnete, daß ich nunmehro genöthiget seyn würde, ihm Fesseln anlegen zu lassen, antwortete er: »Wie unnöthig sie sind, wissen Sie; aber nennt man sie nicht Geschmeide? Die Henkersprache hat die Wahrheit getroffen; sie sind ein Schmuck der selbsterkannten Schuld, und den hab’ ich vermißt. Beschleunigen Sie nur die Zeit, wo ich ihn mit dem Purpur vertauschen werde, der den Knecht der Leidenschaften zum König macht.«

Von einer zweiten Vertheidigung wollte er nichts hören. Als ich ihn von der gesetzlichen Unerläßlichkeit derselben überzeugt hatte, sagte er kalt: »Nun, wenn es seyn muß, so mag Herr Rebhahn schreiben; nur bitt’ ich um die Erlaubniß, ihn nicht wieder zu sehen, er ist mir zuwider.«

»Und doch ist er der einzige Mann, der Sie vielleicht noch zu retten vermag.« –

Stolz warf er die Lippen auf: »Gerettet bin ich, er will mich wieder verdammt wissen, verdammt zu der vorigen Quaal.«

XVII
Die lange Bank

 
Wer will denn alles gleich ergründen,
Sobald der Schnee schmilzt, wird sich’s finden.
 
Göthe.

Das Gerücht hatte nicht gesäumt, das Todesurtheil vor Marianens Ohren zu bringen. Es würde mich beruhiget haben, wenn ich sie in lautem Jammer gefunden hätte. Aber die Last ihres Leides schien sich so tief in den Grund ihrer Seele hinabgesenkt zu haben, daß der Spiegel ihres Lebensstromes nur durch eine schwache, aber feststehende Welle dessen Daseyn anzeigte. In ihrem ganzen Wesen lag eine Art von stillem Trotz gegen das Unglück, der mich fürchten ließ, daß für den äußersten Fall ihre Parthie genommen seyn möchte.

Der Doctor Rebhahn lachte über das Urthel. »Man muß gestehen,« sagte er: »daß die Herren ihre Zweifelsgründe verteufelt wohlfeil eingekauft haben. Sie hätten eben so gut darüber zweifeln können, ob Albus nicht etwa auf den Scheiterhaufen gehöre, weil er Feuer eingeworfen, nemlich in die Pfanne des Terzerols. Desto leichter hätten sie die Widerlegung gehabt, welche ihnen die Entscheidungs-Gründe liefern sollte. Der beste wäre dann gewesen: Wo das Feuer nicht anwendbar ist, da nimmt man das Eisen, wie Hypokrates gesagt hat, oder Galenus, oder Gott weiß, welcher alte Arzt.«

»Aber wie denken Sie nun die Sache zu wenden?«

»Werde vor der Hand die lange Bank versuchen, werde den Herrn Untersuchungs-Richter ein wenig chikaniren, mit Erlaubniß. Kann eine kleine Nase absetzen, aber interim aliquid fit.« (Indessen kann sich etwas zutragen.)

In der That zögerte er mit der zweiten Vertheidigungs-Schrift, und trat endlich mit der früher nur oberflächlich berührten Einwendung auf, daß in der Untersuchung ein Fehler begangen worden: der Thatbestand sey nicht vollständig erhoben, es sey nichts geschehen, um das Werkzeug herbeizuschaffen, womit der Todtschlag begangen worden seyn sollte. Das sey aber nothwendig, wenn noch irgend eine Möglichkeit vorhanden sey, es zu finden, weil das Werkzeug eben so gut Vertheidigungsgründe liefern könnte, als eine Leichenöffnung. Er verlangte Nachsuchung im Strome. Natürlich war sie vergebens; denn wie findet man ein Terzerol wieder auf dem Grunde eines klaftertiefen Stromes?

»Die Nachsuchung war nicht sorgfältig genug,« behauptete er: »man wiederhole sie.« Er hatte sich da, wie man sieht, eine Schraube ohne Ende geschnitzt, die ich ihn nicht nach Belieben gebrauchen lassen konnte. Ich erstattete Bericht an die Landesregierung. Hier hatten Rebhahns Rechtsgründe, von dem Buchstaben eines Gesetzes unterstützt, so viel Eingang gefunden, daß man in Verlegenheit kam, was man zur Beseitigung des Einwandes anordnen sollte. Ein zufälliger Umstand half unerwartet aus. Das Departement des Straßenbaues hatte eben beschlossen, die hölzerne Brücke, welche alljährlich viel von dem Eisgange zu leiden pflegte, abbrechen und eine steinerne bauen zu lassen. Zu diesem Behuf sollte der ganze Strom durch Abdämmung und Grabung zweier Interims-Canäle, die bei niedrigem Wasserstande seine Fluth fassen konnten, gezwungen werden, für die Zeit des Grundbaues den ganzen Theil seines Bettes zu räumen, in welchem gebaut werden sollte. Nun meinte man, eine noch sorgfältigere Nachsuchung nach dem Terzerol, als sie bei dieser Gelegenheit ausführbar seyn würde, könne der Doctor Rebhahn (den man, beiläufig gesagt, seines bisweilen lästigen Scharfsinnes wegen, gern von Zeit zu Zeit einmal auf das Maul schlug) nicht verlangen. Sie solle geschehen, und wenn das Werkzeug sich nicht fände, müsse man es für unauffindbar erachten.

XVIII
Die blauen Bohnen

 
»Caspar, ich bringe dich um!
Sag’, was war das für eine Kugel?«
 
Max im Freischützen.

Rebhahn triumphirte. Das gab seiner Meinung nach einen Aufschub von ein Paar Jahren. Aber der Herbst und der gelinde Winter waren so trocken, daß in der Mitte des Dezembers schon die Interims-Canäle eröffnet wurden, und bald der Brücken-Grund trocken gelegt war. Das Terzerol fand sich zu Rebhahns großem Aerger. Albus erkannte es als das seinige an. Sein Name, F. A., war in dem Beschläge eingegraben. Es wurde dem Defensor an Gerichtsstelle vorgelegt. Er wendete es verdrießlich in der Hand hin und her; alles war mit Albus Bekenntnisse im besten Einklange. Der rechte Lauf abgeschossen, am linken der Hahn gespannt, und, wie das zu einer festen Masse gewordene Zündkraut unter der Batterie zeigte, noch geladen. Nachdem er vorsichtig den Stein abgeschraubt hatte, um das zufällige Losgehen unmöglich zu machen, visitirte er den geladenen Lauf.

»Daß dich der Donner!« sagte er: »wenn da nicht Schlamm hineingekommen ist, so ist das ein ganz pestilenzialischer Schuß. Wollen das doch ’mal herausfördern.«

Der Förster des Ortes, der mit den nöthigsten Instrumenten eines Büchsenmeisters versehen war, und zu welchem wir uns sogleich verfügten, unterzog sich der Oeffnung der Schwanzschraube in unserer Gegenwart. Er fand die gewöhnliche Pulverladung, aber – zwei Kugeln statt einer.

»Alle Wetter,« rief Rebhahn: »was ist das? Stecken in dem Laufe zwei blaue Bohnen; was alle tausend Teufel – was ist denn in dem andern gewesen?«

Ich selbst war von der Erscheinung frappirt. Nach Marianens Erzählung waren gar keine Kugeln vorhanden gewesen, und Heinrich hatte deren nur zwei (wozu hätt’ es auch einer dritten bedurft?) vom Büchsenmeister in B. . . herbeigeholt. – Mir fuhr der Gedanke durch den Kopf, daß man bei Ladung eines Doppelgewehrs sich leicht irren kann, wenn man nicht unmittelbar hinter einander beiden Röhren Pulver giebt, und nicht beide Kugeln zugleich auf die Mündung setzt: denn wendet man das Gewehr nur in der Hand, was leicht bewußtlos geschehen kann, zumal im Gespräch, so wird das rechte Rohr zum linken, und beide werden verladen.

»Richtig, richtig!« sagte Rebhahn: »es ist klar, der rechte Lauf ist mit Mondschein geladen gewesen!« –

»Aber woher dann die Kugel in Heinrichs Brust?«

»Was? Kugel? Kugel aus der Leiche? ist sie da?«2

»Versteht sich.«

»Fort, fort, fort! Kommen Sie! Die Kugel, die dritte Kugel!«

Er raffte die einzelnen Theile des zerlegten Terzerols hastig zusammen, steckte die kleinen in die Tasche, und eilte, die Läufe in der Hand behaltend, aus des Försters Stube auf die Straße, und unaufhaltsam dem Amthause zu.

Wollt’ ich nicht gänzlich die Anstandslehre bei Seite setzen, die, ich weiß nicht mehr in welchem, Ifflandischen Schauspiele vorkommt: Das Amt muß sich stets langsam zeigen; so konnt’ ich ihn nicht eher, als in der Gerichtsstube einholen. Da stand er vor dem Actuar, welcher bereits das mit dem Gerichtssiegel verwahrte Schächtelchen herbei geholt hatte, in welchem die Kugel quaestionis befindlich war.

»Die Kugel, die Kugel!« rief er ungeduldig mit den Füßen trampelnd, während der Actuar zu zweifeln schien, ob er das Siegel lösen dürfe. »Geschwind, öffnen Sie! Defensor recognoscirt das Siegel für unverletzt.«

Ich that es, selbst ungeduldig, wie er. Er hielt die Läufe aufrecht hin mit zitternder Hand. Ich versuchte die Kugel, und sie war – zu groß. Kein Zweifel, daß sie wenigstens doppelt soviel Gewicht haben mußte, als dieser Kaliber aufnehmen konnte.

»Nun – nun – nun?« sagte Rebhahn kichernd vor Vergnügen: »da soll mir doch der leibhaftige Teufel herkommen, und soll mir das ’mal da hinein laden! Soll ’mal machen, daß es da heraus kommt, kugelrund, wie Figura!«

»Es ist augenscheinlich,« sagt’ ich: »aber unbegreiflich!«

»Was, Herr? Daß die Kugel da nicht drin gewesen seyn kann, das soll mir der vernagelteste Tribunalsrath begreifen! mit Händen greifen! Protokolliren Sie das Novum, den neuen Befund, in optima forma! Albus ist unschuldig!«

»Aber sein Bekenntniß« –

»Ist erlogen, oder ein Irrthum.«

Es gab in der That keine andere mögliche Erklärung, als eine von diesen beiden. Die erste machte den Versuch räthlich, den Selbstankläger zu überraschen, um hinter die Wahrheit zu kommen. Ich ließ ihn vorführen, nachdem das Gewehr wieder zusammengesetzt worden war.

»Albus, es hat sich ein Umstand ereignet, über welchen ich Sie zu den Acten vernehmen muß.« – Ich ließ ihm das Protokoll seines Bekenntnisses vom Actuar vorlesen. – »Das ist wörtlich Ihre Selbstanklage; beharren Sie dabei?«

»Ja.«

»Das ist das Terzerol, welches Sie für das Ihrige, für das Werkzeug des Todtschlags anerkannt haben. Beharren Sie dabei?«

»Ja.«

»In dieser Schachtel war die Kugel aufbewahrt, welche Ihren Bruder getödtet, die man in seiner Brust gefunden hat. Ich selbst habe sie heraus nehmen sehen, aus des Wundarztes Hand empfangen, in diese Schachtel gelegt, und mit dem Gerichtssiegel verwahrt. Hier ist sie.«

»Nun?« fragte er unwillig: »soll ich dabei beharren, daß sie – von Blei ist?«

»Das nicht; aber ich muß verlangen, daß Sie dieselbe vor meinen Augen noch einmal in dieses Terzerol laden.«

»Höhnen Sie mich? Sie, sonst so menschenfreundlich?«

»Es gilt nur eine pedantische Form des Criminalproceßes. Versuchen Sie!« –

Er brachte die Kugel auf die Mündung und stutzte. »Das ist nicht –« er sah mich und den Doctor wechselsweise an, sein Mund verzog sich höhnisch, er warf Kugel und Gewehr auf den Tisch, und sagte zu Rebhahn: »Teufels-Advokat! Du willst mich versuchen, wie Dein Meister den Herrn! Du willst Ehre einlegen mit Deiner Arbeit, Du willst das Gericht betrügen, Du hast die Kugeln wie ein Taschenspieler vertauscht.«

Ich betheuerte ihm die absolute Unmöglichkeit, ich beschwor ihm die Wahrheit meiner Worte bei unserer früheren Freundschaft und »so wahr Mariane Sie liebt

Sein Athem stockte bei diesen Worten, seine Brust hob sich und sank, wie Wellen im Sturm, die Augen wurden starr, die Hand fuhr nach der Stirn, die er ängstlich damit rieb; er war in dem Zustande eines Menschen, der an seinem Bewußtseyn, an der Gesundheit seines Gehirnes zweifelt.

»Wenn das – Gott im Himmel! wenn – wenn – aber es ist ja nicht möglich – nicht denkbar!« –

»Wer weiß? Wie viel hatten Sie Kugeln, als Sie das Terzerol ladeten?«

»Zwei.«

»Nur zwei?«

»Heinrich brachte nicht mehr.«

»Nun, Albus, und in diesem einen, nicht abgeschossenen Laufe fanden wir beide Kugeln.«

»Oh Herr Jesus!« rief er: »mein Kopf, mein Kopf!«

Er warf sich damit auf den Tisch, richtete sich bald darauf heftig empor, schlug die Augen gegen die Decke, und sagte: »Ich sehe nichts – nichts! Der Teufel trachtet nach meiner Seele, er hat mich geblendet mit glühendem Stahl.«

2.Daß Rebhahn erst jetzt darnach fragte, war ein starker Defensor-Fehler. Die Größe der Kugel würde gleich Anfangs Zweifel in ihm geweckt haben, auf welche er ohne dieselbe freilich hier nicht verfallen konnte, da das Geständniß vorhanden war.
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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
100 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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