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Neues Weiterbildungsgesetz: Marktfreiheit plus Wirtschaftsförderung

Das neue Weiterbildungsgesetz des Bundes wird 2014 vom Parlament verabschiedet und tritt Anfang 2017 in Kraft (WeBiG 2014). Es schreibt die marktliberale Doktrin fort. Vorrangiges Ziel ist gemäß Gesetzestext (Art. 4) die Sicherstellung »günstiger« Rahmenbedingungen für Weiterbildungsanbieter und für die individuelle Weiterbildungsteilnahme. Die Verantwortung ist vor allem den Einzelnen zugewiesen, während der Beitrag der Arbeitgeber erwähnt, aber nicht eingefordert wird (Schläfli 2015). Damit ist gesetzlich festgelegt, dass wichtige Ansatzpunkte zielgerichteter Weiterbildungsförderung und Steuerung auch künftig ungenutzt bleiben sollen. Dem Staat kommen weiterhin vor allem subsidiäre Aufgaben zu »in Ergänzung zur individuellen Verantwortung und zum Angebot Privater« (WeBiG 2014, Grundsätze, Art. 5).

Zu den wenigen konkret beschriebenen Aufgaben des Bundes zählen etwa die Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener, die Nachfragefinanzierung in begrenzten Bereichen, die Weiterbildungsstatistik (Monitoring) und die Weiterbildungsforschung. Das Gesetz definiert regulative Grundsätze zu Eigenverantwortung, Qualität, Chancengleichheit und Wettbewerbsfreiheit sowie zur Anrechnung von individuellen Weiterbildungsleistungen an die formale Bildung, deren Ausgestaltung allerdings offen bleibt. Das Gesetz ist so konzipiert, dass seine Grundsätze in den bereichsspezifischen Bildungsgesetzen konkretisiert werden, beispielsweise im Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz (HFKG 2011) und im Berufsbildungsgesetz (BBG 2002).

Für alle staatlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Weiterbildung gilt im Übrigen die Einschränkung, dass sie »den Wettbewerb nicht beeinträchtigen« dürfen, da dies die Märkte verzerren würde. Diesem Anliegen widmet der ansonsten allgemein und knapp gehaltene Gesetzestext einen eigenen Artikel (WeBiG 2014, Art. 9). Zum bescheidenen weiterbildungspolitischen Gestaltungswillen, der im Gesetz zum Ausdruck kommt, haben sich Verbände der Erwachsenenbildung und Gewerkschaften bereits in der Entwurfsphase kritisch geäußert (z. B. SVEB 2012a; Polito 2012). Offensichtlich konnten sich im Gesetzgebungsprozess jedoch Interessenorganisationen der privaten Bildungsanbieter (z. B. der Verband edu-suisse, edu-suisse 2012), unterstützt durch Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parlamentsmehrheit, gegen wirkungsvollere Regulierungen und zukunftsorientierte staatliche Finanzengagements erfolgreich durchsetzen. So, dass mit dem Weiterbildungsgesetz nun auch ein Wirtschaftsförderungsgesetz für die Weiterbildungsbranche vorliegt.

Die Tatsache, dass in der Schweiz ein aktives marktordnendes und qualitätssicherndes staatliches Engagement fehlt, bedeutet aber nicht, dass die Gesamtentwicklung der berufsorientierten Weiterbildung dem »freien Spiel« der Märkte überlassen wäre. In der Art und Weise, wie das Weiterbildungssystem auf Qualifizierungsbedarfe von Wirtschaft und Arbeitsmärkten antwortet, sind durchaus strukturierende Kräfte erkennbar. Angebot und Entwicklungsdynamik werden von den bestehenden Strukturen der Bildungsbranche bestimmt, insbesondere von großen Anbietergruppen und korporativen Interessenverbünden. Diese verfolgen nicht nur weiterbildungsspezifische Zielsetzungen. Sie konkurrieren um Themenführerschaft und Alleinstellung im Geschäftsfeld, um Marktanteile und Nachfragevolumen, um staatliche Anerkennung und Förderbeiträge, um Qualitätszertifikate oder Rankingpositionen. In ihren kompetitiven Zielsystemen stehen die Kohärenz, die Transparenz und Anschlussfähigkeit der Bildungswege nicht zwangsläufig an erster Stelle. Dennoch festigen Weiterbildungsdiskurse bis heute den Glauben, das bestehende Weiterbildungssystem schaffe hohen Gebrauchswert für die Gesellschaft – überprüfen lässt sich das nur schwer, da klare weiterbildungspolitische Zielsetzungen und aussagekräftige Datengrundlagen fehlen.

Indem das Weiterbildungsgesetz die Vorstellungswelt der Märkte und der freien Marktteilnahme bedient, entbindet es die Akteure von der Notwendigkeit, weiterbildungspolitische Grundsatzfragen überhaupt zu debattieren, denn dies wäre in der Marktlogik ein politischer Übergriff. Die Nachfrage figuriert im Gesetz als freie Marktteilnehmerin, und der Blick auf real vermachtete Märkte und Monopole, auf die Machtposition von Anbietergruppen bleibt verstellt. Diese berufen sich in ihrer Angebotspolitik denn auch gerne auf das »Marktbedürfnis« und legitimieren so ihre Verkaufsstrategie.[5]

Unsere kritische Einschätzung der politischen und kommerziellen Struktur der berufsorientierten Weiterbildung bezieht sich hier auf das Gesamtsystem und gilt nicht für alle Teilbereiche gleichermaßen. In vielen Berufs- und Bildungssegmenten gelten heute einheitliche Standards, koordinieren die Anbieter ihr Angebot und hat sich die Kohärenz in den letzten Jahren verbessert. Dies gilt für Teile der höheren Berufsbildung, der Hochschulweiterbildung und der Weiterbildung für öffentliche Funktionen (z. B. in der Gesundheit oder der Betreuung). Für den Anbieter stehen in der Regel die bildungsinhaltlichen Anliegen im Zentrum, während wirtschaftliche und marktbezogene Ziele ebenfalls erfüllt werden müssen. Im Gesamtsystem jedoch haben sich die Gewichte verlagert. Wirtschaftliche und marktbezogene Ziele haben eine gesetzlich bestätigte Vorrangstellung. In vielen privatwirtschaftlichen und öffentlich regulierten Bereichen der Weiterbildung diktieren Strategien der Angebotsexpansion und Produktedifferenzierung den Rhythmus, unterbrochen durch Innovation und Strukturbereinigung. Das unstete Geschäft konditioniert dadurch die Nachfrage nach Weiterbildung, wie Kapitel 3.1 zeigen wird.

Fazit: Geschäftige Weiterbildungsbranche, konzeptlose Politik

Die aktuelle Weiterbildungslandschaft in der Schweiz hinterlässt den Eindruck hoher Geschäftigkeit bei mangelnder Bereitschaft zu politischer Konzeption und transparenter Regulierung von Weiterbildung. Es fehlen nicht nur regulative Bestimmungen, sondern auch weiterbildungspolitische Orientierungskriterien. Während in den Anbieterorganisationen der Weiterbildung – genauso wie im gesamten Bildungssystem (vgl. Kapitel 1.3) – Strategien forcierten Marketings und betriebswirtschaftliche Steuerungsmechanismen sich weitgehend durchsetzen, gibt es kaum konsensuale Vorstellungen darüber, wie denn in der bestehenden Bildungsordnung kontinuierliches Lernen und kohärente Bildungswege zu gewährleisten wären. Immerhin sah selbst die zuständige schweizerische Bundesbehörde, das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), starken Verbesserungsbedarf bei der Transparenz am Weiterbildungsmarkt, bei der Qualität der Angebote, bei der Durchlässigkeit und bei den Schnittstellen zur formalen Bildung (SBFI 2013b).

Ob mit dem neuen, weiterhin der marktliberalen Orthodoxie verpflichteten Weiterbildungsgesetz das von der Fachbehörde formulierte, anspruchsvolle Ziel eines »kohärenten Bildungsraums Schweiz« künftig erreicht werden kann, erscheint aber fraglich.

2.2 Strukturen und Trends in der Weiterbildungsbranche

Zum Gegenstand dieser Studie, der »berufsorientierten Weiterbildung«, zählen Angebote und Programme, die der formalen schulischen und beruflichen Grundausbildung nachgelagert sind oder diese ergänzen. Es handelt sich um Angebote der nichtformalen Bildung, wie sie im Rahmen der internationalen Systematik der Formen lebenslangen Lernens von der Unesco und der OECD definiert wurde (BFS 2013, 3; Zeuner 2011, 586f.). Die höhere Berufsbildung und die Hochschulweiterbildung weichen zwar von dieser Kategorisierung insofern ab, als die betreffenden Abschlüsse in der Schweiz dem formalen Bildungssystem zugerechnet werden (Fischer 2014, 23). Diese Zuordnung gilt allerdings nur sektorspezifisch, es gibt keine generelle Anerkennung von Weiterbildung in der formalen Bildung. Die Ausbildungsgänge, die auf die Abschlüsse der höheren Berufsbildung hinführen, werden als »Vorbereitungskurse« bezeichnet (SKBF 2014, 266f.), obwohl sie formell geregelt sind und staatliche Bewilligungsverfahren durchlaufen müssen. In Ermangelung einer konsistenteren Systematik wird die berufsorientierte Weiterbildung in dieser Publikation generell der Kategorie der nichtformalen Bildung zugeordnet. Die Begriffe Weiterbildung und Erwachsenenbildung werden synonym verwendet.[6]

Welches sind die wichtigsten Angebotssegmente und Geschäftsfelder der berufsorientierten Weiterbildung, und wie sind Marktvolumen und Entwicklungstrends der Weiterbildungsbranche einzuschätzen?

Gliederung des Weiterbildungsangebots

In der Fachdiskussion gibt es mehrere Ansätze, das sehr heterogene Feld der Weiterbildung zu strukturieren. In Anlehnung an die Kategorisierungen bei Weber und Tremel (2008, 10f.) unterscheiden wir in dieser Publikation fünf Angebotssegmente der berufsorientierten Weiterbildung, jeweils einschließlich der Bereiche Beratung und Begleitung (Abb. 2.1).

Zwischen diesen Angebotssegmenten bestehen markante Unterschiede hinsichtlich der formellen Anerkennung, der Finanzierung und der regulativen Bestimmungen. Die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlich und privatwirtschaftlich geregelten Märkten ist dabei von sekundärer Bedeutung. Anbieter und Träger von Weiterbildung können sein:

–staatliche Anbieter, z. B. Schulen, Volkshochschulen, Berufsfachschulen, höhere Fachschulen, Hochschulen, Beratungseinrichtungen;

–korporative Anbieter, z. B. Schulen, Akademien, Kursanbieter, Bildungs- und Beratungsstellen von Verbänden, Gewerkschaften, gemeinnützigen Trägern;

–private Anbieter, z. B. Schulen, Fachschulen, Hochschulen; Kursanbieter und Beratungsstellen; betriebliche Weiterbildung und Personalentwicklung.

Viele Anbieter sind in mehreren Segmenten tätig. Einige bieten beispielsweise Vorbereitungskurse für Abschlüsse der höheren Berufsbildung (im Segment 1) und allgemeine Weiterbildungskurse (im Segment 3) an. Die Angebote decken ein breites Spektrum von Organisationsformen ab, mit unterschiedlichen Gewichten selbst- und fremdgesteuerten Lernens; gelernt wird einzeln oder in Gruppen an Präsenzveranstaltungen und in virtuellen Netzwerken. Das Angebotssortiment erstreckt sich vom Standardkurs bis zum prozessbegleitenden Training und zum Einzelcoaching im Praxisfeld.

Abb. 2.1: Angebotssegmente der berufsorientierten Weiterbildung


1. Höhere Berufsbildung (mit Abschluss)
Kurse zur Vorbereitung auf Berufsprüfungen und höhere Fachprüfungen; Weiterbildungs- und Nachdiplom­studiengänge (Tertiärstufe B)Weiterbildungs- und Laufbahnberatung für die höhere Berufsbildung
2. Hochschulweiterbildung (mit Abschluss)
Certificate, Diploma und Master of Advanced Studies (inkl. vormalige Nachdiplomstudiengänge) an Universitäten, Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen (Tertiärstufe A)Weiterbildungs- und Laufbahnberatung für die Hochschulstufe
3. Allgemeine berufsorientierte Weiterbildung (mit oder ohne Zertifikat)
Fachliche, funktions- und laufbahnunterstützende Kurse, Seminare, Coachings; Angebote der betrieb­lichen Weiterbildung und Personalentwicklungallgemeine Weiterbildungs- und Laufbahnberatung
4. Arbeitsmarktbezogene Weiterbildung
Kurse, Trainings, Integrationsprogramme im Auftrag der Arbeitsmarkt-, Berufsbildungs-, MigrationsbehördenWeiterbildungsberatung zur Erhaltung von »Arbeitsmarkt­fähigkeit«
5. Weiterbildung für öffentliche Funktionen
Kursprogramme, Seminare, Trainings in den Bereichen Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Sicherheit, Migration, Betäubungsmittel usw.Weiterbildungsberatung in diesen Themen

Im Zentrum der Ausführungen dieser Studie stehen als gewichtige Angebotsbereiche die berufsorientierte Weiterbildung mit Abschluss (Segmente 1 und 2) und die allgemeine berufsorientierte Weiterbildung (Segment 3). Die Ausführungen lassen sich unter Beachtung der Spezifika auch auf die anderen Segmente anwenden.

Marktvolumen und Trendeinschätzungen der Branche

Es ist nicht einfach, einen Überblick über die quantitative Entwicklung des Weiterbildungsgeschäfts in der Schweiz zu gewinnen. Während zum Weiterbildungsverhalten der Einzelnen und zur betrieblichen Weiterbildung die Weiterbildungsstatistik des Bundes seit vielen Jahren regelmäßig Daten erhebt (Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE, seit 2011 Mikrozensus Aus- und Weiterbildung), gibt es zum Weiterbildungsangebot und -markt keine standardisierten, periodisch aktualisierten branchenweiten Datengrundlagen. Dies hängt unter anderem mit der starken Aufsplitterung in (unterschiedlich geregelte) allgemein zugängliche, korporative und organisationsinterne Teilmärkte der Weiterbildung zusammen (SKBF 2014, 270). Man behilft sich mit punktuellen Primärerhebungen, z. B. mit Anbieterbefragungen und Branchenstudien zu Teilmärkten, deren Resultate aggregiert und hochgerechnet werden; oder mit der Sekundärauswertung ausgewählter Indikatoren der Weiterbildungsstatistik, von denen auf Anbieterstrukturen geschlossen wird. Seit einigen Jahren erhebt der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) Stichproben von Weiterbildungsanbietern zu wechselnden Schwerpunktthemen.

Marktvolumen und Umsätze sind über die letzten Jahrzehnte in den meisten Angebotssegmenten der Weiterbildung markant gewachsen. Eine Hochrechnung, basierend auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und zusätz­lichen Erhebungen bei rund 500 Weiterbildungsanbietern, schätzt das Markt­volumen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung in der Schweiz für 2007 auf 5,3 Milliarden Franken pro Jahr (Messer & Wolter 2009). 50 Prozent dieser Ausgaben werden von den Nachfragenden selbst finanziert, die andere Hälfte wird von staatlichen Institutionen, Arbeitgebern und anderen Akteuren bezahlt.[7] Rund 60 Prozent des Marktvolumens der gesamten Weiterbildung sind der berufsorientierten Weiterbildung zuzuordnen, bei den restlichen 40 Prozent ist die Zuordnung nicht eindeutig (Sprachkurse z. B. können für berufliche oder private Zwecke absolviert werden). Die Anteile der Angebotssegmente am Marktvolumen können wegen unzureichender Datengrundlagen und definitorischer Abgrenzungspro­bleme nur grob geschätzt werden. So liegt etwa der Anteil der Hochschulweiter­bildung am gesamten Marktvolumen der Weiterbildung bei rund 6 Prozent (Fischer 2014, 31).

Die berufsorientierte Weiterbildung ist in der Schweiz seit jeher von privaten Anbietern dominiert (SKBF 2014, 270; Fischer 2014, 15). Gemäß Weiterbildungs­statistik des Bundes (BFS 2011) entfällt das Gesamtvolumen der angebotenen Weiterbildungsstunden zu 88 Prozent auf private und korporative Anbieter (Kurs­institute, Privatschulen, Berufs- und Branchenverbände, Unternehmen, Institutionen) und bloß zu 12 Prozent auf öffentliche Anbieter wie Hochschulen, höhere Fachschulen und Berufsschulen. Bei den privaten und korporativen Anbietern besteht eine große Vielfalt an Betrieben, die vom Kleinstanbieter – der selbstständigen Trainerin – über das Kursinstitut bis zum großen Bildungsunternehmen mit stark diversifiziertem Angebot reicht. Große Anbieter dominieren einzelne Segmente des Weiterbildungsmarktes, etwa jenes der höheren Berufsbildung, während sich kleine Anbieter vor allem in Nischen mit besonderen Qualitätsansprüchen, fachlichen Monopolen und individualisiertem Lernangebot halten können.

Im Segment der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung und der Weiterbildung für öffentliche Funktionen hat sich die Zahl der spezialisierten privaten Anbieter im letzten Jahrzehnt besonders stark ausgeweitet. Zugleich wurden die Finanzierungsmechanismen der öffentlichen Hand neu ausgerichtet: Kurs­angebote werden nicht mehr aufgrund eines Anerkennungsverfahrens subventioniert; vielmehr schreiben die zuständigen Behörden Weiterbildungsaufträge aus (Submission) und teilen die Mittel aufgrund von Bewerbungsverfahren zu. Dies hat die Konkurrenz im Segment verschärft und die Planungssicherheit für Anbieter, vor allem aber die Beschäftigungssicherheit für das Fachpersonal markant reduziert.

Zunehmend haben international agierende Bildungsunternehmen im lokalen Weiterbildungsgeschäft Fuß gefasst. Seit der Einführung des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) im Jahr 1995 forciert die marktliberale Politik die Öffnung der nationalen Bildungsmärkte. Sie ist im deutschsprachigen Raum weniger weit vorangeschritten als etwa im angelsächsischen. Die Forderung nach grenzüberschreitender Marktliberalisierung beruft sich auf noch unausgeschöpfte Marktpotenziale: auf die zunehmende Mobilität der Studierenden und Arbeitskräfte, die Bildungsdienstleistungen auch im Ausland beziehen; und auf die erweiterten Möglichkeiten, mit elektronischen Medien und Netzwerken räumlich und zeitlich ungebundenes Lernen zu unterstützen (Fernstudium, webbasiertes Lernen, mobiles Lernen). Mit den lerntechnologischen Innovationen haben auch internationale Anbieter wie Fachverlage, Webdienstleister oder Entwickler von Lernplattformen, also branchenfremde Unternehmen, den Einstieg ins Weiterbildungsgeschäft gefunden. Es verschärft sich damit die Konkurrenz nicht nur in den Kerntätigkeiten der Weiterbildung, sondern auch in den begleitenden Dienstleistungen (Weber 2008, 68f.).

Genaueren Aufschluss über Anbieterstrukturen und Trends in der Weiterbildung geben die Anbieterbefragungen des Schweizerischen Verbands für Weiterbildung (z. B. SVEB 2012b). Sie basieren auf quantitativen Angaben und Trendeinschätzungen der Anbieter. An der Erhebung im Jahre 2011 haben 207 Weiterbildungsanbieter teilgenommen, wobei die großen Anbieter überproportional vertreten waren. 70 Prozent der Anbieter haben eine private, 25 Prozent eine öffentliche und 5 Prozent eine gemischte Trägerschaft. Die Stichprobe deckt nach Aussage des SVEB rund ein Drittel aller Kursangebote und ein Drittel der Teilnehmenden der Weiterbildungsbranche ab. Das traditionell geringe Engagement des schweizerischen Bundesstaats in der Weiterbildung spiegelt sich im Befund, dass 80 Prozent der befragten Anbieter ihre Angebote ganz oder teilweise aus Teilnahmegebühren finanzieren (bei den privaten Anbietern sind es sogar 88 Prozent); rund 40 Prozent können zusätzlich mit Arbeitgeberbeiträgen rechnen. Nur 47 ­Prozent der privaten gegenüber 62 Prozent der öffentlichen Anbieter können – in sehr unterschiedlichem Ausmaß – mit Beiträgen der öffentlichen Hand rechnen (a.a.O., 27).[8]

Die weitere Marktentwicklung wird von öffentlichen und privaten Anbietern unterschiedlich eingeschätzt, wie die SVEB-Anbieterbefragung zeigt: Private Anbieter sehen sich im Wettbewerb gegenüber den öffentlichen klar benachteiligt (a.a.O., 12); sie sprechen sich umso deutlicher für die Offenlegung aller Finanzflüsse und die generelle Durchsetzung des Prinzips der Kostendeckung in der Weiterbildung aus (a.a.O., 21). Tendenziell einig sind sich Öffentliche und Private in der Frage, welche regulativen Maßnahmen die Transparenz am Weiterbildungsmarkt verbessern könnten: Qualitätssicherung durch Labels, staatliche Regelung und Normierung der Weiterbildungsabschlüsse, ein nationaler Qualifikationsrahmen und zentral koordinierte Angebotsübersichten erhalten durchweg hohe Zustimmung. Ein aktiveres staatliches Engagement, etwa in der Form von gesetzlichen Vorschriften oder behördlichem Monitoring, erhält dagegen wenig Zustimmung (a.a.O., 9). Entsprechend findet auch die Aussage, die Bildungspolitik solle den Weiterbildungsmarkt stärker regeln, durchgängig eine unterdurchschnittliche Zustimmung (a.a.O., 15).

Bemerkenswert ist die erwähnte hohe Zustimmung zur staatlichen Regelung der Weiterbildungsabschlüsse. Drei Viertel der befragten Anbieter sind der Ansicht, dass Weiterbildung ohne staatlich anerkannten Abschluss an Bedeutung verlieren werde (a.a.O., 18). Der Bericht des SVEB fordert daher, dass absolvierte Weiterbildungen künftig als Teilqualifizierung anerkannt und »in das formale System einbezogen werden« (a.a.O., 2). Wie dies angesichts der heterogenen und dynamischen Entwicklung neuer Angebote zu bewerkstelligen ist, ohne den Weiterbildungsmarkt und seine Angebote stärker zu koordinieren, wäre zu klären. Die meisten Anbieter möchten die Regulierung des (intransparenten) Marktes darauf beschränken, dass der Staat wettbewerbsförderliche Rahmenbedingungen sicherstellt, und wenden sich gegen ein aktives Engagement des Staates. Ihre Doktrin hat sich im neuen Weiterbildungsgesetz nahezu vollständig durchgesetzt (vgl. Kapitel 2.1), dies, obwohl das bisher schon vorherrschende Modell Steuerungsdefizite und Fehlfunktionen offensichtlich nicht verhindert. Die Chance, dass die Weiterbildung dereinst kohärente Antworten auf den Strukturwandel der Arbeitswelt liefert, wird dadurch nicht besser.

2 501,89 ₽
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452 стр. 37 иллюстраций
ISBN:
9783035507379
Издатель:
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Bookwire
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