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Implikationen unzureichender Ausrichtung am Qualifizierungsbedarf

Das umfangreiche Weiterbildungsangebot schafft für Zielgruppen und Abnehmer vielfältige Möglichkeiten des Erwerbs aktuellen beruflichen Wissens. In einzelnen Segmenten – etwa der höheren Berufsbildung – ist das Angebot mit der beruflichen Praxis gut vernetzt. Im Massengeschäft der Weiterbildung, vor allem in den trendbestimmten Segmenten der allgemeinen berufsorientierten Weiterbildung und teilweise in der hochschulischen Weiterbildung, kommt jedoch die genaue empirische Untersuchung von Qualifikationstrends und Bedarfen der beruflichen Praxis zu kurz. An ihrer Stelle werden Märkte und Nachfragetrends analysiert und Bedarfe so kategorisiert, dass sie sich mit den bereitgestellten Produkten decken lassen. Damit die Nachfrage in der Angebotsvielfalt immer »etwas« findet, auch wenn es oft nur die zweit- oder drittbeste Lösung ist.

Anbieterstrategien zur Sicherung von Ertragspotenzialen, Themenführerschaften und Rankingpositionen bestimmen heute vielfach, wie das Weiterbildungsangebot gestaltet wird. Für die sorgfältige Ermittlung von Qualifikationsbedarf, die Reflexion von Qualifizierungszielen und die Festlegung von Angebotsprioritäten bleiben weder Zeit noch andere Ressourcen. Bedarfsdeckung wird damit zur Marketingaufgabe, Probleme der Passung werden kommunikativ nachbearbeitet. Forciertes Marketing kann jedoch zu falschen Annahmen über Lernvoraussetzungen führen und den Lernfortschritt behindern. Und es kann die methodische Kompetenz und Reflexionsfähigkeit der Weiterbildungsbranche beeinträchtigen.

Wenn das Weiterbildungssystem nicht in allen Teilen darauf abzielt, realen Qualifizierungsbedarf zu decken, so ist die gängige Deutung seiner Funktion zu hinterfragen: Dass es im Dienst der Wirtschaft stehe, dass es die berufliche Entfaltung der Erwerbstätigen ermögliche und die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibe, dies stimmt gewiss für Teilbereiche, kaum jedoch für das Gesamtsystem. Die gängige Deutung hat vor allem den Zweck, das Bildungsgeschäft zu legitimieren. Der Bildungstheoretiker und Politologe Ulrich K. Preuß stellte ihr schon in den 1970er-Jahren die kritische These entgegen, Bildungsinstitutionen würden die Arbeitsbevölkerung auf subalterne ökonomische Funktionen, auf die Teilnahme und den Dienst am Markt vorbereiten. Auch Bildungsinstitutionen seien daher einer herrschaftskritischen Analyse zu unterziehen (1975, 11f.). Preuß’ Aussage bezog sich damals auf die formale Bildung, sie ist auch mit Bezug auf die berufs­orientierte Weiterbildung neu zu diskutieren.

3.2 Kohärenz von Angebot und Bildungswegen

Seit die Weiterbildungsdiskussion ihr Verständnis beruflichen Lernens erweitert und das »lebenslange Lernen« zur Norm, gar zur moralischen Pflicht der Bildungssubjekte erklärt hat, ist auch die Kohärenz der Lernmöglichkeiten in der Weiterbildungslandschaft stärker zum Thema geworden. Erwerbstätige sind nach der Ausbildung in allen weiteren Lebensphasen mit Lernsituationen konfrontiert, sie müssen immer wieder neue Lernleistungen erbringen und Gelerntes kognitiv integrieren. Dies setzt aufseiten des Weiterbildungssystems ein übersichtlich strukturiertes Angebot voraus, das aufbauendes und anschlussfähiges Lernen ermöglicht.

Begriffsklärung: Kohärenz im System der Weiterbildung

»Kohärenz« meint zum einen die Übersichtlichkeit, Transparenz und Sinnhaftigkeit des Angebots aus der Sicht der Nachfrage, d. h. der Zielgruppen und Abnehmer von Weiterbildung: Für sie ist wichtig, dass das Gesamtangebot am Markt nachvollziehbar geordnet ist, dass der thematische Fokus der Angebote, ihr lebensweltlicher Bezug und ihr Stellenwert in der Bildungssystematik klar er­­kennbar sind. »Kohärenz« meint zum anderen den Grad der Integration, Bruch­losigkeit und Durchlässigkeit der wählbaren Bildungswege im Weiterbildungs­system. Integriert ist dieses, wenn sich die Weiterbildungsangebote auf übergreifende Qualifizierungsziele beziehen, wenn sie zu deren Erreichung erkennbare Beiträge leisten, wenn sie anschlussfähig sind an weiterführende Qualifizierungsschritte. Fügen sich Qualifikationsbeiträge über mehrere Stufen und Segmente der Bildung zu gesellschaftlich anerkannten Bildungspfaden zusammen, an denen sich das Weiterbildungsverhalten tatsächlich orientiert, so kann auch von Bildungswertketten[10] gesprochen werden. Beispiele dafür sind die berufliche und die schulisch-akademische Bildungswertkette, die beide über mehrere Stufen und Segmente des Bildungssystems führen und sowohl für die Nachfragenden als auch für die Gesellschaft verwertbare Qualifikationsbündel mit hohem Gebrauchswert aufbauen.

Die Kohärenz der Weiterbildung ist anhand ihrer inneren Gliederung zu beurteilen. Weiterbildung beinhaltet selber, auch unabhängig von der formalen Bildung, konsekutive Bildungswege und Möglichkeiten des mehrstufigen Kompetenzerwerbs. Dies gilt z. B. für Bildungsgänge, die auf Abschlüsse der höheren Berufsbildung hinführen, oder für international zertifizierte Stufen der Projektmanagementausbildung. Bei der Analyse der Kohärenz ist jedoch zu beachten, dass das System der Weiterbildung mindestens teilweise auch äußerlich bestimmt ist, nämlich durch die formale Bildung und die aus ihr entstehenden Lernbedürfnisse. Die über Jahrzehnte etablierte Struktur der formalen Bildung (vgl. Kapitel 1.3) beeinflusst so die Nachfrage nach Weiterbildung. Wer beispielsweise in ein höheres Niveau der formalen Bildung wechselt, hat auch erweiterte niveauspezifische Weiterbildungsbedürfnisse. Der Weiterbildungsmarkt bietet heute maßgeschneiderte Weiterbildung für jedes formale Bildungsniveau und berufliche Tätigkeitsfeld an, ist in dieser Hinsicht also auch nach äußerlichen Kriterien gestuft.

Systemmerkmale der Weiterbildung beeinträchtigen die Kohärenz

Hat die dynamische Entwicklung des Weiterbildungsmarkts gesamthaft zu höherer Kohärenz, d. h. zu einem übersichtlicher gegliederten Angebot und zu einem besser integrierten Qualifizierungssystem geführt? Die in Kapitel 2 referierten Befunde stützen diese allgemeine Aussage nicht. Der Weiterbildungsmarkt ist nach wie vor unübersichtlich, da die Akteure in dem expansiven und stark ausdifferenzierten System ihre eigenen Interessen verfolgen. So besteht für die Nachfrageseite jederzeit das Risiko, in »falsche« Qualifizierungsschritte zu investieren und den eingeschlagenen Pfad nicht so leicht wieder verlassen zu können. Zudem sind die Angebotssegmente im Hinblick auf Bildungskarrieren nicht genügend aufeinander abgestimmt, wie Bildungsbehörden und Verbände selber feststellen (Kapitel 2.1), und der Wert der erworbenen Bildungstitel ist nicht stabil.

Eine weitere Einschränkung liegt im System der formalen Bildung. Lernleistungen werden in der Weiterbildung nicht nach einheitlichen Standards bewertet und angerechnet, und sie berechtigen nicht zum Wechsel in ein höheres Niveau der formalen Bildung. Diese Systemmerkmale – Pfadabhängigkeit der Bildungslaufbahnen, Instabilität der Abschlüsse, Dominanz der formalen Bildungshierarchie – können die Kohärenz der Weiterbildungslandschaft beeinträchtigen, wie im Folgenden anhand von Problemstellungen aus der Praxis ausgeführt wird.

1. Pfadabhängigkeit der Weiterbildungs- und Berufslaufbahnen: Da die Koordination der Weiterbildung über Angebotssegmente und Stufen hinweg unzureichend ist, hat die Geschäftsdynamik parallele, sogar konkurrierende Bildungswege und Bildungsstufen entstehen lassen, die auf sich überschneidende Qualifikations- und Funktionsprofile hinführen. Oft sind nur Fachleute in der Lage, die Anerkennung und den Arbeitsmarktwert eines Zertifikats einzuschätzen. Kommt hinzu, dass die zeitlichen Investitionen der Lernenden etwa in der hochschulischen Weiterbildung (Tertiärstufe A) oder in der höheren Berufsbildung (Tertiärstufe B) nicht viel geringer sind als jene in der Hochschulausbildung, dass aber die hohen Kosten von den Weiterbildungsteilnehmenden bzw. den Abnehmern selber zu tragen sind. Daher hat der eingeschlagene Pfad weitreichende Folgen: Mit der Teilnahme an einem umfangreichen Weiterbildungsprogramm legen sich Erwerbstätige unter Umständen auf Jahre hinaus auf einen beruflichen oder betrieblichen Funktionsbereich fest und verausgaben Zeit und Geld, selbst wenn im Bereich mit Strukturwandel zu rechnen ist. Das Zertifikat können sie bestenfalls aktualisieren lassen; es lässt sich aber meistens nicht einfach in anderen Bildungs- und Beschäftigungsbereichen verwerten, da es spezialisierte funktionsbezogene Kompetenzen bescheinigt, die nur nach aufwendiger Beurteilung an andere Bildungsleistungen angerechnet werden. Der Wechsel des einmal gewählten Laufbahnpfads bzw. des disziplinären Felds wird umso schwieriger, je stärker man sich dafür spezialisiert hat. Die Wahl der Bildungswege und die Laufbahnplanung sind also risikobehaftet.

2. Geringe Integration und Instabilität von Weiterbildungsabschlüssen: Der Wert von Kompetenzen und Zertifikaten ist mitunter stark vom Markterfolg und der wirtschaftlichen Stabilität von Anbietern und Angebotssegment abhängig. Bricht die Nachfrage nach einem zertifizierten Angebotsprogramm ein, betrifft dies in der Regel nicht nur den einzelnen Anbieter. Möglicherweise ziehen sich Anbieter vergleichbarer Angebote rasch zurück, Ausbildungsgänge werden revidiert oder vom Markt genommen. Dies kann den Wertzerfall von bereits erworbenen Bildungstiteln für ihre Inhaberinnen und Inhaber zur Folge haben, indirekt auch für deren Arbeitgeber. Solches war in den letzten Jahrzehnten in der höheren Berufsbildung und in der hochschulischen Weiterbildung der Schweiz zu beobachten. Auslöser sind beispielsweise Marktveränderungen, die Revision der Ausbildungsordnung und die Neudefinition von Titelhierarchien, wie im Falle der Umstellung von den »Nachdiplomstudiengängen« auf die gestufte Weiterbildung gemäß Bologna-Systematik (vgl. Beispiele oben). Den Absolvierenden der Vorgängerstudiengänge werden bei solchen Umstellungen »Passerellen« angeboten, d. h. Übergangsweiterbildungen, die das persönliche Know-how auf den neuen Stand bringen, aber die unschöne Seite haben, dass Betroffene erneut zur Kasse gebeten werden, wenn sie ihren Titel weiterhin führen möchten.

Beispiele

Die Instabilität von Bildungstiteln und ihre Folgen

Höhere Berufsbildung: Wie stark die Stabilität der Bildungstitel vom Geschäftsgang und der Marktdynamik im Angebotssegment abhängig ist, zeigt das Beispiel des Ausbildungsgangs »Eidgenössisches Diplom Ausbildungsleiter/in« (vgl. Kapitel 3.1). Kaum waren die auf den Abschluss vorbereitenden Angebote konzipiert und erste Anbieter mit hohem Aufwand akkreditiert worden, positionierten sich die Fachhochschulen mit Studienangeboten zum »Bildungsmanagement« auch an den Märkten der höheren Berufsbildung. Der dadurch ausgelöste Verdrängungswettbewerb betraf nicht nur die Diplomstufe, sondern auch die Stufe »Fachausweis Ausbilder/in«, weil ihre Anschlussoption damit infrage gestellt war. Diplome unzähliger Absolventinnen und Absolventen der letzten zwölf Jahre (SVEB 2012c, 12) büßten ihren Arbeitsmarktwert ein. Betroffene suchten individuell den Einstieg ins Hochschulniveau via Passerelle-Angebote. Die Instabilität des Weiterbildungsgeschäfts hat die Legitimität der Bildungssystematik kaum infrage gestellt.

Hochschulweiterbildung: In den letzten fünfzehn Jahren wurde der Bildungstitel bzw. Abschluss »Nachdiplomstudium« ersetzt: teils durch den Master of Advanced Studies (MAS), teils durch den Master of Business Administration (MBA). Die neue Bologna-konforme Einordnung der Weiterbildungstitel auf Tertiärstufe A veränderte auch das Konkurrenzverhältnis zur höheren Berufsbildung (Tertiärstufe B), der eine analoge Einordnung ihrer Titel bislang verwehrt blieb. Die Neuordnung hatte Folgen für die Absolventinnen und Absolventen der Nachdiplomstudiengänge – und eröffnete Geschäftsfelder für Bildungsanbieter, die mit Upgrade-Angeboten rasch genug am Markt waren.

Als risikobehaftet erweisen sich auch Abschlüsse der höheren Berufsbildung, seit die Hochschulweiterbildung solche Märkte ebenfalls erschließt (vgl. Beispiele oben). Deren Angebote versprechen prestigeträchtigere Bildungstitel (Certificate, Diploma und Master of Advanced Studies), die sich am Arbeitsmarkt und im internationalen Umfeld besser verwerten lassen sollen – auch wenn die Titel, wie Fischer (2014, 29) anmerkt, außerhalb des deutschen Sprachraums kaum bekannt sind. Angebote der Hochschulweiterbildung stehen auch deshalb oft in Konkurrenz zu verwandten Angeboten der höheren Berufsbildung, weil sie faktisch mit vergleichbaren Zugangshürden arbeiten, teils sogar geringere Anforderungen an die Praxiserfahrung stellen.[11] Die Instabilität der Bildungstitel kann bildungsbiografische Brüche nach sich ziehen, auch Abgrenzungskonflikte in der Qualifikationshierarchie auslösen. Sie vermindert die Integration des Weiterbildungssystems.

3. Dominanz der formalen Bildungshierarchie: Die Ausdifferenzierung des Angebots in den Weiterbildungssegmenten hat die Wahlmöglichkeiten erweitert und die Durchlässigkeit der Weiterbildung innerhalb der formalen Bildungsniveaus erhöht. Die Schichtung zwischen den formalen Bildungsniveaus – z. B. zwischen Sekundarstufe II, Tertiärstufe A und Tertiärstufe B – wird dadurch aber kaum abgeschwächt. Hinweise auf fortbestehende strukturelle Schranken zwischen den Niveaus geben die bescheidenen Quoten derer, die in den letzten Jahren tatsächlich das formale Bildungsniveau wechselten (Weber 2013, 29f.; vgl. auch Kapitel 1.3). Das erreichte Niveau wird durch Weiterbildung kaum beeinflusst. Es bestimmt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den weiteren Verlauf der Bildungslaufbahn, auch wenn die Variationsmöglichkeiten in den Angebotssegmenten breiter geworden sind. Die Reproduktion der formalen Bildungshierarchie schränkt somit die Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit der Weiterbildung ein, damit auch die Kohärenz des Bildungssystems insgesamt.

Implikationen unzureichender Kohärenz

Mit der Expansion des Weiterbildungsmarkts sind mehr Möglichkeiten geschaffen worden, sich auf dem jeweiligen Niveau der formalen Bildung weiterzuqualifizieren. Weder ist aber mit der erweiterten Vielfalt auch die Transparenz des Angebotsmarkts verbessert worden, noch wurden die Weiterbildungsbereiche besser aufeinander abgestimmt. Auch ist es nach wie vor schwierig, auf dem Weg der berufsorientierten Weiterbildung das angestammte Niveau der formalen Bildung zu wechseln. Bildungsreformen und der Wertzerfall von Bildungstiteln können außerdem zur Folge haben, dass ein Weiterbildungszertifikat seinen Wert einbüßt, noch bevor es sich am Arbeitsmarkt etablieren konnte. Stark differenzierte und konkurrierende Angebotsprogramme schaffen Investitionsrisiken, die Weiterbildungsinteressierte paradoxerweise gerade dann eingehen, wenn sie sich auf die Herausforderungen der Arbeitswelt vorbereiten möchten. Solche Risiken lösen bei der Wirtschaft wie bei Einzelnen eine unproduktive Konkurrenz aus, die auf den Erwerb und die Aktualisierung von Bildungstiteln statt auf die Erweiterung der Kompetenz setzt. Dies erschwert die Planung sinnvoller Qualifizierungsschritte und macht den Bildungsraum nicht kohärenter.

3.3 Regulierungs- und Steuerungsfähigkeit

Wie wird die berufsorientierte Weiterbildung heute reguliert und gesteuert? Inwieweit werden Weiterbildungsmärkte koordiniert, existieren Vorkehrungen zur Vermeidung negativer Wettbewerbsdynamiken innerhalb und zwischen den Angebotssegmenten? Gibt es wirksame Standards und Zielvorgaben für die Leistungsprozesse der Weiterbildungsanbieter, wie wird die Qualität gesichert?

Begriffsklärung: Regulierung und Steuerung

Unter »Regulierung« verstehen wir die institutionalisierte und durchsetzungsfähige Einflussnahme auf die Ordnung der Märkte (z. B. die Koordination von Angebot und Nachfrage), auf die Struktur des Angebots, auf die Finanzierung und auf die Bedingungen der Leistungserbringung durch die Anbieter. In der Schweiz ist die Regulierung in der berufsorientierten Weiterbildung deutlich schwächer ausgeprägt als in der formalen Bildung (vgl. Kapitel 2.1). Ähnliches gilt für andere Länder, die eine grundsätzliche Trennung zwischen der formalen Bildung und der Weiterbildung institutionalisiert haben.

Der Begriff der »Steuerung« bezieht sich auf die Leistungserbringung durch die Weiterbildungsanbieter oder Anbietergruppen. Dabei werden die Leistungsprozesse durch Standards, die Leistungsergebnisse durch Zielvorgaben beeinflusst. Wir unterscheiden mehrere Bereiche und Ansatzpunkte der Steuerung:

–die Steuerung der Angebotsentwicklung mithilfe von Standards der Curriculumentwicklung (Kompetenzorientierung, modulare Strukturen, Leistungsnachweise usw.);

–die betriebswirtschaftliche Steuerung mit Leistungsvorgaben (Kosten- und Ertragsziele, Mengenziele, Eigenwirtschaftlichkeit usw.);

–die Qualitätssteuerung bzw. das Qualitätsmanagement mit Prozessparametern;

–die Wirkungssteuerung und -evaluation mithilfe von Outputparametern.

Defizite der Regulierung und Steuerung schwächen die Wirksamkeit

Für die Einschätzung der Regulierungs- und Steuerungsfähigkeit im Weiterbildungssystem stützen wir uns auf Befunde aus der Forschung (vgl. Kapitel 1 und 2) und auf Beobachtungen aus der Weiterbildungspraxis.

1. Schwache und disparate Regulierung des Gesamtsystems: Es existieren keine segmentübergreifenden Regulierungsinstanzen für die berufsorientierte Weiterbildung, die mit denen in der beruflichen Grundbildung vergleichbar wären. Das schweizerische Weiterbildungsgesetz ist als Rahmengesetz für alle Weiterbildungssegmente konzipiert und formuliert nur allgemeine Empfehlungen zu Marktordnung und Qualitätssicherung (vgl. Kapitel 2.1). Kantonale Bildungsgesetze machen teilweise Vorgaben für die Qualitätssicherung von Leistungen der ­Weiterbildung, insbesondere bei der Submission von Weiterbildungsaufträgen durch die öffentliche Hand. Stärker ausgeprägt ist die staatliche Regulierung der höheren Berufsbildung, der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung und der Weiterbildung für öffentliche Funktionen.[12] In diesen Segmenten nehmen die Behörden direkten Einfluss auf Umfang und Schwerpunkte des Bildungsangebots, und zwar über die Finanzierung der Leistungen, über Submissions- und Qualitätsvorschriften. Die gesetzlichen und behördlichen Vorschriften unterscheiden sich jedoch von Segment zu Segment. Die Hochschulweiterbildung ist durch Akkreditierungsrichtlinien und gesetzliche Rahmenbedingungen für Hochschulen geregelt (Fischer 2014, 38). Für das gewichtige Segment der allgemeinen berufsorientierten und betrieblichen Weiterbildung existieren kaum Regulierungen, nur Empfehlungen und selbstregulative Ansätze einiger Branchen, welche die Einrichtung eines Qualitätsmanagements und den Nachweis von Qualitätszertifikaten nahelegen.

Die Weiterentwicklung des Weiterbildungsangebots benötigt Spielräume für Wettbewerb und Innovation; sie benötigt aber ebenso Korrektive, um Marktexzesse und die Macht korporativer Akteure (Berufs- und Branchenverbände, Anbieter) einzudämmen. Die festgestellte schwache und disparate Regulierung setzt der Marktdynamik des Weiterbildungsgeschäfts und der starken Stellung korporativer Akteure kaum Grenzen. Es fehlen Möglichkeiten, die Dynamik von Branchen so zu beeinflussen, dass sie sich vorausschauend auf veränderte Anforderungen einstellen und frühzeitig konsistente Antworten auf absehbare wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme finden. Anpassungsprozesse sind den Anbietern überlassen. Sie reagieren in der Regel erst auf manifeste Marktsignale, z. B. Absatzeinbrüche oder Kundenrückmeldungen, und Anpassungen erfolgen abrupt und oft unkoordiniert. Die resultierende Flüchtigkeit des Lernangebots läuft der humankapitaltheoretischen Leitvorstellung diametral entgegen, wonach Einzelne am Bildungsmarkt kontinuierlich lernen, Kompetenzen aufbauen und Zertifikate erwerben, um sie in neuen Tätigkeitsfeldern zu verwerten. Dieser Widerspruch wird in der politischen Debatte kaum angesprochen.

2. Uneinheitliche Steuerung der Angebotsentwicklung: In der höheren Berufsbildung und in der Hochschulweiterbildung existieren bildungsspezifische Standards für die Curriculumentwicklung (z. B. Kompetenzorientierung als methodisches Prinzip), die Modularisierung von Lerneinheiten, die Leistungsbewertung und Zertifizierung – Standards, die theoretisch an jene der formalen Bildung (Kapitel 1.3) anschließen. Sie werden jedoch – wenn man die Praxis jenseits der gängigen Begriffe untersucht – recht unterschiedlich angewendet. Die anderen Angebotssegmente der Weiterbildung, insbesondere die allgemeine berufsorientierte Weiterbildung, kennen keine einheitlichen Standards für Curricula und Leistungsbewertung, höchstens Mustervorgaben und Empfehlungen, weshalb die generalisierbare Bewertung von Lernleistungen nicht gewährleistet ist. Eine kumulative Leistungsanrechnung über Segmentsgrenzen hinweg, welche die Kontinuität von Lernbiografien unterstützen könnte, wird von den Marktkräften unterlaufen. Initiativen zur Selbstregulierung und zur Formulierung von Branchenstandards kämpfen mit vielfältigen Problemen, so z. B. mit divergierenden Strategien öffentlich-rechtlicher und privatwirtschaftlicher Anbieter, mit Hindernissen aufseiten der Behörden und Gesetze usw., was die Herausbildung gemeinsamer Standards erschwert. Wo solche Voraussetzungen fehlen, ist die Steuerung und Koordination des Angebots schwierig, ganz gleich, ob sie durch die Branche selber oder durch externe Instanzen ausgeübt wird.

3. Bereichsübergreifende Durchsetzung der betriebswirtschaftlichen Steuerung (vgl. Kapitel 1.3): Die einzige Steuerungsdimension, die sich in den meisten Weiterbildungsbereichen durchsetzt, ist die Steuerung der Weiterbildungsbetriebe mit wirtschaftlichen Leistungsparametern. Sie hat in die Rhetorik sowohl der Bildungsbetriebe als auch der Geldgeber Eingang gefunden. Die betriebswirtschaftlich geprägten Wirksamkeitsvorstellungen setzen sich in Begriffen der outputorientierten Steuerung, der Eigenwirtschaftlichkeit, der Kostenwahrheit fest. Sie dienen auch dazu, die hohe Dichte an administrativen und wirtschaftlichen Regelungen zu rechtfertigen, welche die Leistungserbringung der Weiterbildung etwa an Hochschulen erschweren (Fischer 2014, 19). Darüber hinaus ist die betriebswirtschaftliche Steuerung zu einem wichtigen Element der hegemonialen Bildungspolitik geworden. Ihren deklarierten Zielen zufolge will sie sowohl bürokratische Ineffizienzen als auch qualitätsmindernde Wettbewerbsexzesse verhindern; faktisch treibt sie aber vor allem die Deregulierung und den Verdrängungswettbewerb an den Bildungsmärkten voran. Die Öffnung ehemals geschützter Anbietermärkte, der Rückzug der öffentlichen Hand aus der Finanzierung von Weiterbildung auf der Tertiärstufe A, die offene Ausschreibung bei der Submission von Weiterbildungsaufträgen und der »Paradigmenwechsel« von der Institutionen- hin zur Subjekt- und Nachfragefinanzierung treiben auch den letzten Bildungsanbieter in den offenen Marktwettbewerb.

Betriebswirtschaftliche Steuerung bewertet die angebotenen Produkte nach Rentabilitätskriterien, fördert Expansions- wie Differenzierungsstrategien und heizt die Konkurrenz um die Gewinnung von zahlungskräftigen Selbstzahlerinnen und institutionellen Kunden zusätzlich an. Ob die betriebswirtschaftliche Steuerung aber die Effizienz der Leistungsprozesse und der Ressourcenverwendung auf längere Sicht erhöht (wie von Deregulierungsexpertinnen und -experten behauptet), wäre zu überprüfen. Eine andere Folge der betriebswirtschaftlichen Disziplinierung ist jedoch offensichtlich: Der Weiterbildungsdiskurs reichert sich mit betriebswirtschaftlichen Begriffsetiketten an. Damit operiert, wer sein Leistungsangebot gegenüber Geld- und Auftraggeberinnen begründen möchte. Solche Etiketten verleiten dazu, Wirtschaftlichkeitsvorgaben zu akzeptieren, deren Tauglichkeit für Bildungsdienstleistungen kaum reflektiert wird, die Anbieter jedoch zu aggressivem Marktverhalten antreiben. Dem Fachpersonal bleibt so noch weniger Kapazität für die Interaktionen mit Lernenden, für Transferbegleitung und maßgeschneiderten Support.

4. Qualitätssteuerung als Routine im Weiterbildungsgeschäft: Während die betriebswirtschaftliche Steuerung formale, vor allem monetäre Ziele verfolgt, stehen bei der Qualitätssteuerung qualitative Ziele im Vordergrund. Der Qualitätsdiskurs stellt Bezüge her zwischen Lehr- und Lernqualität, dem individuellen Lernfortschritt und dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen des Lernens. Damit sind grundlegende Werte der Befähigung und des Fortschritts angesprochen, woraus die Qualitätssteuerung ihre Legitimation bezieht. Für die allgemeine berufsorientierte und die arbeitsmarktbezogene Weiterbildung wurden Minimalstandards der Anbieterzertifizierung – eduQua, ISO 29990, EFQM und andere – geschaffen. In der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung regeln Submissionsverfahren und Qualitätszertifikate den Marktzugang der Anbieter und beeinflussen ihre Praxis. Die Hochschulweiterbildung kennt eigene Qualitätssysteme (Schläfli 2014): Die Anbieter sind in der Regel verpflichtet, ein funktionsfähiges Qualitätsmanagementsystem ihrer Wahl aufzubauen. Sie unterliegen dabei der institutionellen Akkreditierung ihrer Hochschule, einzelne lassen sich zudem nach einer internationalen Norm zertifizieren. Segmentspezifische Trends der Qualitätssteuerung in der Weiterbildung sind auch in anderen Ländern feststellbar, so in Deutschland (Balli, Krekel & Sauter 2004; Rädiker 2010; Hartz & Meisel 2011, 60f.; Bundesinstitut für Berufsbildung 2011, 320f.).

Das inzwischen massenhaft praktizierte Qualitätsmanagement ist vielerorts zu einer Verfahrensroutine des Bildungsgeschäfts geworden. Es reagiert damit auch auf Imageprobleme, die aus der Flüchtigkeit seines kommerziellen Angebots entstanden sind. Die Verfahrensroutine erschöpft sich nicht selten darin, dass sie – wie in Leistungsaufträgen von staatlichen Auftraggebern gefordert – die »Zufriedenheit« der Kunden abfragt, die Performanz des Lehrpersonals »misst« und Abschlussquoten rapportiert. Differenziertere Indikatoren, welche die Qualität der Lehr-Lern-Interaktion, der Lern- und Umsetzungsbedingungen in den Praxisfeldern oder der längerfristigen Verhaltenswirkungen von Weiterbildungsmaßnahmen messen, haben in den Verfahrensroutinen dagegen einen schweren Stand. Grundsätzlich ist es möglich, die gesetzlichen Vorgaben der Qualitätssteuerung formal zu erfüllen, selbst wenn im Geschäftsalltag wichtige Qualitätsanliegen unterlaufen werden.

5. Stagnierende Wirkungs- und Outputsteuerung: Wenig Fortschritte ge­­macht hat die Weiterbildung interessanterweise im Bereich der Wirkungsevaluation und Wirkungssteuerung mithilfe von Outcomeparametern. Zwar haben Evaluationsstudien und bildungsökonomische Begleitforschungen punktuell die direkten Wirkungen von Bildungsprogrammen rekonstruiert und gemessen, insbesondere bei öffentlich finanzierten Programmen oder bei der Einführung neuer Studienprogramme. Daraus ergeben sich etwa Hinweise für den Arbeitsmarkterfolg von Absolventinnen und Absolventen oder für die »Rendite« ihrer Weiterbildungsinvestition. Empirisch breit abgestützte und verallgemeinerbare Erkenntnisse über weitreichende Outcomes der Weiterbildung liegen aber nicht vor; beispielsweise über ihren Einfluss auf die Bildungs- und Erwerbsbiografien von Absolventinnen und Absolventen, auf die Leistungsfähigkeit von Organisationen, auf die Arbeitsmarktstruktur, auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Weder praktiziert heute eine Mehrheit der Anbieter die periodische Nachbefragung von Absolventinnen resp. Absolventen und Abnehmern, noch stehen der Bildungsforschung ausreichende Mittel für breit angelegte Längsschnittstudien und für die Wirkungsevaluation zur Verfügung. Mit anderen Worten: Es fehlen systematische Grundlagen und Ressourcen, um die Wertschöpfung von berufsorientierter Weiterbildung umfassend einzuschätzen und ihre Wirkung zu steuern.

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