Читать книгу: «Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente», страница 2

Шрифт:

Kurzfassung

Finanzinstrumente sind Produkte, die auf den Finanzmärkten gehandelt werden, und zugleich ein aufsichtsrechtlich definierter Regelungsgegenstand. Als Finanzmarktprodukte ermöglichen Finanzinstrumente Transaktionen mit erwarteten Kapitalflüssen. Die Erwartungen speisen sich aus Annahmen der Marktteilnehmer über wirtschaftliche Risiken. Das gilt unabhängig davon, um welche Finanzinstrumente es sich im konkreten Fall handelt (Aktien/Anleihen, Fondsanteile, Derivate usw.). Der Begriff des Risikos ist zudem im wirtschaftlichen Kontext wertungsfrei.

Aufsichtsrechtlich handelt es sich bei Transaktionen mit Finanzinstrumenten um einen nur teilweise greifbaren Regelungsgegenstand. Das deutsche Aufsichtsrecht dient als besonderes Ordnungsrecht dem Schutz der Stabilität des Finanzsystems und verschiedenen Teil- und Zwischenzielen, die im EU-Recht oder im nationalen Recht festgelegt sind (Schutz des Vertrauens in die Stabilität von Finanzintermediären und in die Marktintegrität, Anlegerschutz usw.). Der Schutz hat durch verhältnismäßige Maßnahmen der Gefahrenvorsorge und -abwehr zu erfolgen. Jedoch ist zweierlei zu bedenken: Erstens beruhen Transaktionen mit Finanzinstrumenten auf Verträgen. Verträge dienen der Risikoteilung zwischen den Transaktionspartnern, können sich aber auch als Risikokanäle zum Nachteil Dritter – bis hin zu Systemgefährdungen – auswirken. Das macht eine gemeinsame Betrachtung der vertraglichen Selbstregulierung der Marktteilnehmer und der staatlichen Regulierung erforderlich. Zweitens handelt es sich bei Transaktionen mit Finanzinstrumenten um ein Marktgeschehen. Die relevanten Märkte können allerdings weiter abzugrenzen sein, als die deutsche Staatsgewalt reicht. In diesem Fall sind Wechselwirkungen verschiedener Rechtssysteme in Betracht zu ziehen.

Die Ausgestaltung der staatlichen und in diesem Kontext relevanten Regulierung erfolgt in der EU sowohl durch diese selbst als auch durch die Mitgliedstaaten. Die Regelungen des Aufsichtsrechts lassen sich in Bezug auf Risiken auf den Finanzmärkten und den rechtlichen Umgang damit kategorisieren. Den größten Umfang haben die Regelungen zur Gefahrenvorsorge. Diese sind im Wesentlichen gesetzlich festgelegt, sehr detailliert und umfassen Zulassungspflichten und andere Tätigkeitsbeschränkungen (= Risikoausschluss), Maßnahmen zur Risikokonzentration bzw. -neutralisierung, Transparenz- und Wohlverhaltenspflichten (Risikominderung). Hinzu kommen gesetzliche Generalklauseln, auf deren Basis die Aufsichtsbehörden Maßnahmen der Gefahrenabwehr ergreifen können. Außerdem kann das Steuerrecht gewisse Lenkungswirkungen entfalten. Auf internationaler Ebene ist das Aufsichtsrecht zunehmend harmonisiert. In Bezug auf die Gefahrenvorsorge weist das EU-Recht bzw. nationale Recht infolgedessen deutliche Parallelen zu Regelungen des U.S.-Rechts auf. Anders ist dies teilweise in Bezug auf die Ausgestaltung der behördlichen Befugnisse zur Gefahrenabwehr.

Der staatliche Regelungsrahmen wird durch die Selbstregulierung der Marktteilnehmer ergänzt. Diese sorgen individuell für ein Risikomanagement und etablieren daneben Marktstandards, vor allem durch den Einsatz von Modellverträgen. Die Selbstregulierung erfolgt aber im Eigeninteresse der jeweiligen Marktteilnehmer, kann also Gefahrenpotenziale senken wie auch erhöhen. Die Entscheidung, sie in den Regelungsrahmen einzubeziehen, kann zu Marktveränderungen beitragen. Dann muss eine Weiterentwicklung der staatlichen Regulierung diesen Veränderungen Rechnung tragen.

Eine besondere Herausforderung für den aus staatlicher Regulierung und Selbstregulierung gebildeten Regelungsrahmen stellen „innovative Finanzinstrumente“ dar. Ausgehend vom Begriff der „Finanzinnovation“ lassen sich so Finanzinstrumente bezeichnen, die eine neuartige Risikostruktur aufweisen. Aus einer solchen Risikostruktur ergeben sich neue Gewinn- und Verlustmöglichkeiten für die Transaktionsbeteiligten, aber auch neue Möglichkeiten für Nachteile Dritter. Aufsichtsrechtlich ist die neuartige Risikostruktur dann relevant, wenn die Marktteilnehmer durch den Einsatz des neuen Finanzinstruments Kosten reduzieren (bzw. verlagern), die für sie bei einer wirksamen Gefahrenvorsorge bzw. -abwehr eigentlich anfallen müssten. Dies kann dadurch geschehen, dass sie aufsichtsrechtliche Regelungen umgehen (Regulierungsarbitrage) oder dass sie die Transaktion von bestimmten Rechtsordnungen entkoppeln, z.B. durch internationale Modellverträge mit Rechtswahlklauseln und eigenständigen Streitschlichtungsmechanismen.

Der Staat behält in den genannten Fällen zwar seine Regulierungsverantwortung und sollte (darf?) auf aufsichtsrechtlichen Rechtsgüterschutz nicht verzichten. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wie der Staat aufsichtsrechtlich reagieren kann. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand innovativer Finanzinstrumente ergibt sich dies aus einer Gesamtschau, die teilweise über das nationale Aufsichtsrecht hinausgeht und Marktregulierung in anderen Rechtsordnungen und die Selbstregulierung der Marktteilnehmer einbeziehen muss. Die staatliche Regulierung kann sich zudem nicht darauf beschränken, an bestimmte Institutionen (z.B. Banken, Versicherungen, Fonds) oder Transaktionen anzuknüpfen. Sie muss vielmehr die wirtschaftlichen Funktionen in den Blick nehmen, die mit Transaktionen mit innovativen Finanzinstrumenten verfolgt werden. Das bedeutet, dass die verfügbaren Regulierungsinstrumente nach ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ausgewählt und angewendet werden. In Fällen, in denen die Marktteilnehmer innovative Finanzinstrumente in einer Weise einsetzen, durch die sie bestehende Regelungen umgehen, kann es zur Gefahrenvorsorge also geboten sein, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich bestehender Regelungen ausweitet. Wo es sogar zu Gefahren kommt, bleibt daneben die behördliche Anwendung der Generalklauseln wichtig. Soweit die Marktteilnehmer sich hingegen von einzelnen Rechtsordnungen unabhängig machen, erscheinen vor allem behördliche Kooperationen und die Abstimmung mit internationalen Branchenorganisationen der Marktteilnehmer zielführend. Die Einbindung der Marktteilnehmer bedeutet dabei jedoch nicht, dass der Staat seinen Regelungsanspruch aus Rücksicht auf die Interessen Privater zurücknehmen darf. Eine so verstandene öffentlich-private Partnerschaft wäre problematisch.

Auch wenn die Marktteilnehmer sich mit innovativen Finanzinstrumenten dem bestehenden Regelungsrahmen entziehen, ist eine Regulierung mit dem Ziel eines effektiven aufsichtsrechtlichen Rechtsgüterschutzes somit möglich. Der Sachverhalt stellt aber hohe Anforderung an die Implementierung dieser Regulierung. Erfolge lassen sich jedenfalls nicht garantieren.

Kap. 1 Einleitung

Finanzmarktaktivitäten unterliegen einer aufsichtsrechtlichen Regulierung. In den Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise ist immer wieder gefordert worden, dieses Aufsichtsrecht müsse auf Basis eines „funktionalen“ Verständnisses weiter entwickelt werden. Die Regulierung müsse z.B. dem Umstand Rechnung tragen, dass liquide Finanzmärkte für Unternehmen ähnliche Funktionen wie Banken in Hinblick auf Anlagemöglichkeiten und Liquiditätsbeschaffung erfüllen. Finanzinstrumente könnten eingesetzt werden, um Kapital zu beschaffen, aber auch, um Risiken zu transferieren oder um einen wirtschaftlichen Einfluss zu erwerben. Es genüge also nicht, wenn die Regulierung an formalen Kategorisierungen festhalte, ohne die Funktionen zu berücksichtigen, die Unternehmen und Transaktionen im jeweiligen Zusammenhang am Markt erfüllen.1

Das bestehende Aufsichtsrecht folgt bisher keiner – wie auch immer ausgestalteten – „funktionalen“ Systematik. Es enthält einerseits Regelungen für Banken, Versicherungsunternehmen und die Anbieter gemeinsamer Anlagen (Investmentfonds) usw. (institutsbezogener Ansatz) und andererseits Vorgaben für den Wertpapierhandel und andere Geld- und Kapitalmarktaktivitäten (marktbezogener Ansatz). Damit kommt es z.B. für das Eingreifen der bankaufsichtsrechtlichen Regelungen darauf an, ob ein Marktteilnehmer eine Zulassung als Bank benötigt bzw. besitzt. Eine Tätigkeit, die nicht rechtlich, sondern ausschließlich wirtschaftlich als Bankgeschäft zu qualifizieren ist, löst eine solche Zulassungspflicht nicht aus. Dass wirtschaftlich wie Banken regulierte Marktteilnehmer möglichst gleich reguliert werden, wird zwar angestrebt, dies aber nur im hergebrachten gesetzlichen Rahmen. Ähnlich ist der Befund, soweit die Regulierung direkt an Transaktionen mit Finanzinstrumenten ansetzt. So unterliegen Aktien und Anleihen völlig unterschiedlichen kapitalmarktrechtlichen Vorgaben, obwohl Emittenten sie alternativ zur Refinanzierung einsetzen können. Auch die Vorgaben in Bezug auf Derivatkontrakte einerseits und Wertpapierleih- bzw. Repogeschäfte andererseits unterscheiden sich, obwohl die jeweiligen Transaktionen teilweise zu ähnlichen Zwecken genutzt werden können.

Kritisiert wird, dass die soeben angesprochene Trennung von aufsichtsrechtlichen Regelungsbereichen dazu beiträgt, dass das Aufsichtsrecht mit der Marktentwicklung nicht immer ausreichend Schritt hält.2 Diese Marktentwicklung hat in der Vergangenheit immer wieder in Finanz- und Wirtschaftskrisen hineingeführt. Mit Blick auf das Thema dieser Arbeit ist durchaus bemerkenswert, dass in vielen der angesprochenen Fälle (massenhafte) Transaktionen mit Finanzinstrumenten zu Spekulationsblasen und anschließenden Krisen beigetragen haben. Beispiele für relevante Finanzinstrumente sind: Aktien und Immobilienpfandbriefe während des Gründerkrachs (1873), Aktien im New Yorker Börsenkrach (1929) und Hypothekenverbriefungen (ABS/MBS) und Derivate in der jüngsten Finanzkrise (2007–2012). Während diese Arbeit geschrieben wurde, wurden neue Risiken an den Anleihenmärkten und den Märkten für in Investmentfonds verbrieften Vermögenswerten diskutiert. Demgegenüber war die niederländische Tulpenmanie (1637) nicht durch Geschäfte mit Finanzinstrumenten, sondern durch die Spekulation mit Tulpenzwiebeln ausgelöst worden. Dies stellt die Beobachtung, dass Finanzinstrumente vergangene Krisen mit ausgelöst haben, zwar nicht infrage. Es zeigt aber, dass offenbar beliebige Wertträger zu Finanzkrisen beitragen können und Finanzinstrumente nur einen möglichen Anknüpfungspunkt für die Untersuchung bilden. Zentral ist vielmehr, wie aufsichtsrechtlich mit dem Risiko umzugehen ist, das mit den betreffenden Transaktionen verbunden ist und sich im Rahmen einer Krise realisiert.

Das Aufsichtsrecht kann die zu einer Krise beitragenden Risiken zwar dann relativ gut erfassen, wenn sich die Transaktionen, in denen sich die Risiken zeigen, in bestehende Kategorien einordnen lassen. Das ist aber nicht immer der Fall. Zum Teil versuchen die Marktteilnehmer sogar, eine regulatorische Erfassung zu vermeiden und die bestehende Regulierung mittels innovativer Finanzinstrumente (oder anderer Finanzinnovationen) gezielt zu umgehen.3 Auch aktuell gibt es verschiedenerlei Marktaktivitäten, die sich in die bestehenden aufsichtsrechtlichen Kategorien nur mit Schwierigkeiten einordnen lassen. Diese Entwicklung ist eine Folge der starken Regulierung von Bankgeschäften seit der Finanzkrise, die Bankgeschäfte verteuert und Anleger von Banken zu anderen Vermögensverwaltern treibt, und der Niedrigzinsperiode in der Europäischen Union (EU) und den USA, in der Versicherungen, Investmentfonds usw. nach neuartigen und gewinnbringenden Anlagen suchen. Mit solchen aufsichtsrechtlich unvollständig erfassten Aktivitäten sind für die Marktteilnehmer häufig Gewinnchancen verbunden.4 Den Gewinnchancen entsprechen allerdings Verlustrisiken. Diese Verlustrisiken treffen nicht in jedem Fall nur die an einer Transaktion beteiligten Marktteilnehmer. Sie können sich auch zum Nachteil anderer Marktteilnehmer realisieren; insbesondere solchen, die dem Risiko ausgesetzt sind, dass ein Transaktionsbeteiligter ausfällt. Ein risikobezogener Ansatz im Aufsichtsrecht muss also darauf ausgerichtet sein, den zuständigen Behörden entweder ein frühes Eingreifen zu ermöglichen oder zumindest die nachteiligen Folgen eines Nichteingreifens zu minimieren.

Der aufsichtsrechtlich relevante Sachverhalt wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass das Finanzmarktgeschehen und die staatliche Geldpolitik wechselseitig beeinflussen können. Zum einen ist das dort der Fall, wo Finanzinstrumente geldpolitische Risiken abbilden (z.B. Derivate mit Kryptowährungen als Referenzwert).5 Zum anderen kann die Geldpolitik, die von den Marktteilnehmern im Finanzmarktgeschehen zugrunde gelegt wird, sich in einer Weise verändern, die neue Risiken entstehen lässt und Marktkorrekturen erforderlich werden. Dieser Gesichtspunkt war lange Zeit nur von begrenzter Bedeutung, da die Notenbanken das Ziel der Geldwertstabilität verfolgten. Seine Bedeutung nimmt zu, da globale Währungskonflikte immer mehr in den Bereich des Möglichen rücken. Dennoch handelt es sich bei der Geldpolitik als solcher um keine aufsichtsrechtliche Materie.

Die hier vorgestellte Arbeit ist aus der Perspektive des deutschen Rechts geschrieben. Sie geht davon aus, dass es sich beim Aufsichtsrecht um ein besonderes Ordnungsrecht handelt, das – wie auch das Ordnungsrecht allgemein – der Gefahrenvorsorge und -abwehr dient.6 Die aufsichtsrechtliche Gefahrenabwehr ist darauf ausgerichtet, Risiken an den Finanzmärkten entgegenzuwirken, sofern es dadurch zu einer Gefährdung von aufsichtsrechtlichen Schutzgütern kommen kann. Zunächst sollen die allgemeinen Regulierungsprinzipien herauszuarbeitet werden, die in Hinblick auf den Einsatz von Finanzinstrumenten und die damit verbundenen Risiken einschlägig sind, bevor ein Regulierungsansatz speziell für das Neuaufkommen weiterer, innovativer Finanzinstrumente entwickelt wird.

Dabei ist mit Blick auf die verwendete Begrifflichkeit hervorzuheben, dass diese Arbeit zwar aus der Perspektive des deutschen Ordnungsrechts geschrieben ist, dabei aber einen nach Möglichkeit problemorientierten Ansatz verfolgt. Deshalb nutzt sie, soweit das möglich ist, vereinfachende Begriffe mit einheitlichem Bedeutungsgehalt (z.B. „Bank“) und geht auf begriffliche Differenzierungen (siehe z.B. die spezielle Begrifflichkeit in § 1 KWG und 12 U.S.C. § 24 [Seventh]) nur dort ein, wo dies für die ordnungsrechtliche Beurteilung des behandelten Problems notwendig ist (im selben Beispiel: bei der Erörterung der Zulassungsvoraussetzungen nach §§ 32ff. KWG bzw. nach U.S.-Recht). Dieses Vorgehen bedeutet auch, dass international gebräuchliche Begriffe (z.B. Rückkaufvereinbarung/repurchase agreement) anstelle von Begriffen, die nur im Kontext des nationalen Rechts verständlich sind (im Beispiel: Pensionsgeschäft; vgl. § 340b HGB), bevorzugt werden.

Im Folgenden soll also zunächst knapp und in allgemeiner Form herausgearbeitet werden, welche Risiken mit Finanztransaktionen verbunden sind und wann solche Risiken sich zum Nachteil von nicht an der Transaktion beteiligten Marktteilnehmern auswirken können (Kap. 2). Darauf werden die an den Finanzmärkten bisher verwendeten Finanzinstrumente und ihre Risikostruktur beschrieben (Kap. 3). Dies ist eine Basis für die Untersuchung der Frage, in welchen Fällen der Einsatz von Finanzinstrumenten einen aufsichtsrechtlichen Regelungsbedarf auslösen kann (Kap. 4). Im nächsten Schritt wird dargestellt, welche aufsichtsrechtlichen Regelungen zurzeit schon bestehen (Kap. 5) und inwiefern die Selbstregulierung der Marktteilnehmer ein aufsichtsrechtliches Eingreifen verzichtbar macht (Kap. 6). Darauf aufbauend sollen die Grundsätze für einen funktionellen Regulierungsansatz herausgearbeitet werden, speziell soweit sich daraus Prinzipien für den Umgang mit innovativen Finanzinstrumenten ergeben (Kap. 7). Ein kurzes Fazit schließt die Arbeit ab (Kap. 8).

1 Siehe z.B. Armour u.a., Principles of Financial Regulation, 1. Aufl. 2016; Patz, Staatliche Aufsicht über Finanzinstrumente, 1. Aufl. 2016; in der Sache auch: Schwarcz, Regulating Shadow Banking, 31 Rev. Banking & Fin. L. 619ff. (2011/2012). Zum Teil wird auch eine marktbezogene Regulierung allerdings bereits als „funktionell“ angesehen; so etwa von Ghouri, The Law and Regulation of OTC Derivatives: An Anglo-American Comparison and Lessons for Developing Countries, 1 Nordic J. Com.L. 1, 22f. (2010). 2 Siehe z.B. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Sachverständigenrat Wirtschaft), Jahresgutachten 2008/09, Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken, veröffentlicht: 12. November 2008, Tz. 264f. 3 Aufsichtsrechtlich spricht man auch von „Schattenbankgeschäften“; dazu siehe näher unten Kap. 7.E.II (S. 1012). 4 Solche Gewinnchancen können sich z.B. schon daraus ergeben, dass die betreffenden Marktteilnehmer ein Geschäft zu geringeren Kosten durchführen können, als wenn sie unter eine bestimmte Regulierung fielen. Ein Beispiel ist die Tätigkeit von Kreditfonds, also von Investmentfonds, die geringeren Eigenmittelvorgaben als eine Bank unterliegen und aus dem Fondsvermögen – ähnlich einer Bank – Kredite vergeben. Dazu siehe z.B. Enders, ZfgK 2016, 1220ff.; Hanten/von Tiling, WM 2015, 2122; von Einem/Schlote, WM 2015, 1925. 5 Siehe hierzu noch unten Kap. 7.F und Kap. 8 (S. 1117 und 1033). 6 Vgl. Gramlich in: R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1, 1. Aufl. 1995, S. 467f. („gewerbepolizeilicher Ursprung der Bankenaufsicht“); Pielow in: ders., Gewerbeordnung, 2. Aufl. 2016, Einl. Rz. 8 (Bank- und Versicherungsrecht als „gewerberechtliche Schwerpunkteregelungen“). Zum Charakter des Gewerberechts als besonderes Ordnungsrecht siehe nur BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1976, 2 BvL 5/73, BVerfGE 41, 344 (355).

Kap. 2 Die Rolle von Risiken in Finanztransaktionen

A. Einführung

Die Risiken von Finanztransaktionen bestimmen darüber, ob sich die mit solchen Transaktionen verbundenen Ziele erreichen lassen. Diese Feststellung ist für das Verständnis der Finanzmärkte von zentraler Bedeutung. Denn Finanzmarkttransaktionen dienen den Marktteilnehmern in vielen Fällen und vielleicht sogar im Regelfall nicht etwa dazu, z.B. über den Handel mit Aktien Inhaberrechte an einem bestimmten Unternehmen (Emittenten) zu erwerben oder zu veräußern oder z.B. über den Erwerb von Anleihen konkrete Werte zu finanzieren.

Tatsächlich kommt es den Marktteilnehmern auf solche unternehmensspezifischen Ziele häufig gar nicht an. Denn es geht ihnen nicht darum, im Wege des Erwerbs, Haltens oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten eine bestimmte Geschäftsstrategie sonstiger Marktteilnehmer zu unterstützen. Vielmehr geht es ihnen um ihre eigene Geschäftsstrategie, in deren Rahmen die Instrumente die Funktion haben, erwartete Kapitalflüsse auszulösen oder mit solchen Kapitalflüssen zu handeln. Damit stehen die monetären Gewinnchancen oder – anders gewendet – die Verlustmöglichkeiten im Vordergrund, die mit den Finanzinstrumenten und deren Handel verbunden sind. Manche Finanzinstrumente, Derivate, machen diese Aussicht auf einen mehr oder minder wahrscheinlichen Gewinn oder Verlust unmittelbar und sogar ohne vorherigen eigenen Kapitaleinsatz handelbar. Für Finanzintermediäre (z.B. Banken), die eine vermittelnde Position zwischen den sonstigen Marktteilnehmern einnehmen, hat die Möglichkeit, über die Finanzmärkte mit Gewinnchancen bzw. Verlustmöglichkeiten zu handeln, eine noch viel höhere Bedeutung als für sonstige Marktteilnehmer.

Doch ist fraglich, was in diesem Zusammenhang überhaupt unter „Risiken“ zu verstehen ist. Der Risikobegriff ist bislang unscharf geblieben. Feststeht, dass sich damit Unsicherheiten, etwa aufgrund unvollständiger Informationen, bezeichnen lassen.7 Das bedeutet, dass der Begriff grundsätzlich neutral in dem Sinne verstanden werden kann, dass er sowohl die angesprochenen Chancen auf Gewinn als auch die Verlustmöglichkeiten umfasst.8 Allerdings wird er in der Praxis vor allem auf die Verlustmöglichkeiten bezogen. Diese stehen auch im aufsichtsrechtlichen Zusammenhang im Vordergrund. Eine klassische, ursachenbezogene Eingrenzung des Risikobegriffs unterscheidet zwischen fundamentalen Unsicherheiten (uncertainty) einerseits und Ungewissheiten (risk) andererseits.9 Dabei sollen Ungewissheiten aufgrund objektiv ermittelbarer Wahrscheinlichkeiten feststellbar sein und Unsicherheiten nicht. Die genannte Unterscheidung wird im finanzwissenschaftlichen Schrifttum bisweilen als wichtig angesehen.10 Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive erscheint sie indes nicht relevant. Denn für die aufsichtsrechtliche Gefahrenabwehr ist nicht relevant, ob Risiken aus unbehebbaren oder behebbaren Informationsdefiziten resultieren, sondern vielmehr, ob solche Informationsdefizite überhaupt bestehen und welche Arten von Risiken daraus folgen.

Die für die Unternehmenstätigkeit relevanten Risiken werden unterschiedlich klassifiziert. Die Klassifikation hängt davon ab, für welche Geschäftsbereiche sie genutzt wird, ob die Messbarkeit oder der betrachtete Risikobereich eine Rolle spielt.11 Bei einer Unterscheidung nach dem Risikobereich kann zwischen finanzwirtschaftlichen, leistungswirtschaftlichen und allgemeinen internen bzw. externen Risiken differenziert werden.12 Die finanzwirtschaftlichen Risiken haben ihren Ursprung alle unmittelbar im Finanzbereich und werden deshalb auch als Finanzrisiken bezeichnet. Sie umfassen vor allem:

 • Marktpreisrisiken,

 • Erfüllungs- bzw. Ausfallrisiken (insb. Kredit-/Gegenparteirisiken),

 • Liquiditätsrisiken und

 • Schwankungsrisiken.

Außerdem kann man informationelle Risiken hierzu rechnen; z.B. das sog. Translationsrisiko aufgrund der Unsicherheit buchhalterischer Bewertungen von Aktiva und Passiva infolge von Wechselkursänderungen. Zu den leistungswirtschaftlichen Risiken zählen vor allem die:

 • operationellen Risiken.

Von der deutschen Finanzaufsicht werden Ausfallrisiken (einschließlich Länderrisiken), Marktpreisrisiken, Liquiditätsrisiken und operationelle Risiken als „wesentliche Risiken“ angesehen, mit denen verbundene Risikokonzentrationen im Rahmen des Risikomanagements von Banken in jedem Fall zu berücksichtigen sind.13 Eine weitere Risikokategorie, die seit der Finanzkrise verstärkt in den Vordergrund des Interesses von Regulierung und Wissenschaft gerückt ist, umfasst das Risiko, dass es aufgrund von fehlerhaften mathematischen Modellen oder deren fehlerhafter Anwendung zu Fehlbewertungen der zuvor genannten Risiken kommt. Man spricht insofern von:

 • Modellrisiken.

Wichtig ist, dass es sich bei den zuvor genannten Risiken nicht um in jedem Fall voneinander unabhängige Variablen handelt. Veränderungen bei einem Risiko (z.B. bei dem gegenüber einem Kreditgeber bestehenden Ausfallrisiko) können sich unter Umständen vielmehr auf andere Risiken (z.B. auf das gegenüber dem Käufer bestehende Marktrisiko einer Kreditverbriefung) auswirken.14

Die nachfolgende (juristische) Untersuchung der Regulierung von Finanzinstrumenten setzt ein gewisses Grundverständnis der mit ihrem Einsatz verbundenen (ökonomischen) Risiken voraus. In den folgenden Abschnitten sollen die betreffenden Risiken deshalb etwas eingehender erläutert werden (Abschn. B). Außerdem wird dargelegt, unter welchen Bedingungen solche Risiken, abgesehen von den Transaktionspartnern, auch andere Marktteilnehmer treffen und damit im Extremfall sogar gesamtwirtschaftlich (makroökonomisch) relevant werden können (Abschn. C).

7 Gramlich u.a., Gabler Bank-Lexikon, 14. Aufl. 2012, Eintrag „Risiko“; differenzierend Osband, Pandora,s Risk, 1. Aufl. 2011, S. 8. 8 Sernetz, Derivate und Corporate Governance, 1. Aufl. 2006, S. 126. 9 Knight, Risk, Uncertainty and Profit, 1. Aufl. 1921 (reprint: 1964), S. 19f., 223ff., 233; dazu auch Langlois/Cosgel, Frank Knight on risk, uncertainty, and the firm: a new interpretation, 31 Econ. Inq. (1993), S. 456ff. 10 Corelli, Understanding Financial Risk Management, 1. Aufl. 2015, S. 2ff.; Osband (Fn. 7), S. 8ff., 163. 11 Dornes, Alternative Risikomodellierungs-, Risikoanalyse- und Bewertungsmethode: Risikomanagement ohne komplexe mathematische Modelle, 1. Aufl. 2014, 147. Der Geschäftsbereich spielt danach bei der Unterscheidung von strategischen und operativen Risiken eine Rolle, die Messbarkeit bei der Unterscheidung zwischen quantifizierbaren und sonstigen Risiken. 12 Vgl. zum Folgenden: Gramlich u.a., Gabler Bank-Lexikon (Fn. 7), Einträge: Kursrisiko, Währungs- bzw. Wechselkursrisiko, Abwicklungs- und Erfüllungsrisiko, Liquiditätsrisiko, operationelles Risiko, Volatilitätsrisiken; Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 5. Aufl. 2010, S. 332ff.; Corelli (Fn. 10), S. 15f. (Unterscheidung zwischen business risk und financial risk). 13 BaFin, Rundschreiben 09/2017 (BA), Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Gesch.-Z. BA 54-FR 2210–2017/0002, 27. Oktober 2017, Abschn. A.T. 2.2 Nr. 1. 14 Vgl. Dornes, Alternative Risikomodellierungs-, Risikoanalyse- und Bewertungsmethode: Risikomanagement ohne komplexe mathematische Modelle, 1. Aufl. 2014, 148.

19 957,33 ₽
Жанры и теги
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
2081 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783800593309
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Хит продаж
Черновик
4,9
452