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H. Zusammenfassung

Aus der Perspektive des deutschen Rechts ist das Aufsichtsrecht ein besonderes Ordnungsrecht. Ein aufsichtsrechtlicher Regelungsbedarf besteht somit, wenn aufsichtsrechtliche Schutzgüter gefährdet sind. Zum einen müssen somit Schutzgüter definiert sein, und zum anderen muss rechtlich festgelegt sein, wann ein Gefährdungssachverhalt vorliegt, der ein Eingreifen rechtfertigt bzw. gebietet.

Auf internationaler Ebene haben die G 20 es als zentrales Schutzgut der internationalen Finanzmarktregulierung festgelegt, dass diese die Finanzmärkte im Interesse der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gegen Risiken und Praktiken schützen solle, welche das Finanzsystem in seiner Existenz gefährden könnten. Die Aufsicht soll dabei Marktentwicklungen aufnehmen und nicht selbst zu systemischen Risiken beitragen. Die Finanzmarktstabilität ist also nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen ihrer Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung geschützt. Die von den G 20 formulierten Ziele liegen auch der aufsichtsrechtlichen Regulierung auf EU-Ebene zugrunde. Das nationale Finanzaufsichtsrecht kennt ähnliche Schutzziele und ist außerdem einem von der EU-Gesetzgebung ausgehenden Harmonisierungsdruck ausgesetzt. Seine gewachsene Struktur bringt es allerdings mit sich, dass es weitere spezifische Ziele verfolgt.

Hinsichtlich der Voraussetzungen einer Gefahr für die aufsichtsrechtlichen Schutzgüter bestehen im höherrangigen Recht und im deutschen Finanzaufsichtsrecht keine allgemeingültigen Vorgaben. Nach dem allgemeinen deutschen Ordnungsrecht liegt eine konkrete Gefahr vor, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf ein nicht unerheblicher Schaden für die aufsichtsrechtlichen Schutzgüter mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit droht. Bei Transaktionen mit Finanzinstrumenten sind die Aufgaben und Eingriffsbefugnisse im Finanzaufsichtsrecht dem Entstehen einer konkreten Gefahr allerdings weit vorgelagert.

Ein „nicht unerheblicher Schaden“ droht insbesondere im Fall systemischer Risiken. Systemische Risiken sind dadurch gekennzeichnet, dass Risikokanäle bestehen, über die die Risiken für andere Marktteilnehmer erhöht werden, sodass es letztlich zu unkontrollierbaren Ansteckungseffekten und damit zu einer Gefährdung der Finanzmarktstabilität kommt. Dies ist in zweierlei Form möglich: Finanzinstrumente können selbst direkte Ansteckungskanäle eröffnen (= Marktteilnehmer sind „too connected to fail“ bzw. TCTF) oder bei Nutzung sonstiger bzw. indirekter Ansteckungskanäle ein gleichlaufendes Marktverhalten begünstigen (= Marktteilnehmer sind „too many to fail“ bzw. TMTF). Auch die Realisierung von Risiken unterhalb einer Systemgefährdung dürfte ausreichen, sofern die Schäden ihrer Art oder ihrem Umfang nach geeignet sind, das Vertrauen in die Stabilität des Finanzsystems zu vermindern. Demgegenüber ist eine Gefahr mangels einer Bedrohung aufsichtsrechtlicher Schutzgüter zu verneinen, wo nur das bilaterale Verhältnis der Transaktionspartner betroffen und kein Bezug zu öffentlichen Interessen erkennbar ist.

Die Einschätzung, ob der Eintritt eines relevanten Schadens „hinreichend wahrscheinlich“ ist, muss alle relevanten Umstände einbeziehen, also insbesondere die Risikostruktur des betreffenden Finanzinstruments und die Art und die Umstände seines Einsatzes. Die Frage, ob der Schadenseintritt „in absehbarer Zeit“ zu erwarten ist, ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation der Transaktionspartner und des Marktumfelds zu beantworten. Der Zeitraum, innerhalb dessen ein Schadenseintritt absehbar ist, verengt sich dabei, je volatiler und schwerer zu überblicken die Markt- und Wirtschaftsentwicklung ist, also insbesondere in einer Krise.

Nach allgemeinen Grundsätzen müssen etwaige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber verfügt insofern über eine Einschätzungsprärogative. Die Aufsichtsbehörden haben die gesetzlichen Vorgaben durchzusetzen, wobei ihnen hinsichtlich des relevanten wirtschaftlichen Sachverhalts allerdings ein Beurteilungsspielraum einzuräumen sein kann. Den Behörden steht zudem bei der Entscheidung über einen Eingriff und der Auswahl der betreffenden Maßnahmen nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen typischerweise Ermessen zu.

Im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Bekämpfung von Gefahren für die Stabilität und das Funktionieren der Finanzmärkte kann es zu Überschneidungen mit Schutzgütern außerhalb des Aufsichtsrechts kommen, insbesondee dem Schutzziel eines unverfälschten Wettbewerbs und mit Verbraucherschutzbelangen. Die Ziele des Aufsichtsrechts und des Wettbewerbsschutzes decken sich, soweit es um die Bekämpfung von Systemrelevanz und der hiermit einhergehenden Wettbewerbsverzerrungen (Stichwort: implizite Garantien) geht. Allerdings ist in diesen Fällen eine Abwägung zwischen dem Schutz der Finanzmarktstabilität und dem Wettbewerbsschutz notwendig, soweit Regulierungsmaßnahmen Anreize zur Regulierungsarbitrage setzen oder sinnvolle Innovationen verhindern.

Beim Vertrieb von Finanzanlagen überschneidet sich der aufsichtsrechtliche Anlegerschutz mit dem allgemeinen Verbraucherschutz. Der Anlegerschutz zielt auf die Gleichbehandlung der Finanzmarktteilnehmer ab und sollte herkömmlich Informationsasymmetrien in konkreten Fällen ausgleichen. Zunehmend unterstellt der Gesetzgeber auf EU-Ebene und in Deutschland jedoch generell ein (situationsbedingtes) Ungleichgewicht zwischen den Marktteilnehmern. Im deutschen Finanzaufsichtsrecht gehen Anleger- und (kollektiver) Verbraucherschutz sogar begrifflich ineinander über (vgl. § 4 Abs. 1a FinDAG). Der Verbraucherschutz ist indessen auf einen einseitigen Schutz des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer ausgerichtet, unabhängig davon, ob sich etwaige Vorteile zugunsten des Unternehmens ausgleichen lassen oder nicht. Dieses Schutzziel gestattet somit auch keinen Ausgleich mit den sonstigen Belangen des Aufsichtsrechts. In diesem Kontext erscheint es als Fremdkörper.

Kap. 5 Bisherige Erfassung durch staatliche Regulierung (Top-down-Ansatz)

A. Einführung
I. Allgemeine Vorüberlegungen

Es gibt viele denkbare Regulierungsoptionen, um Gefahren für aufsichtsrechtliche Schutzgüter entgegenzuwirken. Das gilt in Bezug auf die am Markt schon vorhandenen und grundsätzlich auch in Bezug auf neuartige – und damit innovative – Finanzinstrumente. Die Gesetzgeber in der EU und anderswo profitieren insofern, wie schon erwähnt wurde,886 von einem weiten Einschätzungsspielraum. Dieser betrifft nicht zuletzt die Frage, ob die öffentliche Hand überhaupt selbst regulatorisch tätig werden soll („make own rules“) oder ob sie auf eigene Regelungen verzichten und sich z.B. einer internationalen Regelungskooperation anschließen bzw. dem Markt Möglichkeiten zur Selbstregulierung vorbehalten sollte („buy rules from elsewhere“).887

Diese Arbeit nimmt die Perspektive des deutschen Rechts ein, aus der heraus das deutsche Aufsichtsrecht heutzutage als Teil eines größeren Ordnungsrahmens zu sehen ist.888 Dieser Ordnungsrahmen wird durch Beschlüsse internationaler Organisationen, das EU-Recht und die nationale Gesetzgebung gleichermaßen bestimmt. Das ist aber noch nicht das ganze Bild. Denn die aufsichtsrechtliche Gefahrenlage in Deutschland kann – zumindest reflexhaft – auch durch regulierungsbezogene Entscheidungen des Gesetzgebers und der zuständigen Behörden und Gerichte in den USA sowie, fallabhängig, in anderen Rechtsordnungen beeinflusst werden. Das hat sich eindrücklich in der Finanzkrise 2008–2012 gezeigt, als deutsche Finanzmarktteilnehmer in U.S.-Hypothekenverbriefungen und Derivate investierten, die nach damaligem U.S.-Recht zulässig waren, in Deutschland aber zu Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems führten. Es bedarf also einer weiter gefassten Betrachtung.

Darüber hinaus wirkt neben der staatlichen Regulierung auch die bilateralen Selbstregulierung der Marktteilnehmer gefahrvermindernd, soweit die Marktteilnehmer die mit ihren Finanztransaktionen verbundenen Risiken selbst tragen (internalisieren).889 Der privatrechtliche Rechtsrahmen ergänzt diese Selbstregulierung im bilateralen Verhältnis. Auf die Selbstregulierung soll erst im folgenden Kapitel eingegangen werden.890 An dieser Stelle ist lediglich hervorzuheben, dass der Staat sich seiner regulatorischen Letztveranwortung nicht entziehen kann, weder durch Verlagerung der Regulierung in den Bereich der Selbstregulierung noch durch Regulierungsverzicht.

In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, mit welchen Werkzeugen die staatliche Regulierung den Gefahren beim Einsatz der bisher bekannten Finanzinstrumente begegnet. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass das heutige deutsche Aufsichtsrecht kein in sich abgeschlossenes Sonderordnungsrecht im herkömmlichen deutschen Sinne mehr darstellt. Der relevante Rechtsrahmen wird vielmehr durch unterschiedliche Regelungen gebildet, die sich auf Belange der Finanzmärkte beziehen. Der in Deutschland gültige Regelungsrahmen soll freilich weiterhin in seiner Gesamtheit zum Schutz der in Deutschland anerkannten aufsichtsrechtlichen Rechtsgüter beitragen. Deshalb wird zunächst ein Überblick über diesen Ordnungsrahmen gegeben (Abschn. A.II), und es werden wesentliche Defizite dieses Ordnungsrahmens bis zur Finanzkrise 2008–2012 herausgearbeitet (Abschn. A.III).

Damit ist die Grundlage gelegt, um das heute bestehende Aufsichtsrecht vorzustellen und – auch im Vergleich mit dem relevanten U.S.-Recht – mit Blick darauf zu bewerten, ob es nunmehr dem aufsichtsrechtlichen Rechtsgüterschutz im Sinne einer wirksamen und aufsichtsrechtlich vertretbaren (insb. verhältnismäßigen) Gefahrenvorsorge und -abwehr dienen kann.891 Dabei werden auch ausgewählte Vorschriften in die Betrachtung einbezogen, welche nicht die Finanzmarktstabilität, sondern andere öffentliche Interessen (z.B. an soliden öffentlichen Haushalten) schützen sollen. Denn diese Vorschriften kommen den aufsichtsrechtlichen Zielen zumindest reflexhaft zugute oder können dem aufsichtsrechtlichen Schutz umgekehrt auch seine Wirksamkeit nehmen (Abschn. B).

In einem letzten Abschnitt am Ende dieses Kapitels wird die Vereinbarkeit des aufsichtsrechtlichen Regelungsrahmens mit dem höherrangigen Recht untersucht werden, soweit das höherrangige Recht Regelungen zu anderen als den aufsichtsrechtlichen Schutzgütern trifft (Abschn. C).

II. Der regulatorische Ordnungsrahmen im Überblick

Die öffentliche Hand nutzt, wenn sie tätig wird, um aufsichtsrechtlichen Gefahren mittels eigener Regulierung zu begegnen, international verschiedene Ansätze. Das geschieht ungeachtet der Tatsache, dass die von der Regulierung betroffenen Märkte für Finanzinstrumente global sein können. Bei einer rechtsordnungsübergreifenden Betrachtung der einschlägigen Regelungen sind infolgedessen Regelungen einzubeziehen, die ihrer Natur nach öffentlich- oder privatrechtlich sein, auf unterschiedlichen Regelungsebenen angesiedelt sein (z.B. EU/Mitgliedstaaten bzw. U.S.-föderal/Staaten), einen unterschiedlichen Detailgrad aufweisen (prinzipien- vs. regelbasierte Regulierung), an die handelnde Institution, an deren Tätigkeit oder an die damit einhergehenden Gefahren anknüpfen und unterschiedliche Eingriffszeitpunkte (präventiv/repressiv) vorsehen können. Davon abgesehen verfolgen die aufsichtsrechtlich bedeutendsten Rechtsordnungen (EU/USA) auch unterschiedliche Ansätze, was das Zusammenspiel von staatlicher Regulierung und Selbstregulierung der Märkte anbetrifft.892

Hervorzuheben ist, dass sich das international genutzte Aufsichtsinstrumentarium jedenfalls nicht auf Werkzeuge des öffentlichen Rechts im Sinne des herkömmlichen deutschen Verständnisses beschränkt. Diese Unterscheidung ist nicht nur von theoretischer Bedeutung, sofern daran z.B. unterschiedliche Auslegungsregeln anknüpfen. Sie ist gerade im Bereich der Finanzmarktregulierung aber nicht selten unsicher, da sich hier nicht ohne Weiteres sagen lässt, ob Regelungen das bilaterale Verhältnis zwischen den Marktteilnehmern ausgestalten (Privatrecht) oder ob die öffentliche Hand durch sie gerade als Träger öffentlicher Gewalt tätig wird (öffentliches Recht).893 Außerdem wurde schon darauf hingewiesen, dass die Eingrenzung der aufsichtsrechtlich relevanten Schutzgüter historisch gewachsen ist und dass international bisher nicht einmal ein einheitliches Verständnis dahingehend besteht, dass der Regulierung ein rechtlich abgegrenzter Gefahrentatbestand zugrunde zu liegen hätte. Die Werkzeuge der Regulierung sind ebenfalls unterschiedlich ausgestaltet.

Im Folgenden wird ein Überblick über den Regulierungsrahmen und die jeweiligen Regulierungsansätze gegeben, bevor die Regulierung im Einzelnen untersucht wird. Dabei beschränkt sich diese Arbeit auf die Vorgaben der G 20 und internationaler Institutionen und geht davon ausgehend beispielhaft auf die Regelungssysteme in der EU (bzw. in Deutschland) und in den USA ein.

1. Internationale Institutionen

Infolge der Finanzmarktkrise hat sich ein globales Regelungssystem (weiter) ausgebildet, in dem die G 20 völkerrechtliche Beschlüsse der obersten Ebene der Finanzmarktregulierung fassen. Auf der Basis dieser Beschlüsse treffen internationale Institutionen (Basler Ausschuss, IOSCO, FSB) Rahmenvereinbarungen und vergleichbare Beschlüsse über Standards und Empfehlungen. Die Rahmenvereinbarungen und die Beschlüsse der besagten Institutionen sind selbst nicht rechtsverbindlich, werden von den in der jeweiligen Institution vertretenen Behörden jedoch als Vorgabe für eigene Regulierungsmaßnahmen verwendet und führen insofern zu einer gewissen Selbstbindung.894 Inhaltlich beschränken sie sich zum Teil auf das Aufstellen allgemeiner Prinzipien, erreichen zum Teil aber auch einen beträchtlichen Detailgrad. Dabei hängt es vom Gegenstand der Rahmenregelungen und der Möglichkeit, ihre gefahrvermindernden Wirkungen einzugrenzen ab, wie detailliert die Regelungen ausfallen.

2. Europäische Union

Die gesamte Rechtsentwicklung in der EU ist bis heute relativ stark von den Rechtstraditionen großer kontinentaleuropäischer Mitgliedstaaten (v.a. Deutschland, Frankreich) geprägt, in geringerem Maße von sonstigen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten. Speziell in der Finanzmarktregulierung haben aber auch das U.S.-Recht und das britische Recht in der Vergangenheit einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Rechtsentwicklung in der EU gehabt. Das europäische Aufsichtsrecht ist sowohl hinsichtlich seiner Regelungsgegenstände als auch hinsichtlich des Verhältnisses von Gesetzgebung und behördlicher Normkonkretisierung und Rechtsdurchsetzung im Einzelfall vielschichtig.

a) Gegenstände/Abgrenzung der Finanzmarktregulierung

Die heutige Finanzmarktregulierung in der EU besteht vor allem aus den Regeln des so genannten Kapitalmarktrechts. Dieses setzt sich aus einer mittlerweile nur noch schwer zu überblickenden Vielzahl von Einzelrechtsakten zusammen, die im nationalen Recht umsetzungsbedürftig sein können. Das Kapitalmarktrecht umfasst die Vorschriften zur Emission und dem Handel mit fungiblen Finanzinstrumenten und dient sowohl dem individuellen Anlegerschutz als auch dem Schutz der Geld- und Kapitalmärkte.895 Zumindest aus der deutschen Perspektive lässt es sich dabei als eine Fortentwicklung des (privaten) Wertpapierrechts auffassen, welches um aufsichtsrechtliche Regelungen ergänzt wurde.896 Ein enger Zusammenhang besteht aus deutscher Perspektive mit den Regelungen des Handels- und Gesellschaftsrechts sowie des zivilrechtlichen Verbraucherschutzes, außerdem mit (sonstigen) öffentlich-rechtlichen Aufsichtsregeln. Diese Gemengelage erschwert eine Einordnung in die herkömmlichen Kategorien des öffentlichen Rechts bzw. des privaten Rechts (Zivilrecht, private Sonderrechtsbereiche), wie sie in Deutschland üblich ist.

Das Wertpapierrecht hat sich von seinen zivilrechtlichen Grundlagen in Deutschland bisher nicht gelöst. Das bedeutet, dass die Rolle des Wertpapiers als Handelsgegenstand und das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Wertpapierverkäufer und -käufer im Vordergrund steht. So sind dem Wertpapierrecht insbesondere Vorschriften über die Funktionen von Wertpapieren als zivilrechtliche Urkunde (z.B. Verkörperung von Ansprüchen, Gutglaubensschutz) und als Zahlungsmittel bzw. als Mittel zur Kapitalaufbringung zuzuordnen.897 Wertpapiere werden abgesehen hiervon ähnlich anderen zivilrechtlich gehandelten Produkten behandelt.898 Insbesondere die Informationspflichten von Emittenten und der Schutz der Anleger vor einer unvollständigen Information zu den in Wertpapieren verkörperten Werten sind in Deutschland kein Gegenstand des herkömmlichen Wertpapierrechts, sondern vielmehr des Kapitalmarktrechts. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen liegt insbesondere darin, dass wertpapierrechtliche Regelungen dort häufig auch auf nicht verkörperte Finanzinstrumente anzuwenden sind.899

Das Handelsrecht unterwirft Kaufleute als privates Sonderrecht900 zusätzlichen Vorschriften zur Erleichterung des Handelsverkehrs. In diesem Rahmen schafft es Öffentlichkeit durch Registerpflichten und die vorliegend vor allem relevanten Vorschriften zu Bilanz und Rechnungslegung. Durch die Erfüllung bilanzrechtlicher Pflichten wird es den Transaktionspartnern möglich abzuschätzen, ob ein Kaufmann kreditwürdig ist und bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann. Allerdings gibt die Erfüllung bilanzrechtlicher Pflichten über das gesamte Risikoprofil des Kaufmanns und nicht nur über das Risikoprofil der von ihm durchgeführten Transaktionen mit Finanzinstrumenten Auskunft. Zudem ist zu einzelnen Transaktionen keine öffentliche Rechnungslegung erforderlich.

Das Gesellschaftsrecht betrifft das Verhältnis der Gesellschafter untereinander bzw. das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Anteilsinhabern. Der Schwerpunkt liegt hier somit auf Regelungen zu den privaten Rechtsverhältnissen in der Gesellschaft und nicht auf dem Außenverhältnis zu Anlegern. Dabei sind die Grenzen allerdings gerade im Kapitalgesellschaftsrecht fließend, da Anleger durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen selbst Mitinhaber der Gesellschaft werden. Die Abgrenzung zwischen kapitalmarktrechtlichem Anleger- und Verbraucherschutz kann schließlich unscharf sein. Allerdings ist der Anlegerschutz nicht auf den Schutz natürlicher Personen beschränkt.901

Im Wesentlichen unabhängig von den genannten privatrechtlichen Regelungsbereichen steht das öffentliche Aufsichtsrecht. Dieses hat sich in Deutschland zunächst für zentrale Finanzmarktinfrastrukturen (v.a. Börsen) und für Finanzintermediäre (Banken, Versicherungen) entwickelt. Die Einführung eines marktbezogenen Aufsichtsrechts (z.B. zu Insidergeschäften, Transparenzpflichten) ist eine neue Entwicklung, die vor allem von der EU-Ebene ausgeht. Diese überlagert zum Teil eigenständige nationale Rechtsentwicklungen. So hat die deutsche Rechtsprechung beispielsweise einen privaten Anlegerschutz auf Basis der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und des Schutzes besonders schutzbedürftiger Vertragspartner entwickelt, bevor die EU eigenständige Regelungen zum Anlegerschutz erlassen hat.902

Ein Kapitalmarktrecht, wie es sich in den USA als Securities Law entwickelt hat, war dem europäischen Recht und auch dem deutschen Recht lange unbekannt. In der EU hat es sich erst aufgrund von Impulsen des U.S.-Rechts durchgesetzt. Manche Regelungen erfolgten auch auf britische Anstöße (z.B. auf den UK „Big Bang“ und den Financial Services Act 1986).903 Das Kapitalmarktrecht wurde in der EU dabei oft nicht durch unmittelbar anwendbare Verordnungen, sondern durch Richtlinien eingeführt, die national umzusetzen waren und deren Vorgaben im Rahmen der Umsetzung ins bestehende Recht in den Mitgliedstaaten eingebettet wurden. Die EU-Regulierung erfolgt zudem für abgegrenzte Regelungsbereiche (z.B. Insiderhandelsverbote, Prospekthaftung) und umfasst dann Vorschriften, die nach nationalem Recht sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich zu verorten sein können. Das EU-Recht selbst nimmt insofern keine Unterscheidungen vor.

Die dogmatische Abgrenzung zwischen Privat- und öffentlichem Recht ist somit gerade im Bereich der Finanzmarktregulierung von schwindender Aussagekraft. Insbesondere bei Regelungen, die zivilgerichtlich durchgesetzt werden, ist umstritten, ob diese auch eine Doppelnatur haben können.904 Dies dürfte mit der überwiegenden Meinung im verwaltungsrechtlichen Schrifttum allerdings abzulehnen sein. Zwar kann ein Sachverhalt eventuell unter mehrere, sich überschneidende rechtliche Tatbestände gefasst werden (z.B. als aufsichtsrechtlicher und ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß). Es wäre aber rechtlich inkonsistent, wenn derselbe Tatbestand gleichzeitig unterschiedliche (und gegebenenfalls inkompatible) Rechtsfolgen und Rechtsschutzmechanismen auslösen würde.905

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