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Читать книгу: «Sommerspiel», страница 4

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Er räusperte sich, um zu antworten, sie aber fuhr fort.

»Nein, natürlich liegt der Fehler fast immer auf seiten der Frau, das sehe ich sehr wohl ein. Es ist der Troubadour in euch, Thomas,« lächelte sie leicht, »und den zu erkennen, wird uns oft schwer, – bis es zu spät ist. Aber reden wir nicht mehr darüber. – — [[«]]

»Nur das eine thut mir ja ein wenig weh,« fuhr sie fort, »daß ich hier sitzen und dich so ausfragen muß, als wenn man einen Schuljungen beim Betrügen ertappt. Das thut mir ein wenig weh, Thomas.« Sie preßte die Hände fest zusammen und sah zu ihm auf.

»Natürlich ist es jetzt vorbei,« sagte er.

»So?« fragte sie schnell. – »Nun,« fuhr sie nach einer Weile fort und sah ihn prüfend an, – »übrigens kann ich nicht einsehen, warum es jetzt, wo ich das Ganze weiß, schlimmer ist, als bisher – wo ich es nicht wußte. Ich finde, es ist besser.«

Thomsen sah vor sich nieder. »Ich kann mich jetzt nicht gut dazu bequemen —«

»Na ja, darüber können wir ja noch immer reden,« sagte sie in erleichtertem Ton. »Aber jetzt erzähle mir. Wer ist es? Ist es eine Schauspielerin? Thomas, Thomas, du, der du viel ins Theater gehst!«

»Nein, eine Schauspielerin ist es auch nicht,« sagte er. »Auch nicht einmal eine Chansonette oder Balletteuse oder so eine. Es ist —«

Er schwieg und sah sie plötzlich an. »Du kennst sie übrigens!«

Sie runzelte die Brauen. »Ich kenne sie?«

»Ja! Erinnerst du dich nicht der Dame, die zu Hause bei uns wohnte, als wir uns verheirateten, – eine Art Freundin meiner Schwester, – Fräulein Fick?«

»Wie?« rief sie aus, – »die kleine, strenge Person?«

»Na, strenge,« sagte er, – »ich finde doch, sie sieht sehr freundlich aus.«

»Ich habe nie etwas so Mürrisches gesehen! Ist sie es denn wirklich?«

»Ja, sie ist es!« sagte er.

»Das ist doch nicht möglich! Aber liebster Freund, wie hast du es mit der aushalten können!« rief sie aus.

Er sah nieder und schwieg.

»Es ist wohl so eine alte Geschichte?«

»Ja,« sagte er. »Zehn Jahre alt!«

»Also genau so lange, wie wir verheiratet gewesen sind.«

»Ja!« murmelte er.

Sie strich sich über die Stirn und saß eine Weile da. »Es ist mir ganz unbegreiflich,« sagte sie dann. »Wäre es etwas unwiderstehlich Berückendes gewesen, – etwas märchenhaft Strahlendes, – etwas aus der andern Welt, so hätte ich es verstehen und mich auch wohl besser darein finden können. – — Aber diese kleine Spitze, einfache Gouvernante, – sie beleidigt mich wirklich!«

»Ja, ja!« sagte er, »jetzt ist es ja auch vorbei.«

»Zehn Jahre! Was habt ihr eigentlich miteinander gemacht? Wie habt ihr die Zeit hingebracht?«

»Das weiß ich wirklich nicht,« sagte er, »aber vergangen ist sie ja!«

»Hat sie dich Weißstickerei gelehrt, – darin war sie ja groß.«

»Nein,« sagte er, – »das eigentlich nicht.«

Frau Thomsen erhob sich und ging ein wenig auf und nieder. Sie blieb vor ihrem Mann stehen.

»Du hast ihr also eine Wohnung gemietet? Erhältst du sie auch?«

»Ja,« sagte er und räusperte sich, – »das heißt, etwas hat sie ja selbst.«

»Und dann gehst du zu ihr? Jeden Tag?«

»Nein, höchstens zweimal die Woche,« sagte er. »In der Regel nur des Sonnabends.«

»Heute bist du also da gewesen?«

»Ja,« sagte er, und rückte ein wenig auf dem Stuhle hin und her.

Frau Thomsen sah ihn einen Augenblick an, – wandte sich dann um, – und ging in die Gartenstube, durch das Wohnzimmer und die Eßstube, – ging um den Tisch herum und kehrte zurück. Langsam ging sie und preßte die Hände gegen ihre Wangen, und von Zeit zu Zeit schüttelte sie heftig den Kopf, – wie für sich.

Jetzt stand sie wieder draußen auf der Veranda. Sie stand da und sah zu Thomsen hinüber, der still auf seinem Stuhl saß, aus seiner Pfeife paffend, geistesabwesend vor sich hinstarrend; er hatte sie nicht bemerkt.

Dann trat sie an ihn heran, stützte die Hände auf die Lehne des Stuhles und beugte sich über ihn.

»Hast du sie sehr lieb, Thomas?« fragte sie leise.

Er richtete sich im Stuhl auf.

»Ja!« sagte er mit einem wunderlich schwachen, verschämten, glückseligen Lächeln, das sie nicht an ihm kannte, – »wenn ich es also doch sagen muss —«

»Hast du sie lieber als mich?«

Nachdenklich that er einige Züge aus seiner Pfeife. »Das kommt wohl auf eins heraus,« sagte er dann. Und er legte seine Hand auf die ihre und streichelte sie leise.

Sie erhob sich mit einem Seufzer.

»Ja,« sagte sie ruhig, »das verstehe ich sehr wohl. Du paßt im Grunde viel besser zu ihr als zu mir. Mit ihr hättest du dich verheiraten sollen. Aber ich wurde es nun einmal, und da müssen wir denn die Dinge so nehmen, wie sie gekommen sind.«

Er sah sie aufmerksam an.

Sie stand da und betrachtete ihre Hände. »Ich müßte lügen, wenn ich sagen wollte, daß mir dies angenehm wäre,« fuhr sie fort. »Aber auf der andern Seite, – Scheidung und dergleichen, – dafür bin ich nicht. Wir wollen das Leben nicht zu tragisch nehmen.«

»Nein!« sagte er mit Nachdruck.

»Jetzt weiß ich also, was du anfängst, wenn du Verlangen nach Ruhe und Langerweile hast und nach Weißstickerei und stiller bürgerlicher Gemütlichkeit, – nach einem Heim!« fuhr sie mit einem schwachen, bittern Lächeln fort, – »und ich finde, das solltest du ruhig fortsetzen. Hast du dann hin und wieder einmal Lust, ein wenig gepufft und geärgert zu werden, – dich mit einem Frauenzimmer zu amüsieren, das leider außer dir niemand hat, mit dem es sich amüsieren kann, – so komme nur getrost zu mir. Ich will mich schon bemühen, den Humor aufrecht zu halten, solange ich kann!«

Er erhob sich und ging auf sie zu.

»Du bist eigentlich eine gescheite Frau, Carla,« sagte er. »Du bist, weiß Gott, viel klüger als die andere.«

»Keine Vergleiche!« sagte sie und runzelte die Stirn. »Nun, dann sind wir uns ja einig.«

Er nickte. »Also wie du willst.«

Sie standen eine Weile da und sahen auf den Sund hinaus.

»Ich glaube, der Wind nimmt sich auf,« meinte Thomsen. »Wollen wir einen kleinen Spaziergang in der poetischen Abendröte machen?«

»Ich habe keine Zeit. Wir waschen heute. Aber geh du nur!«

Er nickte ihr zu und ging in den Garten hinab.

Wie dick er doch ist, dachte sie, während sie da stand und ihm nachsah – und wie häßlich er auf seinen Beinen geht.

Sie versuchte, sich einzureden, daß es eigentlich erst jetzt so war, wie es zwischen ihr und ihrem Mann sein sollte, jetzt wo alles aufgeklärt und geordnet war. Sie konnte selbst recht gut sehen, daß sie die Sache überlegen und klug behandelt hatte, wie es von ihrer Erfahrung und ihren ganz freien Lebensanschauungen zu erwarten war. Und Thomsen blieb ja derselbe gutmütige Spießbürger, der er immer gewesen war.

Aber trotzdem —

Ihr Leben, – es war, als sei sein ganzer Reiz verblaßt. Sie sah darauf zurück, – wie auf etwas, das schon in weiter Ferne lag; und es flimmerte vor ihrer Erinnerung von so vielen kleinen Schelmereien, von heiterer Ungewißheit von einem Tag zum andern, von fröhlicher Spannung, von Freude und Zorn über nichts in der Welt. Jetzt war das alles tot.

Nur weil Thomsen ein paarmal in der Woche dort in der Stadt saß und sich bei dieser gleichgültigen kleinen Dame langweilte; und weil sie selber Tag aus, Tag ein mit dieser Gewißheit weiter leben sollte, – illusionslos, allein – und alt.

Wie banal das Ganze doch war, wie gewöhnlich und dumm und leer es war.

Selbst den kleinen, roten Schmerz von vorhin empfand sie nicht mehr.

Das war vorbei.

Sie seufzte tief auf und sah eine Weile geistesabwesend auf den Strandweg hinab, wo die Leute ihre kleinen Eitelkeiten in der Abendbeleuchtung spazieren führten.

Plötzlich mußte sie an Hartwig und seine Frau denken. Die Begegnung mit ihnen am Vormittag und die vielen Male, wo sie sie Arm in Arm, eng aneinandergeschmiegt, hatte vorübergehen sehen.

Die mußten doch wohl glücklich sein, wie es hieß.

Wie sie diese kleine, übermütige Frau beneidete! So sicher saß sie auf ihrem Bock, als habe sie nichts vom Leben zu befürchten.

Wenn sie die doch nur treffen könnte!

Langsam erhob Frau Thomsen ihre Hand, und ließ sie über ihren Hals hinabgleiten, – wie in einer leisen verwunderten Liebkosung. Ihr fiel etwas ein, – war es nicht erst gestern abend gewesen, als sie in den dunklem Garten gesessen und Hartwigs Blick dort auf ihrem Halse gefühlt hatte, – so starrend, daß ihr die Haut fast davon kribbelte?

Ob da wohl was zu gewinnen war? – —

Sie ging hin und schellte. Im nächsten Augenblick stand Anna vor ihr.

»Wie sieht es mit der Tischwäsche aus?« fragte sie.

»Ja, gnädige Frau,« versicherte das Mädchen eifrig. »Sie wird heute abend noch mit allem fertig, mit jedem Stück!«

»Das ist gut,« sagte Frau Thomsen. »Denn wir werden Montag Gesellschaft haben.«

V

»Wenn wir nur erst wieder glücklich zu Hause wären!« sagte Frau Ingeborg Hartwig zu ihrem Mann, als sie Arm in Arm den Strandweg entlang, nach Strandheim gingen.

»Hm, das pflegt man ja stets zu sagen, wenn man in Gesellschaft muß,« bemerkte er.

»Ich kann aber die Menschen nicht leiden,« sagte sie und schauderte leise.

Ganz weiß war sie unter dem lichten Umhang: ein weißes Kleid mit lang geschwungenem, stilisiertem Blumenmuster, ein antiker silberner Gürtel um die feine Taille, und um den Hals eine einzelne Reihe weißer Perlen.

»Du wunderliches Ding!« lächelte er und schüttelte sie ein wenig. »Ich bitte mir aber aus, daß du heute recht liebenswürdig bist.«

Sie gingen schweigend weiter.

»Kannst du mich nicht zu Tische führen?« fragte sie plötzlich und sah zu ihm auf.

Er lachte. »Nein, das geht wirklich nicht!« rief er aus. »Du bekommst natürlich den Hausherrn.«

Sie sandte ihm einen hastigen Blick zu. »Und dann wirst du natürlich die Hausfrau führen?« fragte sie.

»Ja, das vermute ich. Wir sind ja zum ersten Mal da und es kommt niemand außer uns.«

»Doch! Hans!«

»Ja, den kannst du ja auf die andere Seite bekommen. Dann bekommst du sicher keinen Mund voll Essen vor lauter Konversation!«

»Ach, das wird ja schrecklich!« rief sie aus. »Worüber soll ich nur einmal mit den beiden Murmeltieren reden!«

»Mit Hans, deinem teuren Hans!« neckte er sie.

»Kann ich dich denn nicht an die andere Seite bekommen?«

Er lächelte und drückte ihren Arm an sich. »Ja, das läßt sich am Ende einrichten!« meinte er. »Wenn wir es recht schlau anfangen. Aber du mußt nicht gleich auf mich zustürzen, wie du zu thun pflegst, denn dann sieht es aus, als wären wir gar zu verliebt ineinander, und dann lachen sie uns aus.« »Das können sie gern thun!« sagte sie.

Sie kamen nun in den Garten hinein und gingen hinauf. Im Entree standen Anna und Anton und nahmen ihre Umhüllungen ab.

Als sie in die Gartenstube kamen, sahen sie Thomsen und Vedel an der Verandathür stehen, die Hände auf dem Rücken, ohne miteinander zu reden.

Der Großhändler kam ihnen entgegen und hieß sie in »Strandheim« willkommen.

»Sie reden wie ein Burgherr!« sagte Hartwig lächelnd.

»Das habe ich von meiner Frau gelernt!« entgegnete Thomsen trocken.

»Die gnädige Frau hat recht. Es ist wirklich pompös hier!«

»Wunderhübsch!« sagte Ingeborg und sah gebildet und freundlich aus.

Sie sahen nach dem gezackten Mauerwerke hinüber, das die steinerne Treppe, die zum Garten hinabführte, flankierte, – und ließen den Blick leicht über die stattliche Paneelung und die geschnitzten Holzornamente der Decke gleiten. »Vollkommen mittelalterlich!« bemerkte Hartwig.

»Soll so sein, soll so sein!« lächelte der Großhändler vergnügt.

»Troja!« versetzte Vedel ganz ruhig.

Hartwig wandte sich lachend nach ihm um. »Nein, hören Sie nur! Jetzt fängt er schon wieder an, Witze zu machen.«

»Das war sicher gar nicht seine Absicht,« lächelte der Großhändler und packte ihn beim Arm. »Übrigens habe ich den Witz nicht recht verstanden!«

»Das ist ja ein Citat, Herr Thomsen!« erklärte Vedel höflich. »Es steht in einer von Holbergs Komödien, – in Yeppe vom Berge, soweit ich mich entsinne.«

Hartwig trat an ihn heran. »Sagen Sie mir doch Vedel, haben Sie sich so kostümiert, um Yeppe zu citieren?« fragte er und knipste lächelnd mit den Fingern nach seiner Weste! »Es ist jedenfalls ganz im Stil.«

Alle betrachteten Vedel. Statt der weißen Weste, wie sie die andern trugen, hatte er eine altmodische seidene Weste, mit kleinen roten Rosenknospen gestickt, angezogen.

»Die habe ich vom Vater geerbt,« sagte er.

»Die ist hübsch!« sagte Ingeborg. »Ich kenne sie, sie steht dir gut Hans!«

»Ja!« sagte er vergnügt, sie mit einem dankbaren Blick ansehend, »ich ziehe sie auch nur an, wenn ich —« er stockte und senkte den Blick.

»Wenn Sie mit meiner Frau zusammen sein sollen!« rief Hartwig laut auflachend aus. »Na ja, das ist ja auch eine Art und Weise, den Hof zu machen.«

Ingeborg runzelte die Brauen und sah ihren Mann erzürnt an. Vedel schwieg.

»Sie paßt jedenfalls sehr gut zu der Umgebung,« bemerkte Thomsen.

»Ja, das ist wahr,« sagte Hartwig. »Hätte ich daran gedacht, so würde ich ein altes Seidenwams angezogen haben, das ich zu Hause habe.«

»Und ich bin noch im Besitz von ein Paar gelben Kniehosen und hochroten Strümpfen,« bemerkte der Großhändler, »von einem Karneval her, wo ich den Kardinal Richelieu gemacht habe.«

Man lachte bei dem Gedanken, – und Hartwig nahm Thomsen unter den Arm und ging mit ihm auf die Gartentreppe hinaus, wo sie sich in leisem Zwiegespräch hinsetzten.

Ingeborg trat auf Vedel zu.

»Warum machst du dich immer lächerlich, Hans?« sagte sie leise, und entfernte einen Staubfleck von seiner Schulter. Und warum verteidigst du dich nie?«

Vedel räusperte sich.

»Ja, ich weiß, was du sagen willst. Du bist kein Mann, Hans.«

Er blickte nieder und antwortete nicht.

Sie ging ein wenig auf und nieder, kehrte dann wieder zu ihm zurück.

»Wie kommt es übrigens, daß du hier bei uns andern im Zimmer bist?« fragte sie und sah ihn herausfordernd an.

»Was meinst du damit?« fragte er.

»Ich glaubte, du seiest als Lohndiener hier im Hause gemietet,« sagte sie, »du pflegst ja hinter der Hausfrau herzugehen und ihre Einkäufe zu tragen, wenn sie Besorgungen macht.«

Er wurde plötzlich dunkelrot und fing an, mit den Augen zu zwinkern. »Wie kannst du nur so etwas sagen, Ingeborg?« flüsterte er.

»Glaube nur um Gottes willen nicht, daß es Eifersucht oder dergleichen ist!« rief sie ärgerlich aus. »Aber du solltest nur wissen, wie albern du neulich aussahst, als du mit dem Fisch hinter Frau Thomsen hergetrottelt kamst! – — —

Gott weiß, wie lange wir noch auf das Essen warten sollen!«

Und sie ließ ihn abermals stehen.

Gleich darauf that sich die Thür zum Eßzimmer auf, und Frau Thomsen kam hereingebraust. Sie trug ein mattgrünes seidenes Kleid, das ihrem rotblonden Haar und dem vom Herdfeuer glühenden Gesicht nicht kleidete.

»Guten Tag, liebe, süße kleine Frau!« sagte sie und drückte Ingeborg warm die Hand, – »Willkommen in Strandheim! – — Guten Tag, Baron. Noch vielen Dank für die gütige Hilfe neulich!« Und sie brauste weiter, »willkommen auf Strandheim, lieber Herr Hartwig! Wie hübsch von Ihnen, daß Sie gekommen sind! Ich denke, wir können jetzt essen, – die Mädchen hatten natürlich Unsinn gemacht, da mußte ich, —«

Im selben Augenblick öffnete der Diener die Flügelthüren zu dem Eßzimmer und stellte sich auf.

Frau Thomsen verneigte sich vor Hartwig, Thomsen bot Ingeborg den Arm, und sie gingen hinein, – während Vedel, finster und verwirrt, still folgte.

Bei Tische ging die Unterhaltung ungleichmäßig, fieberhaft. Frau Thomsen redete ununterbrochen, mit lauten Lachanfällen und eifrigen Blicken nach allen Seiten; Hartwig antwortete ihr munter und willig. Die andern drei aber fast gar nicht. Thomsen versuchte eine Unterhaltung mit Ingeborg, da sie aber nur kurz und gezwungen antwortete, ergriff er bald sein Glas und bat sich die Ehre aus, es auf ihr Wohl zu leeren; ein Lächeln und ein schelmischer Blick in seinen Augen sagten ihr: wir beide sind nicht dafür, uns unnötige Mühe zu machen, nicht wahr? Darauf machte er sich schweigend über sein Essen her und überließ seiner Frau das übrige. Ingeborg lauschte mit wachsender Nervosität dem Geplauder der Wirtin; sie konnte es nicht leiden, sie und Hartwig zusammen zu sehen, – sie entdeckte Andeutungen, verborgene Aufforderungen, Koketterie hinter ihren Worten, – sie kannte Ernst gar nicht wieder, wie er mit einem eifrig lächelnden, selbstzufriedenen Gesicht da saß. Auch Vedel, der an ihrer rechten Seite saß, machte sie unruhig und ängstlich. Sie war ganz schweigsam und erhob kam die Augen von ihrem Teller.

So führten denn die Wirtin und Hartwig ausschließlich die Unterhaltung.

Frau Thomsens schöne Goldledertapeten wurden pflichtschuldigst bewundert. Dann ging die Unterhaltung auf die Häuslichkeit in der Nähe wohnender Sommerfrischler über: man beredete ihre drolligen Einrichtungen in den kleinen, möblierten Wohnungen, die Einnahmen und Aussichten der Familien, die privaten Passionen der jungen Frauen während der langen Nachmittage, wenn die Herren Gemahle in der Stadt waren. Mit einem Übergang wurden die Eremitagen-Rennen berührt – morgen fand das letzte statt. Niemand hatte Lust, es mitzumachen, – so hatte der Sattelplatz während der letzten Jahre seinen Charakter verändert: Die Demie-monde machte sich immer breiter, und peinliche Scenen mit halbverrückten und versoffenen Edelleuten waren fast unvermeidlich. Auch die königliche Familie hielt sich ja mehr und mehr fern.

Es entstand eine Pause.

Frau Thomsen fiel in einem Anfall plötzlicher Müdigkeit zusammen. Es summte in ihrem Kopf von ihrem eigenen Gerede, – und sie empfand eine Sekunde lang deutlich, wie schlaff und alt sie aussah, während sie da saß und schwieg. Aber das war ihr einerlei, – alles war ihr einerlei, weil sie sich plötzlich so grenzenlos einsam fühlte.

Hartwig saß da und ärgerte sich über Ingeborgs steifes Wesen, das er für Trotz und Verlegenheit hielt. Da war seine Tischdame allerdings viel freier und überlegener. Er hatte eine Menge Wein getrunken und seine Hand so auf das Tischtuch gelegt, daß sie einen Augenblick die ihre berührte. Darin lag doch nichts Schlimmes! Das gehörte ganz einfach mit zu den Genüssen eines besseren Mittagessens, – jeder durfte das sehen.

»Prost! Herr Baron!« sagte Thomsen plötzlich und erhob sein Glas, sich zu Vedel wendend.

Vedel verneigte sich mit verwirrten und finstern Augen nach allen Seiten.

Hartwig sah mit einem schelmischen Blitz in den Augen zu Vedel hinüber. »Apropos, Herr Baron,« sagt er munter, – »wie denken Sie eigentlich über unsere degenerierte Aristokratie?«

Vedel sah ihn plötzlich an, – mit einem sonderbaren starren, drohenden Blick.

»Ich glaube, es giebt in ganz Europa nichts Ähnliches!« fuhr er fort und lehnte sich in den Stuhl zurück. »Ich habe viel gereist, viel gelesen und entsinne mich meiner Eindrücke. Es herrscht ja überall Degeneration, nirgends aber wie hier. In Deutschland sind sie doch wenigstens Mannsleute, diese Junker. – Donnerwetter, wenn ich an ihre eisernen Fäuste denke, an ihr Lachen, ihre Zähne, ihre Beine, – das ist Rasse! Stupide wie die Büffel, – selbstredend! Die Renaissance liegt ja in weiter Ferne, und das Regiment da unten setzt ja förmlich Prämien für Dummheit aus. Aber es ist doch ein Stand, sie kennen einander am Geruch! Und in England,« fuhr er fort und lehnte sich eifrig vor, »da sind sie noch mehr, – das sind sie Männer! So sollen Männer aussehen wie diese Sirs. Es ist ganz sicher die Absicht der Natur gewesen, daß die Herren der Schöpfung sich zu dieser einen Erscheinung vervollkommnen sollten, und nur zu der. Sie umfaßt alle Männlichkeit, geistig wie körperlich. Wenn man nur ihr Lächeln sieht, so weiß man, daß sie wie sonst niemand einer Gefahr trotzen, eine Frau gewinnen, eine Bank sprengen, wie kein anderer! Vielleicht sind auch sie degeneriert, – ich habe etwas von Unmoralität und dergleichen gehört, – und es mag ja sein, daß das wahr ist, aber als Edelleute reicht ihnen niemand das Wasser! Die Franzosen,« fuhr er fort und lehnte sich wieder zurück, mit denen sieht es ja schwächer aus. In körperlicher Beziehung taugen sie, offen gestanden, nicht mehr viel, und in moralischer auch nicht. Sie nehmen sich nicht so recht aus in der heutigen Beleuchtung. Wenn man mit so einem Marquis des französischen Adels spricht, so hat man den Eindruck, daß er nicht ahnt, ob der Präsident des Landes Faure oder Loubet heißt oder Carnot, und daß er das jedenfalls für völlig gleichgültig hält, – was es ja übrigens auch ist. Aber rührt man an seiner Familie, – gare. En arrière, petit-cousin, der sich möglicherweise aus dem Stande heraus verirrt hat, – ein Ahne aus dem zwölften Jahrhundert, der in einer Schlacht, von der niemand mehr etwas ahnt, eine Standarte erobert hat, – das ist sein Leben!«

»Aber ist das nicht schrecklich öde?« fragte Frau Thomsen, die aufmerksam zugehört hatte.

»Öde? Liebe gnädige Frau, das ist schön! Ich liebe den Adelsstand, ich huldige ihm in meinem Herzen, ich begreife nicht, wie man ohne ihn fertig werden kann! Aber hier zu Lande, du lieber Gott!« Er schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

»Kennen Sie den hiesigen Adel genau?« fragte Frau Thomsen.

»Sehr genau!« sagte er. »Ich bin selber von Blut, – meine Mutter ist eine geborene Rantzau, – und ich habe die besten Jahre meiner Jugend damit hingebracht, mich auf den seeländischen Rittergütern herumzutreiben, teilweise auch auf den laalandischen und fünenschen. Jütland kenne ich nicht. Damals dachte ich nicht weiter über das nach, was ich sah; aber wenn ich jetzt an die Leute zurückdenke, die ich dort traf, – und die ich noch immer treffe, – es ist ein Jammer! Ich ziehe die Arbeiter vor, die haben doch eine Art Standesgepräge, unser Adel ist nichts! Nichts! Nichts! Ich fordere ja keine geistige Kultur, Gott bewahre! Nicht einmal körperliche Kultur! Ich fordere nur ein wenig Standesgefühl, ein wenig begründete Eingebildetheit, wenn Sie wollen. Da ist natürlich hin und wieder einmal eine schöne Dame, ein tüchtiger Kerl, hier wie überall, aber der Stand als Stand ist null, gar nichts! Ich weiß wahrhaftig nicht, was der Grund ist. Isolation ist es nicht, denn sie isolieren sich selten, und wenn sie es thun, werden sie deswegen nicht besser. Auch natürlich das Gegenteil nicht, obwohl bürgerliche Kraft und Tüchtigkeit bei der Amalgamierung in der Regel so eigentümlich in Staub zerfällt. Aber in einer unglücklichen Blutmischung ist der Grund wohl im eigentlichen zu suchen. Die meisten dieser Familien haben ja keine natürliche Wurzel hier im Lande. Es ist schlechtes, deutsches Blut, das sich nicht mit dem dänischen hat vermischen können. Dann verkrüppelt der ganze Körper. Ein Arm welkt hin, ein anderer schwillt an, ein Bein wird steif durch Verkalkung der Gelenke, der Kopf wackelt auf dem Halse. Der Organismus ist zerstört.«

Er schwieg, – und alle sahen Vedel an, als sei der Angriff gegen ihn gerichtet, als müsse er sich jetzt verteidigen.

»Nun, Baron!« sagte Frau Thomsen mit einem neckischen Lächeln, »was sagen Sie denn zu der Salve!«

»Na, es trifft ja —« begann Hartwig in leichtem Ton.

»Ich schweige wenigstens von unsern Fehlern,« sagte Vedel plötzlich gedämpft, aber mit einem ernsten, drohenden Tonfall, indem er Hartwig gerade ins Gesicht sah.

Hartwig sah ihn einen Augenblick an.

»Es trifft ja Vedel nicht so ganz eigentlich,« fuhr er darauf langsam fort, indem er den andern anstarrte. »Seine Familie ist ja ziemlich ungemischt schwedisch-norwegisch. Freilich ganz zu Grunde gegangen. Sind Sie nicht der einzige Baron dieses Namens hier zu Lande, Vedel?«

»Ja!« sagte Vedel.

»Das meinte ich doch. Er sitzt am äußersten Ende des welken Armes als kleiner, einsamer, verdorrter Nagel.«

Frau Thomsen brach in ein lautes Gelächter aus, und der Großhändler grunzte.

Vedel wurde dunkelrot und sah hastig zu Ingeborg hinüber, dann sah er Hartwig mit einem dunklen ratlosen Blick an.

»Ja, womit wünschen Sie denn sonst, daß ich Sie vergleiche?« sagte Hartwig ruhig und lächelnd. »Etwa mit einer Hand mit einem Schwert? oder einem helmgezierten Kopf? Wie ist Ihr Wappen?«

»Das kenne ich!« rief Frau Thomsen aus, »er hat es mir gezeigt! Es ist eine weiße Blume auf rotem Felde mit der Unterschrift: Rühr' mich nicht an, auf lateinisch!«

» Noli me tangere, – ei, ei!« sagte Hartwig. »Was für eine Blume ist es denn? Eine Taubnessel?«

»Ich möchte Sie bitten, sich nicht mehr mit mir zu beschäftigen, Herr Hartwig,« sagte Vedel plötzlich und sah nieder.

Es entstand eine Pause.

»So necken Sie ihn jetzt nicht mehr,« sagte Frau Thomsen und legte die Hand auf Hartwigs Arm.

»Verzeihen Sie, meine gnädige Frau, ich denke gar nicht daran, ihn zu necken,« sagte Hartwig und beugte sich über den Tisch. Aber seine Stimme klang ärgerlich, und das Messer, das er in der Hand hielt, zitterte, als er es gegen ein Glas stemmte. »Er interessiert mich nur. Er peinigt meine Gedanken unaufhörlich, ich kann nicht aus ihm klug werden, ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll! Baron ist mir nicht genug, nicht einmal die Weste kann mir helfen. – — Fisch? Nagel? Amphibium?« – —

»Ich möchte Sie auf das Eindringlichste ersuchen, nicht mehr von mir zu reden,« sagte Vedel mit fast unhörbarer Stimme. Aber seine Augen brannten sich in die Hartwigs.

Hartwig wurde rot. »Was für ein Amphibium ist das eigentlich?« wiederholte er hart.

Es ging eine Unruhe über den Tisch —

»Hans Vedel ist der feinste, edelste Mensch, dem ich im Leben begegnet bin,« sagte Ingeborg plötzlich laut. Ihre Stimme zitterte, und sie sah in die Höhe, als lege sie ein Bekenntnis ab.

Hartwig starrte sie mit weitgeöffneten Augen an, schwieg aber.

Thomsen und seine Frau sandten einander einen hastigen Blick zu und sahen vor sich hin. Vedel aber hatte ein leeres Glas ergriffen und drehte es unaufhörlich auf dem Tischtuch hin und her.

Am Büffett hinter dem Tisch klirrte der Diener leise mit den Tellern.

»Was ist denn das? regnet es?« sagte Frau Thomsen plötzlich und sah nach dem Fenster hin.

Thomsen erhob sich. »Ja, wahrhaftig!« rief er aus. Er ging hin und sah zum Fenster hinaus. »Nur ein Schauer, nur ein Schauer! Aber das frischt gut auf.« Er kehrte zurück und rieb sich die Hände. »Dann können wir nach Tische eine kleine Fahrt mit dem Kutter machen,« sagte er und setzte sich.

»Ja, das kann sehr nett werden,« bemerkte Hartwig. Er strich sich über das Gesicht und wandte sich dann an Frau Thomsen:

»Segeln Sie viel hier draußen gnädige Frau?«

»Segeln, – ich?« rief Frau Thomsen aus, – mit wem in aller Welt sollte ich wohl segeln? Thomsen ist ja jeden Tage vom frühen Morgen bis abends sechs Uhr in der Stadt, ich bin den ganzen Tag mutterseelen allein!«

»Ja, das sind Sie wohl auch!« sagte Hartwig langsam und schwieg.

Es entstand eine Pause.

Gottlob, da ist die Melone! dachte der Großhändler, denn jetzt wird die Sache peinlich!

In der That hielt Frau Thomsen nur mit der größesten Anstrengung die Unterhaltung während des übrigen Teils des Diners aufrecht, und so schnell wie möglich hob sie die Tafel auf.

»Ha, dann wollen wir doch einmal sehen, wie der liebe Gott über die Sache denkt,« schlug der Großhändler vor, als sie in die Gartenstube gekommen waren. Aber der Regen trommelte und peitschte gegen die Verandenfenster und nach Süden zu standen große, dunkle Wolken, die sich langsam zusammen zogen.

Er schüttelte den Kopf, und sie standen eine Weile da und sahen mißmutig in den Regen hinaus.

»Wir haben uns ja so nach Regen gesehnt!« meinte Hartwig. »Die Erdbeeren vertrocknen ganz.«

»Ja, es ist gut für die Landleute,« sagte Thomsen mit einem verschmitzten Lächeln, »aber weniger erfreulich für die kleinen Damen mit dünnen Kleidern auf See. – — Nun, dann müssen wir wohl sehen, daß wir uns innerhalb unserer vier Wände gemütlich einrichten.« Er rieb sich die Hände, und sie versammelten sich alle um den Kaffeetisch.

Die Stimmung war aber gestört. Frau Thomsen schenkte schweigend den Kaffee ein, setzte sich, schüttelte sich ein wenig und kroch in sich selbst zusammen. Hartwig hatte sie aufgegeben. Ein Mann, der so verliebt in seine Frau war, daß er aus lauter Eifersucht nahe daran war, über einen Eßtisch hinweg eine Prügelei zu beginnen, – mit dem war wirklich nichts aufzustellen. Und diese kleine hochmütige Frau, die mochte ihretwegen ihr Glück behalten. – Sie selber fühlte sich so unsäglich müde und gleichgültig gegen alles, selbst ihre Wirtinnenpflichten, die sie doch niemals vernachlässigte, waren ihr einerlei. – —

Aber was war denn das? – — Plötzlich sah sie Hartwigs großes, braunes Gesicht gerade vor sich – —

Hartwig hatte eine Weile mit unruhiger und zerstreuter Miene dagesessen und schweigend die Spitze seiner Zigarre angestarrt. Was hatte Ingeborg nur einmal? War sie wirklich in diesen unmöglichen Baron verliebt? Wollte sie offenen Krieg? – —

Nun denn, er war Manns genug, ihn aufzunehmen!

Und voll von seiner alten Eroberungsfreude drehte er resolut seinen Stuhl um, so daß er Ingeborg und Vedel den Rücken zukehrte; jetzt saß er Frau Thomsen gerade gegenüber, – ihr erstauntes – lächelndes – fragendes Gesicht beugte sich ihm langsam zu, – die unerwartete Freude machte es plötzlich ganz jung unter seinem Blick. – — Jetzt konnte es losgehen!

Und mit seiner tiefen Stimme begann er, ihr von seinen Reisen und Erlebnissen zu erzählen.

Nach einer Weile sah er, wie Frau Thomsens Augen sich starr auf etwas hinter ihm richteten und sich aufmerksam bewegten, als verfolgten sie irgend etwas, das verschwand. Er sah sich verstohlen um und entdeckte, daß Ingeborg und Vedel weg waren.

Da rückte er näher an Frau Thomsen heran, – ganz nahe. Er legte die große Hand auf die Lehne ihres Stuhles und fuhr fort zu reden.

Ingeborg ging schnell durch die Gartenstube in das Wohnzimmer, von Vedel gefolgt. Dort setzte sie sich auf ein kleines Sofa am Fenster, rückte einen Stuhl dicht an sich heran und zeigte darauf; Vedel nahm schweigend Platz. Ihr Gesicht war ganz blaß, und ihre Augen glänzten. Eifrig und flüsternd begann sie, mit ihm zu sprechen, während er lauschte und in seiner gewöhnlichen höflichen, ruhigen Weise antwortete.

Thomsen saß eine Weile da und sah zu ihnen hinüber, dann wandte er den Kopf ab und sah mit zwinkernden Augen seine Frau und Hartwig an. Er legte die Cigarre hin, griff in die hintere Rocktasche, holte seine kleine Shagpfeife heraus, stopfte sie sorgfältig und zündete sie an.

»Jetzt geben sie gleich Feuer,« sagte er zu sich und erhob sich, – »aber mir ist es wirklich einerlei.«

Er fing an, in den Zimmern auf und nieder zu schlendern. Von der Veranda ging er in das Wohnzimmer, – rund um den Tisch herum und wieder zurück nach der Veranda, dann machte er denselben Weg noch einmal und ging wieder hinaus. So fuhr er fort: »Ich will die Verliebten doch anstandshalber ein bischen im Auge behalten,« dachte er.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
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131 стр. 2 иллюстрации
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Public Domain

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