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Читать книгу: «Sommerspiel», страница 7

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Hastig sah sie zu ihm hinüber. »Hans!« rief sie leise aus, »ach, du bist ja hier!« sie preßte seine Hand und schmiegte sich fest an ihn. »Ich sah dich ja oben vom Fenster aus, – ich mußte zu dir hinab. – —« »Ach, Hans,« flüsterte sie plötzlich. Sie faßte ihn mit der einen Hand um den Kopf und preßte ihre feuchte Wange gegen die seine. »Ach, mein teurer, lieber Freund, – ach, Gott sei Dank, daß ich dich habe!« – —

Vedel wagte nicht, sich zu rühren, er atmete schnell, er ballte die Hände um das Steuer. »Was geschieht nur einmal?« flüsterte er – —

Ingeborg hielt seinen Nacken fest umschlungen. Dann wandte sie langsam das Gesicht nach ihm um. Ihr Mund war gerade vor dem seinen, sie starrte ihn mit Augen an, die durch die feuchten, zitternden Wimpern leuchteten.

»Hans!« flüsterte sie fast unhörbar, »willst du mich haben, Hans? – Willst du?«

Vedel ließ die Steuerpinne fahren. Das Boot drehte sich schnell herum – stand einen Augenblick still mit klatschenden Segeln, – und plötzlich füllten sie sich und schlugen mit lautem Knallen über Ingeborg herab. Das Boot legte sich ganz auf die Seite, und das Wasser schäumte herein.

»Gieb acht!« rief Vedel und packte das Steuer mit aller Gewalt. Das Boot drehte sich herum, bäumte sich auf und glitt langsam und friedlich weiter. Die Gefahr war vorüber.

»Wir müssen aber achtgeben, wo wir sind,« sagte Vedel. Er war ganz blaß geworden, und seine Stimme zitterte ein wenig. »Du mußt dich da hinübersetzen, Ingeborg,« fuhr er fort und hob das Segel in die Höhe, um sie hindurch zu lassen.

Sie sah ihn an – und setzte sich hinüber. Ihr einer Ärmel war ganz vom Wasser durchnäßt, aber sie merkte es nicht.

»Das war a narrow escape,« erklärte Vedel und versuchte zu lächeln: »Aber es kam ja ein wenig unvorbereitet, und mit Booten wie das meine muß man vorsichtig sein. Sie wenden so schnell, und gerade in dem Augenblick ist ein wenig Gefahr dabei. Das ist auch wohl der Grund, weshalb die Fischer sie hier unheimlich nennen, – das kann man ihnen nicht austreiben. Aber sonst sind sie wirklich ganz sicher. Und sie gehen ja so leicht bei jeder See. – — Findest du das nicht auch, Ingeborg?« fragte er, als sie nichts sagte.

»Ja,« sagte sie – und sah ihn an.

Sie schwiegen eine Weile.

Es fehlte wirklich nicht viel daran, so wären wir gekentert, dachte Vedel. Wäre der Wind in dem Augenblick ein klein wenig stärker gewesen, so hätte das Boot mit dem Kiel nach oben gelegen, – und Ingeborg – —

Er schauderte. Er starrte sie an.

Sie saß da mit einem sonderbar erstaunten Ausdruck im Gesicht, sie zwinkerte mit den Augen, und von Zeit zu Zeit strich sie sich langsam mit der Hand über die Stirn.

Vedel schüttelte traurig den Kopf.

Was sagte sie doch vorhin, dachte er plötzlich, – das, was uns fast zum Untergang geworden wäre? – — Ja!

»Willst du mich haben?« – —

Ja, aber er mußte sich doch verhört haben – — Willst du mich haben? – Was sollte das nur bedeuten? So lange Hartwig sie hatte, konnte er sie doch nicht auch haben. Man kann sich doch nicht so selber verschenken, wenn man kein Recht dazu hat – —

Nein, ich habe mich verhört, dachte er bestimmt. So etwas kann sie nicht sagen, – Ingeborg! das ist wirklich unmöglich, – unmöglich! So etwas kann Ingeborg nicht sagen.

Unmöglich!

Oder, – dachte er auf einmal, – sollte es bedeuten, daß sie sich von Hartwig scheiden lassen und nachher mich heiraten will? – Sollte das möglich sein? dachte er mit einem plötzlichen Wonnebeben. So heftig erregte ihn der Gedanke, daß er die Steuerpinne abermals losließ. Aber er griff schnell wieder darnach. Um Gottes willen, – ruhig! dachte er. – — Ich muß sie ausforschen, – ich muß mich ganz vorsichtig vergewissern.

»Ingeborg,« sagte er und räusperte sich, – »bist du nun auch sicher, daß es etwas Besonderes bedeutet, daß dein Mann mit Frau Thomsen spazieren gegangen ist?«

Sie sah ihn an.

»Was?« sagte sie.

»Bist du dessen ganz sicher?« wiederholte er, an und für sich liegt ja nichts böses darin, daß dein Mann einen Spaziergang mit Frau Thomsen macht – — «

»Ach Hans!« rief sie aus und sah ihn erzürnt an.

»Was meinst du?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf, seufzte und lehnte sich hinten über.

»Da stiegt eine Möve,« murmelte sie. – »Ach, daß ich das doch wäre!«

»Aber du antwortest nicht auf meine Frage,« sagte er sanft.

Sie sah ihn an. »Du bist dumm, Hans,« sagte sie, – »ja, du bist so schrecklich dumm, daß mir nie etwas Ähnliches vorgekommen ist! Du bist so dumm, wie das Wasser tief ist!«

»Ja,« sagte er ruhig, »ich bin nicht so klug wie du, das weiß ich sehr wohl. Aber das habe ich auch nie geglaubt. Ich wollte dir nur gern helfen, wenn ich es könnte.«

»Ach du lieber Gott!« sagte sie und sah wieder in die Höhe.

»Aber du könntest mir doch eigentlich auf meine Frage antworten,« fuhr er fort.

»Ich habe sie Gottlob vergessen,« sagte sie flüchtig.

»Ich fragte dich, ob du auch glaubtest, daß es etwas Unrechtes sei —«

»Ach, laß mich doch in Ruhe!« rief sie und hielt sich die Ohren zu. »Darauf kommt es ja gar nicht an, das hab ich dir doch gesagt! Laß ihn nur spazieren, laß ihn flirten und kokettieren, so viel er mag! Ich bin mit ihm fertig! Ich mache mir nichts mehr aus ihm! Kannst du das denn nicht verstehen?«

Er saß eine Weile da und sah vor sich hin. Sie ist zu aufgeregt, dachte er, man kann sich gewiß nicht auf das verlassen, was sie sagt.

»Ich kann es nicht recht glauben,« sagte er.

Sie antwortete nicht, starrte nur in die Luft und fing an, eine Melodie vor sich hinzusummen.

»Ich kann nicht begreifen, wie man so plötzlich mit einem Menschen fertig werden kann, den man doch lieb gehabt hat.«

Ihr Summen verstummte plötzlich, – aber sie saß unbeweglich da und starrte in die Luft empor.

»Ich kann es nicht begreifen,« wiederholte er hartnäckig.

Sie fing an, ihr Haar zu ordnen, schob die verwehten und zerzausten Locken wieder unter den Hut. »Nein, es giebt allerdings mancherlei, was du nicht verstehen kannst, lieber Hans,« sagte sie nachlässig, – »aber deshalb kann es am Ende doch richtig sein.«

»Hast du ihn denn gar nicht mehr lieb?« fragte er eindringlich.

»Nein!« sagte sie kurz.

» Jetzt meint sie es wirklich! dachte er erfreut, – jetzt ist es ganz sicher.

Er drehte das Steuer herum und sie nahmen den Kurs weiter in den Sund hinaus.

So weit wären wir also! dachte er und blinzelte selbstzufrieden mit den Augen, – jetzt wagen wir uns vorsichtig einen kleinen Schritt weiter vor.

»Findest du es nicht amüsant zu segeln?« fragte er.

Sie nickte kurz, antwortete aber nicht.

»Ja, —« begann er, – »jetzt werden wir vielleicht oft zusammen segeln, Ingeborg —«

»Warum meinst du das?« fragte sie.

Jetzt wagte er es! »Ja,« sagte er gedämpft, – »wenn du dir also nichts mehr aus deinem Mann machst, so mußt du also mit mir fürlieb nehmen, – zum Segeln, meine ich!« fügte er erschrocken hinzu.

»Und worüber sollten wir beide wohl reden?« fragte sie und sah ihn überlegen an.

»Ach, wir haben doch so vieles, worüber wir reden können! Unsere Kindheit!«

»Unsere Kindheit!«

»Ja, – weißt du noch, – gestern abend?«

Sie sah ihn einen Augenblick an. Plötzlich zog sie das Tuch fest zusammen und schauderte.

»Ja, all das, dessen wir uns zusammen erinnerten!« fuhr er fort, ganz glückselig über das Thema. »Aber Ingeborg!« sagte er eifrig und beugte sich über sie, – »da waren drei Dinge, von denen wir gar nicht gesprochen haben, – es fiel mir erst hinterher ein, und ich beschloß, dich daran zu erinnern, – Das erste war der Ball bei euch, wo du mich zwangest, den ganzen Abend mit dir zu tanzen, sie glaubten alle, wir wären verlobt, weißt du wohl noch, was deine Tante Charlotte sagte? – — Und dann den Morgen, als ich dich auf der Langen Linie zusammen mit dem großen, dicken Axel Jörgensen traf, – weißt du das noch? Deine erste Schwärmerei? Das war gleich nach deiner Konfirmation. – — Du warst einen ganzen Monat nachher wütend auf mich. – — Und dann drittens, als wir Französisch zusammen hatten, – die erste Stunde, als ich deklinierte: Je m'amuse, tu t'atuse, il s'asuse – — Wie du lachtest, Ingeborg!«

»Ach, das war schrecklich!« flüsterte Ingeborg und sah vor sich hin.

»Was?« fragte er verwundert: »daß ich verkehrt deklinierte?«

»Nein, gestern abend,« flüsterte sie, – »und über Nacht, – und heute morgen —«

Er starrte sie an, – und wurde plötzlich ebenso traurig wie sie.

Wie schlecht und brutal doch dieser Hartwig ist! dachte er, – wahrlich, er verdient, daß sie ihn nicht mehr liebt. – —

»Ingeborg!« sagte er leise und warm, – ich könnte nie schlecht gegen dich sein!«

»Nein, du,« – sagte sie – »aber kannst du begreifen, warum Ernst es ist? Glaubst du, daß er mich nicht mehr leiden kann?«

Was nun? dachte er verwundert. – Aber so sehr liebte er sie, daß seine Stimmung sofort und fast ohne Widerstand mit der ihren zusammenschmolz.

Er senkte den Kopf. »Er hat ja eigentlich keinen Grund dazu,« sagte er gedämpft.

»Nein, das hat er nicht, das hat er nicht!« rief sie aus.

»Aber, siehst du, Hans,« fuhr sie eifrig und eindringlich fort, »wir sind ja nur so kurze Zeit verheiratet gewesen, und das Ganze ist so schnell gekommen, – ich glaube, er kennt mich noch nicht so recht! Wir kamen ja aus so ganz verschiedenen Verhältnissen, nicht wahr? Und dann sind wir ja fast so lange, wie wir verheiratet sind, umhergereist, – haben gar keine Zeit gehabt, mit einander zu plaudern, nicht wahr? Ach nein, woher sollte er mich auch kennen, der Ärmste! – — Glaubst du nicht auch, daß darin der Fehler liegt, Hans?«

Er verstand sie jetzt ganz. Instinktmäßig erriet er, was er sagen mußte, um sie froh zu machen.

»Ja,« sagte er, – »und dann ist er vielleicht auch ein wenig eifersüchtig —«

»Meinst du?« sagte sie, – und ein Lächeln blitzte auf. »Ja, aber auf wen sollte er wohl eifersüchtig sein?«

»Wohl auf mich!« lächelte er.

Sie lachte ausgelassen. »Ja, du bist wirklich auch einer, auf den man eifersüchtig sein kann, du alter Esel!« rief sie aus und zauste ihn am Ohr.

»Aber ich bitte dich!« lächelte Vedel glückselig über ihre Freude, – »wir sind doch wirklich gute Freunde, nicht wahr?«

»Freilich, – wie der eine ungleiche Schuh zu dem andern sagte!« lachte sie, – wurde dann aber plötzlich ernsthaft.

»Ach Gott, ach Gott, wenn es das doch wäre?«

Ungleiche Schuhe, dachte Vedel. Ja, ja, ich habe es ja gewußt, – ich habe mich vorhin verhört. Sie will mich nicht haben, – das habe ich ja immer gesagt. – Jetzt wollen wir die Sache zum Abschluß bringen:

»Aber darum braucht dein Mann doch nicht schlecht gegen dich zu sein!« sagte er und sah sie fragend an.

»Ach, Unsinn!« sagte sie, – »wenn nichts weiter im Wege ist.«

Also! dachte Vedel, – sie liebt ihn. – —

Und all sein Zorn gegen Hartwig war plötzlich verschwunden.

Aber weshalb sagte sie denn, daß sie ihn haßte.

»Du sagtest ja vorhin, daß du ihn nicht leiden könntest?« fragte er. »Habe ich das gesagt?« rief sie aus, – »dessen entsinne ich mich wirklich nicht mehr!« Sie zog die Augenbrauen in die Höhe. – —

»Ach! fuhr sie plötzlich ärgerlich fort, – »das war ja nur, weil ich so böse auf ihn war: Kannst du denn das auch nicht kapieren?«

»Ja, ja,« sagte Vedel.

»Ihr Männer seid nun einmal so unbegreiflich dumm!« eiferte sie, »wenn ich darüber nachdenke, so weiß ich kaum, wer dümmer ist, du oder Ernst.«

Er schüttelte den Kopf! »Ich glaube nicht, daß ich so klug bin wie Hartwig.«

»Ach, Gott weiß,« sagte sie, »das kommt vielleicht auf dasselbe heraus.«

Vedel war jetzt so freundlich gegen Hartwig gestimmt, daß er sich ganz froh und stolz über diese plötzliche Brüderschaft fühlte.

»Ja,« sagte er, »ich kann es wirklich so brillant verstehen, daß du deinen Mann liebst, Ingeborg!«

»So!« sagte sie, »das ist wirklich sonderbar!«

»Ja, und daß er eifersüchtig ist,« fuhr er fort, »das beweist ja nur, daß auch er dich liebt.« »Sonderbar!« rief sie aus und schlug die Hände zusammen, »wie gewitzt du auf einmal wirst, Hans!«

»Ja!« sagte er vergnügt. »Und an und für sich hat er ja auch so viele gute und liebenswürdige Eigenschaften.«

Sie änderte den Ton. »Ja, die hat er!« sagte sie.

»Er ist eine männliche Persönlichkeit,« fuhr Vedel fort. »Selbst wenn er auch nicht so besonders begabt ist —«

»Nicht begabt!« rief sie mit blitzenden Augen aus, – »und das sagst du, du kleiner Idiot!«

»Verzeih mir,« sagte er, »aber du sagtest doch selber vorhin, daß er nicht klüger sei als ich. – —«

»Aber das sagte ich wirklich nur, weil er auf so einen wie dich eifersüchtig ist.«

»Nun ja!« sagte Vedel sanft, »dann hat er also alle ausgezeichneten Eigenschaften.«

»Die hat er! Die hat er!«

Vedel schwieg. Er konnte nichts dabei machen, – er fand daß sie heute ein wenig launenhaft war. Aber das kommt wohl, weil sie in der letzten Zeit so viel erlebt hat, dachte er. Arme kleine Ingeborg! – Aber nun war ja alles wieder gut.

»Du bist schrecklich lieb und gut, Hans!« sagte sie plötzlich und strich ihm über die Wange, »aber jetzt müssen wir machen, daß wir nach Hause kommen. Ich bin auf einmal so hungrig geworden, ich habe ja noch gar kein Frühstück bekommen.«

Vedel wandte das Boot. »Ich bin übrigens auch hungrig!« sagte er lächelnd.

»Dann frühstücken wir zusammen nicht wahr?«

»Ja, gern!« sagte er erfreut.

»Alle drei!« rief sie aus, – »wir können ja, – ach Gott!« sagte sie plötzlich leise und schwieg.

Sie waren nördlich vor dem Hafen angelangt, mit gutem Wind direkt darauf zu gesegelt.

»Gott weiß, wo Ernst jetzt ist!« sagte Ingeborg plötzlich leise und sah vor sich hin.

Vedel räusperte sich und wollte antworten. —

»Sie gingen da zusammen, ganz dicht nebeneinander!« fuhr sie schnell fort, »ich bin fest überzeugt, sie sprachen von Liebe! Er trug ihren Korb, – gerade sowie du neulich!« rief sie erregt aus, »ja, sie hat euch gut am Bändel, die dicke Madame!«

»Ich muß dich darauf aufmerksam machen, Ingeborg,« sagte Vedel und wurde dunkelrot vor Zorn, – »daß ich nicht in Frau Thomsen verliebt bin – —«

»Ach, laß mich bitte in Ruhe!« rief sie aus. »Das schreckliche ist, daß die beiden jetzt allein zusammen sind!«

»Ist das denn so schrecklich?« sagte Vedel.

»Ja, das ist schrecklich!« rief sie aus und stampfte mit dem Fuß, – »es ist so schrecklich daß ich mich am liebsten hinlegen und auf der Stelle sterben möchte!«

»Ich meine doch,« sagte Vedel sehr ruhig, »daß du vorhin sagtest, das sei gar nicht das, worauf es ankäme!«

Sie starrte ihn an. »Ja, du bist brillant, Hans!« sagte sie dann. »Dich könnte man, so wie du bist, für Geld sehen lassen!«

»Das mag sein,« sagte er, »eine Thatsache aber ist es, daß du das vorhin sagtest. Und ich muß doch glauben, was du sagst.«

»Ach, ich weiß gar nicht, was ich sage,« rief sie aus. »Ich weiß nur, daß ich ihn liebe, ihn liebe, ihn liebe!«

Nun, ja, dachte Vedel, jetzt habe ich sie gestraft, wenn sie sagt, daß ich in Frau Thomsen verliebt bin, werde ich böse. Und jetzt habe ich ihr das gezeigt. Dann ist alles wieder gut.

Schweigend saß er da und steuerte. Der Hafen war ihnen jetzt ganz nahe gerückt, – in weniger als fünf Minuten konnten sie drinnen sein.

Ingeborg wurde immer unruhiger. Sie strich unaufhörlich das Haar aus der Stirn, – preßte die Hände gegen ihre Wangen, – rückte hin und her, zitterte, starrte nach dem Ufer.

»Hans!« flüsterte sie plötzlich, »jetzt sollst du hören, was ich thun will. – — Jetzt gehe ich nach Hause, und wenn er dann nicht da ist, so erwarte ich ihn. Und wenn er dann hereinkommt, werfe ich mich platt vor ihm an die Erde und bitte und flehe und flehe, ob er nicht bei mir bleiben will! – Dann sagt er, das will er nicht – — Aber dann sage ich, er könnte alles thun, was er will, – mit Frau Thomsen und mit wem er will in der ganzen Welt, wenn er bloß nicht von mir geht! Und dann nimmt er mich und hebt mich zu sich empor und sagt, daß er bei mir bleiben will um meiner großen Liebe willen – —

Glaubst du nicht auch, daß es so zugehen wird, Hans?« flüsterte sie, als sie sich ein wenig von ihrer Erregung erholt hatte.

»Nein, nicht ganz so, Ingeborg,« sagte Vedel gedämpft, mit sanfter, ruhiger Stimme. »Denn da steht dein Mann!«

Und er zeigte auf die Hafenmole.

Blitzschnell wandte sie den Kopf. – Ein erstickter Schrei, – ja, da stand er!

Sie wurde leichenblaß. Unbeweglich saß sie da und starrte ihn an, – bis sie langsam in den Hafen hineinglitten.

Dann erhob sie sich zitternd, – und stand, an den Mast gestützt. Sie sah seine hohe Gestalt, ihr zugewandt, sein braunes Gesicht unter dem weißen Strohhut. Er rührte sich nicht, grüßte nicht.

Vedel stängelte langsam das Boot an die Treppe hinan, wo er stand.

Sie sah ihn die Stufen hinabgehen, bis er auf der untersten stehen blieb. Sie sah seine Augen, seinen Mund. – Es war, als sollte sie vergehen! – —

Sie legten an, – er breitete die Arme nach ihr aus, – und mit einem Schrei lag sie an ihn geschmiegt —

»Ingeborg! Du bist also doch gekommen!«

Er hielt sie in den Armen und trug sie hinauf.

Aber sie wollte ihn nicht lassen. Sie suchte sein Gesicht mit ihrem Munde, sie schluchzte, lachte, und unter strömenden Thränen, mit gebrochenen Lauten preßte sie ihn an sich.

»Ach, mein Schatz, mein teurer, geliebter Schatz!«

»Du süße Ingeborg,« flüsterte er tief bewegt, »wie ich dich liebe!«

Sie sahen nichts um sich her. Ihr Kopf lag an seine Brust gepreßt, in halb bewußtlosem Glück bei ihm geborgen. Er stand über sie gebeugt, mit zitterndem Gesicht, sprachlos vor Wonne. »Wollen wir nach Hause gehen?« fragte er endlich.

Und langsam, schwankend, mit großen Pausen gingen sie dem Ufer zu.

Im Boot aber stand Vedel aufrecht und fein, mit entblößtem Haupte und sah ihnen nach.

VIII

Ingeborg und Hartwig waren ganz bis auf den Strandweg hinabgekommen, ehe eines von ihnen sprach.

Beide waren schwindelig, weil sie sich einander so nahe fühlten. Eine so sonderbar Wonne hatten sie noch nie empfunden. Ein solches Bedürfnis nach Demut, nach Dank, nach Hingebung machte sie stumm und scheu.

Was soll ich ihr sagen, dachte Hartwig, – das gut und sanft und innig genug wäre? – Wie soll ich ihr es ausdrücken, wie heiß ich sie liebe? – —

Er dachte an heute morgen und errötete vor Scham über sich selbst. Wir passen nicht zusammen, hatte er ja geglaubt. Passen nicht zusammen! Du großer Gott, – wie die Gedanken der Menschen doch wild und zwecklos umherflattern! – Passen nicht zusammen! Es war, als wenn all das Gleichgültige und Zufällige, all das Flüchtige und Eitle bei ihnen jetzt auf einmal beiseite geschoben sei, damit sie so recht fühlen konnten, wie tief ihre Liebe ging, wie eng sie miteinander verknüpft waren. – —

Passen nicht zusammen! Es giebt ja niemand in der ganzen Welt, der so zusammenpaßt wie wir beide! – —

Ingeborg lehnte den Kopf schwer an seine Schulter. Sie ging mit geschlossenen Augen, sie fühlte nur ihn. Ich habe ihn wieder, – ich habe ihn wieder, – etwas anderes dachte sie nicht.

Sie kamen auf den Strandweg hinab, und gingen langsam heimwärts. Radler flogen an ihnen vorüber, an den Gartenpforten standen gleichgültige Menschen und sahen ihnen nach. Mitten auf dem weiten Wege im Sonnenschein, der um sie her flimmerte, im Staube, der bei ihren Schritten aufwirbelte und sie einhüllte, gingen sie unberührt dahin, stark, warm, – wie aufs neue für einander geboren!

»Ingeborg!« flüsterte er.

»Ja!«

»Bist du jetzt wieder glücklich?«

»Ja!«

Nach einer Weile murmelte sie:

»Und du bist auch glücklich, nicht wahr, Ernst?«

»Ja!«

Sie schwiegen eine Weile.

Dann begann Hartwig langsam und tastend:

»Wir fühlen das hier so heftig,« sagte er gedämpft. »Ich habe bisher nicht darüber nachgedacht, – aber gewiß gerade so wird die Grundlage zu dem Glück zweier gesunder und starker Menschen gelegt. – — Von Anfang an haben wir immer genug an uns selber. So stark fühlen wir uns, daß selbst das zärtlichste und innigste Verhältnis zu einem andern Menschen ein Zwang für uns wird. Wir müssen hinaus, wir müssen fort, wir müssen unsere Fessel sprengen, – — dann heißt es in Ehren bestehen. Diese Probe vernichtet die meisten. – — Aber die, die zurückkehren, die wissen selber, daß sie jetzt und in alle Ewigkeit nur stark sind, – nur gut und innerlich, – nur gut und glücklich, Ingeborg, – wenn sie mit dem Menschen zusammen sind, den sie verlassen haben. – —

So glaube ich, ist es. »Glaubst du das nicht auch, Ingeborg?«

»Ja,« flüsterte sie. »Das glaube ich auch!«

Nach einer Weile fuhr er fort:

»Du fuhrst mit Vedel hinaus. Es ist ja soviel Schönes, Anziehendes an ihm, das sehe ich sehr wohl. Und für dich ging er gewiß gern in den Tod. Es ist ja so natürlich, daß du ihn aufsuchtest. – Aber du fühltest dich enttäuscht, nicht wahr?«

»Enttäuscht?« wiederholte sie und erhob den Kopf, der an seiner Schulter ruhte.

»Ja, – er war doch nicht der, für den du ihn gehalten hattest, wie?«

»Ja,« sagte sie, – »er war so, wie er immer gewesen ist.«

»Nun, aber er konnte dir doch nicht helfen?«

»Nein,« rief sie aus und drückte seinen Arm an sich.

»Aber du suchtest doch seine Hilfe, nicht wahr?«

»Das weiß ich nicht,« sagte sie. »Ja, doch wohl,« fuhr sie nachdenklich fort, – »ich habe ihn, glaube ich, gefragt, ob er mich haben wollte.«

»Aber Ingeborg!« rief er aus. »Ja, da kannst du sehen!«

»Aber dann hatten wir a narrow escape,« fuhr sie fort.

Er brach in ein schallendes Gelächter aus, » A narrow escape,« rief er aus, – ja, so geht es! In einem solchen Augenblick pflegt es dann a narrow escape zu sein.«

»Ja, aber ich mache mir gar nichts aus ihm!« sagte sie eifrig, »ich habe die ganze Zeit nur an dich gedacht.«

Er streichelte sie lächelnd und schwieg.

Nach einer Weile sagte er mit einem Lächeln:

»Ich habe auch einen narrow escape gehabt, das kannst du mir glauben!«

Sie sah ihn an. »Das ist ja wahr!« rief sie aus, »wie ist es denn dir mit der dicken Dame ergangen? Hast du ihr den Hof gemacht?«

»Und ob!« sagte er. »Wir kamen sogar so weit, daß ich in dem entscheidenden Moment Wurst zu ihr sagte, und sie sagte Haut zu mir. Und beides war wirklich ganz zutreffend. Aber damit war es aus.«

Ingeborg lachte ausgelassen und sah ihn mit ihren strahlenden Augen an.

Nach einer Weile standen sie an der Pforte.

»Ernst,« sagte sie ernsthaft und schlang ihre Arme um seinen Hals. » Kennst du mich jetzt?«

»Ich weiß nicht recht,« sagte er und küßte sie. »Aber ich kenne meine Liebe zu dir und mit der werden wir schon glücklich werden!«

Und Arm in Arm gingen sie dem Hause zu.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
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