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4.2 Absender: AdressatenorientierungAdressatenorientierung

„Der Adressat ist König“, so lautet das Mantra in allen Kommunikationsberufen. Für eine erfolgreiche Kommunikation wird die Adressatenorientierung immer wieder beschworen, aber sie ist ein Kernproblem des Schreibens geblieben (Lehrndorfer, 1999, 2013). Meist ist ein Autor bzw. eine Autorin so damit beschäftigt, das Wissen aus dem Kopf in passende Formulierungen zu bringen, dass die Lesenden dabei vergessen werden. Aber jede effektive MitteilungMitteilung muss auf ihre Adressaten ausgerichtet sein. Die Adressatenanalyse und das daraus folgende adressatengerechte Schreiben haben Vorläufer in der Rhetorik, werden aber vor allem zur Forderung in der Didaktik, um Texte für Lernende optimal zu gestalten. Im Bereich des Marketings, der Werbung oder Public Relations wird von Zielgruppen gesprochen.

Gibt es eine AllgemeinverständlichkeitVerständlichkeitAllgemein-?

Eine verbreitete Richtlinie lautet: Schreibe so einfach als möglich, dann verstehen alle AdressatenAdressat deine MitteilungMitteilung. So verlangt z.B. Wikipedia von seinen Autoren und Autorinnen allgemeinverständliche Texte. Nach dem vorgestellten Kommunikationsmodell kann es aber eine von Adressaten unabhängige Allgemeinverständlichkeit aus verschiedenen Gründen nicht geben.

1. Das sprachliche Wissen ist nicht bei allen Sprechern einer Sprache identisch. So gibt es für das Deutsche zwar eine Standardsprache, die in einer präskriptiven Grammatik festgeschrieben und in der Schule gelehrt wird. Daneben existieren aber zahlreiche Varietäten: Dialekte, Soziolekte, Fachsprachen, Mediensprachen usw.

2. Das VorverständnisVorverständnis, also Weltwissen, Erfahrungen, und die kognitiven Kompetenzen sind bei jedem Adressaten anders. Es gibt keine zwei identischen Köpfe und deshalb auch keine Verständlichkeit für alle.

3. Komplexe inhaltliche Zusammenhänge sind allgemeinverständlich mit einfachen Wörtern und einfachen Sätzen schwer vermittelbar. Es gibt allerdings auch die Position, dass es allein eine Frage der Bemühung ist, auch komplexe Inhalte allgemeinverständlich zu formulieren.

Das bedeutet: Optimale Verständlichkeit ist immer adressiert! Eine AllgemeinverständlichkeitVerständlichkeitAllgemein- kann es nicht geben. Wir kommen bei der Leichten Sprache noch einmal auf das Thema zurück (Kap. 11.3).

SegmentierungSegmentierung der Adressaten

Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, mit denen ein Schreibender bei seinen Adressaten rechnen kann:

Eine abgrenzbare Adressatengruppe. Dies ist der Schokoladenfall, denn hier lässt sich ein recht klares Profil der Lesenden erstellen. Beispiele: Reparaturanleitung einer Waschmaschine für den Wartungsdienst oder ein Artikel für eine Fachzeitschrift.

Mehrere abgrenzbare Gruppen. In der technischen Kommunikation ist dieser Fall nicht selten, zum Beispiel: Erstbenutzende und erfahrene Benutzende eines Geräts oder Laien und Experten. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten:

 Es werden zwei Versionen für die beiden Adressatengruppen geschrieben. Das ist arbeitsaufwendig und wird teuer.

 Der Text wird so aufgebaut, dass zwei Lesewege möglich sind. Individuelle Adressatenführung ist ein Vorteil bei hypertextuellen Online-Angeboten.

Heterogene Adressatengruppe. Hier setzt sich das Publikum aus sehr unterschiedlichen Personen zusammen. Beispiele: Mit der Bedienungsanleitung für einen Mittelklassewagen muss ein großer Personenkreis umgehen können. Artikel für eine Zeitung müssen ebenfalls für verschiedene Lesergruppen mit unterschiedlichen Voraussetzungen verständlich sein. Viele massenmediale Kommunikate richten sich prinzipiell an heterogene Adressatengruppen. Diese sogenannte MehrfachadressierungMehrfachadressierung stellt eine kommunikative Herausforderung dar (Hoffmann, 1984). Folgende Möglichkeiten sind denkbar:

 Man richtet sich am untersten Niveau der Adressaten aus. Dabei geht man aber das Risiko ein, anspruchsvolle Lesende zu langweilen.

 Man kann versuchen, einen idealtypischen Durchschnittsadressaten, einen generalisierten Lesenden zu konstruieren. Dabei werden anspruchsvolle Lesende unterfordert und anspruchslose überfordert.

 Man bietet Erschließungshilfen für den Text an, z.B. Zusammenfassungen, ein Glossar, Bilder, Infografiken usw., die bei Bedarf freiwillig genutzt werden können (dazu Kap. 9.2).

 Man bietet in einem Dokument mehrere Lesewege an. Fortgeschrittene können bestimmte Kapitel überspringen. Für elektronische Texte ist ein Progressive Disclosure realisierbar. Zusätzliche Inhalte (Texte oder Bilder) sind zunächst verborgen und werden erst eingeblendet, wenn sie vom Nutzer aktiv abgerufen werden. So kann der Nutzer das Angebot an sein Vorwissen anpassen.

ProfilierungProfilierung

Das Bestimmen der Adressatengruppe ist nur die Vorstufe zur Analyse der Voraussetzungen, welche die Adressaten in die Kommunikationssituation einbringen. Wenn keine ausdrückliche ProfilierungProfilierung stattfindet, dann richtet sich der Absender nach dem ImageImage, das er von seinen Adressaten hat. Professionelle Kommunikation muss aber von einem abgesicherten Profil der Adressaten ausgehen. Man unterscheidet mehrere Gruppen von Variablen, die Aufnehmen, Verarbeiten und Nutzen eines Textes beeinflussen.

Sozio-ökonomische Variablen. Hierunter versteht man Merkmale, die eine Person gesellschaftlich und wirtschaftlich beschreiben: Geschlecht, Alter, Einkommen, Ausbildung, Beruf u.a. Diese Variablen sind interessant, sofern sie mit kognitiven Eigenschaften verbunden sind. So bringen Absolventen der Hauptschule meist schlechtere sprachliche Kompetenzen mit als Absolventen einer Hochschule. Senioren haben oft eingeschränkte Gedächtnisfähigkeiten, die das Verstehen von Texten beeinflussen und beim Schreiben berücksichtigt werden können.

Lesemotivation. Hier geht es um die Frage, mit welchem MotivMotiv und welchen konkreten IntentionenIntention ein Adressat zu einem Text greift. Lesen ist kein Selbstzweck, es ist in umfassendere Handlungen und Zielsetzungen eingebettet (Ballstaedt & Mandl, 1985). Die motivationalen Voraussetzungen spielen eine erhebliche Rolle, wenn es um den Einsatz von mentalen Ressourcen geht.

 Welche Motive, Bedürfnisse und Vorlieben bringt ein AdressatAdressat mit?

 Welche Aufgaben möchte er mit der Lektüre lösen: Nachschlagen, Lernen, Diskutieren, Reparieren?

 Wird der Text freiwillig oder gezwungen gelesen?

 Wie kann man die Adressaten über den Text motivieren?

Die Beantwortung dieser Fragen ist nicht nur für eine stimulierende Formulierung, sondern auch für die visuelle Gestaltung, also Typografie und Layout, eines Textes relevant.

VorwissenVorwissen. Das Vorwissen ist die wichtigste Voraussetzung für das Verstehen eines Textes: Wer neue Informationen in vorhandene Wissensstrukturen einbetten kann, der versteht und lernt besser.1 Diese kognitionspsychologische Erkenntnis hat bereits der Pädagoge Johann Friedrich Herbart (1920) vorweggenommen, er nannte das vorhandene Wissen die „apperzeptive Masse“, in die neues Wissen und neue Erfahrungen integriert werden. Wir haben es mit zwei Fällen zu tun:

1. Das VorwissenVorwissen ist vorhanden, bleibt aber ungenutzt, Lernpsychologen sprechen auch von trägem Wissen, das erst aktiviert werden muss (Mandl, Gruber & Renkl, 1993). Das ist z.B. über einen vorangestellten Text möglich, der Vorwissen und Vorerfahrungen anspricht, einen sogenannten Advance Organizer (ausführlich Kap. 9.2).

2. Oft ist das notwendige VorwissenVorwissen bei den AdressatenAdressat nicht vorhanden. Ein neues wissenschaftliches Ergebnis oder ein aktuelles politisches Ereignis bleiben unverständlich, wenn das Hintergrundwissen fehlt. Der Absender kann hier wenig tun, um für das notwendige Vorwissen zu sorgen: Die Journalisten versuchen dies mit Info-Kästen, Wissenschaftler haben es schwerer, da das Vorwissen oft in der Alltagssprache kaum vermittelbar ist.

Vor allem Experten überschätzen gern das VorverständnisVorverständnis ihrer Adressaten. Folgende Fragen sind für verständigungsorientierte Absender relevant:

 Welche Ausbildung und welche Abschlüsse liegen bei den AdressatenAdressat vor?

 Handelt es sich um Laien, professionelle Nichtexperten, Experten?

 Welches Wissen kann nicht vorausgesetzt werden?

 An welches Vorwissen kann man anknüpfen?

Die Einschätzung des Vorwissens ist grundlegend für jede fachliche Kommunikation, da eine effektive Mitteilung immer vorhandenes Wissen aktiviert und daran anknüpft. Ein und derselbe Text kann für eine Person verständlich, für eine andere mit mangelndem Vorwissen völlig unverständlich sein.

Sprachkompetenzen. KompetenzenKompetenz haben die Eigenart, sich immer weiter aufzufächern, und so lassen sich auch hier verschiedene Unterkompetenzen unterscheiden, die man auch unter dem Dach der Literalität (literacy) zusammenfassen kann (Groeben & Hurrelmann, 2009).

Zunächst geht es um das SprachwissenWissenSprach- in unserem Kommunikationsmodell, die mehr oder minder ausgeprägte Beherrschung des Zeichensystems Sprache. Die Verwendung einer Sprache unterscheidet sich innerhalb eines Sprachraums gewaltig. Unterschiede zwischen der mündlichen Sprache und der Schriftsprache haben wir bereits angeführt. In der älteren Soziolinguistik unterschied man eine elaborierte (= ausgearbeitete) und eine restringierte (= eingeschränkte) Sprache (Bernstein, 1964). Die elaborierte Sprache zeichnet sich durch einen großen Wortschatz und komplexe grammatische Konstruktionen aus, die restringierte Sprache durch einen kleineren Wortschatz und einfache Satzkonstruktionen. Diese Einteilung ist jedoch recht grob und berücksichtigt nur Extreme in einem Kontinuum sprachlicher Differenzierung.

Weiter umfasst die Sprachkompetenz den Umgang mit Texten. Unter Lesekompetenz versteht die PISA-Studie „die Fähigkeit, geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und sie in einem größeren sinnstiftenden Zusammenhang einzuordnen, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen“ (Baumert, Stanat & Demmrich, 2001, S. 22). Es geht also um Verstehenskompetenz, die bisher vor allem bei literarischen Texten untersucht wird (Frederking, 2010). Wie wir später sehen, kann sie am besten als Fähigkeit beschrieben werden, aufgrund von Texten darüberhinausgehende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Die folgenden Fragen sollte ein Autor vor dem Schreiben für sich beantworten:

 Von welcher Lesefähigkeit kann man ausgehen (niedrig, mittel, hoch)?

 Pflegen die Adressaten einen eher elaborierten oder restringierten Sprachgebrauch?

 Kann die fachsprachliche Terminologie vorausgesetzt werden?

Der Sprachgebrauch spielt nicht nur für verständliche Formulierungen eine Rolle, sondern auch für die Beziehungsebene der Kommunikation. Es entsteht eine DiktionsdistanzDiktionsdistanz zwischen Absender und Adressat, wenn der Sprachgebrauch weit voneinander abweicht: Die Adressaten empfinden einen Text dann entweder als abgehoben und arrogant oder als anbiedernd und distanzlos (Siddiqi, 1977).

Persönlichkeit, MentalitätMentalität. In der mündlichen Kommunikation spielt das personale WissenWissenpersonal eine wesentliche Rolle: Das ImageImage, das ein Absender von seinem Adressaten hat, umfasst auch das Wissen, dass ein Gegenüber z.B. neugierig, konservativ, introvertiert, depressiv usw. ist. In der schriftlichen Kommunikation können solche Merkmale nur in Sonderfällen berücksichtigt werden, z.B. muss ein Sachbuch mit dem Titel „Wie komme ich aus meiner Depression“ anders geschrieben werden als ein Buch mit dem Titel „Scharfe Cocktails für die nächste Party“. Die Mentalität und die weltanschauliche Ausrichtung der Adressaten kann in Zeiten der political correctness bei Wortwahl oder Formulierung erhebliche Kommunikationsprobleme nach sich ziehen.

Prozedurales VorwissenVorwissen. Bei Instruktionstexten wie BedienungsanleitungenBedienungsanleitung oder Kochrezepten sind motorische Voraussetzungen wichtig. Dabei geht es um das Handlungswissen und das motorische Können einer Person: Welches Repertoire an Handlungen kann vorausgesetzt und wie differenziert können diese ausgeführt werden (z.B. Feinmotorik).

 Welche Handlungen und Handgriffe sind automatisiert?

 Wie sieht es mit Geschicklichkeit und Feinmotorik aus?

Die Beantwortung dieser Fragen ist wichtig, um die richtige Ebene der Handlungsbeschreibung oder -anweisung zu treffen. Ungewohnte Handlungen müssen detailliert beschrieben und angeleitet werden, gewohnte Handlungen muss man nur benennen (Kap. 8.6).

Eine Adressatenanalyse wird zwar von allen Kommunikationsexperten als wichtig erachtet, aber oft nur oberflächlich durchgeführt. Meist werden die Voraussetzungen der Adressaten in einer Arm-Chair-Analyse ergrübelt. Dabei handelt es sich nur um mehr oder minder wahrscheinliche Mutmaßungen, die so gut oder schlecht sind, wie der Autor bzw. die Autorin die potenziellen Adressaten aus eigener Erfahrung kennt. Einige empirische Methoden der Adressatenanalyse werden im Kap. 11.2 vorgestellt.

Zusatzmaterial 2: Übung zum adressatenorientierten Schreiben

Spezielle Adressatengruppen

In den letzten Jahren haben einige Adressatengruppen besondere Aufmerksamkeit erfahren, wenn es um verständliche sprachliche Kommunikation geht.

SeniorenSenioren. Wegen der Überalterung – oder politisch korrekt Unterjüngung – unserer Gesellschaft treten alte Menschen nicht nur als große Adressatengruppe für soziale und gesundheitsbezogene Dienstleistungen auf, sondern sie wurden auch als kaufkräftige Zielgruppe entdeckt. Den Anfang machten Bücher im Großdruck, inzwischen wird darüber geforscht, auch Gebrauchsanleitungen für Handys oder altersspezifische Produkte seniorengerecht zu schreiben und zu gestalten (Schwender, 2013). Die Adressatengruppe der Senioren ist in ihren Bedürfnissen und Merkmalen gut untersucht. Während Fähigkeiten der als angeboren konzipierten fluiden Intelligenz nachlassen (Kurzzeitgedächtnis, Verarbeitungskapazität, induktives und deduktives Denken), bleiben erworbene Fähigkeiten der kristallinen Intelligenz (Wissen, Erfahrung) erhalten bzw. können sich sogar verbessern. Ältere Menschen müssen für bestimmte kognitive Leistungen mehr Ressourcen aktivieren, sie sind dadurch oft langsamer oder – positiv ausgedrückt – bedächtiger.

Van Horen et al. (2001) verglichen eine Gruppe von 20-30-Jährigen mit einer Gruppe von 60-70-Jährigen bei der Nutzung einer Gebrauchsanleitung für einen Video-Kassetten-Rekorder. Die Senioren machten mehr Fehler als die jüngeren Vpn, wenn die Anordnung von Gerätekomponenten nicht eindeutig beschrieben war und wenn der Sinn einer geforderten Handlung nicht ausdrücklich genannt wurde. Offenbar können jüngere Personen diese Informationen eher erschließen, während sie für ältere Personen ausdrücklich formuliert werden sollten.

Menschen mit BehinderungKommunikationbarrierefrei. Barrierefreie Kommunikation für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ist in der BRD im §. 4 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) definiert:

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“ (BGG, 2002).

Was Kommunikate betrifft, z.B. Nachrichten, Gesundheitsinformationen oder Anleitungen für Geräte, so sollen sie zugänglich und mit eigenen Ressourcen verständlich sein (Schum, 2017). In digitalen Medien lassen sich Texte für sehr unterschiedliche Bedürfnisse barrierefrei aufbereiten und zur Verfügung stellen (Peter, 2013). Mit assistiver Software können Texte für Blinde in Braille-Schrift präsentiert oder in gesprochene Sprache übersetzt werden, für Hörbehinderte in Gebärdensprache. Für kognitive Behinderungen ist eine Leichte Sprache entwickelt worden, die nur einfache Wörter und Sätze umfasst (siehe Kapitel 11.3).

Menschen anderer Kulturen. Im Zuge der Globalisierung und der Migration hat sich die Sensibilität für interkulturelle KommunikationKommunikationinterkulturell verstärkt. Das gilt auch für informative Texte, die in andere Sprachen übersetzt werden. Dabei reicht eine korrekte Übersetzung eines Textes zur Verständlichkeit oft nicht aus, der Text muss auch kulturspezifischen Besonderheiten angepasst werden. Man spricht in diesem Fall von Lokalisierung (Göpferich, 2002). Es gibt zahlreiche Unterschiede, die zu Missverständnissen in der Kommunikation führen können (Heringer, 2004): unterschiedliche Bedeutungsnuancen von Wörtern (KonnotationenKonnotation), verschiedene MentalitätenMentalität, inhaltliche Tabus, abweichende Konventionen usw. Interkulturelle KompetenzKompetenzinterkulturell wird heute als eine kommunikative Schlüsselqualifikation angesehen, sie ist das Vermögen, „mit fremden Kulturen und ihren Angehörigen in adäquater, ihren Wertesystemen und Kommunikationsstilen angemessener Weise zu handeln, mit ihnen zu kommunizieren und sie zu verstehen“ (Lüsebrink, 2008, S. 9).

Frauen. In der Werbung oder dem Marketing für geschlechtsaffine Produkte sind Frauen schon lange eine spezielle Zielgruppe mit direkter Ansprache. Bei wissenschaftlichen Texten und technischen Dokumenten wird zunehmend eine Sprache gefordert, die Frauen als Adressatinnen in den Formulierungen berücksichtigt. Die meisten Sprachen, auch die deutsche, behandeln Männer und Frauen nicht gleich. „Teils sind diese Asymmetrien Relikte aus Zeiten, als Frauen tatsächlich Menschen zweiter Ordnung waren. Teils spiegeln sie frühere Versuche, zu den Frauen ganz besonders nett zu sein. Diskriminieren heißt wörtlich ‚unterscheiden‘. Ob aus Missachtung oder Hochachtung: Wir sprechen wohl oder übel eine Sprache, welche Unterschiede macht“ (Zimmer 1998, S. 67). Demgegenüber gibt es Bestrebungen, die geschlechtliche Ungleichbehandlung zu vermeiden (Hellinger & Bierbach, 1993). Dabei sind zwei allgemeine Richtlinien leitend:

 Sprachliche Sichtbarmachung. Wo von Frauen die Rede ist, muss dies auch sprachlich zum Ausdruck kommen.

 Sprachliche Symmetrie. Wo von Frauen und Männern die Rede ist, müssen beide verbal gleich behandelt werden.

Die Umstellung auf eine geschlechtergerechte Sprache bereitet zunächst Schwierigkeiten. Eine beliebte Möglichkeit, sich um eine geschlechtergerechte Sprache zu drücken, ist eine Generalklausel: „Aus Gründen der Verständlichkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.“ Oder noch kecker: „Bei Verwendung der männlichen Formen sind die Frauen immer mitgemeint.“ Aber sind sie das tatsächlich? Und verstehen sich Frauen einbezogen?

Untersuchungen mit unterschiedlichen Methoden belegen, dass beim Lesen generischer Maskulina häufiger an Männer als an Frauen gedacht wird. Werden Personen danach gefragt, wer ihr beliebtester Maler oder Sportler sei, dann variiert die Anzahl der genannten Frauen signifikant in Abhängigkeit davon, ob mit dem generischen Maskulinum oder geschlechtsneutralen Formulierungen gefragt wird. Beim generischen Maskulinum werden kaum Frauen genannt (Irmen & Steiger, 2006). Andere Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass sich Leserinnen durch die männlichen Formen weniger angesprochen fühlen. Beispiele: Frauen werden von Stellenanzeigen, die das generische Maskulinum verwenden, weniger zu einer Bewerbung motiviert. Mädchen zeigen ein größeres Interesse an einem Beruf, wenn er geschlechtsneutral beschrieben wird (Bem & Bem, 1973).

Versteht man die AdressatenorientierungAdressatenorientierung als ein Grundprinzip professioneller Kommunikation, dann ist das Anliegen der feministischen Linguistik, Frauen sprachlich sichtbar zu machen, durchaus berechtigt. Oft wird als Argument gegen geschlechtergerechte Sprache vorgebracht, dass unter ungewohnten und umständlichen Formulierungen Leserlichkeit und Verständlichkeit leiden. Die deutsche Sprache macht es auch gutwilligen Gendern nicht leicht, vor allem die Pronominalisierung (Wer hat seinen Lippenstift liegen lassen?) oder Komposita (Rednerinnenpult) stellen Schreibende vor verzwickte Aufgaben.

Zur Verständlichkeit gibt es einige Untersuchungen, deren Ergebnisse sich so zusammenfassen lassen: Zwischen Texten mit generischem Maskulinum und unterschiedlichen Alternativformulierungen gibt es keine Unterschiede in der subjektiven Verständlichkeit (Rothmund & Christmann, 2002). Dieser Befund konnte mit Nachrichtentexten repliziert werden (Blake & Klimmt, 2010). Beim Binnen-I (LeserIn) war allerdings die Lesezeit langsamer. Das verweist darauf, dass ungewohnte Wörter und Wortformen (z.B. Frauschaft statt Mannschaft, BürgerInnen) und ungewöhnliche grammatische Konstruktionen zusätzlichen Verarbeitungsaufwand erfordern.

Der Duden, konkret Gabriele Diewald & Anja Steinhauer (2017), hat Vorschläge vorgelegt, die auf drastische Eingriffe in die Sprachgewohnheiten verzichten: Doppelnennungen (Dozentinnen und Dozenten), Abwechseln in festen Wendungen (Damen und Herren, Herren und Damen), substantivierte Partizipien (Dozierende, Gewählte), sexusindifferente Wörter (Fachkraft, Person) und andere Ersatzformen. Obwohl ein drittes Geschlecht „divers“ in das Personenstandrecht eingeführt wurde, fühlen sich viele Intersexuelle sprachlich nicht repräsentiert. Die Berücksichtigung weiterer Geschlechtsidentitäten durch das Gendersternchen (Lehrer*innen) oder das Gendergap (Lehrer_innen) verletzt orthografische Regeln und ist zudem nicht aussprechbar. Man sollte sich rückbesinnen, dass mit dem generischen Maskulinum eine Gattung oder Gruppe bezeichnet wird, in der das biologische Geschlecht, welcher Art auch immer, keinerlei Rolle spielt.

Man kann in der Einführung einer gendergerechten Sprache einen natürlichen Prozess des Sprachwandels sehen, der mit der Abschaffung des Fräuleins in den 80er Jahren begann und irgendwann zur Norm werden wird. Die Verständlichkeit wird darunter wenig leiden, wenn auf gendergroteske Sprachverirrungen verzichtet wird.

Zusatzmaterial 3: Übung zum impliziten Adressaten

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9783846351154
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