Читать книгу: «Die Rache der Mondgöttin», страница 2

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Schon merkte er, wie sein Gegenüber versuchte, in seinen Kopf zu kommen. Während der letzten Jahrhunderte war dem Gott kein neuer Trick eingefallen. Die beste Verteidigungsmaßnahme gegen Zelos’ Beeinflussung war Ablenkung. Im Geiste sagte Konstantin Paragraf 203 aus dem Strafgesetzbuch auf. Die Verletzung von Privatgeheimnissen kam ihm passend vor. Etwa ab der Mitte verlor der Gott die Lust und brach die Attacke ab.

Wer hätte das gedacht? Ein Jurastudium eignete sich glatt als Schutzmaßnahme vor einem Gott. So schnell war Konstantin ihm noch nie vom Haken gekommen.

»Ich wäre fast eingeschlafen«, flüsterte Zelos. »Womit hast du in diesem Leben bisher deine Zeit verschwendet, Scorpio?«

»Versuch das noch mal und du bekommst eine weitere Kostprobe.« Sein Blick huschte zu Arianna. Sie hatte nichts bemerkt. Zelos ließ sie mental auf rosa Wolken schweben.

Kurz darauf war sie fertig und stutzte einen Augenblick, als sie die beiden Männer immer noch mitten im Verkaufsraum stehen sah. Konstantin warf Zelos einen drohenden Blick zu und der Gott trat beiseite. Auf dem Weg zum Tresen zog er zwei Geldscheine aus dem Portemonnaie.

Arianna hielt ihm den Strauß entgegen. »Gefällt er dir?«

»Ja, der ist echt klasse. Vielen Dank!«

Beschwingt drehte sie sich um und riss einen großen Papierbogen von der Rolle an der Wand. »Ich packe ihn dir noch ein, damit er den Transport überlebt.«

»Das ist nett.« Konnte sie sich nicht ein bisschen beeilen? Mit jeder Minute, die er auf winzigem Raum mit gleich zwei seiner Wider­sacher verbrachte, wurden Konstantins Nerven dünner.

Nike streckte die Hand aus. »Lass mich doch schon mal abrechnen«, sagte sie zuckersüß.

Er holte tief Luft und wappnete sich. Im Gegensatz zu Zelos nahm die Göttin den direkten Weg, daher wusste er, was auf ihn zukam. Langsam schob er die Scheine über den Tresen. Sie packte seine Hand.

Nike verbrannte die Haut, wo sie ihn berührte. Konstantin zuckte nicht mal. Damit hatte er gerechnet. Stattdessen benutzte er seine eigene Fähigkeit und vergiftete sie. Scorpios Gift tötete nur Menschen, keine Götter. Allerdings würde sie die ganze Nacht lang kotzen. Was war Nike auch so blöd, ihn freiwillig anzufassen, nur für ein paar Brandblasen?

Lächelnd nahm er den Strauß entgegen, verabschiedete sich und verließ das kleine Geschäft. Zu gern hätte er Zelos beim Gehen ebenfalls gestreift und vergiftet, doch leider funktionierte diese Fähigkeit nicht mehrmals hintereinander. Es dauerte einige Stunden, bis die Kraft sich regenerierte und ihm wieder zur Verfügung stand.

Sobald die Tür zugefallen war, kamen seine wahren Gefühle zum Vorschein. Gern hätte er Zelos eine verpasst. Das würde Arianna übernehmen, wenn sie wieder bei Sinnen war. Er wollte gar nicht daran denken, wozu der Gott Konstantins Gefährtin in ihrem Liebes­wahn brachte und was er womöglich alles mit ihr anstellte. Sonst müsste er die ganze Nacht lang kotzen.

Apropos Nacht, wann ging endlich die Sonne unter? Er musste sich dringend mit Antares beraten. Sein Blick fiel zur Seite auf die Klingelschilder. Auf einem von ihnen stand: A. Gallo.

Konstantin zog das Smartphone aus der Tasche und prüfte die Uhrzeit. Bis Sonnenuntergang dauerte es noch fast zwei Stunden. Was konnte er in der Zwischenzeit machen? Direkt vor dem Laden herumlungern fiel aus. Arianna sollte Vertrauen zu ihm fassen und ihn nicht für ihren neuen Stalker halten.

Die Straße runter war ein Biergarten, an dem Konstantin auf dem Hinweg vorbeigekommen war. Dort würde er etwas essen und sich somit die Zeit vertreiben. Antares fand ihn überall. Seitdem sie ihre Verbindung neu belebt hatten, stand ihm sein Hilfsstern in jeder Nacht bei.

Konstantin nippte an der Cola und schmiegte sich fester in seine Jacke.

Vor einer Weile war die Sonne hinter den Häusern verschwunden und hatte die zarte Frühlingswärme gleich mitgenommen. Es dauerte nur noch Minuten, bis sie vollständig unterging. Auf dem Tisch vor ihm lag der Blumenstrauß. Er hatte seine Meinung geändert und ihn behalten. In dieser Nacht würde er einer Frau einen Besuch abstatten. Dafür konnte er ihn gebrauchen.

Neben ihm flackerte ein orangenes Licht auf und Konstantin lächelte.

»Was gibt’s Neues?«, fragte Antares gut gelaunt. »Du guckst, als wäre dein Haustier gestorben. Hast du Taurus immer noch nicht gefunden?«

In weiser Voraussicht hatte er sich in die hinterste Ecke gesetzt. Hier bekam man seine Selbstgespräche weniger mit. »Ich habe sie gefunden, und genau da liegt das Problem.«

»Sollte ihr Fund nicht dein vorhandenes Problem lösen, statt ein neues zu schaffen?«

Seufzend erzählte Konstantin von den Erlebnissen des Nachmittags. Antares schwirrte in der Zwischenzeit um ihn herum und lauschte. Sobald er fertig war, sagte der Stern: »Du steckst echt in der Scheiße!«

Konstantin knurrte genervt. Ein paar Tische weiter drehte sich ein Pärchen in seine Richtung und er zwang sich zur Beherrschung. »Was du nicht sagst, Captain Obvious!«, zischte er leise.

»Was hast du jetzt vor?«

»Wir gehen gemeinsam noch mal hin und spähen die Lage aus. Taurus wohnt über dem Laden. Vielleicht ist sie jetzt allein. Danach statten wir Selene einen Besuch ab. Hoffentlich hat sie eine Lösung. Immerhin ist es ihr Wille, Taurus zurückzubekommen.«

»Glaubst du wirklich, die Göttin wird uns helfen?«, Antares klang skeptisch.

»Nicht mit ihren eigenen Händen. Du weißt, dass sie den gewählten Zufluchtsort nach Möglichkeit nicht verlässt. Und wer kann es ihr verdenken?«

»Stimmt schon. Also hoffen wir auf einen Tipp. Immerhin besser als nichts.« Heute war Antares ganz besonders spitzfindig, erst recht für ein Wesen, das aus Sternenlicht bestand.

»Du solltest schwarz leuchten statt orange«, gab Konstantin augenrollend zurück.

»Schwarz? Das steht mir nicht. Ich bleibe bei meinem gesunden Teint.«

»Dann lass die Schwarzmalerei. Für Pessimismus bin ich zuständig.«

Der Stern kicherte und hüpfte auf und ab. »Können wir los?«

»Ich habe nur auf dich gewartet.« Konstantin winkte einer Kellnerin zu, zog einen kleinen Schein hervor und platzierte ihn auf dem Tisch.

Ariannas Laden war nicht weit entfernt. Nach wenigen Minuten waren sie da. Schon von Weitem entdeckten sie das rote Leuchten, das vor den Fenstern des ersten Stocks auf und ab schwebte.

Die beiden zogen sich in eine dunkle Straßenecke zurück. Kon­stantin stieß einen leisen Pfiff aus. Abrupt hielt das rubinfarbene Licht inne und sank zu ihnen herab.

»Was ihr hier macht, muss ich wohl nicht fragen«, sagte Taurus’ Schutzstern mit hoher Stimme.

»Die Frage sollte eher lauten: Was machst du hier, Aldebaran?«, erwiderte Konstantin kalt. »Deinen Job schon mal nicht.«

»Sei nett zu ihr«, warf Antares ein. Im Gegensatz zu den beiden Zeichen selbst, kamen ihre Sterne gut miteinander aus.

Aldebaran ignorierte ihn. Ihr Licht pulsierte wütend und sie sah aus wie ein Glühwürmchen im Blutrausch. »Ich kam zu spät. Als die Zeit gekommen war, hatte dieser widerliche … dieser ekelhafte …« Sie war so wütend, ihr fehlten die Worte.

»Dreckskerl, Schleimer, Lackaffe, Sohn eines Titanen und der Totenfluss-Göttin?«, half Konstantin weiter.

»Dieser … Mistkerl und seine vermaledeite Schwester lassen mich nicht an Arianna ran. Einer von beiden klebt immerzu an ihr. Ein Mal ist es mir gelungen. Sie hat mich noch nicht mal angesehen. Was ich auch mache, es wirkt nicht.« Sie schnaubte frustriert.

Konstantin traute seinen Ohren nicht. »Soll das heißen, du schwirrst jede Nacht vorm Fenster rum und bist nicht mal auf die Idee gekommen, dich bei Selene oder mir zu melden? Hast du eine Vorstellung davon, wie wir die letzten Wochen verbracht haben?« Er beantwortete die Frage selbst. »Wir haben nichts anderes getan, als auf der Suche nach Taurus junge Frauen zu suchen, zu finden und zu überprüfen. Hättest du dich gleich gemeldet, nachdem du sie nicht wecken konntest, hätten wir beide deutlich weniger unserer Zeit verschwenden müssen!«

Die Stimmung eines Sterns ließ sich nur am Leuchten und seinem Tonfall erkennen. Sie besaßen keine Gestalt, die zu Gesten oder gar Mimik fähig gewesen wäre. Aldebarans Licht wurde grell. Damit zeigte sie ihm quasi den Mittelfinger. »Und hast du eine Vorstellung davon, was dieser Gott«, sie ließ es wie eine wüste Beschimpfung klingen, »meine Taurus glauben lässt? Sie denkt doch tatsächlich, er wäre ihre große Liebe!«

»Erspare mir die Details, mir ist schon schlecht. Ich bin sicher, Taurus genießt es. Zumindest solange sie unter diesem Bann steht. Anstatt ihr Hilfe zu besorgen, damit sie sich irgendwann mal selbst helfen könnte, schwirrst du sinnlos vorm Fenster rum. Ich bin wirklich froh, dass du nicht mein Stern bist. Mit dir an meiner Seite wäre ich so was von aufgeschmissen.« Konstantin schnaubte verächtlich.

Schlagartig ließ Aldebarans Leuchten nach. »Ich kann sie unmöglich allein lassen. Ich muss doch an ihrer Seite bleiben.«

»Und dafür lässt du sie so lange in Zelos’ Fängen? Glaubst du, sie wird dir das danken?«

»Warum nur bist du immer so giftig?«, jammerte Aldebaran.

Konstantin wollte ihr gerade sagen, dass das in seiner Natur lag, doch so weit kam er nicht.

Antares schwebte an die Seite seiner Artgenossin. »Das reicht jetzt. Wir müssen eine Lösung finden, statt uns Vorwürfe zu machen.«

Missmutig verkniff Konstantin sich einen weiteren blöden Spruch. »Die Götter weichen nicht von Taurus’ Seite, sagst du?«

Das rote Leuchten nahm wieder zu. »Sie sind bei ihr einge­zogen. Nachts sind Zelos und Nike bei ihr. Tagsüber meist nur Nike, wie ich herausgehört habe. Sie hält sich im Hintergrund. Sobald ich mich endlich nähern kann, kommt mir einer von ihnen in die Quere. Kaum ist die Sonne untergegangen, sind sie sehr vorsichtig.«

Das war zu erwarten gewesen. Am Tag konnten die Zeichen nur auf ihre jeweilige Fähigkeit zurückgreifen und waren nicht mehr als ein verfluchter Mensch – das war wortwörtlich zu verstehen und nicht beleidigend. Wenn der Mond den Himmel übernahm und die Sterne an ihre Seite traten, hatten sie gemeinsam ein paar Asse im Ärmel.

Versöhnlicher erwiderte Konstantin: »So war es heute auch. Zuerst war nur Nike da. Sobald sie mich entdeckte, dauerte es etwa fünf Minuten und Zelos stand auf der Matte. Es dürfte schwierig werden, an Taurus heranzukommen.«

»Was machen wir jetzt?«, fragte Aldebaran trostlos.

»Wir suchen Selene auf. Sie wird eher wissen, wie wir gegen diese Gedächtnismanipulation ankommen, wenn selbst deine Berührung nicht hilft.« Konstantin vergrub seine geballte Faust in der Jacken­tasche und stapfte die dunkle Straße entlang. Die beiden Sterne folgten ihm dichtauf. Ihr pulsierendes Leuchten in Orange und Rot täuschte das Auge. Aus dem Augenwinkel wirkte es, als stünden die Häuser hinter ihnen in Flammen.

Es war ein passendes Bild. Konstantin hatte das dumpfe Gefühl, dass die Sache mit Taurus ihm noch viele schlaflose Nächte bereiten würde. Warum hatten sich die Götter ausgerechnet sie schnappen müssen? Jedem anderen Zeichen wäre er lieber nachgejagt.

2


Vertraue niemandem – schon gar nicht den eigenen Gefühlen

Frankfurt am Main, Sachsenhausen

29. März 2018

Arianna

Arianna hatte sich auf einen schönen Nachmittag mit Zac gefreut. Es kam nicht oft vor, dass ihr Verlobter früher Feierabend machte. Stattdessen saß sie allein auf dem Sofa und zappte durch die Fernsehkanäle, weil er sich um seine Schwester kümmerte.

Schon nachmittags hatte Nicky sich schlecht gefühlt. Inzwischen blockierte sie seit Stunden das Badezimmer. Arianna erhöhte seufzend die Lautstärke. Beim lauten Würgen und Fluchen ihrer Schwägerin in spe wurde ihr ganz anders. Es war unbegreiflich, wie Zac es mit seiner Schwester so lange im selben Raum aushielt.

Sie liebte ihn für diese Art der Fürsorge, aber manchmal war die Schwesterliebe etwas übertrieben. Nicky lebte seit ein paar Wochen bei ihnen, während sie in Frankfurt auf Jobsuche war. Wie sie den finden wollte, wenn sie tagsüber nur in Ariannas kleinem Blumenladen rumhing, war ihr ein Rätsel. Zac zuliebe sagte sie nichts, denn Nicky war nicht allzu motiviert, von ihrer Seite zu weichen.

Arianna vermisste die Zweisamkeit. Auch wenn sie seit Jahren ein Paar waren, hatte sie von ihrem Freund noch lange nicht genug. Sie stutzte bei diesem Gedanken. Wann hatte sie Zac noch mal kennengelernt? Und vor allem wo? Es fiel ihr nicht ein. Ihre Gedanken fühlten sich verknotet an. Sie kannte Zac schon ihr halbes Leben lang. Wieso erinnerte sie sich dann nicht daran, wie er als Kind ausgesehen hatte oder ob sie zusammen zur Schule gegangen waren?

Beunruhigt setzte sie sich auf und schnappte sich ein Sofakissen. Wenn sie unruhig wurde, brauchten ihre Hände etwas zu tun. Nervös knetete sie das Kissen und dachte nach. Etwas stimmte nicht mit ihr, sonst hätte sie gewusst, wie lange sie und Zac schon ein Paar waren. Sie planten doch gerade ihre Hochzeit!

Unschlüssig betrachtete Arianna ihr Wohnzimmer. Es war genau so eingerichtet, wie sie es mochte, mit gedeckten Farben sowie vielen Pflanzen und Fotos. Zac hatte ihr beim Einzug vollkommen freie Hand gelassen. Nirgends war sein Einfluss zu sehen.

An den Kauf der Couch, auf der sie saß, erinnerte sich Arianna noch bestens. Eigentlich war das gute Stück zu groß für die Altbauwohnung. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte ein paar Freunde aus der Berufsschule engagiert und die hatten fluchend und schwitzend die Garnitur nach oben geschleppt. Im Anschluss hatte Arianna allen Pizza und Bier spendiert. Es wurde eine der besten Partys, die diese Wohnung je gesehen hatte.

Etwas störte Arianna an der Erinnerung, auch wenn sie nicht benennen konnte, was. Inzwischen war der Stoff leicht abgewetzt und die letzte Party in ihren vier Wänden eine Weile her. Die Bilderrahmen, die auf der Wohnwand drapiert waren, zogen sie magisch an. Von der Sofa-Aktion war auch eines dabei und es zählte zu ihren liebsten Bildern.

Sie ließ das Kissen los und stand auf. Einem Impuls folgend, betrachtete sie besagtes Bild. Es zeigte Arianna umringt von ihren Schul­freunden bei einem Selfie in der neuen Wohnung. Eine Person fehlte, und zwar die wichtigste in ihrem Leben. Von Zac war auf diesem Schnappschuss nichts zu sehen. Warum hatte er ihr damals eigentlich nicht geholfen? Immerhin war er Ariannas Jugendliebe. So lange, wie sie sich kannten, wäre die Bezeichnung Sandkastenfreunde fast angebracht.

Ihr Blick schweifte zu den anderen Fotos. Auf fast allen war Arianna zu sehen, entweder mit Freunden oder ihrer Familie. Eine komische Ahnung stieg in ihr auf und sie betrachtete eingehend jedes Bild. Von Zac gab es genau ein einziges und das hatten sie vor ein paar Wochen beim Ausflug in den Vergnügungspark geschossen. Auf dieses Date hatte Arianna sich im Vorfeld lange gefreut, da Zac wegen der Arbeit monatelang kaum Zeit für so was gehabt hatte.

Warum gab es keine anderen Fotos von ihrem Verlobten oder seiner Familie? So nahe, wie er und Nicky sich standen, sodass er sogar ihre Haare hielt, wenn sie sich stundenlang übergab, sollte man doch meinen, es gäbe in seiner Wohnung ein Foto von ihr.

Seine Wohnung … nein, das stimmte nicht. Das hier war ihre Wohnung.

Wo war dieser Gedanke denn jetzt hergekommen? Arianna freute sich doch schon auf den gemeinsamen Nestbau. Warum schloss sie Zac aus? Beunruhigt nahm sie das Bild aus dem Vergnügungspark zur Hand. Mit dem Daumen strich sie über das Glas. Seit Jahren waren sie ein glückliches Paar. Wo waren die Fotos, die diese Liebe dokumentierten?

Im Flur klappte eine Tür. Nicky stöhnte gequält und rang sich ein paar Worte ab: »Wenn mir dieser Mistkerl das nächste Mal über den Weg läuft, lasse ich ihn dafür büßen.«

Zac schnaubte. »Du bist selbst schuld. Was lässt du ihn auch so nah an dich ran? Du solltest doch wissen, dass Scorpio gerissen ist und uns gefährlich werden kann.«

Verdutzt horchte Arianna auf. Worüber sprachen die beiden da nur? Ein Bild blitzte in ihrem Geist auf. Es war der junge Mann von heute Nachmittag, der einen Blumenstrauß für seine Mutter gekauft hatte. Er war ihr sofort bekannt vorgekommen, dabei war er ihr vollkommen fremd. Sie musste zugeben, dass er attraktiv war. Wäre sie mit Zac nicht so glücklich, hätte sie glatt schwach werden können bei diesen leuchtend grünen Augen und den schwarzen Haaren. Sie standen ihm gut. Wie war sein Name gewesen?

Konrad? Nein, Konstantin. Arianna kannte niemanden, der so hieß. Dieses Gefühl von Vertrautheit musste sie sich eingebildet haben.

Missmutig schüttelte sie den Kopf und betrachtete wieder das Bild in der Hand. In letzter Zeit schweiften ihre Gedanken öfter ab. Sie hatte den Geschwistern nebenan gar nicht mehr zugehört, so sehr war sie versunken.

»Du wirst deine Chance noch bekommen. Jetzt, wo er sie gefunden hat, kommt er garantiert wieder.«

Nicky gab ein unbestimmtes Brummen von sich, das in ein Röcheln überging und schlagartig nur noch halb so laut war. Die Dielen knarrten und Zac erschien im Türrahmen.

»Wovon sprecht ihr?«, fragte Arianna verwundert.

Ihr Freund sah sie mit großen Augen an. »Was machst du da? Ich dachte, du guckst fern.«

»Habe ich auch, dann wollte ich mir die Fotos ansehen. Warum gibt es nur das eine von uns? Wo sind all die anderen?«

Zacs Mundwinkel zuckte. Mit ausgreifenden Schritten durchquerte er das Wohnzimmer und nahm ihr das Bild ab. »Das ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«

Trotzdem war sie beunruhigt. Irgendetwas stimmte hier nicht. »Aber …«

»Sch …«, unterbrach Zac sie, »du liebst mich doch und vertraust mir? Es ist egal, wie viele Fotos wir haben.«

War es das wirklich?

»Sieh mir in die Augen«, forderte Zac und Arianna kam der Aufforderung bereitwillig nach.

Sie liebte diese Augen.

»Wir brauchen keine Fotos.« Seine Stimme war süß wie Honig. »Auf unserer Hochzeit werden wir ganz viele aufnehmen lassen.«

Ja, die Hochzeit. Warum hatte Arianna sich gesorgt? Es war doch alles gut!

Zac fuhr fort. »Du liebst mich und ich liebe dich, mehr musst du nicht wissen.«

Er hatte recht. Die Liebe zu ihm war das Wichtigste in ihrem Leben. Alles andere war zweitrangig.

Zärtlich ergriff Zac ihre Hand und zog sie mit sich. »Es ist spät, wir sollten ins Bett gehen.«

Bei seinem Blick über die Schulter wurde ihr ganz warm und Arianna ging mit Freuden mit. Zac liebte und respektierte sie so sehr, dass er – vom Küssen mal abgesehen – keinen Finger an sie legte, weil er bis zur Eheschließung damit warten wollte. Wie konnte sie da an ihm zweifeln? Mit jedem Schritt, den sie mit ihm ging, fühlte sie sich leichter. Hier wurde sie geliebt. Es war alles gut. Die Zweifel waren vergessen.

3


Du brauchst einen Plan

Frankfurt am Main, Innenstadt

29. März 2018

Konstantin

Eine Straßenbahnfahrt später stand Konstantin vor dem prunkvollen Hotel, in dem Selene sich dieses Mal einquartiert hatte. Nicht dass sie dafür bezahlte. Sie benutzte den gleichen Trick wie Zelos. Somit erfüllte ihr der Inhaber mit Freuden jeden Wunsch – egal wie exzentrisch oder teuer er war. So war es immer. Nicht dass es Konstantin störte. An einem solchen Ort waren seine Gefährten bis zur kommenden Mondfinsternis gut aufgehoben und beschützten einander.

Der Portier sah ihn inzwischen nicht mehr schief von der Seite an. Stattdessen nickte er zum Gruß. Während der ersten Tage hatte Konstantin mit der schwarzen Schlüsselkarte winken müssen, um überhaupt eingelassen zu werden. Man konnte es dem Mann nicht verdenken. Die Gäste, die das Luxushotel für gewöhnlich besuchten, trugen feine Anzüge oder schicke Kleider und kamen nicht in Jeans und Hemd, während sie ein Gesicht zogen, als stünde ihnen eine Darmspiegelung bevor.

Mit dem Blumenstrauß in der Hand und zwei Sternen im Rücken, die außer ihm niemand sah, durchquerte Konstantin zügig die Lobby. Ihre Pracht beeindruckte ihn nicht. Mit seinem Vater war er schon öfter in solchen Hotels abgestiegen. Alles glänzte, überall war Marmor, es gab einen Springbrunnen, einige ausgewählte exotische Pflanzen und die Mitarbeiter lächelten so breit, als hätte der Joker persönlich ihnen mit dem Messer die Mundwinkel erweitert. Das Einzige, was sich unterschied, war die jeweilige Anordnung.

Mit der Schlüsselkarte entriegelte Konstantin den Privatfahrstuhl. Die Türen öffneten sich mit einem melodiösen Ping. Antares und Aldebaran folgten ihm in die großzügige Kabine. Durch die Schlüsselkarte steuerten sie automatisch das richtige Stockwerk an. Sie verbrachten die Fahrt schweigend.

Als sich die Türen öffneten, schwebte Taurus’ Stern neugierig in den offen gestalteten Raum. Die Präsidentensuite, die Selene für sich und ihre Getreuen beanspruchte, war riesig. Sie bestand aus mehreren Zimmern und bot ausreichend Platz für allerlei Gäste. Die meisten seiner Gefährten lümmelten in den Sesseln, aßen, betranken sich oder sahen fern. Konstantins Erscheinen folgte interessiertes Gemurmel.

Er selbst gesellte sich eher selten zu den anderen. Dafür fehlte ihm schlichtweg die Zeit. Seine Aufgabe war zu wichtig, um unnötig zu trödeln. Darum wohnte er auch nie im Unterschlupf der Göttin. Die Gefährten hätten ihn abgelenkt. Klar wäre Konstantins Leben hier angenehmer gewesen, doch genau davor hatte er Angst. Wenn er sich dem Müßiggang hingäbe, würde er keine Ergebnisse mehr erzielen. Sobald alle Zeichen vereint waren, konnte er über einen Umzug nachdenken. Meist schaffte er es erst kurz vor der Mondfinsternis, sie alle zu Selene zu bringen – wenn überhaupt.

So blieb er der ungesellige Einzelgänger, der es tunlichst vermied, der Mondgöttin auf der Tasche zu liegen. Für ihn fühlte es sich falsch an, mehr von ihr zu nehmen, als unbedingt nötig war.

Beim Anblick des roten Sterns drehte sich Virgo, die dem Fahrstuhl am nächsten saß, zu ihnen um. Die schwarzen Korkenzieher­locken hüpften durch die schwungvolle Bewegung auf und ab. »Hast du sie endlich gefunden … Konstantin?« Sie gewöhnten sich erst an ihre neuen Namen.

»Ja…«

Aldebaran fuhr ihm über den Mund, schoss zur Verkörperung der Jungfrau und klagte ihr Leid. Spica, Virgos hellblauer Stern, stimmte augenblicklich in die Empörung ihrer Artgenossin ein. Warum nicht gleich so? Was Konstantin sich alles hätte sparen können, wäre dieser dämliche Stern früher aufgetaucht …

Das Geschnatter nervte ihn. Suchend sah er sich um, doch Selene war nirgends zu sehen. Aldebaran würde dafür sorgen, dass die Gefährten auf den neuesten Stand kamen. Es war Konstantins Pflicht, die Göttin auf dem Laufenden zu halten.

Leo bemerkte seinen Blick und deutete mit einem Kopfnicken zu einer der drei Schlafzimmertüren. »Sie ist da drin.«

»Warte hier auf mich«, sagte er an Antares gewandt.

Der Stern trudelte zu den anderen.

Bedächtig ging Konstantin in die ihm gewiesene Richtung. Wenn Selene sich trotz des kürzlichen Einbruchs der Nacht zurückgezogen hatte, wollte er sie eigentlich nicht stören. Nur war seine heutige Entdeckung zu wichtig.

Er klopfte an. »Hier ist Scorpio. Ich würde gern etwas mit dir besprechen.«

Nach wenigen Sekunden erhielt er eine Antwort. »Komm herein.«

Konstantin drückte die Klinke herunter und trat ein. Das Zimmer war nur spärlich beleuchtet. Die Mondgöttin lag lediglich mit einem Bademantel bekleidet auf dem Bett. Das schwarze Haar breitete sich in feuchten Wellen über den Kissen aus. Sie las in einer Zeitschrift, während sie mit Schokolade überzogene Erdbeeren aß.

Konstantin legte die rechte Faust auf die Brust und verneigte sich tief. »Ich grüße dich, Selene. Ich habe dir etwas mitgebracht.« Aus dem Augenwinkel behielt er sie im Blick und wartete darauf, sich wieder aufrichten zu dürfen, während er ihr den Blumenstrauß entgegenstreckte.

Ungeduldig wedelte sie mit der Hand. »Du brauchst doch nicht so förmlich zu sein.«

»Du kennst mich«, sagte er schmeichelnd und schenkte ihr ein Lächeln.

»Leg die Blumen auf den Tisch.« Selene nahm eine weitere Erdbeere und stand anmutig auf.

»Ich habe Taurus gefunden«, verkündete Konstantin, während er ihrer Aufforderung nachkam.

Nur kurz hielt sie inne. »Hat sie mich verraten?« Zorn flackerte in ihrem Gesicht auf.

Zwar war das Verhältnis beider Zeichen nicht herzlich, trotzdem wollte er Arianna nicht unnötig Ärger bereiten. »Sie ist nicht erwacht, von ihrer Bestimmung weiß sie nichts.«

Langsam kam Selene auf ihn zu und setzte sich in einen der beiden Sessel. »Wie kann das sein? Was ist mit dem Stern?« Die Göttin machte eine einladende Geste zu dem anderen Sessel.

Konstantin schnaubte, während er sich setzte. »Der kommt nicht an sie ran und beschwert sich gerade nebenan darüber. Nike und Zelos haben sich an Taurus’ Fersen geheftet. Zelos beeinflusst sie und Taurus glaubt, er würde sie bald heiraten.«

Selene verzog das Gesicht. »Das arme Ding! Was hast du jetzt vor?«

»Ich muss mir etwas einfallen lassen, wie ich an Taurus herankomme. Ich hatte gehofft, du könntest mir dabei helfen.«

»Erzähl mir, was du herausgefunden hast.«

Konstantin erstattete Bericht und erwähnte auch die Dinge, die Aldebaran ihm erzählt hatte. »Ich muss sie aus diesem Bann befreien, damit sie dir dienen kann.«

»Das kannst du nicht«, erwiderte die Göttin schlicht.

Konstantin, der sich in der Hoffnung auf göttlichen Beistand gerade entspannt hatte, fuhr erschrocken hoch. »Was soll das heißen? Ist sie in diesem Zyklus für uns verloren?«

»Du kannst den Bann nicht auflösen. Er könnte jedoch verblassen, wenn du Zelos die Gelegenheit nimmst, ihn zu erneuern. Eine solch große Beeinflussung des eigenen Wesens bedarf regelmäßiger Kon­trolle und Verstärkung«, erklärte sie.

»Wenn nicht mal Aldebaran an den Göttern vorbeikommt, wie soll mir das gelingen? Ich kann nicht gegen beide gleichzeitig kämpfen.«

»Nein, das wäre selbst für dich zu viel.«

»Kann ich ihr nicht einfach die Wahrheit sagen? Besteht die Chance, den Bann damit lösen zu können?«

Selene legte den Kopf schief. »Das würde ich lassen. Womöglich sträubt sie sich gegen die Wahrheit und ihr vernebelter Verstand sperrt sich erst recht dagegen, zu erkennen.«

»Wie lange muss sie von Zelos getrennt sein, damit der Bann verblasst?«, wollte Konstantin wissen.

»Ein paar Tage dürften reichen.«

»Tage? Heute hatte ich vielleicht zwei Minuten mit ihr allein.«

»Es wird dir gelingen. Ich habe vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten. Bisher hast du mich noch nie enttäuscht. Denk in aller Ruhe darüber nach, dann wirst du eine Lösung finden.« Selene lächelte zärtlich.

Konstantin spürte die uralte Verbindung, die sie untereinander hatten. »Hab Dank, dass du mich angehört hast. Ich werde dich nicht länger stören.« Konstantin erhob und verneigte sich schnell. Zum stillen Sitzenbleiben und die Hände in den Schoß legen war er nicht der Typ. Untätigkeit machte ihn unruhig. Wenn er nervös war, kam sein Naturell besonders schnell zum Vorschein. Nur selten hatten sein schwarzer Humor und die bissigen Kommentare ihm gute Dienste geleistet. Was weitere Gründe dafür waren, sich besser von den meisten seiner Gefährten fernzuhalten. Manche von ihnen waren etwas … empfindlich.

»Scorpio!« An der Tür angekommen, rief Selene ihn zurück.

Lächelnd drehte er sich um. »Kann ich noch etwas für dich tun?«

»Leo kann dir helfen«, teilte sie ihm mit.

Das war doch etwas. Normalerweise erlaubte Selene es den Zeichen nur ungern, den Rückzugsort zu verlassen. Die Gefahr, den Feinden in die Hände zu fallen, war zu groß. Was dann mit ihnen passieren konnte, sah man gerade am Beispiel von Taurus. Konstantin war der Einzige, dem es gestattet war, nach Belieben zu kommen und zu gehen, weil er Selenes Botengänge erledigte. Er neigte den Kopf. »Danke, er wird mir eine große Hilfe sein.«

Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, schwirrte Antares zu ihm. »Was sagt sie?«

»Wir sind für heute noch nicht fertig.«

Antares’ Licht wurde ein bisschen schwächer. »Du bleibst dir also treu und weigerst dich nach wie vor zu lernen, was das Wort Feierabend bedeutet.«

»Komm mit.« Gemeinsam gingen sie zu Leo, dem Zeichen des Löwen. Mit ihm verstand Konstantin sich am besten. Sie waren sich ähnlich und eine lange Freundschaft verband sie.

Leo hatte sich neben Virgo auf eines der Sofas gesetzt. Im Fern­seher lief eine Krimiserie. Ganz offensichtlich gehörte ein Netflix-­Account zu den Annehmlichkeiten der Suite. Schlafmöglichkeiten, bester Zimmerservice rund um die Uhr und alle Blockbuster und Serien, die man sich nur wünschen konnte – bis zum Sommer wäre die Hälfte der Zeichen fett und man bräuchte ein Stemmeisen, um ihre Hintern vom Ledersofa zu lösen.

Selene wusste, wie sie es ihren Getreuen bequem machte. Alle zogen nach ihrem Erwachen kurzfristig zu ihr. Die einzige Ausnahme bildeten für gewöhnlich Scorpio, gelegentlich Libra und die Fahnenflüchtigen Aquarius und Pisces.

Gemeinsam lebten sie bis zu ihrem Einsatz sorgenfrei und sicher. Zelos und seine Geschwister wagten es nicht, den Stützpunkt der Mondgöttin offen anzugreifen. Das war verlockend. So müsste Kon­stantin sich keine Sorgen über die drohenden Geldprobleme machen. Doch kam es für ihn einfach nicht infrage. Er hatte das dringende Bedürfnis, nicht auf Selenes Gunst angewiesen zu sein, sondern sie sich zu verdienen. Das konnte ihm nur gelingen, wenn er alle Zeichen für sie versammelte.

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9783959916998
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