Читать книгу: «Die Bruderschaft des Baums», страница 6

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„Ich habe mir den Griff von der Sudkanne noch gar nicht so genau angesehen. Aber jetzt vermute ich, dass auf dem Griff tatsächlich ein Baum als erhabenes Motiv vorhanden ist. Das hat sich dann viel tiefer in die Haut eingegraben als der Rest des Griffs. Sobald ich wieder in Haffkef bin, werde ich mir die Sudkanne mal genauer ansehen.“

Hanrek vergaß es auch nicht, bei seinem Zögling dem kleinen Heronussbaum im Garten vorbeizugehen. Der kleine Baum war schon kein ganz kleiner Baum mehr sondern er war kräftig gewachsen und überragte Hanrek deutlich. Natürlich begrüßte er ihn auf seine spezielle Art und Weise, mithilfe seiner Gabe. Der kleine Heronussbaum hatte natürlich noch nichts gemeinsam mit der väterlichen Präsenz seines Ahnen im Wald aber auch er hatte schon eine beachtliche Aura. Hanrek saugte diese Aura in sich auf und speicherte das Gefühl, das ihm der junge Baum vermittelte, tief in seinem Inneren ab.

Die Woche war schnell verstrichen und viel zu schnell war es wieder Zeit, nach Haffkef zurückzukehren. Pirion und Stonek versprachen ihm, ihn in Haffkef so bald wie möglich zu besuchen. Sie hatten vor, im Herbst nach der Ernte Lebensmittel in Haffkef auf dem Markt zu verkaufen und wollten ihn dabei besuchen kommen. Hanrek machte sich auf den Weg zurück und kam diesmal ohne Zwischenfälle in Haffkef an.

Zurück von seiner Reise machte sich Hanrek bei der nächsten Gelegenheit daran, den Griff der Sudkanne zu untersuchen. Wie sich jedoch herausstellte, hatte Zollan nach dem Vorfall mit der Kanne den eisernen Griff durch einen Holzgriff ersetzt.

Als Hanrek ihn danach fragte, kam die Antwort. „Den eisernen Griff suchst du. Möchtest du dir mal wieder die Finger wärmen?“, und sofort fing Zollan wieder zu keckern an.

Und erst nach einer Weile war er wieder in der Lage, die Frage von Hanrek zu beantworten.

„Den habe ich, wie du vielleicht bemerkt hast, durch einen Holzgriff ersetzt. Wenn der aus Versehen im Feuer herumliegt, dann kann nur ein Unfall passieren. Er geht in Flammen auf. Habe den Griff in das Zimmer mit dem Gerümpel geworfen, du weist schon ganz unter dem Dach die Kammer am Ende des Gangs. Da irgendwo weit hinten wird er liegen, bis Lucek mal wieder auf die Idee kommt, dass ihr Lehrlinge die Kammer ausräumen sollt und ein paar Sachen auf’m Markt verkauft werden sollen und die restlichen Sachen werden dann ganz weggeworfen.“

Glücklicherweise war Lucek in letzter Zeit nicht auf diese Idee gekommen und nach langem Suchen, einigen leichteren Schnittverletzungen und einigen Niesanfällen, die durch einen alten staubigen Teppich hervorgerufen wurden, fand Hanrek ihn in der dunklen Kammer. Er nahm ihn mit auf sein Zimmer und schaute ihn sich dort genauer an. Wie geahnt, hatte der Griff ein erhabenes Motiv eines Baums. Das Motiv war filigran gearbeitet und eine gute handwerkliche Arbeit. Hanrek beschloss, den Griff als Erinnerungsstück aufzubewahren und steckte ihn in sein Bündel.

Einige Tage später fand er endlich auch mal wieder Gelegenheit, sich daran zu machen, die Heronuss zum Keimen zu bewegen. Sein Plan war, die Aura, die er bei dem jungen Baum im Garten seiner Eltern wahrgenommen hatte, abzurufen und diese der Nuss als ihre eigene Aura zu übermitteln. Gleichzeitig wollte er versuchen, die Nuss von anderen Einflüssen abzuschirmen. Er vermutete, dass der tote Heronussbaum einen Rest an Aura ausstrahlte, die die Nuss wahrnehmen konnte und verhinderte, dass sie sich zum Keimen bewegen ließ. Der Plan klang einfach und logisch, er stellte sich in der Ausführung aber als harte Konzentrationsarbeit heraus.

Mehrere Tage versuchte er verbissen zum Ziel zu gelangen und begann schon langsam daran zu zweifeln, dass der Plan überhaupt durchführbar war. Als es ihm dann tatsächlich gelang, beide Dinge gleichzeitig zu tun, war er überrascht und voller Euphorie. Diese Euphorie wurde schließlich belohnt. Es begann mit einer ganz zarten und sachten Resonanz, die er auf die Übertragung der übermittelten Aura bekam. Es wirkte auf Hanrek fast wie eine Frage, die ihm die Nuss stellte. Er beantwortete die Frage der Nuss mit noch größeren Anstrengungen, in denen er sich bemühte, die Aura zu verstärken. Und schließlich gelang es. Die Nuss keimte.

Hanrek hätte am liebsten Luftsprünge gemacht und wäre in Jubelgeschrei ausgebrochen und er musste sich doch normal verhalten, denn wem hätte er erklären wollen, dass er es geschafft hatte mit der Kraft seiner Gedanken nämlich der Gabe, von der niemand etwas wusste und wissen sollte, über mehrere Schritt Entfernung hinweg eine Heronuss tief in der Erde unter dem toten Gerippe des alten Baums zum Keimen zu bringen.

Er musste lächeln, als ihm die Absurdität der Situation bewusst wurde. Niemand hätte ihm vielleicht mit Ausnahme der Bruderschaft eine solche Geschichte geglaubt.

Nachdem die Nuss endlich gekeimt hatte, begann eine weitere schwere Aufgabe. Der Spross, der noch tief in der Erde war, musste an die Oberfläche geleitet werden. Als Hanrek die möglichen Wege an die Oberfläche ermittelte, wurde ihm Angst und Bang um den kleinen Spross. Der natürlichste Weg nämlich einfach gerade nach oben war versperrt.

Ein Spross des Heronussbaums hatte normalerweise die Kraft, alles was auf seinem Weg lag fort zu räumen, beiseite zu drücken oder bei größeren Hindernissen diese zu sprengen und zwar mit einer Kraft, wie Wasser, das durch kleine Ritze ins Innere eines Felsbrockens eingedrungen ist, durch Gefrieren zu Eis wird, sich dadurch ausdehnt und dabei den Felsbrocken sprengt. Der Spross war in der Lage sich durch ein Felsmassiv zu bohren aber er war eben nicht in der Lage es mit einem an Festigkeit nicht zu überbietenden Heronussbaum aufzunehmen.

Die Gefahr war, dass der Spross geradewegs in eine Sackgasse des Wurzelwerks des Heronussbaums hinein wuchs und in dem Versuch sich durchzukämpfen, verkümmerte und starb.

Die erste Idee Hanreks war, den Spross etwas nach unten und dann an dem Wurzelwerk vorbei zu führen. Hanrek versuchte es, der Spross ließ sich aber nicht dazu bewegen nach unten zu wachsen. Als Hanrek diesen Versuch schließlich aufgab, hatte er wertvolle Zeit verloren. Der Spross war mittlerweile gefährlich nahe an einer Sackgasse angekommen und Hanrek war sich nach seinem vorhergehenden vergeblichen Versuch sicher, dass er ihn da nicht wieder hätte herausführen können. Also suchte er verzweifelt nach weiteren möglichen Wegen. Der einzige Weg, der ihm sicher genug erschien, war der mitten durch den Baum. Am Ende würde der Spross aus dem Spalt herauskommen.

Der Spalt, der durch den Baum verlief, ging im Zickzack und reichte bis hinunter ins Wurzelwerk in der Erde. Allerdings gab es da eine kritische Stelle, die nur eine sehr kleine Lücke bot. Hanrek hoffte, dass der neue Heronussbaum irgendwann stark genug sein würde, um diese Stelle zu erweitern. Sollte er es nicht schaffen, den engen Ring zu sprengen, dann war Hanrek klar, das der junge Baum nicht mit genug Nahrung versorgt werden würde.

Er schob diesen Gedanken beiseite, das würde die Zukunft bringen, daran konnte er heute nichts ändern und deshalb konzentrierte er sich wieder, auf die ohnehin schon schwere Aufgabe, den Spross durch das Labyrinth zu leiten.

In den nächsten Tagen verbrachte er jede freie Minute im Kräuterbeet. Immer dann, wenn er seinen Freund Jorgen besuchte, bat er ihn mit ihm in den Garten zu gehen. Die Übungsstunden fanden ohnehin im Garten statt. Immer dann konnte er direkt aus dem Garten der Bruderschaft seine Gabe fließen lassen. Jedes Mal, wenn er wieder Kontakt mit dem Spross aufnahm, stellte sich ihm die bange Frage, ob der Spross noch auf dem richtigen Weg war oder ob er mittlerweile in eine Sackgasse hineingewachsen war, aus der Hanrek ihn nicht mehr befreien konnte.

Nach einer Woche war schließlich das Werk vollbracht. Der Spross hatte alle gefahrvollen Stellen überwunden und hatte freie Bahn nach oben. Stolz ging Hanrek an diesem Abend zu Bett.

Ein markerschütternder Schrei riss ihn am nächsten Morgen aus dem Schlaf. Schlaftrunken und alarmiert torkelte er aus dem Bett und suchte nach der Ursache des Schreis.

Das ganze Haus lief zusammen und keiner wusste, wo der Schrei hergekommen war. Erst als aus dem Garten der Bruderschaft weiteres lautes Stimmengewirr kam, vermutete man, dass auch der Schrei dort hergekommen war. Alle liefen in den Hof hinaus. Es dauerte eine Weile, bis sich jemand aus den aufgeregten Diskussionen der zusammengelaufenen Brüder einen Reim machen konnte.

Einer der Brüder hatte wie jeden Morgen einen kurzen Rundgang im Garten gemacht und hatte dabei den Spross im Heronussbaum entdeckt. Er war es gewesen, der daraufhin den durchdringenden Schrei ausgestoßen hatte. Die Diskussionen der Brüder drehten sich nur um ein Thema: Die Prophezeiung des Baums war in Erfüllung gegangen.

Die Drachenkrieger

Schull war unausgeschlafen. Carmeon sein Exzard hatte ihn den Großteil der Nacht wach gehalten, weil er Koliken gehabt hatte. Das war bei Exzarden keine Seltenheit. Die Koliken traten meist dann auf, wenn ein Exzard schnell und lang gelaufen war und zu kurz danach viel aß und trank. Die Koliken gingen meist glimpflich aus, sie stellten aber immer eine gewisse Gefahr dar und die sollte man als gewissenhafter Reiter nicht eingehen. Es war eine große Ehre, der Reiter eines Exzards zu sein, also nahm man auch gerne die Unannehmlichkeiten einiger durchwachter Nächte auf sich.

Schull erhob sich von seinem Lager, dehnte und streckte sich und ging dann auf die Suche nach einem Frühstück.

Das Lager, durch das er ging, teilte sich in drei Bereiche auf. In der Mitte waren die Zelte kreisförmig aufgestellt. In diesen Zelten schliefen die Reiter und die Offiziere. In einem Kreis darum herum lagerten die Exzarden. Man befestigte ihre Geschirre mit langen Leinen an fest in den Boden verankerten Pfosten. Waren die Pfosten nicht fest genug in den Boden gerammt, konnte ein ausgewachsener Exzard diesen Pfosten herausreißen und sich mitsamt dem Pfosten aus dem Staub machen. Passierte das einem Reiter, weil er sich nicht sorgsam um das Anbinden seines Exzards gekümmert hatte, hatte er nichts Gutes zu erwarten. Außer, dass er sein Tier wieder einfangen musste, überrannte dieses entweder die Zelte in der Mitte oder es wich in den dritten Bereich aus, der wiederum kreisförmig um den Lagerbereich der Exzarden angelegt war. Dort waren die normalen Soldaten untergebracht. Reiter waren hoch angesehene Leute, aber wenn er nicht acht gab, sodass sein Exzard anderen Schaden zufügte, und ein Exzard konnte einen riesigen Schaden anrichten, dann war es mit dem Hochangesehensein plötzlich nicht mehr weit her. Dann konnte es auch einem Reiter passieren, dass er im Essen eigenartige Dinge fand, wie einen rostigen Nagel oder eine tote Maus, die wohl versehentlich in seine Suppenschale hineingefallen waren oder aber sein Zelt ging mit allen seinen Sachen aus Versehen in Flammen auf, während er auf Patrouille war. Es gab unzählige Möglichkeiten einem anderen Soldaten das Leben schwer zu machen.

Es war kein sehr großes Lager, durch das sich Schull jetzt in Richtung des äußeren Rings bewegte, weil dort die Küchen aufgebaut waren. Nur eine kleine Vorpatrouille, die zur Aufgabe hatte, als Vorhut die Gegend auszukundschaften. Da man noch nicht auf feindlichem Gebiet war, waren alle noch entspannt. Aber das würde sich bald ändern.

Im Süden nach Feinden Ausschau halten, das war eigenartig und neu. Dass im Süden Feinde lauerten, war in der Vergangenheit genauso wahrscheinlich gewesen, wie dass im Winter Sommerminze auf den Feldern wuchs. Früher war der Patrouillenritt in den Süden eine reine Machtdemonstration des Primus.

Primus war die Bezeichnung für den Ersten unter den Fürsten. Er herrschte über das Land.

Die südliche Provinz war zwar schon immer etwas aufmüpfig gegen den Primus gewesen aber richtige Feinde waren das nicht. Richtige Feinde gab es dagegen im Norden, das Volk der Schneemenschen, die immer nachts hinterhältig die Lager überfielen. Das Dumme im Norden war nur, dass im Winter fast den ganzen Tag Nacht war. Er war noch nie im Norden gewesen und das, was er vom Norden gehört hatte, trug nicht dazu bei, dass es ihn dort hinzog.

Schull kam bei der Küche an und ließ sich eine große Portion Schannos geben. Schannos war ein Fleischbrei mit Steckrüben. Gut gewürzt schmeckte Schannos richtig gut, aber dieser Fraß, den ihm der Koch gerade in die Schüssel gefüllt hatte, war kaum essbar. Er würgte einige Bissen hinunter und gab dann die mehr als halb volle Schüssel mit einem verächtlichen Schnauben wieder zurück. Eigentlich konnte man bei diesem Fleischbrei nicht viel verkehrt machen, jeder noch so schlechte Koch war in der Lage, einen einigermaßen passablen Schannos zu machen, aber dieser Koch nicht. Wahrscheinlich würde der Feldkoch in einem unbeobachteten Moment den Rest der Schüssel wieder zurück in den Topf schütten. Nicht sein Problem.

Schull war trotz seiner 17 Jahre schon hoch angesehen unter den Reitern. Und als pflichtbewusster Reiter war normalerweise Schulls erster Gang nach dem Aufstehen und zwar noch bevor er sich sein Frühstück besorgte direkt zu Carmeon. Da er ihn aber wegen der Koliken erst vor nicht einmal zwei Stunden verlassen hatte, hatte Schull heute eine Ausnahme gemacht.

Jetzt wo er durch das tolle Frühstück so gut gestärkt war, wollte er diesen Besuch umgehend nachholen. Dazu griff er sich im Versorgungszelt für die Exzarden eine große Schüssel und richtete das Futter für Carmeon. Es sollte ein leichtes Frühstück sein, das ihn nicht belastete, damit der Exzard sich von den Koliken noch etwas erholen konnte. Aber Futter brauchte er, da ihn die Aktion in der Nacht auch geschwächt hatte.

Obwohl er Carmeon erst vor zwei Stunden das letzte Mal gesehen hatte, freute er sich bereits ihn gleich wieder zu sehen. Ein Exzard fraß große Mengen rohes Fleisch aber auch Gemüse wie Kartoffeln und Karotten.

Die Patrouille kaufte in den Dörfern, durch die sie kam, große Mengen Schlachtvieh und Vorräte. Die Patrouille hatte auch immer einen Soldaten, der dafür zuständig war, das Fressen für die Exzarden vorzubereiten. Die richtige Zusammenstellung des Futters war dann Aufgabe des Reiters für sein Tier. Ein Exzard war sehr wertvoll. Schull mischte heute Morgen die Fleischbrocken für Carmeon mit mehr Gemüse als sonst. Mit der gefüllten und schweren Schüssel ging er dann in Richtung des Lagerplatzes der Exzarden.

Als er näher kam, bewunderte er die Tiere. Ein Exzard konnte am Widerrist bis zu vier Schritt hoch werden. Von seinem großen Kopf bis zum langen Schwanz maß ein ausgewachsener Exzard bis zu zehn Schritt. Eine beeindruckende oder besser eine Furcht einflößende Kreatur. Gegenüber seinem Reiter war ein Exzard lammfromm, gegenüber jedem anderen insbesondere gegenüber Feinden war er dagegen mit seinen langen scharfen Krallen, der scharfkantigen hammerförmigen Keule in die der Schwanz auslief und den scharfen Zähnen ein Tier, dem man besser nicht begegnete.

Ein Exzard konnte zwar auf kurze Strecken nicht so schnell laufen wie ein Hirsch aber er war ausdauernder. Beeindruckend waren auch die Augen, die fast menschlich wirkten, und mit denen er tagsüber wie ein Adler und in der Nacht wie eine Katze sehen konnte. Er konnte riechen wie ein Spürhund. Am eindrucksvollsten aber fand Schull, dass ein Exzard von innen heraus immer eine große Wärme abstrahlte und so auch im tiefsten Winter seinen Reiter wärmte. Das war auch der Grund, warum die Schneemenschen im Norden nicht wirklich eine Chance hatten.

Manche verglichen einen Exzard mit einem Drachen. Aber Schull hielt das für kompletten Blödsinn. Man konnte diese wundervollen Tiere nicht mit einem Fabelwesen vergleichen. Es gab viele Geschichten und zahlreiche Bilder über Drachen, aber es waren eben nur Geschichten und Bilder.

Alle Fabelwesen auf den Bildern sahen Furcht einflößend aus und waren sicher vier bis fünf Mal so groß wie ein Exzard. Und es gab weitere Unterschiede. Die dargestellten Drachen hatten Flügel und konnten Feuer spucken. Und das war gänzlich unmöglich, dass ein so großes Tier fliegen können sollte.

Kurz bevor Schull seinen Exzard Carmeon erreichte, ließ er seine Sinne schweifen und begann zu flüstern.

Das Flüstern war etwas Besonderes, das nur sehr wenige unter seinem Volk beherrschten. Wenn sich herausstellte, dass jemand flüstern konnte, war sein Weg meist vorgezeichnet, denn dann war er auch in der Lage mit einem Exzarden Kontakt aufzunehmen. Er war damit die beste Wahl als Reiter. Aber nicht jeder Reiter konnte flüstern. Das erklärte auch das hohe Ansehen, das Schull schon jetzt unter den Reitern besaß.

Flüstern war nicht wie Reden, Sehen, Fühlen, Riechen oder Hören. Es war nichts dergleichen und doch war es von jedem ein bisschen. Wenn Schull flüsterte, war er eins mit seiner Umgebung. Er spürte, was die Lebewesen um ihn herum fühlten, ob sie zornig oder fröhlich waren, ob sie sich wohlfühlten oder Schmerzen hatten und ganz besonders wichtig war das Flüstern für seinen Umgang mit Carmeon.

Ein typisches Beispiel, das zeigte, wie wichtig das Flüstern war, war die gestrige Kolik, die Schull schon sehr früh bei Carmeon gefühlt hatte. Dadurch hatte er rechtzeitig auf Carmeon einwirken können. Er hatte Carmeon an der Leine zu einer nahen Lichtung geführt und hatte mit ihm dort endlose Kreise gedreht, bis die Kolik abgeklungen und auch die Gefahr gebannt war, dass sie erneut auftreten würde.

Mithilfe des Flüsterns konnte er aber nicht nur fühlen, wie es seinem Exzard ging, er konnte auch, obwohl das sehr schwer war und nicht immer funktionierte, sachte auf ihn einwirken. Man konnte sich das nicht so vorstellen, dass er ihm über das Flüstern Befehle gab, es war eher ein sich in Einklang mit Carmeon bringen, bevor er ihm dann Vorschläge übertrug. Schull vermutete, dass Carmeon diese Vorschläge dann als seine eigenen erkannte und eigenen Ideen ging man meist lieber nach als fremden.

Was Schull recht gut konnte, war, Carmeon seine Ruhe zu übertragen, wenn dieser nervös war. Dazu musste er natürlich selbst seine Nervosität im Griff haben, aber das konnte er mit einigen Entspannungs- und Atemübungen sehr gut. Diese Übungen waren Teil seiner Ausbildung als Reiter gewesen und er praktizierte sie regelmäßig, sodass er sie ganz automatisch machte, wenn es nötig war.

Die Reiter waren innerhalb der Truppen des Primus eine eigene Macht. Sie waren immer die wirkungsvollste und damit die wertvollste Waffe einer Kampfeinheit.

Unter den Reitern gab es keine Hierarchien. Jeder Reiter galt gleich viel, nur die Erfahrung im Umgang mit den Exzarden war wichtig dafür, ob ein Reiter gut oder schlecht unter seinesgleichen angesehen war. Auch der Anführer der Reiter galt deshalb unter den anderen Reitern nicht mehr, nur weil er vom Kommandanten als Anführer bestimmt worden war.

Als Schull Carmeon erreichte, wurde er liebevoll begrüßt. Teilweise führte Schull das auf die Schüssel zurück, die er in den Händen hielt, zum Teil lag die Zuneigung seines Exzarden sicher aber auch an der geistigen Nähe zwischen den beiden, die das Flüstern erzeugte.

Ein Exzard konnte erstaunlich feinfühlig sein. Das war eine Eigenschaft, die man einem so großen Geschöpf kaum zutraute. Jedenfalls bestand für einen Reiter nicht die Gefahr, dass er mal eben beim unvorsichtigen Umdrehen seines Exzarden von dessen Schwanz getroffen wurde. Ein Schlag mit dem Schwanz konnte tödlich sein.

Schull zog den langen vorne angespitzten Stock aus der länglichen Tasche, die er immer auf den Rücken geschnallt hatte, und begann damit Carmeon zu kratzen. Das war eine Sache, die Carmeon liebte. Er kam kaum zum Fressen, so war er darauf versessen, dass Schull ihm alle möglichen Stellen seines Körpers kratzte. Durch das Flüstern wusste Schull, wo Carmeon es besonders gerne mochte.

Als Carmeon schließlich doch mit großem Appetit zu fressen begann, schweiften Schulls Gedanken ab zu den bevorstehenden Ereignissen. Es war gekommen, wie er es erwartet hatte. Von höchster Stelle hatte man befohlen, einen Feldzug in das entdeckte südliche Land zu starten. Viele kleine Gruppen waren in den letzten beiden Jahren durch die Berge in das Land entsendet worden und alle hatten das Gleiche festgestellt. Das Land war dünn besiedelt und tatsächlich so warm, wie Schull es vermutet hatte. Und jetzt war es soweit. Der Feldzug hatte begonnen.

Einige Tage später, im Norden des Königreichs war mittlerweile der Spätsommer angebrochen und die Ernte stand unmittelbar bevor, schlängelte sich unbemerkt von den Bewohnern eine lange Reihe von Kriegern aus den Bergen in die tieferen Ebenen nördlich von Haffkef. Dort sammelten sie sich und schlugen verborgen durch den Wald ihr Lager auf.

Die Lager wurden in drei kreisförmige Bereiche aufgeteilt. Im inneren Kreis standen die Zelte der Offiziere und Reiter, im zweiten Kreis waren die Exzarden angeleint und im äußeren Kreis lagerten alle anderen Soldaten.

Kundschafter wurden in die nähere Umgebung ausgesendet. Die Kundschafter, die die weitere Umgebung auskundschaften sollten, waren schon Tage vor der Hauptstreitmacht gestartet. Sie müssten bald zurück sein. Rund um das Lager wurde ein dichter Ring von Wachen gezogen. Kleine Trupps umkreisten das Lager in weiten Kreisen. Sie sollten verhindern, dass die Streitmacht vor der Zeit entdeckt wurde.

Es herrschte äußerste Disziplin. Die Anspannung war überall greifbar. Keiner der Soldaten machte ein großes Aufheben um sein Lager. Jedem war klar, dass man stündlich mit dem Befehl zum Aufbruch und zum Kampf rechnen musste.

Es gab Gerüchte, über die Dinge, die die Kundschafter, die man im Vorfeld des Feldzugs ausgesendet hatte, ausgespäht hatten. Angeblich sollten die Dörfer und die Stadt, die in der Ebene bis zum Fluss lagen, unbefestigt sein und es sollten dort keine Soldaten vorhanden sein. Aber das glaubte niemand wirklich. Angeblich sollte in einiger Entfernung der Stadt ein Gewässer sein, das fließendes Wasser enthielt und so breit war, dass man nicht mit zwei großen Schritten hinübergehen konnte. Und das glaubte erst recht niemand. Angeblich würde man das andere Ufer fast nicht sehen. Gerüchte eben. In Kürze würde man mehr wissen, wenn die Kundschafter zurück waren.

„Es geht schon wieder los. Es ist wie verhext. Kaum haben wir den endgültigen Plan für die Ernte fertig, gibt es die ersten Ausfälle. Es ist jedes Jahr das Gleiche.“, sagte Pirion resigniert.

Spartak und die beiden anderen Bauern, die mit Pirion auf dem Marktplatz standen, nickten.

Spartak antwortete.

„Warte es ab, Pirion. Das ist noch nicht das Ende. Ich habe vorhin mit Kissas gesprochen. Die Heilerin meint, dass sich die Krankheit noch weiter ausbreiten kann. Und wenn wir Pech haben, legt es das halbe Dorf lahm.“

Pirion stöhnte.

Heute Morgen hatten sich zwei der Bauern krank gemeldet. Sie hatten Fieber und lagen im Bett.

„Na ja. Jammern und sich Sorgen machen, nutzt auch nichts. Wir werden es erleben und wir werden am Ende wie jedes Jahr vor den Herbststürmen die Ernte eingefahren haben.“

Alle nickten.

Gerade wollte Pirion sich mit einer letzten Bemerkung von seinen Gesprächspartnern verabschieden und hob die Hand zum Gruß, als er sah, wie südlich des Dorfes eine große Schar von Kriegern aus dem Wald hervortrat und auf das Dorf zu marschierte.

Sie waren fremdartig gerüstet. Eines sah Pirion mit einem Blick. Das waren keine Soldaten des Königs.

Alarmiert wies er die Umstehenden auf die Krieger hin. Spartak griff sofort nach seinem Stock und es war klar, dass er sich kampfbereit machen wollte.

Pirion legte ihm die Hand auf den Arm.

„Ich denke das hat keinen Sinn, Spartak. Es sind zu viele. Wenn wir uns friedlich verhalten, lassen sie uns vielleicht in Ruhe. Schnell, versuch dich zu verdrücken, ehe sie da sind. Halte dich im Wald versteckt. Schau, ob du noch zwei drei andere auftreiben kannst, die gut im Verstecken und Anschleichen sind. Vielleicht könnt ihr herausbekommen, ob noch mehr Krieger in der Nähe sind. Und sorge dafür, dass der Tef in Haffkef davon erfährt. Auch die anderen Dörfer müssen gewarnt werden. Los jetzt.“

Spartak ging möglichst unauffällig hinter dem nächsten Haus in Deckung und verdrückte sich dann.

„Du“, dabei sprach Pirion einen der Bauern an, „lauf auf die Felder und warne alle die du triffst. Sie sollen nicht gerannt kommen, sondern sich im Wald verstecken, bis klar ist, welche Absichten die Krieger haben.“

Auch dieser verdrückte sich.

„Und du gehst von Haus zu Haus und warnst alle, die du triffst. Ermahne sie, dass sie sich ruhig verhalten sollen.“

„Und was machst du so lange?“, fragte der Bauer zurück.

„Ich gehe den Kriegern entgegen und sehe, was ich tun kann.“, sagte Pirion und setzte sich in Bewegung.

Pirion war klar, dass er nichts ausrichten würde. Das Einzige, was er tun konnte, war, zu versuchen, die Krieger etwas aufzuhalten, um den drei anderen etwas Zeit zu verschaffen. Er erreichte den Dorfrand und musste noch ein ganzes Stück weitergehen, ehe er auf die Krieger traf.

Pirion entbot den Gruß des Königs und war nicht überrascht, dass er nicht erwidert wurde. Stattdessen zog einer der Krieger sein Schwert und hielt es ihm an die Kehle. Die anderen Krieger gingen einfach weiter.

Pirion konnte sich mit dem Schwert an der Kehle nicht umdrehen, daher konnte er nicht sehen, dass die Krieger in kleinen Gruppen ohne große Aufregung aber auch ohne viel Federlesens bei einem Haus nach dem anderen die Tür auf stießen und die Bewohner heraus winkten. Die meisten waren mittlerweile schon vorgewarnt und die wenigen, die es noch nicht waren, kamen überrascht aber ohne Widerstand zu leisten vors Haus.

Die Dorfbewohner wurden dann auf den Dorfplatz gedrängt, wo sich allmählich eine immer größer werdende Menschenmenge sammelte. Haus für Haus wurde systematisch das ganze Dorf durchkämmt.

In der Zwischenzeit hatte Pirion versucht, ein Gespräch mit dem Krieger anzufangen. Dieser hatte aber als Antwort jeweils nur gebrummt. Pirion war sich sicher, dass er ohne große Gefahr der Klinge an seinem Hals entkommen wäre und seinerseits den Krieger mit einigen schnellen Bewegungen in Bedrängnis gebracht hätte. Der Krieger war unaufmerksam und schaute statt auf seinen Gefangenen lieber auf das, was sich im Dorf tat. Pirion hielt es aber für klüger, nichts zu unternehmen. Er wollte nicht riskieren, dass die Situation eskalierte. Bisher war ja alles einigermaßen friedlich verlaufen. Er wollte, dass es auch weiterhin so blieb, und fügte sich daher in die Situation. Dann setzte der Krieger das Schwert ab und gab Pirion mit einer Geste zu verstehen, dass er sich in Richtung Dorfplatz aufmachen sollte.

Sie gingen gemeinsam zum Dorfplatz. Als sich Pirion nach einigen Schritten zu dem Krieger umdrehte, sah er, dass vom Waldrand erneut eine Gruppe von Kriegern auf das Dorf zu kam. Diese Gruppe bestand aus lediglich drei Kriegern und Pirion vermutete, dass der Anführer der Truppe unter ihnen war.

Alle Menschen, die im Dorf waren, standen nun auf dem Dorfplatz eingekreist von den fremden Kriegern. Pirion hoffte, dass es Spartak gelungen war, an möglichen anderen Kriegern im Wald vorbei zu kommen und dass er den Tef in Haffkef von dem Überfall der fremden Krieger berichten konnte. In der Menschenmenge fand er ihn jedenfalls nicht.

Als Pirion näher kam, öffnete sich der Kreis der Krieger für ihn und sie ließen ihn durch. Hinter ihm schloss sich der Kreis wieder. Alle Krieger hatten ihr Gesicht zur Menschenmenge gewandt, sie hatten ihr Schwert gezogen und standen lässig da, als ob sie das jeden Tag machen würden.

Die Menschen unterhielten sich leise miteinander. Pirion spürte keine Panik unter ihnen. Es war die ruhige und gelassene Art und Weise, wie das Ganze abgelaufen war, die bewirkt hatte, dass die Dorfbewohner nicht panisch reagiert hatten. Gut war sicher auch gewesen, dass er sie hatte warnen lassen und dass sie sich an seine Anweisung gehalten hatten, friedlich zu bleiben.

Als die Gruppe der drei Krieger auf dem Dorfplatz ankamen, nahmen die Krieger unmerklich Haltung an. Es war klar, dass der Krieger in der Mitte der Anführer war.

Er war groß und breitschultrig. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz geschnitten. Dadurch kam sein scharf geschnittenes und ausdrucksstarkes Gesicht stark zur Geltung. Er machte auf den ersten Blick den Eindruck eines willensstarken aber gerechten Mannes. Auf den Rücken hatte er ein langes Schwert gebunden. Der Schwertgriff ragte über seiner linken Seite hervor. Der Anführer der Krieger begann, mit einer tiefen Stimme und einem etwas fremden Akzent zu der Menschenmenge zu sprechen.

„Wir haben nicht vor euch zu verletzen oder gar zu töten. Wir sind gekommen, um dieses Land zu erobern.“

Ein Murmeln ging durch die Menge. Unbeeindruckt fuhr der Krieger fort.

„Mein Name ist Saffo. Wir werden uns gut verstehen, wenn ihr euch weiterhin so friedlich verhaltet. Glaubt mir, ihr wollt nicht wissen, was wir tun, wenn ihr euch nicht friedlich verhaltet.“ Dabei schaute er drohend in die Runde.

Pirion machte sich keine Illusionen. Wenn die Dorfbewohner kämpfen würden, dann würde dieser Mann tun, was er für richtig hielt, um das, was er für die Ordnung hielt, wieder herzustellen.

Die Dorfbewohner waren durchaus in der Lage zu kämpfen. Dafür hatten sie ja alle einen entsprechenden Kampfunterricht in der Dorfwehr erhalten. Aber ihm war auch klar, dass sie gegen diese Krieger keine Chance haben würden, außerdem hatten sie außer ein paar Arbeits- und Küchenmessern keine Waffen bei sich.

Als der Anführer der Krieger nach dem Anführer des Dorfes fragte, meldete er sich. Saffo winkte ihn heran. Pirion ging auf ihn zu und der Kreis der Krieger öffnete sich, und als er durch ihre Reihe gegangen war, schloss er sich wieder. Die Dorfbewohner wurden weiterhin scharf bewacht.

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9783847633525
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