Читать книгу: «Das Ende des Wachstums», страница 6

Шрифт:

Verrücktes Geld

Investieren ist fast so alt wie das Geld selbst, und von den frühesten Zeiten an gab es immer zwei Motive für Investitionen: teilzuhaben an den Gewinnen eines produktiven Unternehmens und vom erwarteten Wertzuwachs von Anlagen zu profitieren. Die erste Art von Investitionen gilt allgemein als nützlich für die Gesellschaft, die zweite Art wird zumindest von manchen als eine Form von Glücksspiel gesehen, das letztlich zur sinnlosen Vernichtung von Reichtum führt. Es ist wichtig, daran zu denken, daß der Unterschied zwischen den beiden Arten nicht immer ganz eindeutig ist, weil zu Investitionen neben Gewinnerwartungen auch Risiken gehören.16

Hier einige Beispiele für die beiden Arten von Motiven. Wenn Sie Aktien von General Motors kaufen, erwerben Sie einen Anteil an der Firma; wenn die Firma gut wirtschaftet, bekommen Sie eine Dividende – in »normalen« Zeiten eine bescheidene, aber zuverlässige Verzinsung Ihrer Investition. Wenn Ihnen vor allem an Dividenden gelegen ist, werden Sie Ihre GM-Aktien wahrscheinlich über eine lange Zeit halten, und wenn die meisten anderen Besitzer von GM-Aktien die gleichen Motive haben, wird der Wert der Aktie ziemlich stabil bleiben – sofern keine groben Managementfehler passieren und kein allgemeiner Abschwung eintritt. Aber nehmen wir stattdessen einmal an, Sie hätten Aktien eines kleinen Startup-Unternehmens gekauft, das an einer neuen Technik zur Ölförderung arbeitet. Wenn die Technik funktioniert, könnte der Wert der Aktien in die Höhe schießen, lange bevor das Unternehmen Gewinne schreibt. Dann können Sie Ihre Aktien verscherbeln und einen dicken Reibach machen. Wenn Sie so eine Art Investor sind, werden Sie Ihre Aktien wahrscheinlich nur relativ kurz halten, und Sie werden sich solche Aktien aussuchen, die stark im Wert schwanken. Außerdem werden Sie dauernd auf der Suche nach Informationen sein – auch Gerüchten –, die bevorstehende Kursveränderungen bei bestimmten Aktien signalisieren.

Wenn sich viele Menschen auf spekulative Investitionen verlegen, wird das wahrscheinlich zu einer Abfolge von Hysterieanfällen oder von Blasen führen. Ein klassisches Beispiel ist der »Tulpenwahn« in Holland im 17. Jahrhundert, als sich aus dem Handel mit Tulpenzwiebeln eine Spekulationsblase entwickelte. Auf dem Höhepunkt der Hysterie Anfang Februar 1637 kosteten einzelne Tulpenzwiebeln mehr als das Zehnfache des Jahreseinkommens eines qualifizierten Handwerkers.17 Nur Tage später brachen die Preise für Tulpenzwiebeln ein, und die Spekulation damit endete praktisch. Näher an unserer Gegenwart, in den 1920er Jahren, wurde die Spekulation mit Aktien von Radiofirmen zur Blase du jour, und die Hysterie rund um Dotcom- und Internetfirmen liegt gerade erst gut ein Jahrzehnt zurück (1995–2000).

In Anbetracht der offensichtlichen Tatsache, daß Blasen meistens platzen, was zur Vernichtung von Reichtum in manchmal gewaltigem, katastrophalem Umfang führt, könnte man erwarten, daß Regierungen versuchen, die riskanteren Formen von Spekulation durch Regulierung zu beschränken. Bisher war das in Zeiten, die unmittelbar auf spektakuläre Crashs folgten, auch tatsächlich der Fall. Nach dem Börsenkrach 1929 wurde beispielsweise normalen Geschäftsbanken (die Einlagekonten führen und Kredite vergeben) verboten, als Investmentbanken (die mit Aktien, Anleihen und anderen Finanzprodukten handeln) zu agieren. Aber wenn die Erinnerung an den letzten Crash verblaßt, lösen sich solche Vorschriften in der Regel auf.

Außerdem halten Investoren immer Ausschau nach kreativen Wegen, Gewinne zu machen – manchmal, indem sie neue Methoden ersinnen, für die es noch keine Regulierung gibt. Einige solche Methoden hatten Anteil an der Entstehung der Krise 2007/2008. Bei der Erläuterung dieser Methoden werden wir auch einige Schlüsselbegriffe erklären.

Fangen wir mit Hebeln an – ein allgemeiner Begriff für jede Art, Gewinne oder Verluste aus einer Investition zu vervielfachen. Ein Blick in die Geschichte hilft, das Konzept zu verstehen. In den 1920er Jahren stellten Investoren fest, daß sie sich dank der niedrigen Zinsen der Fed Geld für Aktienkäufe leihen und dann auf dem boomenden Aktienmarkt genug verdienen konnten, um ihre Schulden (mit Zinsen) zurückzuzahlen, und am Schluß hatten sie immer noch Geld übrig. Der Aktienkauf auf Kredit oder auf Einschuß ist eine klassische Form des Hebelns. Leider trugen Sorgen über steigende Zinsen und fallende Immobilienpreise mit zu dem Börsenkrach vom Oktober 1929 bei, und die Investoren, die auf Kredit gekauft hatten, standen auf einmal mit gewaltigen Schulden da, die sie nicht zurückzahlen konnten. Die Lehre daraus: Hebeln kann den Gewinn vervielfachen, aber genauso vervielfacht es Verluste.18

Eine Hebelwirkung wird auf zweierlei Weise erreicht: durch Kreditaufnahme und durch den Handel mit Wertpapieren. Ein Beispiel für die erste Möglichkeit: Ein börsennotiertes Unternehmen (das heißt ein Unternehmen, das Aktien ausgibt) kann sein Firmenkapital hebeln, indem es sich Geld leiht. Je mehr es sich leiht, desto weniger Dividendenpapiere muß es verkaufen, um an Kapital zu kommen. Alle Gewinne oder Verluste werden dann durch weniger Einheiten geteilt und sind infolgedessen größer. Die Aktien des Unternehmens wirken optisch besser, und womöglich steigen sie im Kurs. Aber wenn sich ein Unternehmen zu viel Geld leiht, kann ein Wirtschaftsabschwung es in den Bankrott treiben, während ein anderes Unternehmen mit weniger geliehenem Geld womöglich besser dasteht.

In der Finanzwelt erzielt man eine Hebelwirkung überwiegend mit Wertpapieren. Ein Wertpapier ist ursprünglich eine Urkunde, die ein Recht verbrieft, das einem Schuldner gegenüber geltend gemacht werden kann, im weiteren Sinn ein handelbares Finanzinstrument, das einen Wert darstellt. Bei Wertpapieren unterscheidet man Schuldverschreibungen (wie Anleihen und Obligationen), Dividendenpapiere (wie Aktien) und Derivate.

Schuldverschreibungen und Dividendenpapiere sind relativ leicht zu erklären und zu verstehen; Derivate sind eine andere Geschichte. Ein Derivat ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien, dessen Wert von der Preisbewegung bei etwas Bestimmtem abhängt (dem sogenannten Basiswert). Der Basiswert kann eine Aktie sein, eine Währung oder ein Zinssatz, um drei häufige Beispiele anzuführen. Weil Derivate an praktisch jede Art von Vermögensgegenstand geknüpft werden können, ist die Auswahl nahezu unbegrenzt. Derivate können dazu verwendet werden, bewußt Risiken einzugehen (und die potentiellen Gewinne entsprechend zu steigern) oder sich gegen Risiken abzusichern (und die potentiellen Verluste zu begrenzen). Die am meisten verbreitete Form von Derivaten sind Optionen (Finanzinstrumente, die den Besitzern das Recht geben, aber sie nicht verpflichten, ein Geschäft mit einem bestimmten Vermögensgegenstand abzuschließen), Futures oder Terminkontrakte (ein Vertrag, einen bestimmten Vermögenswert an einem bestimmten Datum in der Zukunft zu kaufen oder zu verkaufen zu einem heute vereinbarten Preis) und Swaps (dabei verpflichten sich Gegenparteien, bestimmte Gewinne der Finanzinstrumente der einen Partei gegen die Gewinne der Finanzinstrumente der anderen Partei zu tauschen).

Grafik 9. Volumen der ausstehenden OTC-Derivate (außerbörsliche Transaktionen) seit 1998 in den G10-Staaten und der Schweiz. Der »rechnerische Wert« bezieht sich auf den Gesamtwert der gehebelten Positionen. Der Begriff wird üblicherweise bei Geschäften mit Optionen, Futures und Währungen verwendet, wenn für eine große Position (mit entsprechend großen Folgen für den Händler) nur ein kleiner Betrag eingesetzt wird. Der Begriff »Marktwert« bezeichnet, wieviel die Derivate wert wären, wenn der Vertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt werden müßte.

Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Derivate haben eine ziemlich lange Geschichte: Terminkontrakte auf Reis wurden an der Dojima-Reisbörse im japanischen Osaka seit 1710 gehandelt. Doch in jüngerer Zeit gab es eine ziemliche Kontroverse darum, weil der nominelle Wert aller ausstehenden Derivatekontrakte eine ungeheure Dimension erreicht hat – manchen Schätzungen zufolge geht es um Hunderte von Billionen Dollar weltweit. Vor dem Crash von 2008 bezeichnete der Investor Warren Buffett Derivate in einem berühmten Bonmot als »finanzielle Massenvernichtungswaffen« und sagte, sie stellten eine enorme Spekulationsblase dar. Tatsächlich verlor bei dem Crash von 2008 eine Filiale des Versicherungsgiganten AIG über 18 Milliarden Dollar mit einer bestimmten Form von Swaps, den Kreditausfall-Swaps (credit default swaps oder CDS, im Kern eine Versicherungsvereinbarung, bei der der Käufer in regelmäßigen Abständen eine Prämie zahlt und im Gegenzug eine davon abhängige Summe erhält, wenn eine dritte Partei zahlungsunfähig wird). Die französische Bank Société Générale verlor im Januar desselben Jahres 2008 7,2 Milliarden Dollar mit Terminkontrakten.

Der alltägliche Finanzjargon verhüllt oft die wirklich bemerkenswerten Vorgänge. Nehmen wir nur die gebräuchlichen Begriffe long und short. Wenn ein Händler »long« ist bei Öl-Terminkontrakten, bedeutet das, daß er Verträge hat, an einem bestimmten Tag in der Zukunft eine bestimmte Menge Öl zu kaufen oder zu verkaufen zu einem Preis, der heute vereinbart wurde in der Erwartung, daß der Preis in Zukunft steigen wird. Man könnte deshalb mutmaßen, daß bei einer »Short«-Position bei Öl oder Kontrakten auf etwas anderes fallende Preise erwartet werden. Und so ist es auch. Doch wie investiert man gewinnbringend bei Vermögensgegenständen, wenn man erwartet, daß deren Wert sinken wird? Die Antwort ist short selling, Leerverkauf. Dabei leiht sich der Händler den Vermögensgegenstand (in der Regel Wertpapiere, die gegen Gebühr bei einem Broker ausgeliehen werden) und verkauft ihn sofort weiter, weil er annimmt, daß sein Preis fallen wird. Dann kauft er ihn zu dem niedrigeren Preis zurück, übergibt ihn dem Broker und steckt die Preisdifferenz in die eigene Tasche. Sollte der Preis in der Zwischenzeit gestiegen sein, verliert der Leerverkäufer natürlich Geld. Wenn Ihnen das schon merkwürdig vorkommt, dann hören Sie sich erst einmal an, was nackte Leerverkäufe sind. Dabei verkauft der Investor ein Finanzinstrument, ohne es vorher zu kaufen, zu leihen oder nur sicherzustellen, daß er es überhaupt leihen kann. Nackte Leerverkäufe sind in den Vereinigten Staaten verboten, aber viele kundige Kommentatoren beteuern, daß sie trotzdem häufig vorkommen.

In den Boom-Jahren vor dem Crash von 2007/2008 ließen sich oft die reichsten Leute auf die riskantesten Finanzgeschäfte ein. Und die Reichen sammelten sich offenbar wie die Finken am Futterhäuschen bei den Hedgefonds: Investmentfonds, die einer beschränkten Auswahl von Investoren offenstehen und bereit sind, auch andere Geschäfte zu machen als die traditionellen Fonds, die nur Long-Positionen bei Aktien und Anleihen eingehen. Hedgefonds operieren auch mit Leerverkäufen und investieren in Derivate. Um die Wirkung der allgemeinen Marktbewegung zu neutralisieren, balancieren die Hegdefonds-Manager ihre Portfolios aus, indem sie Anlagen kaufen, deren Preise vermutlich stärker steigen werden als der Markt insgesamt, und verkaufen Anlagen leer, bei denen sie erwarten, daß sie schlechter laufen werden als der Markt. Auf diese Weise werden theoretisch Preisbewegungen bestimmter Wertpapiere, die die allgemeine Aktivität auf dem Markt widerspiegeln, aufgehoben oder »abgesichert« (hedged). Hedgefonds versprechen (und liefern oft auch) hohe Renditen durch extreme Hebel. Aber weil so gewaltige Summen im Spiel sind, monieren Kritiker, daß sie ein systemisches Risiko für die gesamte Volkswirtschaft darstellen. Das hat der Beinahezusammenbruch von zwei Hedgefonds von Bear Stearns im Juni 2007 demonstriert, die massiv in hypothekenbesicherte Wertpapiere investiert hatten.19

Ich schulde dir

Wie wir gesehen haben, hängen Blasen in der Regel mit spekulativen Investitionen zusammen. Aber im weiteren Sinn hat unsere gesamte Volkswirtschaft inzwischen die Merkmale einer Spekulationsblase oder eines Ponzi-Systems angenommen, und zwar, weil sie auf schwindelerregenden und kontinuierlich wachsenden Schuldenbergen ruht: Schulden des Staates und der Privaten; Billionen, zig Billionen und Hunderte Billionen Dollar von Schulden; Schulden, die zusammengenommen seit 1980 um 500 Prozent gestiegen sind; Schulden, die – mit Ausnahme eines einzigen Jahres – in den letzten 50 Jahren stets schneller gewachsen sind als die Wirtschaftsleistung (gemessen am BIP); Schulden, die nie wieder zurückgezahlt werden können; Schulden, die für Forderungen an Arbeit und Ressourcen stehen, die einfach nicht existieren.

Wenn wir untersuchen, wie und warum das geschehen ist, stoßen wir auf ein Netz miteinander verwobener Trends.

Bei genauer Betrachtung tritt die Globalisierung der Wirtschaft als ein besonders wichtiger Faktor hervor. In den 1970er und 1980er Jahren, als zu Hause die Standards bei Umweltanforderungen und Arbeitsbedingungen erhöht wurden, begannen die Unternehmen, auf die weniger industrialisierten Länder zu schielen, wo es keine solchen Vorschriften, aber billige Arbeitskräfte und relativ unberührte natürliche Ressourcen gab; sie erschienen als potentielle Goldminen. Internationale Investmentbanken liehen armen Ländern enorme Summen für unvernünftige Infrastrukturprojekte (und nebenbei auch für Schmiergeldzahlungen an korrupte Politiker), die die Länder später zwangen, ihre natürlichen Ressourcen zu Spottpreisen zu verschleudern, weil sie anders ihre Kredite nicht bedienen konnten. Auf Druck der Unternehmen drängten die Industrieländer dann auf eine Liberalisierung des Handels durch die Welthandelsorganisation WTO (die neuen Regeln wurden fast immer raffiniert von den reicheren Handelspartnern angestoßen). All das führte vorhersehbar zu einer geringeren Produktion und Ressourcenausbeutung in großen Industrieländern, vor allem in den Vereinigten Staaten (viele wichtige Ressourcen waren in den reichen Industrieländern sowieso erschöpft) und einem steilen Anstieg der Ressourcenausbeutung und Produktion in mehreren »Entwicklungs«-Ländern, vor allem in China. Der Rückgang der heimischen Produktion und Ressourcenausbeutung veranlaßte wiederum Investoren aus Industrieländern, Gewinne durch reine Finanzgeschäfte zu suchen. Infolge dieser Trends sind heute genauso viele Amerikaner in der Produktion beschäftigt wie 1940, als die Bevölkerungszahl nur rund halb so groß war, hingegen hat sich der Anteil der Finanzdienstleistungen an der Wirtschaftsaktivität im selben Zeitraum verdreifacht. Spekulative Investitionen sind gängige Praxis geworden, werden an Spitzenuniversitäten gelehrt und haben ihren festen Platz in den größten Firmen der Welt.

Aber wenn wir zurücktreten und einen weiteren Blickwinkel einnehmen, erkennen wir größere und längerfristige Trends, die eine noch wichtigere Rolle spielen. Ein Schlüsselfaktor war die Ablösung des Geldes von seiner Bindung an Edelmetalle, ein Prozeß, der vor über einem Jahrhundert begonnen hat. Als Schulden die Grundlage des Geldes wurden (und Geld hauptsächlich durch die Kreditvergabe von Banken geschaffen wurde), wurde das Wachstum der Schulden zur Bedingung für das Wachstum der Geldmenge und damit der wirtschaftlichen Expansion. Weil praktisch alle – Arbeitnehmer, Investoren, Politiker – nach mehr Wachstum schrien, mußten zwangsläufig neue Wege gefunden werden, um die Generierung von Schulden zu stimulieren. Das erklärt, warum in den letzten Jahren so verwirrend viele Instrumente auftauchten, um zu leihen, zu wetten und zu versichern – von Kreditkarten bis zu Kreditausfall-Swaps –, allesamt im Kern Werkzeuge, um das Geld »flüchtiger« zu machen und mehr Schulden zu erzeugen.

Ein Marxist würde sagen, all dies ergebe sich zwingend aus dem Wesen des Kapitalismus. Ein Historiker könnte behaupten, es spiegele den unvermeidlichen Gang aller großen Reiche wider (obwohl vergangene Reiche keine fossilen Brennstoffe besaßen und ihnen damit die Mittel für eine globale Expansion fehlten). Und ein Kulturanthropologe könnte darauf verweisen, daß die Ursachen für unsere Schuldenspirale zur Zivilisation gehören: Als die Schenkökonomien an Bedeutung verloren und der Tauschhandel an Bedeutung gewann, wurden aus den unendlich vielen wechselseitigen Verpflichtungen, die die Angehörigen einer Gemeinschaft verbanden, finanzielle Schulden (und, wie die Jäger und Sammler intuitiv begriffen, Schulden innerhalb einer Gemeinschaft können nie ganz zurückgezahlt werden – das sollen sie auch gar nicht und ganz sicher nicht mit Zinsen).

Letzten Endes läßt sich das Dilemma der modernen Welt vielleicht in der einfachen Formel fassen »Was aufsteigt, kommt auch wieder herunter«. Aber weil wir die Ereignisse im Zusammenhang mit Aufstieg und Fall direkt und aus erster Hand erleben, erscheint uns das alles gar nicht einfach. Die Medien bombardieren uns; täglich werden wir mit ungefilterten und ungeordneten Daten überschüttet; das Tempo des Wandels überwältigt und verwirrt uns. Aber wenn wir auf den Wandel reagieren und uns erfolgreich anpassen sollen, müssen wir verstehen, was passiert, wohin es gehen könnte und was wir tun können, um unter den gegebenen Umständen ein optimales Ergebnis zu erreichen. Damit wir den Durchblick bekommen, müssen wir den Wald sehen (die großen, langfristigen Trends) und die Bäume (die unmittelbar bevorstehenden Veränderungen).

Und das bringt uns zu der Schlüsselfrage: Wenn die Finanzwirtschaft nicht immer weiter Schulden aufhäufen kann, was wird dann als nächstes geschehen?

1.3DIE MAGIE DES ZINSESZINSES

Nehmen wir einmal an, Sie haben 100 Dollar. Die legen Sie zu 5 Prozent Zinsen auf ein Sparkonto. Nach einem Jahr haben Sie 105 Dollar. Sie lassen die ganze Summe auf dem Konto, so daß Sie am Ende des zweiten Jahres 5 Prozent nicht auf 100 Dollar bekommen, sondern auf 105 Dollar – das sind dann 5,25 Dollar. Nun haben Sie 110,25 Dollar auf Ihrem Konto. Auf den ersten Blick mag das nicht sehr bemerkenswert erscheinen. Aber warten Sie einfach ab. Nach drei Jahren haben Sie 115,76 Dollar, danach 121,55 Dollar, 127,63 Dollar, 134,01 Dollar. Nach zehn Jahren haben Sie 162,88 Dollar, und nach 14 Jahren hat sich Ihre ursprüngliche Investition fast verdoppelt. Nach 29 Jahren besitzen Sie 400 Dollar, und wenn es Ihnen gelingt, Ihr Guthaben die nächsten 43 Jahre nicht anzurühren, haben Sie am Ende fast 800 Dollar. Nach 86 Jahren kassieren Ihre Erben 3200 Dollar, und nach einem Jahrhundert sind aus der ursprünglichen Einlage von 100 Dollar fast 6200 Dollar geworden. Würde es sich statt um ein Guthaben um Schulden handeln, würde sich der Zinseszinseffekt natürlich genauso auswirken.

Irgendwie haben sich die Ansprüche auf echten Reichtum (Güter und Dienstleistungen) vervielfacht, während die Weltvorräte an natürlichen Ressourcen in vielen Fällen durch die Ausbeutung fossiler Brennstoffe und Minerale, durch Überfischung und übermäßigen Holzeinschlag abgenommen haben. Geld, ob investiertes oder geliehenes, hat das »Recht« zu wachsen, für die Natur gilt das nicht.

Grafik 10. Lineares Wachstum. Hier sehen wir lineares Wachstum mit einer Wachstumsrate von 5. Beginnend bei 100 werden 5 addiert, dann 5 zu dieser Summe und so weiter. Nach 50 Wiederholungen dieser Operation sind wir bei 350.

Grafik 11. Exponentielles Wachstum (Zinseszinseffekt). Die Kurve zeigt exponentielles Wachstum um 5 Prozent, das heißt, wir beginnen damit, daß wir 100 mit 5 Prozent multiplizieren und das Ergebnis zu den ursprünglichen 100 addieren. Dann multiplizieren wir diese Summe wieder mit 5 Prozent und addieren das Ergebnis zur vorherigen Summe und so weiter. Nach 50 Wiederholungen der Operation sind wir bei 1147.

1 052,68 ₽
Жанры и теги
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
541 стр. 53 иллюстрации
ISBN:
9783948075736
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают