Читать книгу: «Das Ende des Wachstums», страница 8

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•Das Versagen des Fed-Chefs von New York, Timothy F. Geithner, inzwischen Finanzminister, »im Vorfeld der Krise gegen Auswüchse bei der Citigroup vorzugehen«.

•Das Festhalten der Fed an niedrigen Zinsen noch lange nach der Rezession von 2001, was »erhöhte Risiken erzeugte«.

•Ausgaben des Finanzsektors in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar für Lobbyarbeit von 1999 bis 2008, wobei der Branche nahestehende Kongreßmitglieder über 1 Milliarde an Wahlkampfgeldern bekamen.

•Die »Gütesiegel« der Ratingagenturen für Wertpapiere, die sich als sehr viel riskanter erwiesen, als in den Werbeprospekten behauptet wurde (weil sie durch Hypotheken an Schuldner besichert waren, die ihre Kredite nicht bedienen konnten).

•Daß die Börsenaufsicht den fünf größten Banken erlaubte, ihre Fremdfinanzierungsquote zu erhöhen, eine unzureichende Eigenkapitalquote vorzuhalten und sich auf riskante Geschäfte einzulassen.

•Daß die fünf größten Banken des Landes exzessiv mit Fremdkapital spekulierten: Für Verluste bei Anlagen im Wert von 40 Dollar hatten sie nur 1 Dollar Eigenkapital zur Deckung.

•Daß die Bankenaufsicht (zusammen mit der Sparkassenaufsicht) die staatlichen Regulierer daran hinderte, bei Verfehlungen in der Kreditvergabe einzugreifen.

•»Fragwürdige Praktiken von Hypothekenfinanzierern und leichtsinnige Wetten von Banken.«

•Die »stümperhafte Inkompetenz mancher Unternehmensführer« hinsichtlich Risiken und Geschäftsgebaren ihrer eigenen Firmen. Mit Blick auf die Chefs der großen Finanzinstitute (darunter Citigroup, AIG und Merrill Lynch) schrieb die Kommission, ihre Untersuchung habe »verblüffende Beispiele von Leitungsversagen und unverantwortlichem Handeln« zutage gefördert.

Nicht einigen konnten sich die Kommissionsmitglieder bei der Einschätzung, welche Rolle Freddie Mac und Fannie Mae in der Krise gespielt hatte.

Die Kommission kündigte die Einleitung strafrechtlicher Schritte an.8

Kurzum, die Weltwirtschaft, die 2007 noch robust und stabil gewirkt hatte, erwies sich auf einmal als sehr fragil und von mehreren hartnäckigen Krankheiten befallen – jede konnte von einem Tag auf den anderen virulent werden, sich rasch ausbreiten und die Welt mitten in eine Krise zurückwerfen.

Die Mutter aller Hysterien

Die US-Immobilienblase zu Beginn des neuen Jahrtausends war (nach dem involvierten Kapital) die größte Spekulationsblase in der Geschichte.9 Und ihr Platzen erinnerte unheimlich an die 1930er Jahre: Einige Ökonomen sagten, nicht allein der Börsenkrach habe die Weltwirtschaftskrise verursacht, sondern auch zahlreiche Insolvenzen von Farmen, weil die Farmer ihre Hypotheken nicht mehr bedienen konnten – hinzu kamen Immobilienblasen in Florida, New York und Chicago.10

Immobilienblasen sind eigentlich Kreditblasen, weil die Wohneigentümer ihre Immobilien in der Regel mit geliehenem Geld kaufen. (Das unterscheidet Immobilienblasen von Währungsblasen; dabei blähen Länder ihre Währung auf, um Staatsschulden loszuwerden.) Die Summe der ausstehenden Schulden schießt in die Höhe, weil Käufer auf den Markt strömen, die Immobilienpreise in unrealistische Höhen treiben und Kredite aufnehmen, die sie nicht zurückzahlen können. Zu viele Wohnungen und Büroräume werden gebaut, und durch den Bau werden Material und Arbeitskraft vergeudet. Immobilienblasen bewirken auch, daß sich zu viele Bauunternehmen tummeln, die nach dem Platzen der Blase auf andere Betätigungsfelder umsteigen müssen. Solche Blasen führen zu systemischen Krisen, die die wirtschaftliche Gesundheit eines ganzen Landes beeinträchtigen.11

Tatsächlich wurde die Immobilienblase zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum Treibstoff der US-Wirtschaft – Quelle für neue Arbeitsplätze, Grundlage für die Erholung der Wall Street von der Dotcom-Pleite, Köder für ausländisches Kapital und Basis für Wohlstand und Konsumbereitschaft der privaten Haushalte. Als sie platzte, änderte sich alles.

Und es gibt Grund zu der Annahme, daß immer noch nicht alle Luft aus der Blase entwichen ist: Möglicherweise steht das Platzen der Blase bei Gewerbeimmobilien erst noch bevor. In den nächsten fünf Jahren werden in diesem Bereich Kredite im Wert von rund 1,4 Billionen Dollar fällig und müssen refinanziert werden. Die Preise für Gewerbeimmobilien sind seit ihrem Höchststand 2007 landesweit um 40 Prozent gefallen, damit ist fast die Hälfte der Kredite nicht mehr abgesichert. Die Leerstandsquoten sind hoch, die Mieten niedrig.

Die Krise bei den Gewerbeimmobilien hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Banken weit über den Ausfall von Hypothekendarlehen hinaus: Die systemische Abhängigkeit vieler Banken von hypothekenbesicherten Papieren, Schuldverschreibungen und Derivaten bedeutet, daß viele Banken, auch einige der größten, praktisch insolvent sind und keine weiteren Risiken eingehen können (warum das so ist, werden wir im nächsten Abschnitt detaillierter erörtern).

Die demographische Entwicklung spricht nicht für eine Erholung auf dem Immobilienmarkt in absehbarer Zeit. Die ältesten Angehörigen der Generation der Babyboomer sind Mitte sechzig und scheiden aus dem Berufsleben aus. Wenige haben nennenswerte Ersparnisse, viele hatten darauf gesetzt, ihren Ruhestand aus dem Wertzuwachs ihrer Immobilien zu finanzieren – und nun erkennen sie, daß sie diese verkaufen müssen. Damit werden noch mehr Häuser auf einen bereits übersättigten Markt kommen, und das wird die Preise noch weiter nach unten drücken.

Kurz gesagt: Immobilienbesitz war die wichtigste Wachstumsquelle in den Vereinigten Staaten im letzten Jahrzehnt. Nun, da die Blase geplatzt ist und ein gähnendes Loch in der Wirtschaft hinterlassen hat, stellt sich die Frage, wo neue Jobs und Wachstum in Zukunft herkommen sollen. Läßt sich das Problem mit einer weiteren Blase lösen?

2.2WIE MAN EINE FINANZKRISE AUSLÖST

Michael Kumhof und Romain Rancière entwerfen in ihrem Arbeitspapier für den IWF mit dem Titel »Ungleichheit, Fremdfinanzierung und Krisen« ein einfaches Modell, wie Finanzkrisen entstehen, mit folgendem Ablauf: a) Wachsende Ungleichheit bewirkt, daß die Mittelschicht weniger Geld hat und die Reichen mehr Geld haben; b) die Reichen verleihen einen großen Teil ihres Geldes an die Mittelschicht, so daß die Mittelschicht trotz stagnierender Einkommen ihren Lebensstandard weiter erhöhen kann; c) der Finanzsektor expandiert, um all dies abzuwickeln; und d) letztlich mündet alles in eine Kreditkrise. In ihrer Zusammenfassung schreiben Kumhof und Rancière:

»Dieses Papier hat stilisierte Fakten und einen theoretischen Rahmen präsentiert, die den Zusammenhang zwischen Steigerungen des Einkommensvorteils von Haushalten mit hohem Einkommen, höherer Fremdkapitalaufnahme und Verschuldung bei armen und Mittelschichthaushalten und der Anfälligkeit für Finanzkrisen untersuchen. Dieser Zusammenhang war sowohl vor der Weltwirtschaftskrise wie vor der gegenwärtigen Krise augenfällig. In unserem Modell ist er eine Folge des gestiegenen Verhandlungsgewichts der Haushalte mit hohen Einkommen. Der Schlüsselmechanismus, der sich im raschen Wachstum des Finanzsektors widerspiegelt, ist die Rückführung eines Teils des zusätzlichen Einkommens der Haushalte mit hohem Einkommen an die übrige Bevölkerung in Form von Krediten, was letzteren erlaubt, ihr Konsumniveau zu halten, zumindest vorübergehend. Aber ohne die Aussicht auf eine Erholung der Einkommen von Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen in einem vernünftigen Zeithorizont ist das unvermeidliche Ergebnis, daß die Kreditvergabe weiter wächst, damit die Hebelwirkung zunimmt und ebenso die Wahrscheinlichkeit einer größeren Krise, die in der realen Welt üblicherweise auch schwere Folgen für die Realwirtschaft hat.«12

Die gleiche Dynamik ist auch zwischen reichen und armen Ländern am Werk.

Grenzen der Verschuldung

Treten wir einen Augenblick zurück und betrachten unsere Situation aus einem etwas anderen Blickwinkel. Schauen Sie sich Grafik 18 genau an, das die Gesamtverschuldung der USA für jedes Jahr seit 1979 zeigt. Die Schulden sind in vier Kategorien unterteilt – Privathaushalte, Unternehmen, Finanzsektor, Staat. In allen vier Kategorien sind sie in den letzten gut 30 Jahren erheblich gewachsen, wobei es den stärksten Zuwachs im Finanzsektor gab. Achten Sie auf die Form der Kurve: Es ist keine Gerade (die lineares Wachstum anzeigen würde), sondern erinnert bis 2008 mehr an die J-förmige Kurve des exponentiellen Wachstums oder Wachstums mit Zinseszinseffekt (wie wir es am Ende des 1. Kapitels erläutert haben).

Ein solches Wachstum, gleich ob es sich um die amerikanische Ölproduktion von 1900 bis 1970 handelt oder um die Population von Entamoeba histolytica im Blut eines Patienten mit Amöbenruhr, stößt irgendwann immer an Grenzen.

Wo werden die Grenzen bei den Schulden liegen, und wie hart wird der Aufprall für uns sein?

Grafik 18. Gesamtverschuldung der USA, 1945–2010. US-Schulden nach Sektoren in Nominalwerten (nicht inflationsbereinigt). Wir sehen einen starken Anstieg bei den Schulden der Privathaushalte und des Finanzsektors ab 2000, befeuert durch niedrige Zinsen und steigende Hauspreise. Ab 2008 geht die Verschuldung der Privathaushalte und des Finanzsektors zurück, während die Staatsverschuldung wächst.

Quelle: The Federal Reserve, Z.1 Flow of Funds Accounts of the United States.

Ein guter Ausgangspunkt für die Suche nach einer Antwort wäre die Frage, wie wir es bisher geschafft haben, unsere Verschuldung immer weiter zu steigern. Es zeigt sich, daß es in einer Wirtschaft, die auf Geldschöpfung durch Mindestreserve-Bankwesen beruht, in der immer mehr Kredite ausgereicht werden, um immer mehr privaten Konsum und Kapitalinvestitionen zu finanzieren, in der Regel möglich ist, frühere Schulden zusammen mit den Zinsen auf diese Schulden zu bezahlen. Es ist nie genug Geld im System, um zu einem bestimmten Zeitpunkt alle ausstehenden Schulden mit Zinsen zurückzuzahlen; aber solange die Gesamtverschuldung (und damit die Geldmenge) kontinuierlich wächst, ist das kein Problem. Das System als Ganzes hat zwar einige Merkmale einer Blase oder eines Ponzi-Systems, aber es hat auch eine gewisse innere Logik und sogar das Potential für (vorübergehende) dynamische Stabilität.

Doch es gibt praktische Grenzen für die Verschuldung in einem solchen System. Diese Grenzen stellen sich für jede der vier Kategorien in der Grafik etwas anders dar.

Staatsschulden

Bei Staatsschulden tauchen Probleme auf, wenn die erforderlichen Zinszahlungen einen substantiellen Teil der Steuereinnahmen verschlingen. Beginnen wir mit einigen grundlegenden Fakten:

Staatsschulden sind die Gesamtsumme, mit der die öffentlichen Haushalte verschuldet sind.

•Die Rückzahlung der Staatsschulden kann aufgeschoben werden, aber umstritten ist, wie lange sie vernünftigerweise hinausgezögert werden kann.

•Auf Staatsschulden fallen natürlich Zinsen an. Jedes Jahr müssen Einnahmen des Staates dafür verwendet werden, Zinsen auf die Schulden (die in der Vergangenheit aufgenommen wurden) zu zahlen. In der Regel gibt es Unstimmigkeiten, ob die Schulden mit gutem Grund aufgenommen wurden, aber alle sind sich einig, daß es im Hinblick auf die Zukunftsplanung wichtig ist, genau zu wissen, wie hoch die Zinszahlungen sind.

•Sowohl die Staatsschulden wie die Zinszahlungen können wachsen. Wenn die Regierung mehr ausgibt, als sie in einem bestimmten Jahr einnimmt, entsteht ein Fehlbetrag. Dieser Fehlbetrag heißt Defizit. Der Staat reagiert, indem er sich mehr Geld leiht (gegen Zinszahlung). Das Defizit ist also der Fehlbetrag in einem bestimmten Jahr, und die Staatsschulden sind die Gesamtsumme dieser Fehlbeträge.

•Ein Defizit vergrößert nicht nur die Staatsschulden (die Zahlungsverpflichtungen irgendwo in der Ferne), sondern auch die Zinszahlungen (hier und heute, nicht irgendwo), die jedes Jahr geleistet werden müssen. Die Zinsen werden aus den jährlichen Steuereinnahmen des Staates bezahlt oder mit neuen Krediten.

Gegenwärtig hat der Staatshaushalt der Vereinigten Staaten ein Volumen von rund 3,5 Billionen Dollar, davon entfallen 12 Prozent (oder 414 Milliarden Dollar) auf Zinszahlungen. Aber das Steueraufkommen betrug 2009 nur 2,1 Billionen Dollar: Die Zinszahlungen verschlingen somit fast 20 Prozent oder ein Fünftel der Steuereinnahmen. Aus verschiedenen Gründen (darunter der Wirtschaftsabschwung, die Kriege im Irak und in Afghanistan, die Steuersenkungen der Regierung Bush und verschiedene Konjunkturprogramme) beträgt das staatliche Defizit aktuell über eine Billion Dollar pro Jahr. Das kommt zu der Verschuldung hinzu und erhöht natürlich auch die künftigen Zinszahlungen. Aktuell beläuft sich die Verschuldung der Vereinigten Staaten auf über 14 Billionen Dollar (seit 2006 ist sie um mehr als 50 Prozent gestiegen).13 Wenn sie die 20-Billionen-Marke erreicht hat, was voraussichtlich in wenigen Jahren der Fall ist, werden die Zinszahlungen der größte Ausgabeposten im Bundeshaushalt sein und sogar die Militärausgaben in den Schatten stellen.14 Wenn die Staatseinnahmen dann nicht höher liegen, werden 20 Prozent davon für Zinszahlungen verbraucht. Bereits heute verschlingen die Zinszahlungen fast die Hälfte der Einnahmen aus der Einkommenssteuer, die im Fiskaljahr 2010 vermutlich 901 Milliarden Dollar betragen werden.15

Spätestens wenn 100 Prozent der Staatseinnahmen in Zinszahlungen fließen und das staatliche Handeln komplett mit neuen Krediten finanziert werden muß – auf die natürlich auch wieder Zinsen zu bezahlen sind –, wird das System so etwas wie eine finanzielle Singularität erreicht haben: ein schwarzes Schuldenloch, wenn man so will. Doch aller Wahrscheinlichkeit nach müssen wir gar nicht so lange warten, bis ernsthafte Probleme auftauchen. Viele Wirtschaftskommentatoren meinen, wenn der Staat 30 Prozent der Steuereinnahmen für Zinsen aufwenden muß, befinde sich das Land in einer Schuldenfalle, aus der es kein leichtes Entkommen mehr geben werde. So wie sich die staatliche Kreditaufnahme und die Zinszahlungen entwickeln, dürfte die Marke von 30 Prozent in wenigen Jahren erreicht sein. Aber schon vorher wird die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten schwer beeinträchtigt sein.

Dennoch werden manche sagen, Grenzen der Staatsverschuldung (infolge des Schneeballeffekts bei den Zinszahlungen) müßten keine harten Zwänge sein – vor allem nicht für ein großes Land wie die Vereinigten Staaten, das die Kontrolle über seine eigene Währung hat.16 Die US-Regierung darf nach der Verfassung Geld schöpfen, auch Geld, um die Zinsen für ihre Schulden zu bezahlen. Deshalb könnte sich die Regierung faktisch auf dem Umweg über die Zentralbank selbst Geld leihen, und die Zentralbank würde die Zinszahlungen dann an das Finanzministerium zurückleiten (genau dies tun Finanzministerium und Fed mit dem unten diskutierten zweiten Programm zur quantitativen Lockerung).17

Dabei kann vor allem eine Komplikation auftreten: Wenn irgendwann das Vertrauen tief und auf breiter Front erschüttert wird, daß die externen Schulden der USA (das heißt das Geld, das sie privaten Gläubigern oder anderen Ländern schulden) mit Schulden von gleichem »Wert« zurückgezahlt werden, werden potentielle Käufer solcher Schuldtitel vielleicht entscheiden, daß sie ihr Geld lieber unter die sprichwörtliche Matratze legen (daß sie lieber Fabriken oder Ölfelder dafür kaufen), auch wenn das wieder eigene Probleme schafft. Dann bleibt die Fed praktisch als einziger Käufer für Staatsschulden übrig; das könnte das Vertrauen in den US-Dollar untergraben und eine sich rasch drehende Ablehnungsspirale in Gang setzen, die erst mit einem Zusammenbruch der Währung enden würde. In der Geschichte gibt es viele Beispiele für Währungszusammenbrüche, insofern wäre das nichts Besonderes.18

Wenn manche Menschen begreifen, daß staatliche Defizitfinanzierung nicht nachhaltig ist, meinen sie gleich, der Himmel stürze ein und die Katastrophe stehe bevor. Es ist auch wirklich beunruhigend, erstmalig zu erkennen, daß die Weltwirtschaft eine Art Schneeballsystem ist, das nur durch das Vertrauen der Beteiligten funktioniert. Aber solange die Defizitfinanzierung bestimmte Grenzen nicht übersteigt und sofern die Wirtschaft in nicht allzu ferner Zukunft zu Wachstum zurückkehrt, kann das System eine ganze Weile weiterlaufen. Theoretisch können Schneeballsysteme unendlich weitergehen – wenn die Zahl der potentiellen Teilnehmer unbegrenzt ist. Die absolute Höhe der Staatsschulden ist nicht notwendigerweise ein kritischer Faktor, sofern das künftige Wachstum ausreichend hoch ist, daß das Verhältnis von Schulden zu Einnahmen unverändert bleibt. Und selbst wenn dieses Verhältnis sich vergrößert, muß das noch nicht alarmierend sein, sofern es vorübergehend bleibt. So argumentieren zumindest die Keynesianer. Sie betonen auch, daß Staatsschulden nur ein Teil der Gesamtverschuldung sind und daß die amerikanische Staatsverschuldung im Verhältnis zu anderen Schuldenarten noch nicht alarmierend angestiegen ist (bis zur gegenwärtigen Rezession). Wieder gilt: Wenn das Wachstum zurückkehrt, kann künftige Kreditaufnahme gerechtfertigt werden (bis zu einem gewissen Punkt) – insbesondere wenn das Ziel lautet, das Wachstum dadurch wieder in Gang zu bringen.19

Die Risiken einer wachsenden Staatsverschuldung sind folgende: a) steigende Zinslasten, b) Verlust der Kreditwürdigkeit und c) der mögliche Zusammenbruch der Währung.

Schulden der Privathaushalte

Die Grenzen für Schulden der Privathaushalte sind anders, aber ähnlich: Konsumenten können nicht auf dieselbe Weise Geld schöpfen wie Banken (und manche Regierungen) und können nicht beliebig Schulden machen, weil ihnen irgendwann niemand mehr Geld leihen wird. Kreditgeber fordern üblicherweise Sicherheiten, deshalb gibt ein höheres Nettovermögen (oft in Form von Immobilienbesitz) die Möglichkeit, mehr Schulden aufzunehmen. Kreditgeber wollen auch sehen, daß der Kreditnehmer laufende Zahlungen leisten kann, deshalb hilft ein höheres Gehalt, wenn man sich stärker verschulden will.

Wie bereits dargelegt, sind die Einkommen der Amerikaner inflationsbereinigt seit den 1970er Jahren bis heute nicht substantiell gestiegen, sehr wohl aber die Hauspreise in der Zeit von 2000 bis 2006, und damit hatten viele Haushalte auf dem Papier ein höheres Nettovermögen. Viele Hausbesitzer setzten den Wertzuwachs ihrer Häuser als Sicherheit für neue Schulden ein – in vielen Fällen erheblich mehr neue Schulden. Gleichzeitig fanden die Kreditgeber Wege, die Anforderungen für Konsumentenkredite zu senken und allgemein den Zugang zu Krediten zu erleichtern – etwa durch »No-doc«-Hypotheken (»no documentation«, Hypotheken, bei denen weniger oder gar keine Unterlagen zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen beigebracht werden müssen; Anm. d. Übers.) oder Massen von Kreditkartenangeboten. Die Folge: Die Verschuldung der Privathaushalte stieg von weniger als 2 Billionen Dollar im Jahr 1980 auf 13,5 Billionen Dollar 2008. Das Kreditaufnahme- und Ausgabenverhalten der Haushalte war nicht nur der Hauptmotor der wirtschaftlichen Expansion im größten Teil des letzten Jahrzehnts, sondern trug auch wesentlich zum weltweiten Wirtschaftswachstum bei.

Aber mit dem Zusammenbruch des amerikanischen Immobilienmarkts, der 2007 begann, sind auch die Nettovermögen der privaten Haushalte eingebrochen (von 2007 bis 2009 sanken sie um 17,5 Billionen oder 25,5 Prozent – das entspricht dem Wert des BIP in einem Jahr). Weil außerdem die Arbeitslosenquote von 4,6 Prozent 2007 auf fast 10 Prozent (nach der offiziellen Statistik) im Jahr 2010 kletterte, ging das durchschnittliche Haushaltseinkommen zurück. Gleichzeitig verschärften die Banken ihre Regeln bei der Kreditvergabe, die Kreditkartenunternehmen strichen ihre Angebote zusammen, und die Hypothekenfinanzierer stellten viel höhere Anforderungen an die Bonität potentieller Kunden. Durch all dies schrumpften die Möglichkeiten der Privathaushalte, mehr Schulden zu machen. Weniger Schulden bedeuten weniger Ausgaben (Privathaushalte leihen sich üblicherweise Geld zum Ausgeben – für ein neues Auto oder für die Renovierung der Küche). Das ist möglicherweise ein kurzfristiges Problem; doch die Situation wird sich nur ändern, wenn die Wirtschaft insgesamt wieder zu wachsen beginnt (was höhere Hauspreise bedeutet, weniger Arbeitslosigkeit und leichteren Zugang zu Krediten). Das ist der Haken dabei: Eine höhere Nachfrage der Konsumenten ist ganz wichtig, damit die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs kommt.

Wir müssen also die Privathaushalte dazu bewegen, daß sie sich wieder Geld leihen und es ausgeben. Vielleicht kann die Regierung jedem Staatsbürger ein bißchen Startkapital zustecken (will noch jemand eine Abwrackprämie?), um die Entwicklung in Gang zu bringen. Selbst wenn das nicht funktioniert, werden die Konsumenten irgendwann ihre Schulden so weit zurückgezahlt haben (oder zahlungsunfähig sein), daß sie weitere Kredite aufnehmen wollen. Aber wieder spricht die Demographie dafür, daß das noch eine Weile dauern wird: Wie bereits erwähnt, kommen die Babyboomer (mit 70 Millionen Menschen die größte demographische Kohorte in der Geschichte des Landes) ins Rentenalter, und das heißt, daß ihr lebenslanger Ausgabenzyklus seinen Höhepunkt überschritten hat. Zwar werden sie weiter Dinge kaufen (schließlich muß jeder essen), aber ihre Gesamtausgaben werden sehr wahrscheinlich nicht steigen, zumal die Ersparnisse in dieser Kohorte im Durchschnitt für den Ruhestand nicht ausreichen (ein Drittel von ihnen hat überhaupt keine Ersparnisse). Aus schierer Notwendigkeit werden sie von jetzt an mehr sparen und weniger ausgeben. Und davon wird die Wirtschaft nicht wachsen. Wir sind vielleicht nicht an eine harte, endgültige, unumstößliche Grenze für die Verschuldung der Privathaushalte gestoßen, aber es gibt (zumindest in den Vereinigten Staaten) keine realistische Grundlage für die Erwartung, daß die Zuwachsraten bei Schulden und Konsum wiederkehren, die wir in den letzten Jahrzehnten gesehen haben.

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