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Das „Transaktionale Stressmodell“

Der Begriff der Transaktion beschränkt sich nicht auf den Reiz, der auf eine Person trifft. Transaktion spiegelt „…die Verbindung zwischen einer sich verändernden Situation und einer denkenden, fühlenden und handelnden Person…“ wieder. (Schwarzer, 1993, S.14)

Es findet nach dieser Theorie grundsätzlich eine individuelle Bewertung des Umweltreizes als positive oder negative Anforderung (Reiz, Stress) statt. Was für den einen negativer Stress und damit eine massive Belastung darstellt, hat für den anderen eventuell noch keine Bedeutung in psychologischer Hinsicht erlangt. Die individuelle Bewertung ist also entscheidend für das Ergebnis, ob ein Reiz, der auf eine Person einwirkt, auch als negativer Stress wahrgenommen wird oder nicht. Es findet somit immer eine Interaktion zwischen Individuum und der aufgetretenen Situation statt. Der Stress ist demnach subjektiv und individuell und die Bewertung dieser Wahrnehmung kann somit auch bewusst verändert und beeinflusst werden.

Lazarus hat die kognitive Bewertung der Anforderungen (Reize, Einsatzsituationen) in zwei Phasen unterschieden.

Für die erste Einschätzung zur Ernsthaftigkeit einer Anforderung verwendet er den Begriff primary appraisal (primäre Bewertung). Die Phase beginnt seiner Ansicht nach mit folgenden Fragestellungen: Was passiert gerade? Ist es gut, schädlich oder unwichtig für mich? Führt die Beantwortung der Frage zu der Einschätzung, dass die Anforderung schädlich sein kann, werden die potentiellen Auswirkungen des Stressors bewertet.7

Wird daraufhin eine Handlung als erforderlich angesehen, werden in der secondary appraisal (sekundären Bewertung) persönliche und soziale Ressourcen inklusive der eigenen Handlungsmöglichkeiten für die Bewältigung des Stressors mit einbezogen. Mit den individuellen Möglichkeiten wird dann versucht, die Situation zu bewältigen. Während der gesamten Einsatzphase kommt es zu einer immer fortwährenden Neubewertung der Situation, die sich durch notwendige Änderungen des Verhaltens und der Strategie bei der Bewältigung des Stressors zeigt. (Zimbardo, 1999, S. 376 ff.)

Lazarus & Launier (1981) differenzieren des Weiteren zwischen der psychischen Bedrohung und der Herausforderung. Ebenso entwickelten Lazarus & Folkmann (1987) die Möglichkeit, dass eine Situation auch als Nutzen, Vorteil oder Gewinn bewertet werden kann. Aufgrund der vorher beschriebenen kognitiven Bewertungsprozesse wird eine Situation oder ein Ereignis entweder als irrelevant, günstig bzw. positiv oder als stressend aufgefasst und eingestuft. Hierbei spielen die individuellen Möglichkeiten, vorhandene Strategien zur Stressbewältigung sowie Einstellungen und Überzeugungen der Person eine zentrale Rolle.

„Aus psychologischer Sicht setzt Stress die Feststellung voraus, dass die Transaktion ein Risiko (Bedrohung), Schädigung/Verlust oder eine Gelegenheit beinhaltet, die Probleme zu überwinden und sich weiter zu entwickeln (Herausforderung), indem mehr als die normalen Fähigkeiten aktiviert werden. Wenn eine Anforderung die Fähigkeiten übersteigt, fühlt sich das Individuum sozusagen überwältigt (Trauma) und besiegt. Der Schweregrad hängt dabei davon ab, was auf dem Spiel stand (Wertungsdisposition). Die Folge könnten Erschöpfung, Zusammenbruch, Regression oder Dekompensation sein (um einige der Begriffe der klinischen Psychologie zu gebrauchen).“

(Lazarus/Launier, 1981, S. 226)

Akuter und chronischer Stress

Die allgemeine Stressforschung unterscheidet nicht nur in positiven oder negativen Stress, sondern auch zwischen akutem und chronischem Stress. Die Dauer des erlebten Umweltreizes (Stressors) hat eine grundlegende Bedeutung für die individuelle Wahrnehmung und Bewertung.

Die kognitive Bewertung einer Stresssituation ist für die Deutung und späteren Bewältigung einer Einsatzsituation von zentraler Bedeutung. Kommt es zu einer falschen Deutung, kann das gerade bei Polizeibeamten im Einsatz zu fatalen Folgen führen.

Stress (Akut)

Der akute Stress ist grundsätzlich ein vorübergehender physischer und psychischer Erregungszustand. Die körperliche Anpassung an einen Reiz ist normal und eine der wichtigsten Bedingungen, um sich veränderten Situationen optimal anpassen zu können. Abbildung 6 verdeutlicht die auftretenden Stressphasen.

Akuter Stress:

Der Erregungszustand steigt stark an und kann nach der Bewältigung (Angriff oder Flucht) und eine Erholungsphase wieder seinen Ruhezustand erreichen.

Abbildung 5


Abbildung 6


Beispielsachverhalt

Phase 1 (Vorphase): Zwei Polizeibeamte werden zu einer Ruhestörung gerufen. Beide Beamte haben bis zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Erkenntnisse, außer dass es sich um eine polizeiliche Standardlage handelt, die routiniert abgearbeitet werden soll.

Phase 2 (Alarmphase): Im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses kommt ihnen eine männliche Person entgegen und greift die beiden Beamten plötzlich mit einem Messer an.8 Beide Polizeibeamten versuchen sich möglichst schnell aus der Gefahrenzone zu begeben und setzen das Einsatzmittel Pfefferspray ein. Durch die einsetzende Wirkung können die beiden Polizeibeamten den Mann nun überwältigen und entwaffnen.

Phase 3 (Widerstandsphase): Die Person wird aufgrund der weiteren Sachverhaltsaufnahme zur Wache verbracht. Die Situation ist beruhigt und die Beamten können eine Pause machen. Sie sprechen über den Einsatz (Nachbereitung) mit ihren Kollegen und gehen nach der Nachtschicht nach Hause.

Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass der akute Stress einen klaren Anfang und ein absehbares Ende enthält. Im Gegensatz dazu ist der chronische Stress zu sehen.

Chronischer Stress

Problematisch wird es bei einer weiteren Häufung von Stressoren. Häufen sich im Verlauf mehrerer Dienste weitere belastende Einsätze, in denen beispielsweise Gewalt eingesetzt bzw. selbst erfahren wird, kann es zu einer Dauerbelastung kommen. Die inneren und äußeren Ressourcen zur Stressbewältigung werden durch die Betroffenen grundsätzlich niedriger wahrgenommen, als der chronische Erregungszustand. Der Stresslevel kann nicht mehr abgebaut werden und führt im schlimmsten Fall zur Aufhebung der Erholungsphase (Abb. 7). Dieser andauernde Erregungszustand wird von den Betroffenen als äußerst belastend empfunden. Wiederholen sich Einsätze und Schichtabläufe dieser Art und treten zusätzlich außerberufliche Belastungen auf, kann chronischer Stress die Folge sein, der auch gesundheitliche Folgen für die Beamten hat. Der Körper ist aufgrund der eingeschränkten Leistungsfähigkeit nicht mehr in der Lage, auf akut belastende Einsatzlagen entsprechend zu reagieren. Erhöhte Fehlerqouten sind die Folge und führen im schlimmsten Fall zu schwerwiegenden Einsatzentscheidungen für sich selbst und andere.

Chronischer Stress: Durch anhaltenden Stress wird die Erholungsphase aufgehoben und die Stresskurve liegt dauerhaft über der Normalgrenze. Gesundheitliche negative Folgen wie Belastungsstörungen, erhöhte Fehlerqouten im Einsatz und das Burnout Syndrom etc. können entstehen.

Abbildung 7


Traumatischer Stress

Die Stressbelastung, die als tatsächliches, extrem stressreiches äußeres Ereignis definiert wird, kann zu einem Trauma werden, wenn es als „äußerste Bedrohung“ (Huber, 2003, S. 39) gewertet wird. Diese sogenannte Annihilationsdrohung (annihilate, engl.: vernichten, zerstören, ausrotten) führt zu körperlichen Reaktionen, die die erlebende Person kaum mehr bewusst beeinflussen kann. Im schlimmsten Fall kommt es bei den Polizeibeamten zu dem Eindruck, dass „nichts mehr geht und alles aus“ sei. Der Terminus „Traumatischer Stress“ kann in der Polizeiarbeit zum besseren Verständnis auch mit dem Begriff Hochstress definiert werden. Traumatische Erlebnisse können zu akuten Stressbelastungen, Posttraumatischen Störungen und in der Konsequenz auch zum Posttraumatischen Belastungssyndrom (PTBS, postraumatic stress disorder) führen.

Die Themenbereiche, psychische Verletzungen und traumatischer Stress, werden in einem anderen Beitrag des Fachbuches behandelt. Neben psychischen Verletzungen kann der Einfluss von Stress jedoch weitere Folgen für den Polizeibeamten haben. Unterscheiden kann man hier Folgen für die Gesundheit und Leistungsfolgen.

Folgen von Stress

Gesundheitliche Folgen

Indirekt schädliche Folgen

Durch Stress, insbesondere Dauerstress, können direkte gesundheitsschädliche Folgen auftreten. Mit indirekten Folgen kann das Verhalten beschrieben werden, um sich beispielsweise nach einem stressreichen Tag zu entspannen. Übermäßiges Essen, Alkoholkonsum, Tee/-Kaffeekonsum und der Griff zur Zigarette werden in der Literatur als Hauptgründe aufgeführt, die zu indirekten schädlichen Folgen führen können. Der Griff zur Zigarette ist beispielsweise rein subjektiv beruhigend, da Nikotin nachweislich eine anregende Wirkung hat. Koffein und Tein haben eine ähnliche Wirkung und führen zu Stresssymptomen (Schwitzen, innere Unruhe, Zitternde Hände). (Litzke, 2005, S. 45 ff.)

Direkt schädliche Folgen

In einer akuten Stressreaktion kommt es zu einer Erhöhung der Pulsfrequenz und der Blutdruck steigt an. Ist es möglich, dass der Stressphase eine Erholungsphase folgt, kann sich der Blutdruck wieder normalisieren. Bei chronisch auftretendem Stress kann der Körper nicht mehr entspannen. In der Folge erreicht der Blutdruck ein ständig erhöhtes Niveau. Dieser chronische Erregungszustand wird in der Folge zur Hypertonie (Bluthochdruck). Die Hypertonie verursacht in der Folge eine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), die zu einer verschlechterten Durchblutung der Organe führt. Chronischer Stress, Bluthochdruck und die damit einhergehende Gefäßverkalkung steigern das Risiko, in der Folge einen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu erleiden.

Chronischer Stress kann auch akute Ängste auslösen, die zu Panikattacken führen können. Die Betroffenen haben beispielsweise rein subjektiv das Gefühl, einen Herzinfarkt oder Herzstillstand zu erleiden, obwohl keine medizinische Indikation vorliegt (funktionelle Herzbeschwerden).

Durch die dauernde chronische Stressbelastung kann der Krankheitsverlauf einer Asthma-Erkrankung negativ beeinflusst werden. Die Häufigkeit und Schwere der Anfälle ist dabei von zentraler Bedeutung für die betroffenen Personen. Im Allgemeinen führt andauernder Stress zu einer Störung der Immunkompetenz, während dem akuten Stress eine immunstimulierende Wirkung zugeschrieben wird. Dies kann sich bei den Betroffenen in Krankheitsverläufen von Infektionen zeigen. Erkrankungen haben einen schwereren Verlauf und die Heilung dauert länger. In diesem Zusammenhang wird auch die Meinung vertreten, dass ein geschwächter Körper auch anfälliger für Krebserkrankungen ist. (Litzke, 2005, S. 48 ff.)

Stressbelastungen haben ebenfalls Einfluss auf die Schwere von Allergien und anderen Hautkrankheiten. In der Naturheilkunde wird die Haut als Spiegelbild der Seele bezeichnet. Weitere Folgen von Stress sind chronische Kopfschmerzen, zentralnervöse Störungen (Schlafstörungen, innere Unruhe u. a.) und das Auftreten des sogenannten Burnout Syndroms. Im weiteren Verlauf können affektive Störungen, wie Depressionen, ausgelöst werden.

Burnout Syndrom

Dem Burnout Syndrom kommt in der heutigen Polizeiarbeit eine immer größere Bedeutung zu. Dabei handelt es sich um ein Erschöpfungssyndrom durch chronisch erlebten Stress. Mit einer Rückschau auf die Eingangsbemerkungen zu möglichen Stressoren, die nicht nur im beruflichen sondern auch im privaten Bereich zu finden sind, sei hier anzumerken, dass meist ein Faktorenbündel von Stressoren die Person stark überfordert. Diese Vielzahl von einwirkenden Stressoren kann durch die Personen in einem langwierigen Prozess nicht mehr bewältigt werden. Es entsteht ein Gefühl der Leere und die persönliche Motivation geht verloren. Am Ende dieses Prozesses erkranken Menschen dann am Burnout Syndrom. (Latscha, 2005)

Leistungsfolgen durch Stressbelastungen

Leistungsfolgen sind Reaktionen des Körpers auf Stressbelastungen. Diese können für Polizeibeamte in Stressbelastungen (Beispielhaft: Schlägereien, Festnahmen, die Verfolgung eines Täters nach einer strafbaren Handlung, Personenkontrolle, Fahrzeugkontrolle, Haus- und Familienstreitigkeiten, Ruhestörungen, Häusliche Gewalt) massive negative Folgen haben. Leistungsfolgen sind für das polizeiliche Vorgehen von hoher Bedeutung. Mit individuellen Bewältigungsstrategien und der Nutzung des SOR-Modells (Stress-Organismus-Reaktion) ist es möglich, eigene Reaktionen besser einzuschätzen. Negative Leistungsfolgen werden dadurch grundsätzlich gemindert und im besten Fall verhindert. Leistungsfolgen können in fünf Reaktionsebenen eingeteilt werden, wie sie auch im SOR-Modell dargestellt sind. Im Einzelnen handelt es sich um die kognitive, die emotionale, die vegetative, die muskuläre und die Verhaltensebene.

Leistungsfolgen sind Reaktionen des Körpers auf Stressbelastungen. Sie können Polizeibeamte in Einsatzlagen einschränken und zur Handlungsunfähigkeit führen.

Unter der kognitiven Ebene werden alle Wahrnehmungs- und Denkprozesse zusammengefasst. Die Verhaltensebene (Behaviorale Ebene) beschreibt die konkrete Reaktion auf das Gegenüber. Unterschieden wird dabei zwischen der Kontrolle des Stressors durch aktive Reaktion, dem Tolerieren oder der Resignation. (Litzke, 2005, S. 29) Bei der weiteren Beschreibung der Leistungsfolgen werden nun die negativen Folgen für Einsatzkräfte beschrieben. Kurzfristige und langfristige Bewältigungsstrategien werden anschließend dargestellt.

Kognitive Ebene

Belastende Polizeieinsätze können zu Denkblockaden und Denkstörungen führen, durch die in der Folge die Konzentrationsfähigkeit und die Beobachtungsgabe herabsetzt wird. Als weitere negative Folge ist es möglich, dass Versagensängste ausgelöst werden. Eine mangelnde Beobachtungsgabe und Konzentrationsfähigkeit führt zu Fehlern in der Eigensicherung, die möglicherweise zu schweren Folgen für sich und andere am Einsatz beteiligte Personen führen. Bei schweren Verkehrsunfällen beispielsweise kann das Szenario so unwirklich erscheinen, dass Polizeibeamte aufgrund der Konzentrations- und Denkstörungen den üblichen Straßenverkehr nicht mehr beachten und auf die Straße laufen. Ein weiteres Beispiel ist die Sachverhaltsaufnahme bei einer Großveranstaltung. Die Anwesenheit der Polizei führt zu Gruppenbildungen beim polizeilichen Gegenüber. Das Vorgehen der Polizei wird kritisch betrachtet und kann zu Solidarisierungseffekten gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten führen. Die Konzentrations- und Denkstörungen können dazu führen, dass Angriffe aus der Personengruppe zu spät erkannt werden. Weiterhin ist es wahrscheinlich, dass langfristige Denkprozesse nachlassen und die Fehlerhäufigkeit steigt. Dies führt beispielsweise bei komplexen Ereignissen zu Fehlern in der Sachverhalts- bzw. Tatortaufnahme, die im Nachhinein schwierig bis gar nicht aufzuarbeiten sind. Ein eingeschränkter Merkprozess bei hohen Stressbelastungen ist ebenfalls zu beobachten. Das Kurz- und Langzeitgedächtnis lässt nach. Wichtige Lageinformationen können dabei eventuell verloren gehen. (Siehe die Ausführungen zu Stress im Einsatzgeschehen und mögliche Konsequenzen)

Emotionale Ebene

In dieser Ebene werden Leistungsfolgen beschrieben, die Gefühle und das eigene Empfinden beinhalten. Die Folgen von Stress können Gefühlsausbrüche sein, die mit einem erhöhten Aggressionspotential einher gehen. Dies könnte zu Überreaktionen durch Polizeibeamte führen, die sich im Einsatz befinden. Überreaktionen führen zu unrechtmäßigen Maßnahmen mit dem Ergebnis, dass der Polizeibeamte selbst Gegenstand polizeilicher Ermittlungen wird. Eine weitere Folge von Stress ist die Abnahme des Selbstwertgefühls und der Zufriedenheit. Außerdem kann ein Gefühl der Ohnmacht entstehen und der betroffene Einsatzbeamte fühlt sich den Situationen nicht mehr gewachsen.

Vegetativ-hormonelle Ebene

Direkte Folgen in der vegetativ-hormonellen Ebene sind nicht steuerbare Reaktionen des Körpers auf veränderte Umgebungen oder Ereignissen. Dazu zählt das Austrocknen der Mundschleimhaut, Herzklopfen, die stockende Stimme und das Erröten in Stresssituationen. Der trockene Mund oder das Herzklopfen ist für das polizeiliche Gegenüber nicht deutlich erkennbar. Unsicherheit und Stress zeigen sich jedoch mit der „belegten“ Stimme und einer geröteten Gesichtshaut. Dies kann beim Gegenüber das Gefühl der Überlegenheit auslösen und im schlechtesten Fall zu Widerstandshandlungen beziehungsweise Angriffen gegen die eingesetzten Polizeibeamten führen. Vegetativ-hormonelle Veränderungen sind nicht willentlich steuerbar, da der Körper sich immer wieder an neue Veränderungen der Umgehung anpasst. Zu weiteren vegetativen Reaktionen verweise ich auf die Ausführungen in der Abbildung 4, in der die Reaktionen im Körper schematisch dargestellt werden.

Muskuläre Ebene

Bei Stressbelastungen besteht die Möglichkeit, dass unterschiedliche muskuläre Folgen entstehen. Massive Stressoren führen häufig zu unkontrolliertem, deutlich sichtbaren Zittern. Der Körper reagiert mit Anspannung der gesamten Skelettmuskulatur und ist auf Aktion eingestellt. Durch einen länger andauernden Stressreiz ermüdet der Körper schneller. Dies ist insbesondere bei längerfristigen Einsätzen zu beachten. Die Koordination lässt ebenfalls nach und einfache Handgriffe können schwierig werden. Problematisch wird dies bei Einsatzlagen, in denen Einsatzmittel eingesetzt werden müssen. Bei Dunkelheit wird dieser Umstand noch verstärkt, da zusätzlich zu normalen Einsatzmitteln auch die Handhabung der Taschenlampe koordinativ bewältigt werden muss. Unter die muskuläre Ebene wird auch Stottern und eine starre Mimik gefasst.

Verhaltensebene

Bei den Reaktionen in Stresssituationen wird zwischen aktiven und defensiven Verhalten differenziert. Bei aktiven Verhalten in Stresssituationen besteht die Möglichkeit, dass die Gemütsverfassung in Aggressivität und Gereiztheit umschlägt. Das Verhalten zeigt sich nicht nur gegenüber den von der polizeilichen Maßnahme Betroffenen sondern auch im Kollegen- und Familienkreis. Jede Kleinigkeit führt zu Gereiztheit und negativen Reaktionen. Werden die Probleme größer, entsteht ein Teufelskreis. Das Familien- und Berufsleben leidet aufgrund des erlebten Stresses und entwickelt sich eventuell zu einem ernsten Problem im zwischenmenschlichen Bereich. Entgegengesetzt führt passives Verhalten in Bezug auf Stressreize langfristig zu Hilflosigkeit und Selbstzweifel bis zum Realitätsverlust. Das Gefühl von grenzenloser Traurigkeit kann sich einstellen bis zur Entwicklung einer psychischen Störung (Depression). Mit zunehmendem Stresseinfluss vermindert sich das Sprachvermögen. Persönlich Ziele werden aufgegeben und am Arbeitsplatz nehmen Abwesenheitszeiten zu. Weiterhin sind Schlafstörungen die Folge und anstehende Probleme werden nur noch oberflächlich gelöst. Freilich müssen Stressreaktionen nicht zu diesem einschneidenden Ergebnis führen. Im Einsatzgeschehen sind negative Stressreaktionen jedoch kontraproduktiv und sollten vermieden werden.

Stress im Einsatzgeschehen und mögliche Konsequenzen

Problematisch in Einsatzsituationen ist die Kumulation unterschiedlichster Eindrücke (Heubrock, 2001). Die Wahrnehmungen leiden unter den Einwirkungen des Stressors und können nicht mehr verarbeitet werden wie im Normalzustand. Gehen wir auf das Eingangsbeispiel des Kollegen zurück. Die Informationen zum Sachverhalt waren nach seinen Aussagen sehr dürftig. Nun erweitern wir den Informationsgehalt um einen Faktor. Nehmen wir an, es wäre im Vorfeld klar gewesen, dass der Bruder des späteren Täters sich in das Café geflüchtet und der Vater versucht hat, auf den draußen stehenden jüngeren Bruder beruhigend einzuwirken. Die Wahrnehmung einer eventuellen Gefahr wäre vermutlich anders gewesen. Im Ursprungssachverhalt hat der Informationsmangel zu einer (verständlichen) Fehleinschätzung des Polizeibeamten mit einem lebensbedrohlichen Ausmaß geführt.

Ungerer & Ungerer (2008, S. 39 ff.) haben die „Stressentstehung im Augenblick des Divergierens von Lageinformation und Informationskapazität …“ beschrieben. Eine polizeiliche Lage- oder Einsatzbewältigung beginnt mit den Informationen zum Sachverhalt, die der Streifenbesatzung über die Dienststelle mitgeteilt werden. Erst durch diese Informationen und deren Verarbeitung sind Polizeibeamte in der Lage, sich emotional auf den Einsatz bei der Anfahrt vorzubereiten und gegebenenfalls untereinander abzusprechen. Erhalten die Einsatzkräfte in der Einsatzvorphase (Anfahrt) zu viele Informationen, entsteht durch den Informationsüberschuss eine Bedrohung (Hyperstress). Informationen können durch den Stress nur noch begrenzt verarbeitet werden. Die Einsatzbewertung ist aufgrund der fehlenden Inhalte nur noch bedingt möglich. Dies führt im weiteren Einsatzverlauf eventuell zu situativ falschen Entscheidungen, durch die eine Überforderung entsteht.

Im Gegensatz zum Informationsüberschuss führen Informationsdefizite ebenfalls zur Auslösung von Stress. Das Informationsdefizit kann Unsicherheiten verursachen, die sich auch im Einsatzverlauf als Stressbelastung manifestieren. Merkenswert ist also, dass die Differenz zwischen Information und Informationsverarbeitung den Stress im Einsatz fördert (Hypostress).

Konsequenzen

Führt die Informationsflut und die Einsatzentwicklung zu einer Überlastung, sollte eine personelle Unterstützung angefordert werden, um diesem Stressreiz effektiv begegnen zu können. Dies ist auf den ländlicher gelegenen Dienststellen mit geringer Schichtstärke leider nicht immer sofort möglich, so dass an einsatztaktische Maßnahmen gedacht werden sollte. Eventuell ist ein „taktischer Rückzug“ als sinnvoll in die Lagebewertung einzubeziehen, um den Einsatz mit Verstärkung anschließend optimal lösen zu können. Idealerweise stellt sich eine optimale Konstellation zwischen den individuellen Fähigkeiten einer Person und den unterschiedlichen Einsatzbelastungen, die bearbeitet werden müssen, ein. Führt eine Einsatzsituation zu einem Kontakt mit einem unbekannten flüchtenden Täter, entsteht durch die Stressbelastung häufig ein „Jagdtrieb“. Durch die hormonellen Reaktionen ist der Körper auf Aktion eingestellt. Ein weiter Faktor ist der Erfolgsdruck, also die Festnahme eines Täters, der sich automatisch einstellt. Dieser „Erfolgsgedanke“ führt im Einsatzverlauf zu einer erhöhten Risikobereitschaft bei der Verfolgung von Personen oder Fahrzeugen.

Der sogenannte „Jagdtrieb“ sollte in Lagen mit extrem wenigen Informationen vermieden werden. Gerade die direkte Verfolgung von potentiellen Tätern ohne Zusatzinformationen birgt massive Gefahren für die eingesetzten Polizeibeamten. (Pokojewski, B., 2009, S. 21 ff.)9

Beispiel

Auf einem Volksfest kommt es zu Streitigkeiten zwischen Polizeibeamten und einer Gruppe junger Männer. Einer der Männer zieht ein Klappmesser und verletzt einen Polizeibeamten mit diesem durch Glück nur leicht am Hals. Bei der anschließenden Flucht wird der Täter durch einen anderen Polizeibeamten verfolgt. Hinter einer Haus wand tritt eine weitere Person (Mittäter) plötzlich hervor und schlägt dem verfolgenden Polizeibeamten eine volle Bierflasche unvermittelt in das Gesicht. Der Polizeibeamte erlitt tiefe Schnittwunden im Gesicht.

Doch was kann Polizeibeamten bei Stress wirklich helfen und welche kurzfristigen Maßnahmen im Einsatz sind möglich, wenn die optimale Lösung aufgrund personeller Schwierigkeiten oder akuter Lageentwicklung nicht möglich ist?

Verhaltensempfehlungen bei akutem Stress im Einsatz

In Einsatzfällen mit akuten Stressbelastungen ist das Wissen um die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten ein großer persönlicher Vorteil. Die Möglichkeiten der Stressbewältigung mit dem SOR-Modell (Stressoren-Organismus-Reaktionen) werden in Abbildung 8 übersichtlich dargestellt.

Tritt ein Stressor auf, wird dieser aufgrund der vorhandenen Einstellungen, Erfahrungen, Veranlagungen, der persönlichen Verfassung und der individuellen Fähigkeiten eingeschätzt. Je nach Bewertungsergebnis kommt es dann zu unterschiedlichen Reaktionen.

Grundsätzliche Fragen, die sich in Stresssituationen und deren Analyse bewährt haben:

• Welche Ereignisse zählen zu den persönlichen Stressoren?

• Was sind typische Reaktionen in der Belastungssituation?

• Welche Bewältigungsstrategien sind persönlich verfügbar? (ebda., S.10 ff.)

Abbildung 7


Durch diese Fragestellungen ist es möglich, eine akute Einsatzlage und den auftretenden Stress individuell bestimmen zu können. Werden die eigenen Fähigkeiten als ausreichend angesehen, kann der Stressor beseitigt werden. Polizeiliche Einsatzlagen lassen diese Möglichkeit aufgrund der zu treffenden Maßnahmen jedoch nicht immer zu, so dass andere Ansätze gewählt werden müssen. Ein weiterer Ansatz, möglichen Stressoren zu begegnen, besteht in der Veränderung der Stresseinschätzung. Mit einer veränderten Stresseinschätzung ändert sich auch die Wahrnehmung. Die Ereignisse werden durch die veränderte Einschätzung besser verarbeitet und die Handlungskompetenz bleibt erhalten. Die eigenen Stressreaktionen sind durch eine gefestigte Handlungskompetenz kontrollier- und lösbar.

Kurzfristige Stressentlastung bzw. Spontanentspannung

Polizeibeamten ist es in akuten und belastenden Einsatzlagen grundsätzlich nicht möglich, eine Pause einzulegen. Eine Flucht vor dem Stress auslösenden Reiz ist für Polizeibeamte dadurch nicht ohne weiteres möglich. Kurzfristige Erleichterungen führen dazu, dass auftretende Stressreaktionen gemildert und Stressspitzen reduziert werden. (ebda., S. 51) Die Handlungsfähigkeit bleibt erhalten und es entstehen kurze Erholungszeiten, mit denen das Hochschaukeln von Stressempfindungen vermieden wird. (Litzke, 2005, S. 51)

Abreaktion und Progressive Muskelentspannung

Durch Abreaktion können kurzfristig Stresshormone abgebaut werden. Abreaktion ist häufig verbunden mit Wutausbrüchen, die im Einsatzgeschehen kontraproduktive Ergebnisse erzielen. Eine körperliche Betätigung führt in positiver Hinsicht zu einer kurzfristigen Reduzierung der Stresshormone. In der Einsatzsituation ist es also sinnvoll, die Hände in kurzen Abständen anzuspannen, zu lösen und in der Folge wieder anzuspannen. Hilfreich ist auch eine kurzfristige innere Anspannung des ganzen Körpers, da die Möglichkeit entsteht, dass der innere Druck so kanalisiert wird. Diese Technik wird auch der Abreaktion zugeordnet. Die Technik Anspannung/Entspannung usw. hat ihren Ursprung in der progressiven Muskelentspannung und ist eine alternative Entspannungstechnik, die auch außerhalb des Dienstes zu Hause durchgeführt werden kann. Sie muss jedoch erlernt werden, um in konkreten Situationen spontan bewusst entspannen zu können. Die progressive Muskelentspannung hat einen kurzfristigen Effekt, da durch die Anspannungsphasen Stressspitzen abgebaut werden können.

Atemtechnik

Des Weiteren sollen Einsatzkräfte sich auf ihre Atmung konzentrieren: Vor oder im Einsatz wird die Atmung durch den erlebten Stress schnell und flach. Der Organismus arbeitet unökonomisch, da weniger Sauerstoff durch die Lungen in die Blutbahn abgegeben werden kann. Eine falsche Atmung kann im Stress zu Atemnot (Hyperventilation) führen. Die Stimme wird durch die fehlende Kraft automatisch leiser. Somit leidet eventuell ein sehr wichtiger Punkt im Einsatz, die Kommunikation. Als Atemtechniken sollten entweder die Zwerchfell- oder Vollatmung präferiert werden. Da die Brustatmung in der Literatur als Atemtechnik erklärt wird, möchte ich sie der Vollständigkeit halber mit erläutern.

Brustatmung (Schulter-, Flanken- und Rückenatmung)

Bei der Brustatmung weiten sich die mittleren Lungenflügel und Luft strömt ein. Die Brustatmung führt zu einer verkrampften Atmung, durch die ein ineffizienter Luftaustausch entsteht.

Zwerchfellatmung (Bauchatmung)

Eine effizientere Möglichkeit, um kurzfristig die Stresssituation zu entlasten, ist die sogenannte Bauch-Zwerchfellatmung.

Die Zwerchfellatmung, auch Bauchatmung genannt, konzentriert die Atmung bewusst auf den Bauch. Das hochgewölbte Zwerchfell flacht durch die Atmung ab und das untere Drittel der Lungenflügel dehnt sich aus und wird mit Luft gefüllt.

Vollatmung (Bauch-Zwerchfellatmung und Brustatmung)

Durch die Vollatmung findet ein ganzheitlicher Austausch der Luft im Körper statt. Die Vollatmung vereint die Bauch-Zwerchfellatmung mit der Brustatmung. Die Kombination beider Atemtechniken führt zur Dehnung des gesamten Rippenbogens. Durch diese Dehnung wird ein maximaler Luftaustausch erreicht.

• Die Atmung konzentriert sich auf den Bereich des Bauches. Die unteren Rippenbögen wölben sich und das Zwerchfell flacht ab. Luft kann in die unteren Lungenflügel strömen.

• Setzt im weiteren Verlauf des Atemprozesses die Brustatmung ein, weiten sich die mittleren Lungenflügel und die Brust dehnt sich weiter aus. Wird im letzten Drittel der Atmung noch das Schlüsselbein angehoben, strömt noch zusätzlich Luft in die Lungen ein. Somit füllen sich zum Abschluss die Lungenspitzen mit Luft. Ein ganzheitlicher Luftaustausch und eine verbesserte Sauerstoffversorgung sind die Folge.

Gedanken-Stopp

Sollten sich im Verlauf einer belastenden Einsatzlage (Todesermittlung, schwerer Verkehrsunfall etc.) negative und quälende Gedanken einstellen, kann es hilfreich sein, die Gedanken-Stopp Technik einzusetzen. Schränkt negatives Gedankengut die Tätigkeit ein, soll innerlich das Wort „Stopp“ gesagt werden. Ziel ist es, die negativen Gedanken möglichst schnell abzubrechen, damit diese sich nicht festigen können. Kommt es wieder zu belastenden Gedanken, kann mit der „Unsinn-Formel“ (Litzke, 2005, S. 54) Abhilfe geschaffen werden. Dabei sollten Einsatzbeamte ein mehrsilbriges Wort erfinden und direkt im Anschluss an den Gedanken-Stopp mehrmals hintereinander wiederholen. Da das selbst erfundene Wort keine Assoziationen hervorruft, kann somit die Entwicklung neuer negativer Gedanken verhindert werden.

1 398,24 ₽
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429 стр. 49 иллюстраций
ISBN:
9783866766549
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