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2. Kapitel
Der erste Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Berlin und der „Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke“

Erster Schritt war die Gründung einer „Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke“ als Tochtergesellschaft von Rathenaus Deutscher Edison, wiederum mit seinen Bankiers im Rücken. Sie sollte nach ihrer Satzung „der gewerbsmäßigen Ausnutzung des elektrischen Stroms im jetzigen und künftigen Weichbild der Stadt“ dienen. Damit war sie von der Konzeption her das erste öffentliche deutsche Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU).

Die Verhandlungen mit der Stadt erwiesen sich als äußerst schwierig, obwohl der Magistrat unter seinem linksliberalen Oberbürgermeister Rathenaus Plänen ausgesprochen positiv gegenüberstand. Aber viele Abgeordnete im Stadtparlament und ihre Fraktionen diskutierten Monate über die Frage, ob man die Stromversorgung überhaupt einem privaten Unternehmen überlassen oder besser in die eigenen Hände nehmen sollte, so wie bei Gas und Wasser. Der Magistrat setzte sich durch mit dem Argument, dass Privatunternehmen für den Ausbau der Stromwirtschaft besser geeignet seien, weil sie über das erforderliche Wissen verfügten, aber auch das technische und wirtschaftliche Risiko tragen mussten.

Damit verlief die Entwicklung in Berlin anders als in Hamburg, wo der Senat mehrere Anträge auf Wegerechte ablehnte, weil die Hansestadt monatlich fast 200.000 Mark Gaseinnahmen hatte. Der Aufbau der Stromversorgung hätte also in direkter Konkurrenz zur kommunalen Gasversorgung gestanden. Daran war der Senat nicht interessiert. Rathenau machte die Berliner Stadtväter demgegenüber darauf aufmerksam, dass sie ihre Gaseinnahmen erheblich steigern könnten, wenn sie das Stadtgas nicht zur Beleuchtung, sondern für die Gasheizung propagieren würde: „Sind Gasöfen, die in wenigen Augenblicken funktionieren und das Einbringen unsauberer Brennmaterialien in unsere Wohnungen beseitigen, nicht unvergleichlich angenehmer als Kohlenfeuerungen?“ Und er versicherte: „Gas gewinnt mit der Heizung ein konkurrenzloses Feld“: Eine äußerst weitsichtige Argumentation.

Am 24.1.1884 billigte die Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit den Abschluss eines Konzessionsvertrages mit der Actiengesellschaft Städtische Elektricitätswerke. Übertragen wurde die Stromversorgung des Stadtbezirks rings um den Werderschen Markt (heute Sitz des Auswärtigen Amtes); nur wenige hundert Meter von der Prachtstraße Unter den Linden entfernt. Im Vertrag zwischen Stadt und EVU wurden jene Grundregeln festgelegt, die Konzessionsverträge bis zum Jahre 1998 aufwiesen, dem Jahr der Liberalisierung der Energiemärkte. Die Gesellschaft erhielt das exklusive Wegerecht für die Verlegung und den Betrieb von Leitungen; niemand außer der Gesellschaft konnte Stromleitungen verlegen. Das war ein Transportmonopol. Außerdem erhielt sie auch das Monopol für den Stromverkauf, weil sonst der hohe Investitionsaufwand für die Leitungen nicht zu finanzieren war. Als Gegenleistung zahlte Rathenau 6 % vom Umsatz als Konzessionsabgabe an die Stadt. Außerdem verpflichtete er sich, jeden Bürger im Konzessionsgebiet an das Netz anzuschließen – die „Anschluss- und Versorgungspflicht“. Der Stadt war auch schon klar, dass im Monopol die Preise kontrolliert werden mussten. Der Magistrat behielt sich also eine Preis- und Missbrauchsaufsicht für die Tarife vor.

Das gelungene Berliner Experiment war ein Signal für andere deutsche und europäische Städte. Das Berliner Beispiel wurde vielfach kopiert. Daraus ergaben sich für Rathenaus Firmen kräftige Wachstumsimpulse. Während die Deutsche Edison im Jahr 1886 nur rund 90.000 Glühlampen verkauft hatte – was damals ein gewaltiger Erfolg war –, wurden drei Jahre später schon mehr als 1 Million Glühlampen verkauft.

Strom wurde allerdings praktisch nur für Glühlampen gebraucht. Rathenau propagierte deswegen die Umrüstung der Industrie von Dampfkraft auf Elektrizität. In Berlin liefen um 1888 tagsüber nur etwa zwölf Elektromotoren. Rathenau stieg daher in Straßenbahnen ein: Er baute städtische Pferdebahnen in Rekordzeit zu einer elektrischen Straßenbahn um. Beispiel Halle: Das städtische Kraftwerk gewann tagsüber einen Großkunden, die „Elektrische“, die hohe Gewinne abwarf. Außerdem bezog sie das gesamte elektrische Material von Rathenau. Es kam zu einem „Straßenbahnfieber“: Breslau, Chemnitz, Dortmund, Essen, Fürth, Gladbach, Königsberg, Kiew und Oslo.

Rathenau gelang es auch, die gesamte Stromversorgung von Genua in einer einzigen Gesellschaft zusammenzufassen, der als Großverbraucher auch die Straßen- und Zahnradbahn in der Hafenstadt gehörten. Danach fielen auch Mailand, Venedig und Neapel an die AEG. In der Schweiz beteiligte sich Rathenau an einem Konsortium, das das Recht besaß, den Rheinfall von Schaffhausen für die Stromgewinnung zu nutzen. Er baute die Anlagen. Finanziert wurden die Aktionen aus der Schweiz, von einer Spezialbank in Zürich, bei deren Gründung Rathenau sich mit der Schweizerischen Kreditanstalt zusammengetan hatte: „Bank für elektrische Unternehmungen“, Elektrobank. Rathenau entdeckte schließlich Südamerika. Er gewann die Konzessionen für Kraftwerksbau und Stromversorgung von Buenos Aires (Argentinien), Santiago de Chile und Montevideo (Uruguay).

Der Konzessionsvertrag garantierte mit seinen langen Laufzeiten dem Stromversorger Investitionssicherheit und ein Versorgungsmonopol, der Kommune die Erfüllung der Gemeinwohlaufgabe Elektrizitätsversorgung. Erst 1990 wurde mit einer Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die Laufzeit auf zwanzig Jahre beschränkt. Und erst 1998 erzwang die EU mit dem „third party access“ den Wettbewerb in der Stromversorgung: Wettbewerber können den Zugang zum Netz verlangen. Der Konzessionsvertrag vermittelt nur noch ein Wegenutzungsrecht – und das nicht einmal autonom. Denn (etwa) Industrieunternehmen können von der Kommune ein Wegerecht für den Bau einer Direktleitung verlangen.

3. Kapitel
Die Großbanken wittern das große Geschäft

Rathenaus kleine Berliner Zentralstationen produzierten allerdings außerordentlich teuer; die Kilowattstunde kostete 1 Goldmark. Die Bankiers, die Rathenaus Firmengründungen finanziert hatten, saßen auf unverkäuflichen Aktien. Zwar konnte das erste öffentliche Kraftwerk 6.000 Lampen mit Strom versorgen, tatsächlich am Netz waren aber nur 3.000, und zwar fast ausschließlich in Theatern, Hotels und Banken. Nicht einmal der alte Kaiser hatte elektrisches Licht. Deswegen verlangten die Bankiers drastische Sparmaßnahmen. Die Finanzierung zweier weiterer Kraftwerke in der Innenstadt, die der Magistrat forderte, lehnten sie ab.

Rathenau hielt das für einen schweren Fehler. Er wollte im Gegenteil kräftig expandieren und dazu große Dynamos einsetzen. Die Bankiers hielten ihm entgegen: „Wenn Sie mit kleinen Maschinen schon keinen Profit machen können, wieviel weniger mit großen!“ Der Magistrat drohte andererseits, die Konzession zu kündigen, wenn die geforderten Kraftwerke nicht gebaut würden. Da kam Rathenau Georg Siemens zu Hilfe, ein Vetter von Werner Siemens, der sich in der Elektrizitätsbranche bestens auskannte. Er war der Gründer und Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Dabei stand er in regem Austausch mit dem US-Banker John Pierpont Morgan, dem Finanzier von Edison. Siemens beurteilte die Lage daher anders als die Bankiers, die hinter Rathenau standen. Die Finanzwirtschaft konnte sich mit ihren Krediten direkt an das Wachstum der Elektroindustrie und der Stromwirtschaft ankoppeln, die sich nach dem Berliner Vorbild bald über das ganze Reich ausdehnen würden. Georg Siemens war daher bereit, Rathenaus Gesellschaften die geforderten Kredite zu geben. Mit diesem „Sprung in die Elektrizitätswirtschaft“ stiftete der Sprecher der Deutschen Bank die „Ehe zwischen Großbanken und Stromern“, die heute noch funktioniert.

Während J.P. Morgan und David Rockefeller in den USA straff organisierte Dachgesellschaften (Trusts) propagierten, zeigte sich Werner Siemens eher ablehnend. Georg Siemens hingegen bewunderte seine amerikanischen Vorbilder: „Die Leute sind rücksichtslose Räuber, aber sie haben Sinn für große Konstruktionen!“ Die Deutsche Bank beschloss daher auf Vorschlag von Georg Siemens, „sich mit ihrem Namen, ihrer Arbeit und mit ihrer Kapitalkraft an der Sicherung und Erweiterung der Deutschen Edison-Gesellschaft und ihrer vorbereiteten Unternehmungen zu beteiligen“. Nach amerikanischem Vorbild setzte Georg Siemens die Deutsche Edison und die Firma Siemens & Halske unter Druck, einen neuen Kartellvertrag zu schließen. Danach durfte Rathenau jetzt auch große Dynamos bis zu 100 PS fabrizieren; bei größeren Kraftwerken aber „sollte die Bauausführung gemeinschaftlich erfolgen“. Siemens hatte damit ein Standbein im Kraftwerkbau und beteiligte sich mit 1 Million am Aktienkapital der Rathenau-Firma. Sein Sohn Arnold wurde Aufsichtsratsmitglied.

Mit dem frischen Geld wurden Edison zunächst die Patentrechte abgekauft. Außerdem gab es Rathenau Gelegenheit, seine Selbständigkeit auch im Firmennamen zu zeigen: Er taufte die Deutsche Edison in Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) um. In den nächsten zwölf Jahren brachte Rathenau die AEG von wenigen Hundert auf fast 20.000 Mitarbeiter. Auch die Berliner Elektricitätswerke AG wurde zur Goldgrube: Rathenau erhielt von Georg Siemens statt der von ihm geforderten drei von den anlagefreudigen Banken in den nächsten vier Jahren 30 Mio., die er in den Bau von Großmaschinen investierte. Die Aufträge kommentierte Werner Siemens wie folgt: „Bauen kann ich Ihnen solche Maschinen schon, aber gehen werden sie nicht.“ Das war eine Fehleinschätzung. Vielmehr wurden die Maschinen zum Verkaufsschlager des Jahrzehnts, zum „Goldesel der Firma Siemens & Halske“. Der Erfolg der AEG zeigte sich auch daran, dass Rathenau seinen Aktionären bis 1914 eine Dividende von 15 % p.a. zahlte.

So erfolgreich war die Zusammenarbeit zwischen Edison und der New Yorker Hochfinanz für ihn im Ergebnis nicht. Die Schlüsselfiguren der New Yorker Banker hatten schon früh das gewaltige Potential der Edison’schen Erfindungen erkannt und sich als Ziel die Schaffung eines monopolisierbaren Weltmarktes für neue Produkte und elektrischen Strom gesetzt. Dafür war Edison, der mit seinen mehr als tausend Patenten erfolgreichster Erfinder aller Zeiten, die richtige Persönlichkeit. Er war ein typischer Amerikaner, der nur drei Monate lang eine Schule besuchte und lesen, schreiben und rechnen zu Hause von der Mutter gelernt hatte. Schon mit 20 meldete er sein erstes Patent an und machte sich als „hauptberuflicher Erfinder“ selbständig. Allerdings machte Edison nur Erfindungen, mit denen sich auch Geld verdienen ließ. Bevor er die Arbeit aufnahm, untersuchte er in einer Art Marketingstudie das gesamte wirtschaftliche und technische Umfeld einer neuen Erfindung und passte sie den erforderlichen Bedingungen an. Typisches Beispiel war die Bogenlampe, von der Edison sofort erkannte, dass sie für die Beleuchtung von Wohnungen ungeeignet war. Nach der Besichtigung propagierte er in einem Interview, dass er demnächst in New York ein großes Elektrizitätswerk bauen werde, das hunderttausende von kleinen Lampen in Wohnungen und Geschäften mit Strom versorgen würde. Schon in diesem Interview machte er aber auch klar, dass der Strom natürlich bezahlt und der Verbrauch natürlich mit einem Stromzähler gemessen werden müsse. Das Interview erregte größtes Aufsehen in aller Welt – und über Nacht stürzten an den Börsen die Aktien der Gasanstalten in den Keller. Nur wenig später kam eine Gruppe hochkarätiger Kapitalisten im Direktorium der Edison Electric Light Company zusammen, in dem neben den engsten Mitarbeitern von Morgan auch der Präsident der größten Telegraphengesellschaft der Welt und William H. Vanderbilt saßen, der reichste Mann Amerikas. Aber die Glühlampe interessierte Edison zunächst nur am Rande. Er beschäftigte sich vielmehr mit der Struktur der Gasversorgung und übernahm von ihr die Grundidee, dass das elektrische Kabelnetz wie die Rohrleitungen der Gasgesellschaften die Form eines Baumes haben müsse, bei dem die vom Stamm abzuzweigenden Äste nach außen hin immer dünner werden. Außerdem erkannte Edison, dass Glühlampen anders, als dies konkurrierende Ingenieure propagierten, eine Lampe mit hohem elektrischem Widerstand brauche, weil nur dann die Leitungskosten konkurrenzfähig waren. Ein Jahr nach der Gründung der Edison Light Company ließ der Erfinder die Kohlefadenglühlampe patentieren. Den dafür erforderlichen neu entdeckten Dynamo hatte er schon einige Monate vorher zur Patentierung angemeldet. Daraufhin begann er sofort mit den Vorarbeiten für den Bau des ersten Kraftwerks in New York. Jetzt mussten auch Fabriken für Lampen, Kabel, Dynamos, Installationsmaterial und Motoren gebaut werden. Dafür verlangte er Millionen von seinen Wall-Street-Freunden. Die wollten ihm allerdings keinen Cent bewilligen. Denn sie wollten nicht produzieren, sondern ohne Risiko die weltweit anfallenden Lizenzgebühren kassieren.

Unter diesen Umständen trat Edison die Flucht nach vorne an: „Da die Geldgeber zu ängstlich sind, stelle ich das notwendige Kapital aus eigener Tasche zur Verfügung. Die Lösung heißt: Fabriken oder Tod!“ Edison steckte in der Tat sein gesamtes Geld in den Bau von Fabriken und überschuldete sich zusätzlich mit Zwischenkrediten, für die ihm sein Partner Morgan 20 % Zinsen abnahm. Damit wurde Edison notgedrungen auch zum Gründer der amerikanischen Elektroindustrie, obwohl er von Finanzierungsgeschäften so wenig Ahnung hatte wie von der Buchführung. Nur bei der Gründung des New Yorker Elektrizitätsversorgungsunternehmens, der Edison Electric Illuminating Company of New York, ließen ihn die Freunde von Wall-Street nicht im Stich. Dieser Kapitalanlage standen dann auch in der Tat keine Risiken gegenüber.

Zwar wurde Edison binnen kurzer Zeit zu einem der größeren Industriellen des Landes. Aber gleich nach der Patentierung der Glühlampe hatten die Kapitalisten den Erfinder mit einem Trick zum Minderheitsaktionär degradiert: Edison konnte bei einer von den Morgan-Leuten vorgeschlagenen Verdreifachung des Stammkapitals nicht mithalten und besaß plötzlich nur noch ein Viertel der Aktien. Die von ihm als Fabrikant gezahlten Lizenzgebühren für seine eigenen Erfindungen wanderten überwiegend in die Taschen von Morgan und Co.

Zur gleichen Zeit stiegen in den USA zwei andere Unternehmer auf: Einer war Charles A. Coffin, Chef der Firma Thomson-Houston, der zunächst ein erfolgreicher Schuhfabrikant gewesen war, bevor er zu Thomson-Houston kam. Er verwandelte die auf Bogenlichtanlagen spezialisierte, schläfrige Firma in ein expandierendes elektrotechnisches Universalunternehmen, das schließlich Konkurrenzunternehmen reihenweise schluckte. Zweiter großer Konkurrent war George Westinghouse, der als Erfinderfabrikant mit seiner Eisenbahn-Luftdruckbremse Millionen gemacht hatte. Er hatte bei seinen Marktstudien und bei Diskussionen mit Elektrotechnikern die große Schwachstelle des Edison-Systems entdeckt. Gleichstrom ließ sich wirtschaftlich nur etwa zwei Kilometer weit leiten. Bei größeren Entfernungen wurden die Kupferkabel zu dick. Wechselstrom konnte man dagegen mit den gerade erfundenen Transformatoren auf Hochspannung bringen. Hochgespannter Strom ließ sich in Kabeln von normaler Strecke ohne größere Verluste über weite Strecken leiten und für den Verbraucher sodann „herunter transformieren“. Westinghouse erkannte die Vorteile des Wechselstroms früher als alle anderen Fabrikanten. Er kaufte für riesige Summen alle erreichbaren Wechselstrompatente und baute die ersten Wechselstromkraftwerke.

Edison hätte zu dieser Zeit ebenfalls umsteigen müssen. Aber der geniale Techniker wollte die Vorzüge des Wechselstroms nicht sehen. „1879 war Edison einer kühner und mutiger Neurer“, schreibt ein Biograph, „zehn Jahre später hatte er sich in einen vorsichtigen und konservativen Verteidiger des status quo verwandelt.“ Edison schlug zurück: Bürgerinitiativen propagierten damals anstelle der qualvollen Hinrichtung durch den Strang den angeblich blitzschnell wirkenden elektrischen Stuhl. Um die Wähler zu überzeugen, tötete ein auf Edisons Gehaltsliste stehender Professor H. G. Brown bei Massenveranstaltungen vor den Augen des Publikums große Hunde durch Stromstöße, allerdings darauf hinweisend, dass sich nur der neumodische Wechselstrom zum Töten eigne, nicht dagegen der harmlose Gleichstrom von Edison. Der Bundesstaat New York führte 1888 den elektrischen Stuhl als Hinrichtungsmaschine ein. Professor Brown machte darauf aufmerksam, dass die Hinrichtungen mit Wechselstromgeneratoren der Firma Westinghouse vollzogen würden. Im Parlament wurde sogar vorgeschlagen, in Zukunft nicht mehr von „Hinrichten“ sondern von „Westinghousen“ zu sprechen. Das war aber nur ein publizistischer Erfolg.

Aber trotz des „Wechselstromkriegs“ hatten alle Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg, auch Edisons Gesellschaft. Edison kam mit der Produktion nicht mehr nach und musste Schulden machen, um neue Fabriken zu bauen. Trotz größten Erfolgs als Fabrikant lebte er wegen seines zu geringen Grundkapitals ständig in der Furcht vor dem Bankrott. Unter dem Druck der Banken brachte er seine Werke in die gemeinsam mit der Muttergesellschaft gegründete Edison General Electric ein, eine Trust, unter dessen Dach Patente, Lizenzen, Beteiligungen und Fabriken vereinigt waren. An dieser Gesellschaft hielt Edison zunächst ein Viertel des Aktienkapitals. Doch dann wurde wieder einmal das Stammkapital erhöht, so dass Edison plötzlich nur noch 10 % des von ihm groß gemachten Unternehmens gehörten. Morgan dagegen hatte in wenigen Jahren einen Gewinn von 350 % gemacht.

Aber das war Morgan nicht genug. Er setzte sich zum Ziel, auch die beiden Konkurrenzgesellschaften Thomson-Houston und Westinghouse zum Eintritt in den Trust zu bringen. Dafür ließ sich nutzen, dass Edison nach langen Patentprozessen zum alleinigen Erfinder der Glühlampe erklärt wurde. In der Branche brach Panik aus. Morgan nutzte sie zu Geheimverhandlungen mit Thomson-Houston. Doch deren Chef Coffin, hinter dem schließlich die Bostoner Banker standen, wollte nicht klein beigeben. Er führte ins Feld, dass seine Firma 50 % mehr Gewinn erwirtschaftete als die Edison-Gesellschaft. Das reichte für Morgan: Er bot Coffin den Vorstandsvorsitz an der fusionierten Gesellschaft an, was dieser akzeptierte. Nur Edison legte sich quer: Er lehnte jede Zusammenarbeit mit Patentpiraten und Wechselstromern ab, aber ohne zu merken, dass eine neue Zeit angebrochen war. Da die Bankiers keinen Erfinder mehr brauchten, erhielt die fusionierte neue Gesellschaft den Namen General Electric. Edison wurde auch als Namensgeber nicht mehr gebraucht. Am nächsten Morgen erschien der New York Herald mit der riesigen Schlagzeile: „Edison ausgebootet!“ Darunter: „Er war Wall-Street nicht gewachsen.

Nun war Westinghouse an der Reihe. Um ihn in die Knie zu zwingen, entfesselte Coffin einen Preiskrieg, bei dem beide Konzerne sich gegenseitig unterboten und enorme Verluste machten. Auf dem Höhepunkt einer Rezession kam es plötzlich zu einem konzertierten Börsenmanöver, das die Kurse der Westinghouse-Aktien so stark fallen ließ, dass die kopflosen Anleger zu jedem Preis verkauften – und zwar an eine Großbank. Diese und die Wall-Street-Banker sprachen sich ab. General Electric und Westinghouse beendeten den Preiskrieg und schlossen ein Abkommen über den Austausch ihrer Patente und sicherten sich so für Jahrzehnte die technische Vorherrschaft. An die Stelle des kämpferischen Wettbewerbs mit ruinösem Preisverfall traten heimliche Marktabsprachen mit Quoten und sicheren Profiten: Die „große Elektroverschwörung“ von 1897 (Time).

Dieses Oligopol war allerdings keine US-amerikanische Spezialität.

Auch in Deutschland gehörten Stromversorgungsmonopole, garantiert durch Konzessionsverträge, und Kartellabsprachen, wie die zwischen Rathenau und Siemens, zu den Konstruktionsprinzipien der Stromwirtschaft. Deutschland wurde zum „Land der Kartelle“ – und die Stromwirtschaft war die Vorreiterin.

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