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11. Die Problempunkte des Gesetzes
a) Erfolgsmeldungen der Lobby

Dennoch verblieben im Gesetz, nachdem es am 7.7.2005 ausgefertigt worden war135, zahlreiche problematische Punkte, die dem auffallen, der die Erfolgsmeldungen des Branchenverbandes VDEW und des Verbandes kommunaler Unternehmen zum Gesetz studiert. Das gilt beispielsweise für das versorgerfreundliche Prinzip der Nettosubstanzerhaltung bei der Netzentgeltkalkulation, das infolge des erfolglosen TEAG-Verfahrens des Bundeskartellamts noch für Investitionen bis zum 31.12.2005 galt und erst danach durch das Prinzip der Realkapitalerhaltung abgelöst wurde; ferner hob der Verband der Verbundunternehmen und regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE)136 als Erfolg hervor, dass es gelungen sei, „die periodenübergreifende Saldierung rückgängig zu machen“, also den Ausgleich zwischen tatsächlich aufgewandten Anschaffungs- und Herstellungskosten und Tagesneuwerten bei der kalkulatorischen Abschreibung137, für die der Bundesrat bemängelt hatte, dass sie zu verdeckten Gewinnen führe. Entfallen sind auch die Klage- und Vorteilsabschöpfungsrechte von Verbänden.

b) Keine Kontrolle der Energiepreise

Von viel weiterreichender Bedeutung war aber, dass dem Gesetzgeber die Auspreisung der Energie aus dem Blick geriet. Wettbewerb bei den Gaspreisen gab es ohnehin nicht.138 Das System der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB griff kaum, wie sich bei den Preiserhöhungsrunden der großen Gashandelsunternehmen und ihnen folgend der Verteilerwerke nach den Preiserhöhungsrunden für leichtes Heizöl immer wieder zeigte. Die Kampagnen des Bundeskartellamts und der Landeskartellbehörden hatten letztlich wenig Erfolg, was darauf zurückzuführen war, dass den Kartellbehörden die Instrumente und eine angemessene Ausstattung fehlen.

Auch beim Strom fordert die Monopolkommission139 eine „intensivierte wettbewerbliche Aufsicht über die Stromgroßhandelsmärkte..., um Marktmachtproblemen auf dem Stromgroßhandelsmarkt Rechnung zu tragen“. Wahrscheinlich gab es ein Preiskartell der vier Energiekonzerne, bei denen 80 % der Kraftwerkskapazitäten liegen. Auch auf dem Haushaltskundenmarkt hatte der Bundesrat140 angesichts des zusammengebrochenen Wettbewerbs die Beibehaltung der Strompreisaufsicht gefordert.

Auf Basis dieser Überlegungen wollte das Gesetz mit § 29 GWB eine besondere „Missbrauchsaufsicht über die Grund- und Ersatzversorgung mit Elektrizität“ einführen (Art. 3 Nr. 31 des Gesetzes). Diese Vorschrift war zunächst dem Vermittlungsverfahren unter der Überschrift „Abbau von Bürokratie“ zum Opfer gefallen: „Eine besondere Missbrauchsaufsicht über Stromtarife stellt im Ergebnis einen regulierenden Eingriff in den Wettbewerbsbereich dar, der nicht zu rechtfertigen ist. Vielmehr ist zu befürchten, dass diese Vorschrift die Entstehung von Wettbewerb um Haushalts- und sonstige Kleinkunden behindert und damit den Zielen des Gesetzes zuwiderläuft.

Eine besondere Missbrauchsaufsicht über Gaspreise war wunderlicherweise von vornherein nicht vorgesehen. Aber es sollte noch bis Ende 2007 dauern, bis die neue Regelung kam.141

70 Möschel, BB 2001, 131. 71 McKinnon, The Gas Industry in Britain, London 1993. 72 Richtlinie des Rates vom 29.10.1990 über den Transit von Elektrizitätslieferungen über große Netze (90/547/EWG) ABl. L 313/30 vom 13.11.1990. 73 Richtlinie des Rates v. 31.5.1971 über den Transit von Erdgas über große Netze (91/296/EWG), ABl. L 147/37 v. 12.6.1991). 74 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (92/C65/04), KOM(91)548 endg., sowie Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (92/C65/05), KOM(91)548 endg. 75 Vgl. dazu Pluge, aktueller Stand der Diskussion über den europäischen Binnenmarkt für Gas und Elektrizität, RdE 1993, 169, 171. 76 A.a.O. (vorherige Fußnote). 77 Vom 13.11.1991, RdE 1992, 49. 78 Vom 16.10.1992, Die vorgesehene Regelung zur Strom- und Gasdurchleitung (TPA) als Verwirklichung der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrages, RdE 1993, 41. 79 EuGH Frankreich/Kommission, Urt. v. 19.3.1991 (Endgeräte-Richtlinie, C 202/88, Slg. 1991, I-1223, Rn. 43). 80 WuW OLG 5694. 81 Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30.1.1997, Nr. L 27/20. 82 KOM (91) 0548 = RBIEG 1992 Nr. C 65/04 v. 14.3.1992. 83 Baur, Die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie: Gestaltungsmöglichkeiten von Mitgliedstaaten; Auswirkungen auf die Elektrizitätsunternehmen, Gutachten für die Stadtwerke Düsseldorf, Duisburg, die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG sowie die Städtischen Werke Krefeld AG, 1997. 84 So aber ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; zuletzt B. v. 18.5.2009, 1 BvR 1731/05, ZNER 2009, 232. 85 Scholz/Langer, Europäischer Binnenmarkt und Energiepolitik, 208ff.; Steindorff, Grenzen der EG-Kompetenz, 79ff., 98ff., 105; Steinberg/Britz, DöV 1993, 313; Wieland/Hellermann, Der Schutz des Selbstverwaltungsrechts für Kommunen gegenüber Einschränkungen bei wirtschaftlichen Betätigungen nach nationalem und europäischem Recht, 1996, 155; dies., DVBl. 1996, 401f. 86 Soweit EuGH Slg. 1974, 491, Rn. 14, Nold; zuletzt EuGH 1994, I-15, Rn. 22, Intersekt. 87 III B1-105 108. 88 Antrag der Länder zu BR-Drs. 806/96. 89 Papier, BB 1997, 1214. 90 Markert, Durchleitung von Strom und Gas: Allgemeines Kartellrecht oder Sonderregelung?, BB 1997, 1421. 91 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 13/9211 v. 25.11.1997. 92 Stellungnahme von Volker Jung, MdB, v. 11.11.1997, Ziff. 2. 93 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 806/96 (Beschluss), v. 12.3.1997 aus dem Bundesministerium für Wirtschaft. 94 ZNER 1999, 34. 95 Zeitung für kommunale Wirtschaft 9/2004, 5. 96 Mit Urt. v. 7.6.2000, ZNER 2000, 132. 97 Urt. v. 7.11.2001, ZNER 2001, 255. 98 § 19 Abs. 2 GWB. 99 ZNER 2001, 260. 100 Vgl. Markert, BB 1997, 1421, dort Fußnote 1 in seiner Anmerkung. 101 Auch wenn das Urteil wegen eines prozessualen Mankos gegen die Stadtwerke Schwäbisch Hall ausfiel, was die Stadtwerke zwang, Revision beim BGH einzulegen. 102 ZNER 2006, 74. 103 OLG Düsseldorf, B. v. 20.6.2006, VI-2 Kart 1/06 (V), ZNER 2006, 244. 104 BGH, B. v. 10.2.2009, KVR 67/07, unzulässige Stapelung von Gaslieferverträgen der E.ON-Ruhrgas, ZNER 2009, 234. 105 Handelsblatt v. 16.6.2010, 26. 106 Der SPIEGEL, Nr. 24 v. 14.6.2010, 81f. 107 Überblick über die Rechtsprechung und Literatur bei Säcker/Boesche, Berliner Kommentar zum Energierecht, 2004, § 6 Rn. 103 in Fn. 201 und 202; Boesche, Die zivilrechtsdogmatische Struktur des Anspruchs auf Zugang zu Energieversorgungsnetzen. Diss. jur. 2002; Theobald/Zenke, Grundlagen der Strom- und Gasdurchleitung, 2001; Schwintowski (Hrsg.), Verhandelter vs. regulierter Netzzugang, 2005; aus der Vielzahl der Entscheidungen beispielhaft zitiert OLG München, Urt. v. 4.12.2003, GRUR-RR 2004, 156; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.12.2001, RdE 2002, 214 = WuW/E DE-R 874; OLG Dresden, Urt. v. 8.2.2001, ZNER 2001, 168, mit Anmerkung Becker. 108 Die ZEIT, 2.5.2001. 109 Süddeutsche Zeitung vom 9.4.2004. 110 Bericht der Arbeitsgruppe Netznutzung Strom der Kartellbehörden des Bundes und der Länder vom 19.4.2001. 111 Untersagungsverfügung des BKartA v. 14.2.2003, ZNER 2003, 145. 112 B. v. 30.7.2002, ZNER 2003, 254; B. v. 11.2.2004, ZNER 2004, 76. 113 Becker, Zur Lage der Stadtwerke im vierten Jahr der Marktöffnung, ZNER 2001, 122; Säcker, ZNER 2002, 5; Theobald/Schiebold, AöR 94 (4/2003), 157; Der SPIEGEL Nr. 7/2003 „Zurück zum Monopol“, 73. 114 BT-Drs. 14/5969. 115 Säcker/Boesche, Gute fachliche Praxis der Netzkostenkalkulation – Ein Beitrag zur „Verhexung des Denkens durch die Mittel unserer Sprache“?, in: Säcker, Neues Energierecht (Hrsg.), 2. Aufl. 2003, 135; Säcker/Boesche, ZNER 2002, 183ff.; vgl. auch Wagemann, Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes – Inhalt und Bedeutung aus Sicht des Bundeskartellamtes, a.a.O., 169; von Hammerstein/Hertel, Die gesetzliche Veredelung der Verbändevereinbarung Gas II – Verfassungs- und europarechtliche Bewertung, ZNER 2002, 193. 116 Sitzung vom 21.6.2002. 117 ZNER 2002, 183. 118 Vom 1.9.2003, BT-Drs. 15/1510. 119 Seite 20. 120 Kapitel VI. zu „Entwicklung und Perspektiven des Wettbewerbs in der Elektrizitätsversorgung“, ZNER 2004, 253. 121 ZNER 2004, 76. 122 MMR-Beilage 12/2002, 8. 123 MMR-Beilage 12/2002, 3ff. 124 Dazu Schütz, MMR-Beilage 12/2002, 18ff. 125 VG Köln, B. v. 26.4.2002. 126 BT-Drs. 15/3917. 127 Vgl. zu den Einzelheiten Becker, Zu den Aussichten des Energiewirtschaftsgesetzes nach der Anhörung im Wirtschaftsausschuss, ZNER 2004, 325. 128 MMR-Beilage 12/2002. 129 Holznagel/Werthmann, ZNER 2004, 17; Becker, ZNER 2004, 130. 130 Vom 24.9.2004, BT-Drs. 15/3917 bzw. BR-Drs. 613/04. 131 So gefordert schon 2003 von Becker/Riedel, ZNER 2003, 170. 132 Verhandlungsergebnis im Marathon-Verfahren der Europäischen Kommission; dazu Bundesrat, BT-Drs. 15/3917, Nr. 24, 82. 133 ZfK 7/2005, 2. 134 So E&M daily v. 16.6.2005. 135 BGBl. I, 1970. 136 Rundschreiben vom 16.6.2005. 137 § 6 Abs. 5 StromNEV, BGBl. I, 2225; ebenso die GasNEV. 138 Böge, Präsident des Bundeskartellamts, Handelsblatt-Jahrestagung der Energiewirtschaft 2005 am 18. Januar 2005, lt. Manuskript, 82, 15; Monopolkommission, 15. Hauptgutachten 2004, Kurzfassung, 82. 139 15. Hauptgutachten 2004, Kurzfassung, 82. 140 BR-Drs. 15/3917 Ziff. 62 zu § 118 Abs. 3a EnWG. 141 Vgl. dazu das Kapitel 5 zur Strompreisbildung.

15. Kapitel
Monopoly – mit staatlichem Segen
1. Die Ausgangslage

Zu Zeiten des Monopols herrschten in der Versorgungswirtschaft, auch was die dort tätigen Gesellschaften und die von ihnen versorgten Gebiete anging, paradiesische Strukturen. Die Grenzen der demarkierten Versorgungsgebiete stimmten oft mit denen der Bundesländer überein, was damit zusammenhing, dass der Startschuss zur Gründung der Versorgungsunternehmen häufig von den Regionalstaaten ausgegangen war. So deckten sich z.B. die Versorgungsgebiete der Energieversorgung Schwaben (EVS) und des Badenwerks mit den Ländern Württemberg-Baden und Baden, die sich erst 1951 zum Bundesland Baden-Württemberg zusammengeschlossen hatten (mit Württemberg-Hohenzollern). Die Liberalisierung setzte jedoch ein gewaltiges Fusionskarussell in Gang, das von der Überlegung angetrieben war, im Wettbewerb könnten nur große Konzerne überleben. Der Staat betrachtete daher die Liberalisierung zugleich als Auftakt und Antrieb, sich von seinen Beteiligungen zu trennen. Den Anfang machte das Land Baden-Württemberg.

2. Die Fusion Energieversorgung Schwaben (EVS) und Badenwerk zur EnBW

Im Januar 1997, also deutlich vor dem Wirksamwerden der Liberalisierung im April 1998, entschloss sich der Staat Baden-Württemberg, die ihm mehrheitlich gehörenden beiden Energieversorgungsunternehmen Badenwerk AG und Energie-Versorgung Schwaben AG (EVS) zur EnBW Energie Baden-Württemberg zusammenzuschließen. Die beiden Tochtergesellschaften der ehemaligen EVS Überlandwerk Jagstkreis AG in Ellwangen und die Mittelschwäbische Überlandzentrale AG in Giengen an der Brenz beschlossen im Juli 1999 rückwirkend zum Jahresbeginn den Zusammenschluss zur EnBW Ostwürttemberg-DonauRies AG (ODR). Das Bundeskartellamt gab die Fusion frei, weil wegen der gemeinsamen Mehrheitsbeteiligung des Landes und der oberschwäbischen Landkreise kein Wettbewerbsverhältnis zwischen ihnen bestand.142 Und so ging es weiter: Im Januar 2000 verkaufte das Bundesland seinen Aktienanteil von zunächst 25,1 %, den es bis dahin an der EnBW hielt, für 2,4 Mrd. Euro an den staatsdominierten französischen Stromkonzern Électricité De France (EDF). Diese Beteiligung wurde von der EG-Kommission unter dem 7.2.2001 freigegeben.143 Die Kommission erwartete, dass EnBW, die sich schon mit ihrer Marke Yello für Haushaltskunden in den Wettbewerb gestürzt hatte, nunmehr mit französischem Kernkraftstrom auch in den Wettbewerb um Industriekunden einsteigen würde. Diese Erwartung war und ist nicht unzutreffend. Trotzdem drehte die EnBW weiter an der Fusionsschraube. Im Oktober 2003 erfolgte der Zusammenschluss der EnBW mit der Neckarwerke Stuttgart AG. Im Dezember 2005 übernahm EnBW durch eine Übernahme von weiteren 25,5 % für einen Kaufpreis von 361 Mio. Euro mit knapp 55 % die Mehrheit an den Stadtwerken Düsseldorf. Im Juli 2009 beteiligte sich EnBW mit 26 % am Oldenburger Energiekonzern EWE AG. Auch diese Fusion wurde vom Bundeskartellamt freigegeben, obwohl es durchaus nicht klar war, ob nicht EnBW als Bestandteil des Oligopols zusammen mit den drei weiteren Konzernen E.ON, RWE und Vattenfall zu betrachten war. Aber EnBW hat offenbar von Anfang an eine gewisse Sonderstellung in der kartellamtlichen Beurteilung genossen. Das hing mit der besonders kühnen Rolle zusammen, die EnBW kurz nach der rechtlichen Liberalisierung der Energiemärkte spielte – wie wir gesehen haben.

3. Die Fusion VEBA/VIAG und ihrer Stromunternehmen PreussenElektra und Bayernwerk zur E.ON

Am 14.12.1999 ging bei der Europäischen Kommission ein Antrag ein, aus dem sich ergab, dass sich die VEBA Aktiengesellschaft und die VIAG Aktiengesellschaft gesellschaftsrechtlich miteinander verbinden wollten, im Fachjargon „fusionieren“. Die VEBA, die Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG, entstanden in Preußen im Jahr 1929, war ein der Bundesrepublik gehörender Konzern, der ab dem Jahr 1965 privatisiert worden war; der Bund wollte den Einstieg in die Volksaktie wagen. Von den Tätigkeiten Elektrizität, Erdgas, Mineralöl, Chemikalien, Telekommunikation, Wasser, Entsorgung, Stahlhandel, Logistik und Immobilienmanagement war die Stromtochter PreussenElektra AG die wichtigste, weil sie auf allen Stufen der Elektrizitätswirtschaft – Betrieb von Kraftwerken, Netzbetrieb, Stromhandel – tätig war. Sie war neben der RWE AG eines der größten deutschen Stromverbundunternehmen, dessen angestammtes Versorgungsgebiet die nördlichen Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und weite Teile von Hessen umfasste.

Die andere Antragstellerin war die Münchener VIAG, die im Jahr 1923 vom Deutschen Reich gegründet worden war, ein international tätiger Mischkonzern, aktiv in den Bereichen Elektrizität, Erdgas, Chemikalien, Telekommunikation, Verpackungen, Wasser, Entsorgung, Aluminium, Stahlhandel und Logistik. Die Energieaktivitäten waren in dem Konzernunternehmen Bayernwerk AG konzentriert, das ebenfalls zu den großen deutschen Verbundunternehmen gehörte. Auch das Bayernwerk war auf allen Stufen der Elektrizitätswirtschaft tätig. Das angestammte Netz- und Versorgungsgebiet erstreckte sich auf den größten Teil des südlichen Bundeslandes Bayern.

Beide Konzerne besaßen überdies an dem ostdeutschen Verbundunternehmen VEAG seit den 1990 geschlossenen Stromverträgen die folgenden Anteile: VEBA 26,25 %, Bayernwerk 22,5 %, insgesamt also 48,75 %. An der VEAG war außerdem die RWE Energie AG mit 26,25 % beteiligt, insgesamt 75 %. Die restlichen 25 % verteilten sich auf die übrigen Verbundunternehmen VEW, EnBW, BEWAG und HEW. Folglich war ein Zusammengehen sinnvoll, weil so der Kraftwerkseinsatz und der Stromhandel – und damit die Strompreise – koordiniert werden konnten, um so die „schädlichen Folgen des Wettbewerbs“ zu minimieren, wie schon die Nationalsozialisten in die Präambel des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 hineingeschrieben hatten. Eine weitere Beteiligung war zwar nicht von größerer strategischer Bedeutung, erleichterte aber einen späteren Deal: Das Bayernwerk war nämlich an dem Berliner Stromversorger BEWAG beteiligt, und zwar mit 26 %, die VEBA mit 23 % und der amerikanische Stromversorger Southern Company mit 26 %. Die Auswirkungen auf den Strommarkt werden noch deutlicher, wenn man die Kraftwerkskapazitäten und die Marktanteile an der Stromabgabe auf der Verbundebene betrachtet: Von den Erzeugungskapazitäten hielten die VEBA 17,5 GW144 = 17,6 %, die VIAG 11,0 GW = 11,1 %, die BEWAG 2,9 GW = 2,9 %, gemeinsam 31,4 GW = 31,6 %. Alle Verbundunternehmen verfügten über 76,8 %.

Die Europäische Kommission war nach der Europäischen Fusionskontrollverordnung für die Beurteilung zuständig, ob die Fusion zu genehmigen oder zu verbieten war, weil sie gemeinschaftsweite Bedeutung hatte. Die Umsätze (1998: VEBA 42,8 Mrd. EUR; VIAG 25,1 Mrd. EUR) waren so hoch, dass der angemeldete Zusammenschluss die Wettbewerbsverhältnisse auf der europäischen Ebene entscheidend veränderte.

4. RWE/VEW

Die strategischen Überlegungen in den Häusern VEBA und VIAG blieben natürlich der RWE AG nicht verborgen. Nur zwei Wochen nach der Einreichung des VEBA/VIAG-Antrages bei der Kommission ging beim Bundeskartellamt ein entsprechender Antrag der RWE AG und der Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW) ein, die ebenfalls fusionieren wollten. Die RWE AG war der weitaus größte deutsche Stromerzeuger und versorgte das westliche Nordrhein-Westfalen, Teile von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern, VEW Westfalen. Bei ihnen sahen die Daten bei Erzeugungskapazität und Stromabsatz wie folgt aus: Erzeugungskapazitäten gemeinsam 24 GW = 24,1 % (alle Verbundunternehmen: 76,3 GW = 76,8 %). Stromabgabe: gemeinsam 140,2 TWh = 38,54 % (alle Verbundunternehmen: 363,9 TWh = 100 %). Ähnlich eindrucksvoll ist auch der Anteil von RWE und VEW am Höchst-/Hochspannungsnetz: insgesamt 11.000 km = 27 % am gesamten Übertragungsnetz mit seiner Länge von 40.150 km.

Zur Marktmacht gehört aber auch der Anteil an der Kapazität der Kuppelstellen mit den ausländischen Netzen. An der gesamten Übertragungskapazität von 46 Gigawatt (GW) hielt allein RWE 13,9 an den sogenannten Interkonnektoren zu den Netzen in den Niederlanden, Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, VEW 3,2 GW in die Niederlande. Insgesamt war das über ein Drittel an der technisch vorhandenen Kuppelkapazität. Für den Stromhandel tatsächlich zur Verfügung stand aber nur ein kleiner Anteil davon, weil die Konzerne den Löwenanteil der Kuppelkapazitäten durch Verträge für sich reserviert hatten. Eine Untersuchung, die RWE im Auftrag der Deutschen Verbundgesellschaft durchgeführt hatte, ergab nur eine maximale Import-Übertragungskapazität von 13,4 GW, gerade einmal ein gutes Viertel der technisch vorhandenen Kapazität.

Zu einer ähnlichen Beurteilung führte die Beleuchtung der Situation beim Gas. RWE hielt nämlich eine Beteiligung von 50 % an der Thyssengas GmbH, einem Ferngasunternehmen, das von RWE, ESSO und Shell gemeinsam beherrscht wurde. Allerdings hatte sich ESSO gegenüber der Europäischen Kommission verpflichtet, die Beteiligung an Thyssengas zu verkaufen. Thyssengas war mit Einkauf, Transport, Speicherung und Vertrieb von Gas sowie die Entwicklung und den Betrieb der hierzu erforderlichen Anlagen tätig und setzte im Geschäftsjahr 1998/99 insgesamt 70,5 Mrd. kWh Gas an 34 Stadtwerke und ca. 90 industrielle Sondervertragskunden ab. Es wurde ein Umsatz von 1,45 Mrd. DM erzielt. Das Tätigkeitsgebiet umfasste das westliche Nordrhein-Westfalen. RWE hielt darüber hinaus direkte oder indirekt 50 Beteiligungen an gasversorgenden Stadtwerken in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Brandenburg, Berlin und Sachsen und war außerdem in den Neuen Ländern an regionalen Gasverteilern beteiligt, nämlich der Gasversorgung Sachsen-Ost (GASO), dies über die Rhenag, sowie über die Gasversorgung Energiedienstleistung (GGV) mit 33 % an der Spreegas in Cottbus.

Das unternehmerische Interesse der RWE bestand gerade auch an den Gasaktivitäten der VEW, die nämlich seit der Verschmelzung der Westfälischen Ferngas (WFG) und der Westfälischen Gasversorgung (WGV) den Rang des größten Regionalverteilers in Deutschland innehatte. VEW/WFG erzielten insgesamt etwa den Umsatz und den Gasabsatz von Thyssengas, was zur Verdopplung des RWE-Gasgeschäfts führten sollte.

Auch diese Beteiligung war nach Ansicht des Bundeskartellamts zu untersagen, weil sie zur Verstärkung der marktbeherrschenden Stellungen von RWE, Thyssengas und VEW/WFG bzw. der mit ihnen verbundenen Unternehmen sowie der Spreegas führte. Die Unternehmen hätten jeweils eine überragende Marktstellung auf dem Gebiet der Gasletztversorgung. Da ein Durchleitungswettbewerb beim Gas auf absehbare Zeit noch nicht zu erwarten war, herrschten praktisch die monopolistischen Verhältnisse aus der Zeit vor der Liberalisierung weiter. Dazu kam ein interessanter Hinweis: Das größte deutsche Gas importierende und mit Gas handelnde Unternehmen, die Ruhrgas, werde gegenüber RWE und ihren Töchtern nicht als Wettbewerber auftreten. Als einziger aktueller Wettbewerber verbleibe Wingas, deren Wettbewerbsmöglichkeiten aber auf den Korridor entlang ihrer neuen Ferngasleitungen beschränkt war.

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