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Читать книгу: «Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten», страница 13

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DER STÄHLERNE FLOH

(Übertragen von Karl Nötzel)
Was man vom Tulaer schieläugigen Linkser erzählt und von einem stählernen Floh

I

Als Kaiser Alexander Pawlowitsch die Wiener Plauderei beendet hatte, wollte er in Europa herumfahren und sich in den einzelnen Ländern die Wunderdinge anschauen. Er bereiste alle Staaten, und überall hatte er seiner Freundlichkeit wegen die vertraulichsten Gespräche mit allen Leuten, und alle wollten ihn durch irgend etwas in Staunen setzen und für sich gewinnen. Mit ihm war aber der Donsche Kosak Platow, der solche Neigungen nicht liebte, sich ständig nach seiner Häuslichkeit sehnte und deshalb den Kaiser immer antrieb, zurückzukehren. Und kaum merkte Platow, daß der Kaiser sich für irgend etwas Ausländisches interessierte, das ganze Gefolge aber schwieg, so sagte er auch schon alsogleich: »So und so, auch bei uns zu Hause ist das Unsrige nicht schlechter« – und lenkte irgendwie den Kaiser ab.

Die Engländer wußten das und dachten sich zur Ankunft des Kaisers allerlei Listen aus, um ihn für das Ausländische zu gewinnen und den Russen zu entfremden. In vielen Fällen erreichten sie das auch, besonders auf großen Versammlungen, wo Platow nicht perfekt französisch sprechen konnte. Er interessierte sich indes auch wenig dafür: er war ein verheirateter Mann, und alle französischen Gespräche hielt er für Nichtigkeiten, die der Aufmerksamkeit nicht wert seien. Als aber die Engländer den Kaiser in ihre mannigfaltigen Zeughäuser, Waffen-, Seifen- und Sägewerke einluden, um ihm zu zeigen, wie überlegen sie uns in allen diesen Dingen seien und um sich dessen zu rühmen – da sagte Platow zu sich selber:

– »Nein, damit aber Schluß. Bis jetzt habe ich noch ruhig zugesehen, weiter geht das aber nicht mehr. Ob ich zu sprechen verstehe oder nicht, die Meinigen werde ich nicht preisgeben!«

Und kaum hatte er zu sich selber ein solches Wort gesagt, da sprach auch der Kaiser zu ihm:

»So und so, morgen werde ich mit dir fahren, ihre Waffenkunstkammer zu besichtigen. Dort,« spricht er, »sind solche Vollkommenheiten der Natur, daß, wenn du nur hinschaust, du weiter nicht mehr bestreiten wirst, daß wir Russen mit unserm Wissen gar nichts taugen.«

Platow antwortete dem Kaiser gar nichts. Er senkte nur seine gekrümmte Nase auf seinen zottigen Überwurf; als er aber in seine Wohnung kam, befahl er seinem Burschen, ihm aus dem Keller eine Flasche kaukasischen Branntwein zu bringen, goß ein schönes Glas davon hinter die Binde, betete vor seinem Reiseheiligenbilde zu Gott, hüllte sich in seinen Überwurf und fing derart zu schnarchen an, daß in dem ganzen Hause kein Engländer schlafen konnte.

Er dachte: »Morgenstund’ hat Gold im Mund’«.

II

Am andern Tage fuhr der Kaiser mit Platow in die Kunstkammern. Sonst hatte der Kaiser niemanden von den Russen mitgenommen, weil man ihm nur einen zweisitzigen Wagen geschickt hatte.

Sie langten bei einem nicht allzu großen Gebäude an – die Auffahrt ist unbeschreiblich, Korridore ins Unendliche, die Zimmer gehen eines in das andere, und endlich in dem hauptsächlichsten Saale stehen verschiedene gewaltige Büsten, und in der Mitte unter einem Baldachin steht »Abolon von Polwedere«.

Der Kaiser blickt auf Platow, ob er wohl sehr erstaunt sei, und worauf er schaue. Der aber geht, die Augen zu Boden gesenkt, so dahin, als sehe er gar nichts – und dreht nur Ringe aus seinem Schnurrbart.

Die Engländer begannen alsogleich, verschiedene Wunder zu zeigen und zu erklären, was bei ihnen für kriegerische Zwecke eingerichtet ist. »Sturmmesser« für die Marine, »Pontonen« für das Fußvolk und geteerte Segeltücher für die Reiterei. Der Kaiser hat an dem allen seine Freude, alles kommt ihm sehr schön vor, Platow aber bleibt dabei, daß für ihn das alles gar nichts bedeute.

Der Kaiser spricht: »Wie ist denn das möglich? – Weshalb ist in dir eine solche Gefühllosigkeit? Gibt es denn wirklich hier gar nichts für dich zu bewundern?«

Platow antwortet: »Mir ist hier nur das Eine erstaunlich, daß meine forschen Kerle vom Don ohne dies alles Krieg führten und zwölf Heidenvölker davonjagten!«

Der Kaiser spricht: »Das ist Unsinn!«

Platow antwortet: »Ich weiß nicht, worauf ich das beziehen soll, zu streiten wage ich aber nicht und muß schweigen.«

Als aber die Engländer eine solche Auseinandersetzung zwischen ihnen wahrnahmen, führten sie ihn sogleich gerade zu dem »Abolon von Polwedere« und nahmen dem aus der einen Hand ein Mortimergewehr, aus der andern eine Pistole.

»Sehen Sie« – sprachen sie – »wie bei uns gearbeitet wird« und zeigten ihm das Gewehr.

Der Kaiser schaute ruhig auf das Mortimergewehr, weil er solche in Zarskoje Ssjelo selber besitzt, jene aber geben ihm darauf die Pistole und sagen:

»Diese Pistole ist von unbekannter, unnachahmlicher Meisterschaft. Unser Admiral zog sie einem Räuberhauptmann in ‚Kandelabrien‘ aus dem Gürtel.«

Der Kaiser schaut auf die Pistole und kann sich nicht satt sehen. Er seufzt furchtbar.

»Ach, ach, ach …« – spricht er – »wie kann man nur so, wie kann man das denn überhaupt so fein machen!« – Und er wendet sich zu Platow und spricht zu ihm auf russisch: »Siehst du, wenn bei mir in Rußland auch nur ein solcher Meister wäre, würde ich darüber äußerst glücklich und stolz sein und diesen Meister sogleich in den Adelstand erheben!«

Platow aber versenkte auf diese Worte hin sofort seine rechte Hand in seine weiten Pluderhosen und zog von dort einen Gewehrschraubenzieher heraus. Die Engländer sagen: »Das läßt sich nicht öffnen!« Er aber gibt gar nicht darauf acht und beginnt das Schloß aufzudrehen. Er dreht einmal um, zweimal – das Schloß ist herausgefallen. Platow zeigt dem Kaiser den Drücker und grade auf der Rundung die russische Aufschrift: »Iwan Moskwin aus der Stadt Tula«.

Die Engländer erstaunen, und einer stößt den andern an:

»O je, da sind wir hereingefallen!«

Der Kaiser aber spricht kummervoll:

»Weshalb hast du sie so in Verlegenheit gebracht, mir tun sie jetzt sehr leid. Laßt uns abfahren.«

Sie setzten sich wiederum in denselben zweisitzigen Wagen und fuhren ab; und der Kaiser war an diesem Tage auf einem Ball. Platow aber goß ein noch größeres Glas Branntwein hinter die Binde und entschlummerte eines festen Kosakenschlafes.

Es war ihm froh zumute, daß er die Engländer in Verlegenheit gebracht und ihnen den Tulaer Meister zum Vorbild gegeben hatte. Dabei war es ihm aber auch verdrießlich: Weshalb hatte der Kaiser bei einer solchen Gelegenheit die Engländer bemitleidet!

»Worüber hat sich denn da der Kaiser gegrämt« – dachte Platow – »ich verstehe das ganz und gar nicht« – und in solchen Gedanken stand er zweimal auf, bekreuzte sich und trank Schnaps, bis er sich gewaltsam einen starken Schlaf zugezogen hatte.

Die Engländer aber konnten zu dieser selben Zeit gleichfalls nicht schlafen, weil es auch ihnen »wirbelte«. Während der Kaiser sich auf dem Ball vergnügte, bereiteten sie ihm ein derartiges neues Wunderwerk vor, daß diesmal auch Platow alle Phantasie ausging.

III

Am andern Tage, als Platow beim Kaiser erschien, um ihm einen guten Morgen zu wünschen, spricht er zu ihm:

»Laß sogleich den zweisitzigen Wagen anspannen, um die neuen Kunstkammern anzusehen!«

Platow erkühnte sich sogar, zu bemerken, ob es nicht etwa genug sei, die fremdländischen Erzeugnisse anzuschauen und ob es nicht besser wäre, sich auf den Weg nach Rußland zu machen.

Der Kaiser aber spricht:

»Nein, ich wünsche noch andere Neuigkeiten zu sehen: man hat sich vor mir gebrüstet, daß man bei ihnen die erste Sorte Zucker bereite.«

Sie fuhren ab.

Die Engländer zeigten dem Kaiser, was sie für verschiedene erste Sorten haben, Platow aber schaut und schaut und spricht plötzlich:

»Aber zeigt uns doch aus Euern Fabriken den Zucker ‚Chalva‘!«

Die Engländer wissen nicht, was das bedeutet »Chalva«. Sie flüstern untereinander, zwinkern einander zu und wiederholen »Chalva?« »Chalva?«, können aber nicht verstehen, daß bei uns ein solcher Zucker hergestellt wird, und müssen zugeben, daß es bei ihnen alle Arten Zucker gibt, »Chalva« aber nicht.

Platow spricht:

»Nun, so ist auch kein Grund, zu prahlen. Kommt zu uns, wir werden Euch Tee zu trinken geben mit echtem ‚Chalva‘ aus der Bobrinskijschen Fabrik.«

Aber der Kaiser zupfte ihn am Ärmel und sprach leise zu ihm: »Bitte, verdirb mir nicht die Politik!«

Da riefen die Engländer den Kaiser in die allerletzte Kunstkammer, wo in der ganzen Welt gesammelte Mineralien und »Nymphusorien« lagen, von der allergrößten ägyptischen Pyramide bis zu einem »unterhäutigen« Floh, den man mit bloßem Auge selber gar nicht wahrnehmen, wohl aber seine Bisse zwischen Haut und Körper verspüren konnte.

Der Kaiser fuhr dorthin.

Man beschaute die Pyramiden und allerhand ausgestopfte Tiere und ging weg. Platow aber denkt bei sich:

»Nun, Gott sei Dank, alles steht gut – der Kaiser staunt über gar nichts.«

Kaum aber waren sie in die allerletzte Kammer getreten, so stehen dort ihre Arbeiter in Arbeitskleidung und Schürzen und halten eine »Tablette«, auf der gar nichts liegt.

Der Kaiser erstaunte sich plötzlich – daß man ihm eine leere »Tablette« hinhält.

»Was bedeutet das?« fragte er; die englischen Meister aber antworten: »Das ist unser untertäniges Geschenk an Eure Majestät!«

»Was ist es denn?«

»Aber« – sprechen sie – »geruhen Sie dort ein Körnchen zu sehen?«

Der Kaiser schaute hin und sieht, auf der silbernen »Tablette« liegt wirklich das allerwinzigste Körnchen.

Die Arbeiter sprechen:

»Geruhen Sie Ihre Fingerchen anzuspeicheln und es aufs Händchen zu nehmen.«

»Was soll mir aber denn das Körnchen?«

»Dies« – antworten sie – »ist kein Körnchen, vielmehr ein ‚Nymphusorium‘.«

»Ist es lebendig?«

»Keineswegs« – antworten sie – »es ist nicht lebendig, vielmehr ganz aus englischem Stahl in Gestalt eines Flohs von uns ausgeschmiedet, und in seiner Mitte ist ein Uhrwerk und eine Feder. Geruhen Sie es mit dem Schlüssel aufzuziehen: es wird sogleich zu tanzen beginnen!« Der Kaiser ward neugierig und fragt: »Wo ist denn aber das Schlüsselchen?«

Die Engländer sagen:

»Hier ist auch der Schlüssel, vor Ihren Augen.«

»Weshalb aber« – spricht der Kaiser – »sehe ich ihn nicht?«

»Deshalb« – antworten sie – »weil man dazu ein ‚Winzigglas‘ braucht.«

Man reichte ein »Winzigglas«, und der Kaiser sah, daß tatsächlich neben dem Floh ein Schlüsselchen auf der »Tablette« lag.

»Geruhen Sie« – sprachen sie – »es ins Händchen zu nehmen. Bei ihm im Bäuchelchen ist ein Aufziehlöchelchen, der Schlüssel macht sieben Umdrehungen, und dann wird es zu tanzen anfangen …«

Mit Mühe erfaßte der Kaiser dieses Schlüsselchen und kaum vermochte er es mit den Fingerspitzen zu halten. Mit der anderen Hand aber nahm er das Flöhchen, und kaum hatte er das Schlüsselchen hineingesteckt, als er fühlte, wie der Floh sein Schnurrbärtchen zu bewegen begann, dann mit den Füßchen zu trippeln und endlich zu springen und in einem Flug gleich ein »Dansé« und zwei »Variationen« nach der einen Seite zu machen, dann nach der anderen, und so tanzte er in drei »Variationen« die ganze Quadrille.

Der Kaiser befahl sogleich, den Engländern eine Million zu geben, in was für Geld sie selber wollten – sei es in silbernen Fünfkopekenstücken, sei es in kleinen Assignaten.

Die Engländer baten, man möchte es ihnen in Silber auszahlen, weil sie sich in den Papierchen nicht auskennten; dabei aber offenbarten sie aufs neue ihre Schlauheit: den Floh gaben sie zum Geschenk, ein Futteral für ihn hatten sie indes nicht mitgebracht. Ohne Futteral konnte man aber weder ihn noch das Schlüsselchen halten, weil sie sich sonst verlieren, und man sie dann mit dem Kehricht hinauswirft. Das Futteral zu ihm bestand aber in einer Diamantnuß, aus einem Stück gemacht – dem Floh war ein Plätzchen in der Mitte ausgeschliffen. Dies Futteral gaben sie nicht, weil es, so sagen sie, dem Staate gehöre, und in dieser Beziehung sei es bei ihnen streng: nicht einmal für den Kaiser dürfe man es opfern.

Platow wollte sich schon sehr erzürnen. »Wozu«, so spricht er, »ein solcher Betrug! Das Geschenk haben sie dargebracht und eine Million dafür erhalten, und immer noch nicht genug! Ein Futteral«, spricht er, »gehört immer zu jeder Sache.«

Der Kaiser aber spricht:

»Hör’ bitte auf, das ist nicht deine Sache – verdirb’ mir nicht die Politik. Sie haben ihre Gebräuche« – und er fragt: »Wieviel kostet diese Nuß, in die der Floh hineingeht?«

Die Engländer setzen dafür noch Fünftausend fest.

Kaiser Alexander Pawlowitsch sagt:

»Man soll es ihnen auszahlen«, selber aber steckt er den Floh in dies Nüßchen, und mit ihm zugleich auch das Schlüsselchen. Um aber nicht die Nuß zu verlieren, legte er sie in seine goldene Tabaksdose; die Tabaksdose aber befahl er in seine Reiseschatulle zu legen, die ganz ausgelegt war mit Perlmutter und Fischbein. Die englischen Meister entließ der Kaiser in Ehren und sagte ihnen: »Ihr seid die ersten Meister in der ganzen Welt, und meine Leute verstehen im Vergleich zu Euch gar nichts.«

Jene blieben sehr zufrieden, Platow aber konnte den Worten des Kaisers nichts widersprechen. Er nahm nur das »Winzigglas«, ja, und ohne ein Wort zu sagen, steckte er es in seine Tasche. »Weil« – spricht er – »es auch dazu gehört, und ihr so schon viel Geld von uns genommen habt!«

Der Kaiser wußte das gar nicht bis ganz zu seiner Ankunft in Rußland. Sie reisten aber sehr bald ab, weil der Kaiser von allen diesen »Militärangelegenheiten« in Melancholie verfiel, und er eine geistige Beichte haben wollte in Taganrog beim Popen Fjedot. Unterwegs hatten er und Platow sehr wenig angenehme Unterhaltung, weil sie völlig verschiedene Gedanken hegten: der Kaiser glaubte, den Engländern sei niemand an Kunstfertigkeit gleich, Platow hingegen bestand darauf, daß auch die Unsrigen alles machen können, was sie anschauen, nur fehle es ihnen an nützlicher Lehre. Und er hielt dem Kaiser vor, daß bei den englischen Meistern durchaus in allem andere Regeln des Lebens, der Wissenschaft und der »Verpflegung« gelten und jeder Mensch bei ihnen alle »absoluten« Möglichkeiten für sich habe, und deshalb sei in ihm auch ein ganz anderer Geist.

Der Kaiser wollte das nicht lange anhören, Platow aber steigt auf jeder Station aus und trinkt vor Verdruß ein Wasserglas Schnaps, beißt gesalzene Bretzel zu, raucht seine Weichselpfeife, in die ein ganzes Pfund Schukowscher Tabak hineinging, setzt sich dann hin und sitzt so schweigend neben dem Kaiser im Wagen. Der Kaiser schaut auf eine Seite, Platow steckt durch das andere Fenster seine Pfeife hinaus und läßt den Rauch in die Luft. So reisten sie bis Petersburg; zum Popen Fjedot nahm aber der Kaiser den Platow schon gar nicht mehr mit.

»Du« – spricht er – »bist in geistlicher Unterhaltung unenthaltsam und rauchst so viel, daß sich von deinem Qualm nur Ruß im Kopfe ansetzt!« Platow blieb gekränkt zurück und legte sich zu Hause auf sein »Verdrußsofa«, und er lag dort immerfort und rauchte ohne Unterlaß Schukowschen Tabak.

IV

Der erstaunliche Floh aus gehärtetem Stahl blieb bei Alexander Pawlowitsch in der Schatulle unter dem Fischbein, bis der Kaiser in Taganrog starb, nachdem er ihn dem Popen Fjedot gegeben hatte, damit der ihn später der Kaiserin gebe, wenn sie sich getröstet habe. Die Kaiserin Jelisaweta Alexejewna schaute die Variationen des Flohs an und lächelte, beschäftigte sich aber weiter nicht mehr mit ihm.

»Meine Sache,« spricht sie, »ist die einer Witwe, und mir sind keinerlei Unterhaltungen verführerisch,« und als sie nach Petersburg zurückgekehrt war, übergab sie dies Wunderding mit allen andern Kostbarkeiten dem neuen Kaiser zum Erbe.

Kaiser Nikolai Pawlowitsch schenkte gleichfalls anfangs dem Floh nicht die geringste Aufmerksamkeit, weil bei seiner Thronbesteigung eine »Verwirrung« war, später aber begann er einmal die ihm von seinem Bruder hinterlassene Schatulle durchzusehen und nahm aus ihr die Tabaksdose heraus, aus der Tabaksdose die Brillantnuß, und in ihr fand er den stählernen Floh, der schon lange nicht mehr aufgezogen war, und sich deshalb nicht bewegte, vielmehr friedlich dalag, als ob er versteinert wäre.

Der Kaiser schaute hin und staunte.

»Was ist denn da noch für eine Nichtigkeit, und wozu ward sie dort von meinem Bruder so aufbewahrt?«

Die Hofleute wollten es wegwerfen, der Kaiser aber spricht:

»Nein – das bedeutet irgend etwas!«

Man rief von der Anitschkin-Brücke aus der gegenüberliegenden Apotheke einen Chemiker, der auf der allerkleinsten Wage Gift abzuwiegen pflegte, und zeigte ihm das Ding; der aber nahm sogleich den Floh, legte ihn auf die Zunge und spricht: »Ich empfinde Kälte wie von einem festen Metall«. Darauf drückte er es leicht mit den Zähnen und erklärte:

»Wie es Ihnen beliebt, dies ist aber kein wirklicher Floh, vielmehr ein »Nymphusorium«, und es ist aus Metall gemacht, und die Arbeit ist nicht die unsrige, nicht russische.«

Der Kaiser befahl zu erkunden, woher dies stamme, und was es bedeute. Man stürzte sich sogleich in die Akten, um Verzeichnisse einzusehen – in den Akten aber war nichts eingetragen. Man begann diesen und jenen auszufragen – niemand wußte etwas. Zum Glück weilte aber damals noch der Donsche Kosak Platow unter den Lebenden und lag sogar immer noch auf seinem Verdrußsofa und rauchte seine Pfeife. Als der nun vernahm, daß bei Hof eine solche Unruhe sei, erhob er sich sogleich von seiner Kouschette, warf die Pfeife fort und erschien beim Kaiser in allen seinen Orden. Der Kaiser spricht: »Was willst du von mir, tapferer Greis?«

Platow aber antwortet:

»Mir, Eure Majestät, ist nichts für mich selber nötig, da ich esse und trinke, wozu ich Lust habe, und mit allem zufrieden bin; ich bin aber« – spricht er – »gekommen, wegen dieses ‚Nymphusoriums‘ zu berichten, das man ausfindig machte; das« – spricht er – »war so und so, und folgendermaßen hat es sich vor meinen Augen in England zugetragen – und dort bei ihm liegt ein Schlüsselchen, ich aber besitze ihren ‚Winzigseher‘, in dem man es sehen kann; und mit diesem Schlüssel durch das Löchelchen in seinem Bäuchelchen kann man dies ‚Nymphusorium‘ aufziehen, und es wird hüpfen, wo und wann man es wünscht und zur Seite Variationen machen.«

Man zog den Floh auf, er begann zu springen. Platow aber spricht:

»Dies,« – spricht er – »Eure Majestät, ist wirklich eine sehr feine und interessante Arbeit; nur ziemt es sich nicht, daß wir uns darüber lediglich wundern mit entzücktem Gefühl, vielmehr muß man sie russischen Meistern in Tula oder in Sesterbek (damals nannte man noch Sestrorezk – Sesterbek) zeigen – ob nicht unsere Meister erreichen können, daß die Engländer sich nicht mehr über die Russen überheben.«

Kaiser Nikolai Pawlowitsch hegte großes Zutrauen zu seinen Leuten und liebte es nicht, sie irgend einem Ausländer hintanzusetzen, er antwortete denn auch Platow:

»Das sprichst du gut, wackerer Greis! Und ich übertrage dir diese Sache. Ich brauche sowieso dieses Schächtelchen nicht, bei meinen vielen Sorgen. Du aber nimm es mit dir und lege dich nicht mehr auf dein ‚Verdrußsofa‘, fahre vielmehr zum stillen Don und führe dort mit meinen Donzern vertrauliche Gespräche über ihr Leben, ihre Ergebenheit und was ihnen beliebt. Wenn du aber durch Tula kommen wirst, so zeige meinen Tulaer Meistern dieses ‚Nymphusorium‘, dann mögen sie darüber nachdenken. Sage ihnen von mir, daß mein Bruder sich über dies Ding erstaunte und die Fremdländer, die das ‚Nymphusorium‘ machten, über alles lobte; daß ich aber auf die Meinen baue, daß sie durchaus nicht schlechter sind. Sie werden mein Wort nicht zuschanden werden lassen und irgend etwas erfinden.«

V

Platow nahm den stählernen Floh, und als er durch Tula zum Don fuhr, zeigte er ihn den Tulaer Waffenschmieden, überbrachte ihnen das Wort des Kaisers und fragte sie dann:

»Wie soll es jetzt mit uns sein, Rechtgläubige?«

Die Waffenschmiede antworteten:

»Wir, Väterchen, fühlen das gnädige Wort des Zaren und können es niemals vergessen, deshalb, weil er auf seine Leute hofft. Wie es aber im vorliegenden Falle sein wird, das können wir in einem Augenblick nicht entscheiden, weil die englische Nation gleichfalls nicht dumm ist, vielmehr sogar ziemlich schlau, und die Kunst in ihr mit großem Verstande betrieben wird. Ihr gegenüber,« sprechen sie, »muß man sich nach reiflicher Überlegung und mit Gottes Segen ans Werk machen. Du aber, wenn deine Gnaden zu uns ebensolches Vertrauen hegt, wie unser Zar, so fahre in deine Heimat nach dem stillen Don, uns aber hinterlasse das Flöhchen, wie es ist, im Futteral und in der goldenen zarischen Tabaksdose. Lustwandle am Don und heile die Wunden, die du fürs Vaterland erhieltest. Wenn du aber durch Tula zurückkehren wirst – so mache Halt und laß uns rufen: Wir werden bis zu dieser Zeit, wenn Gott es will, irgend etwas ausdenken«.

Platow war nicht völlig damit zufrieden, daß die Tulaer so viel Zeit verlangten und dabei noch nicht einmal deutlich aussprachen, was sie eigentlich zu tun gedächten. Er frug sie so und anders und sprach auf jede Weise mit ihnen, schlau, auf Donsche Art. Die Tulaer gaben ihm aber an Schläue nicht das Geringste nach, weil sie sogleich schon einen solchen Gedanken hegten, von dem sie nicht einmal hofften, daß sogar Platow ihnen glauben werde. Sie wollten vielmehr unmittelbar ihren Gedanken ausführen, und dann auch die Sache übergeben.

Sie sprechen:

»Wir wissen selber noch nicht, was wir tun werden. Wir hoffen nur auf Gott, und das Wort des Zaren wird wohl nicht durch uns zuschanden werden.«

So versuchte es denn Platow mit Kniffen, die Tulaer aber gleichfalls.

Platow verstellte sich, verstellte sich lange und sah, daß er die Tulaer nicht überlisten werde. Er gab ihnen endlich die Tabaksdose mit dem »Nymphusorium« und sprach:

»Nun, da ist nichts zu machen; möge es«, spricht er, »nach eurem Willen gehen. Ich kenne euch, was ihr für Leute seid, nun, gleichwohl, da ist nichts zu machen. Ich vertraue euch, schaut nur zu, daß ihr den Brillanten nicht umtauscht und verderbt nicht die feine englische Arbeit und braucht auch nicht zulange Zeit, weil ich rasch reise; es werden nicht zwei Wochen vergangen sein, so werde ich vom stillen Don wiederum nach Petersburg zurückkehren – daß dann unbedingt etwas dem Kaiser zu zeigen da sei.«

Die Waffenschmiede beruhigten ihn vollauf:

»Der feinen Arbeit werden wir« – sprechen sie – »keinen Schaden tun, und den Brillanten werden wir nicht umtauschen. Zwei Wochen ist uns aber Zeit genug, und wann du zurückkehren wirst, wird dir irgend etwas dargeboten, was würdig ist der Herrlichkeit des Zaren vorgelegt zu werden!«

Aber was eigentlich, das haben sie nicht gesagt!

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
13 октября 2017
Объем:
230 стр. 1 иллюстрация
Переводчик:
Правообладатель:
Public Domain

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