Читать книгу: «Schrecken der Vergangenheit», страница 2

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Unter den Männern, brach schallendes Gelächter aus. Sie redeten wild durcheinander und beruhigten sich erst wieder, als Chris und Thea mit einem Tablett voll Sektgläser dazu kamen.

Mit einem neckischen Gesichtsausdruck nahm Thea das letzte Glas zur Hand und reichte es an Nik weiter.

<<Und du wusstest natürlich davon>>, flüsterte er ihr ins Ohr und hob dabei eine Augenbraue.

<<Schuldig, im Sinne der Anklage.>>

<<Ich fürchte, darüber müssen wir noch sprechen, Frau Doktor.>>

<<Wann immer ihnen danach ist, Dr. Berger>>, erwiderte sie forsch und ließ das Glas klangvoll an seines gleiten.

Samstag, 04. Mai, 11 Uhr 10

Mit unbewegter Miene starrte er an die Wand. Auf die vielen Namen und dazugehörigen Fotos, die er in den vergangen Monaten akribisch zusammengestellt hatte. Namen von Personen, die seiner Meinung nach für den Tod seines Sohnes verantwortlich waren. Und nun war die Zeit gekommen, Gerechtigkeit walten zu lassen. Ein ganzes Jahr lang hatte er sich vorbereitet. Ein ganzes Jahr lang, die Trauer und Leere in seinem Herzen ausgehalten. Jetzt sollte jeder von ihnen das bekommen, was er verdiente. Jeder einzelne. Und dass es durch seine Hand geschehen musste, war unausweichlich.

Erst wenn der letzte Name von dieser Wand verschwunden war, konnte sein Sohn in Frieden ruhen. Und er sich wieder frei fühlen. Zumindest versuchte er sich das immer wieder einzureden. Er war kein unmoralisches Ungeheuer. Kein skrupelloser Mörder.

Er besaß durchaus ein Gewissen und hatte sich oft genug die Frage gestellt, ob die Entscheidung, die er getroffen hatte, die richtige war. Und ob Gott vielleicht genauso handeln würde, wie er es vorhatte. Eher unwahrscheinlich. Aber die Umstände ließen ihm keine andere Wahl. Sein Sohn lebte nicht mehr.

Weil die Polizei ihn an diesem Abend nicht beschützen konnte, obwohl sie nur wenige Meter entfernt war. Und weil er als Vater vermutlich versagt hatte. Es ging nicht nur um Viktor, denn er war ein unberechenbares Schwein. Ein Mensch, dem es einzig und allein nur darum ging, stets aus allem nur das Beste für sich selbst herauszuholen. Und genau das wurde ihm letzten Endes zum Verhängnis. Weil er sich für unbesiegbar hielt und den Hals nie voll bekam. Etwas mit anderen zu teilen, kam für Viktor nicht in Frage. Eine Frau schon gar nicht. Und vor Liebe blind war er geradewegs in eine tödliche Falle getappt. Ein durchaus vorhersehbares Ende. Das Paradoxe daran war, dass er sich nicht für das Ableben seines Sprösslings schuldig fühlte. Sondern, weil er es nicht geschafft hatte, ihm wirkliche Werte im Leben zu vermitteln. Ehrlichkeit. Zuneigung. Und Gewissen. Dann nämlich, dessen war er sich sicher, würde Viktor noch am Leben sein und ihre Beziehung zueinander, wäre eine ganz andere gewesen. So aber blieb ihm nur das eine.

Seine ganzen Fehler und sein Unvermögen wieder gut zu machen. Während er dort vor der Wand stand und zum wiederholten Male die Fotos betrachtete, erinnerte er sich an jede einzelne Person. Er hatte sie alle studiert. Kannte ihre Gepflogenheiten und musste nur noch auf den geeigneten Moment warten, um zuzuschlagen. Daran führte kein Weg vorbei. Was immer die Zukunft auch für ihn bereithielt, es musste so sein. Auch wenn es seinen eigenen Tod zur Folge hatte. Denn nur so konnte er endlich mit diesem Teil seines Lebens abschließen.

Zwei

Sonntag, 05.Mai, 16 Uhr 10

Nik lenkte die weiße M-Klasse in die letzte freie Parkbucht, die er finden konnte. Bis hierher war es ein wunderschöner Nachmittag gewesen. Nach der gestrigen Aufregung fand Thea, dass ein wenig Zweisamkeit nicht schaden konnte. Daraufhin hatte Nik die Idee, mit ihr und Winston den Tag am Möhnesee zu verbringen.

Sie spazierten entlang des Ufers und über die riesige Staumauer. Dabei erhielt sie einen Gratisvortrag in Sachen geschichtlicher Ereignisse. Nik erzählte ihr, was sich dort, in der Nacht zum 17. Mai 1943 zugetragen hatte. Er zeigte ihr die Stelle, wo die Mauer von den Engländern zerstört wurde und erklärte, welche Ausmaße diese Katastrophe für die ganze Region hatte. Thea hatte natürlich schon von dem Tag, als die Dämme brachen, gehört. Aber hier in der Wirklichkeit zu stehen und sich dessen bewusst zu werden, was Menschen alles anrichten können, war ein ergreifendes Gefühl. Und sie liebte es, ihm zuzuhören.

Denn solche Momente gab es in ihrer noch jungen Beziehung eher selten. Theas zeitintensiver Beruf, sowie die große Distanz ihrer Wohnräume, ließen im Augenblick nicht mehr Privatsphäre zu. Umso größer war die Wertschätzung des Moments und sie genoss jede Sekunde dieser kostbaren Zeit. In seiner Nähe fühlte sich Thea immer wie eine Königin. Nik war nicht nur überaus charmant, sah nicht nur unverschämt gut aus oder besaß ein hohes Maß an Witzigkeit. Darüber hinaus vergaß er nie, aber auch wirklich niemals, seine guten Manieren. Egal, was sie auch unternahmen oder wo sie sich gerade befanden.

Nik achtete penibel darauf, ihr den Vortritt zu lassen oder ihr auch mal die Tür zu öffnen. Am Anfang war Thea so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt und manchmal war es ihr auch ein wenig peinlich.

Aber mittlerweile wusste sie, dass ihm diese Dinge wichtig waren. Dass dies ein Teil seiner Persönlichkeit ausmachte. Also ließ sie ihn gewähren. So auch heute.

Bei beiden hatte sich der Hunger eingestellt. Deshalb waren sie noch ein Stück den See hochgefahren, bis das Geronimo, ein sehr rustikal eingerichtetes Ausflugslokal, in Sichtweite kam.

Der Parkplatz war, wie befürchtet, brechendvoll. Aber Thea hatte darauf bestanden, hier zu bleiben. Ihr gefiel das Ambiente auf Anhieb und das Zusammenspiel zwischen ankommenden und abfahrenden Motorrädern fand sie spektakulär.

Nik ging um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und nahm sanft ihre Hand in die seine. Erst, als er sich sicher war, dass sie festen Boden unter ihren Füßen spürte, ging er an die Heckklappe, um Winston aus der Box zu befreien. Zusammen schlenderten sie auf die Holztreppe der Veranda zu. Und natürlich wartete Nik geduldig und ließ sie voran gehen. Teils feindselige, teils neidische Blicke der anderen Frauen, flogen ihr aus allen Ecken der Veranda entgegen. Aber sie nahm es ihnen nicht übel. Denn um ehrlich zu sein. Nik sah heute besonders zum Anbeißen aus. Er trug ein türkisblaues Poloshirt, eine beigefarbene Chinohose und helle Sneakers. Und er interessierte sich nicht die Bohne für sein Umfeld. Er hatte nur Augen für sie. Auf der einen Seite machte sie das mächtig stolz. Auf der anderen Seite wusste sie, wie verwundbar dieser Mann war. Und hätte auch nur eine dieser neidischen Damen eine Ahnung davon gehabt, was ihm Schlimmes wiederfahren war, sie hätte wahrscheinlich schreiend das Weite gesucht.

<<Da vorne wird gerade ein Tisch frei>>, sagte Nik und riss sie aus ihren Tagträumen. Sie spürte seine sanfte Berührung an ihrem Rücken und folgte seinem Blick. Der Tisch befand sich am Ende des Biergartens. Halb im Schatten verborgen und mit einem traumhaften Ausblick auf den See. Dort angekommen, zog Nik, wie konnte es auch anders sein, einen Stuhl für sie vom Tisch.

Thea setzte sich und beobachtete hinter ihrer Sonnenbrille, wie er sich auf den gegenüberliegenden Platz niederließ und versuchte, Winston mit der Leine an den Stuhl zu sichern.

Doch wie sich schnell zeigen sollte, erwies sich die kleine Bulldogge mehr als unkooperativ. Winston hatte bereits die Jack Russel Dame am Nachbartisch entdeckt und versuchte nun nach allen Regeln der Kunst, auf sich aufmerksam zu machen.

Kopf schüttelnd ließ Nik die Leine auf den Boden fallen und stellte einfach seinen Fuß darauf. Amüsiert hob Thea einen Mundwinkel und Nik legte den Kopf schief und musterte sie.

<<Was?>>, fragte er schließlich.

<<Oh. Nichts>>, gab sie frech zurück.

<<Du lachst doch über mich. Was ist so lustig?>>

<<Nein. Tu ich nicht. Aber ich bin jedes Mal überrascht, wie du dir als Vollprofi, von meinem Hund auf der Nase herum tanzen lässt.>>

Nik beugte sich leicht zu ihr vor. <<Alles nur Taktik. Solange er denkt, er sei der Boss, so lange darf ich sein Frauchen anbaggern. Aber sag ihm nichts davon>>, flüsterte er.

<<Ich verstehe. Und? Funktioniert es?>>

<<Bisher? Ich würde sagen, sie fressen mir beide aus der Hand>>, antwortete er und küsste ihre Fingerknöchel.

<<Ganz schön eingebildet, Dr. Berger.>>

<<Tja. Entweder man kann es, oder man kann es eben nicht.>>

An seiner linken Seite tauchte eine junge Frau auf und legte zwei Speisekarten auf den Tisch.

<<Möchten sie vielleicht schon etwas zu trinken bestellen?>>, fragte sie lächelnd.

<<Ich nehme ein Weizen. Alkoholfrei bitte>>, antwortete Thea.

<<Dem schließe ich mich an.>>

<<Kommt sofort>>, sagte die Servicekraft, nahm die Getränke auf und wandte sich an den nächsten Tisch.

<<Ich dachte, du magst kein Bier>>, bemerkte Nik und hob überrascht eine Augenbraue.

<<Tu ich auch nicht. Aber ich habe Durst. Und ein Weizen ist kein Bier, sondern ein Isotonisches Sportgetränk>>, konterte sie und schaute weg. Auch hinter der Sonnenbrille konnte Nik die Sehnsucht in ihrem Blick, deutlich spüren. <<Es ist wirklich schön hier.>>

<<Hm-hm. Aber nur, weil du da bist.>> Er schob seinen Daumen über ihre Hand und ließ ihn über die Knöchel gleiten.

<<Ach bitte.>> Sie schnitt eine Grimasse.

<<Nein. Ganz im Ernst. Ich will mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne dich wäre. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns begegnet sind.>>

<<So. Zweimal das Hefeweizen.>> Nik verfluchte die Kellnerin innerlich, ließ sich aber von seinem Unmut nichts weiter anmerken.

<<Haben sie schon gewählt?>>, fragte sie höflich, während sie Winston eine Schale voll Wasser unter den Tisch schob.

<<Ich fürchte, wir brauchen noch etwas>>, sagte Nik in der Hoffnung, dass sie nicht weiter nachhakte. Er hatte sich etwas überlegt. Und seine Nerven waren ohnehin zum Reißen gespannt. Wie würde sie wohl auf seine Bitte hin reagieren? Er wartete, bis sie wieder unter sich waren. <<Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja.>> Er räusperte sich kurz.

<<Ich wünschte, wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen.>>

<<Das wäre schön, ja. Aber wie soll das gehen?>>

<<Nun. Wir könnten damit anfangen, dass du bei mir einziehst>>, meinte Nik. <<Jetzt, wo Maximilian und Anni bald aus dem Haus sein werden. Für mich alleine, wäre es viel zu groß. Ich würde mich wirklich sehr freuen.>>

Thea nahm die Brille von ihrer Nase und blinzelte, noch immer sichtlich überrascht von dieser Frage.

<<Nik. Das ist ein großer Schritt. Wir sollten nichts überstürzen.>>

Verwundert zog er seine Hand zurück. <<Du willst nicht?>> Thea spürte seine Enttäuschung, obwohl sie noch keinerlei Chance bekommen hatte, dass Thema näher zu erläutern. Ein dumpfes Grollen war von der Straße aus zu hören und kam schnell näher. Was Nik dazu veranlasste, den Kopf von ihr abzuwenden.

Sie seufzte. <<Das habe ich nicht gesagt.>> Und öffnete den Mund um sich weiter zu erklären, hielt aber inne, da Nik ihr offensichtlich schon nicht mehr richtig zu hörte. Sie legte den Kopf schief, um ihn dazu zu bringen, sie wieder anzusehen. Doch Nik verweigerte sich ihr. Zuerst dachte sie, dass es an ihr lag. Dass sie ihn verletzt hatte. Doch dann erkannte sie, dass er seine Aufmerksamkeit in eine ganz andere Richtung gelenkt hatte. Auf etwas, dass ihm Angst zu machen schien.

Plötzlich zeichneten sich tausende verschiedene Regungen in seiner Miene ab. Thea wusste, dass es schon längst nicht mehr um sie ging. Sie hatte keine Ahnung wieso ausgerechnet jetzt, aber sie kannte die Symptome nur zu gut. <<Nik? Was ist mit dir?>>

Er schluckte hart und fixierte angestrengt einen Punkt auf der gegenüberliegenden Straße. Er hörte Theas Stimme nur noch im Unterbewusstsein. Ein anderes Geräusch, weitaus lauter und ihm wohl bekannt, schien auf ihn zuzukommen. Alles um ihn herum rückte in weite Ferne. Und dann nahm das Geräusch, das ihn so unvermittelt aus der Bahn geworfen hatte, eine Form an. Der bullige Dodge, genau wie Nik ihn einst besessen hatte, bog auf den Parkplatz ein. Die gleiche Farbe, dieselben mattschwarzen Zierstreifen über der Haube. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Herz begann zu rasen. Plötzlich war alles wieder da. Bilder tauchten vor seinem geistigen Auge auf und verschmolzen zu einer schmerzhaften und unerträglichen Erinnerung. Wieder hörte er den Schuss fallen, spürte die Todesangst und hörte die Schreie. Er musste hier weg. Sofort. Sein Selbsterhaltungstrieb funktionierte nur noch auf Sparflamme.

<<Bitte entschuldige mich kurz. Ich.. ich muss auf die Toilette>>, stammelte er vor sich hin und schaffte es irgendwie, sich von seinem Stuhl zu erheben. Thea machte Anstalten, ihn aufzuhalten, aber ein kreischendes Hundegebell ließ sie inne halten. Winston hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und war zu dem Objekt seiner Begierde gerannt. Was die kleine, korpulente Hündin alles andere als lustig fand. Mit gefletschten Zähnen und aufgestellten Nackenhaaren wies sie Winston in seine Schranken.

Der hingegen verstand die Welt nicht mehr. Ohne jegliche Gegenwähr ließ er sich von seinem Frauchen wieder einsammeln.

Thea entschuldigte sich höflich bei den Besitzern der Jack Russel Hündin. Zum Glück fanden diese die plumpe Anmache ihres Hundes überaus lustig und machten keine große Sache daraus.

Verzweifelt drehte sich Thea im Kreis und suchte den Biergarten ab. Von Nik nirgends eine Spur zu sehen. Der Fahrer des Dodge gab die Suche nach einem Parkplatz auf und beschleunigte wieder.

Im letzten Moment sah auch sie den Wagen und konnte eins und eins zusammenzählen. Aufgeregt kramte sie in der Handtasche nach ihrem Handy. Thea wusste, dass sie jetzt Hilfe brauchte, damit der Tag nicht in einer völligen Katastrophe endete.

Schwer atmend und mit zusammengekniffenen Augen hielt Nik eines der Waschbecken umklammert. Mit letzter Kraft hatte er den Toilettenraum erreicht und sofort den erstbesten Wasserhahn aufgedreht, den er greifen konnte. Die letzte Panikattacke war Monate her. Und diese hier kam so unvorbereitet, dass nicht viel zu einem völligen Zusammenbruch gefehlt hätte. Er hielt beide Hände unter das laufende Wasser und tauchte sein Gesicht mehrmals hintereinander in das kühle Nass. Mit der Zeit hatte er gelernt, mit solchen Situationen klar zu kommen, aber heute wollte es ihm nicht so richtig gelingen, sich wieder zu beruhigen. Sein Herz schlug ihm immer noch bis zum Hals. Was er gesehen hatte, konnte Nik einfach nicht aus seinen Gedanken verbannen.

Der Mann aus seinen Alpträumen war zurückgekehrt. So verrückt sich das auch anhörte, Nik war sich sicher. Er hatte ihn gesehen. Gerade eben. „ Aber das kann nicht sein. Du hast dich geirrt. Johansson ist tot. Du hast dich geirrt.“ Minutenlang verharrte er in dieser Position und kämpfte mit aller Macht gegen längst vergangene Bilder in seinem Kopf an. Wassertropfen rannen von seiner Stirn über Wange und Nasenspitze zurück ins Waschbecken. Er lauschte dem leisen Plätschern jedes gefallenen Tropfens und beruhigte sich zusehends.

Nik öffnete die Augen, starrte aber weiterhin ins Nichts, als plötzlich die Tür hinter ihm aufgestoßen wurde und jemand herein gerannt kam.

<<Okay Kumpel. Du kennst die Prozedur. Wir haben das schon hundert Mal zusammen gemacht.>>

Nik erkannte die Stimme seines Freundes auf Anhieb. <<Was machst du hier Karsten?>>, fragte er ruhig, ließ aber genervt den Kopf hängen. <<Du kannst dich beruhigen. Ich hab´s im Griff.>>

<<Das sieht mir aber nicht danach aus.>>

<<Verdammt, hör auf mich zu bemuttern. Ich sagte doch, ich hab´s im Griff>>, fauchte Nik. Eigentlich hätte er dankbar sein müssen, aber Karstens plötzliche Anwesenheit machte ihn wütend. <<Du hast meine Frage noch nicht beantwortet>>, knurrte er wiederholt.

<<Wow. Jetzt beruhigen wir uns aber erst einmal. Ich habe Thea draußen zufällig getroffen.>>

<<Zufällig, na klar.>>

<<Ja gut. Vielleicht nicht so ganz zufällig. Aber Thea hat sich wahnsinnige Sorgen gemacht und mich gebeten, nach dir zu sehen>>, erklärte Karsten sich.

<<Verarsch mich doch nicht. Wie lange verfolgst du uns schon?>>

<<Ich.. Was?>> Nun verschlug es Karsten beinahe die Worte.

<<Ist doch komisch. Ausgerechnet jetzt tauchst du hier auf. Hast du eigentlich auch mal frei? So als Privatschnüffler, meine ich?>>

Seufzend schloss Karsten die Augen und schüttelte den Kopf. Plötzlich verstand er, worauf Nik hinaus wollte. Und leider musste er zugeben, dass er Recht hatte. Der Zeitpunkt seines Auftrittes war mehr als schlecht gewählt. <<Wenn ich nicht genau wüsste, dass es nicht du bist, der da gerade mit mir spricht, dann würde ich dir jetzt vermutlich eine donnern.>> Karsten machte einen Schritt auf ihn zu, zog zwei Papiertücher aus dem Spender und reichte sie ihm. <<Hier. Für gewöhnlich bist du nicht so unhöflich. Was hat sich seit gestern geändert?>>

Nik sah ihn über die Schulter hinweg an und zu der Wut in seinem Blick mischte sich Unsicherheit. Nach kurzem Zögern riss er Karsten die Tücher aus der Hand, tupfte sich die restlichen Wasserperlen vom Gesicht und ließ das zusammengeknüllte Papier in den Mülleimer fallen. Langsam richtete sich Nik auf, drehte sich um und atmete tief durch. Da sich seine Beine immer noch wie Pudding anfühlten, zog er es vor, sich weiterhin an dem Waschbecken abzustützen.

<<Tut mir Leid>>, presste er hervor. <<Es ist nur...>> Er rang mit sich und suchte offenbar nach den richtigen Worten. <<Ich hasse diese Situationen. Ich fühle mich hilflos, nicht in der Lage allein zurecht zu kommen. Eben wie ein Baby, auf das man vierundzwanzig Stunden Acht geben muss. Kurz gesagt, es ist mir peinlich Karsten. Und dann tauchst du hier auf und findest mich so vor.>> Nik hob den Blick. <<Schon wieder>>, fügte er geknirscht hinzu. <<Ich hab wohl einfach etwas überreagiert.>>

<<Hast du wohl, ja.>> Karsten verschränkte die Arme vor der Brust.

<<War der Wagen der Grund? Thea hat da sowas angedeutet.>>

Nik schüttelte den Kopf. <<Nicht der Wagen, sondern das, was ich hinterm Steuer gesehen habe.>> Nik schluckte hart. <<Der Fahrer trug eine Maske. Dieselbe wie… wie…>>

<<Wie Johansson?>>

<<Ja.>>

<<Nik. Du hast dich geirrt. Ich habe den Wagen auch gesehen. Er kam mir entgegen. Der Fahrer trug eine Baseballkappe, aber keine Maske. Dein Unterbewusstsein hat dir einen Streich gespielt. Nichts weiter.>>

<<Großartig. Dann werde ich jetzt auch noch paranoid?>>

<<Oh mein Freund, das bist du schon. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich verdächtigst, dich Tag und Nacht zu beschatten. Sag mal, geht’s noch?>>

<<Ich sagte doch schon, es tut mir Leid.>>

Karstens Lippen zuckten. <<Schon gut. Ich kann es dir erklären. Ich war bei euch zu Hause…. Weil ich dir etwas zeigen wollte.>>

<<Du warst doch gestern Morgen erst da. Warum hast du es nicht gleich mitgebracht?>>, fragte Nik immer noch verunsichert.

<<Da –hatte- ich- es- ja- noch -nicht>>, antwortete Karsten und zog dabei jedes Wort übertrieben in die Länge. <<Jedenfalls sagte mir Max, dass ihr hier seid. Deshalb bin ich euch hinterher gefahren, in der Hoffnung euch zu finden. Dann hab ich deinen Mercedes auf dem Parkplatz gesehen und eines kam zum anderen.>>

Karsten verlagerte sein Gewicht von ein auf das andere Bein und seine schweren Stiefel verursachten dabei ein quietschendes Geräusch. Nik zog die Stirn in Falten und beäugte seinen Freund misstrauisch.

<<Wie siehst du eigentlich aus?>> Sein Freund war von Kopf bis Fuß in dickes, schwarzes Leder gehüllt. So wie es Motorradfahrer trugen. Karsten grinste verschwörerisch.

<<Fühlst du dich besser?>>

<<Ich denke schon.>>

<<Dann komm. Ich kann´s kaum erwarten, dein dummes Gesicht zu sehen.>>

Zur gleichen Zeit….

<<Bitte entschuldigen sie. Aber unsere Kaffeemaschine hat heute nicht ihren besten Tag. Sie macht, was sie will>>, erklärte sich die junge Kellnerin und stellte einen großen Pott vor ihm ab.

<<Kein Problem. Es gab in der Zwischenzeit so viel zu sehen, da ist mir gar nicht aufgefallen, wie schnell die Zeit verflogen ist>>, sagte er höflich und lächelte.

<<Ja. Sie sollten mal in ein, zwei Monaten wiederkommen. Zur Hauptsaison. Laut und beeindruckend zugleich.>> Er runzelte die Stirn und schaute die junge Frau fragend an. <<Na die ganzen Motorräder hier. Glauben sie mir. Das, was sie heute sehen, ist nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt.>>

Schätzchen, du glaubst gar nicht, wie egal mir diese Maschinen sind“, dachte er. <<Danke für den Tipp. Ich werde darauf zurückkommen.>>

<<Gerne>>, sagte sie und ging zurück ins Gebäude. Genüsslich nahm er den kleinen Keks, der als Beilage zu dem Becher serviert wurde, zur Hand und lehnte sich mitsamt dem Kaffeebecher zurück in seinen Stuhl. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie die beiden Männer das Innere des Restaurants verließen.

Dass Behrend ausgerechnet jetzt hier auftauchte, war zwar ein Ärgernis, aber nicht weiter schlimm. Er hatte schon vorher gesehen, was er sehen wollte. Sein kleiner, aber gemeiner Plan hatte wunderbar funktioniert. Er hatte Berger nun da, wo er ihn haben wollte. Wie zu erwarten, hatte die ganze Inszenierung den Mann völlig aus der Bahn geworfen.

Durch Zufall hatte er den Dodge auf einem Parkplatz, weiter unten am See, entdeckt und dem Fahrer die Geschichte von einer dämlichen Wette aufgetischt, die er mit seinem Kumpel am Laufen hatte. Ein paar Überredungskünste, Fünfzig Euro obendrauf und der Kerl erklärte sich bereit, bei seinem Spiel mitzumachen.

Weitere fünfundzwanzig Euro waren nötig, um ihn auch davon zu überzeugen, diese lächerliche Löwenmaske aufzusetzen. Er hatte schon vor einem Jahr nicht verstanden, warum sich Johansson für diese lächerliche Maskerade entschieden hatte. Aber so war es nun mal. Und dass der Dodge exakt die gleiche Lackierung hatte, wie Bergers alter Wagen, war einfach nur pures Glück gewesen.

Schon allein dafür, hatte sich die Investition mehr als gelohnt. Nicht mehr lange und er konnte endlich damit beginnen, Behrends Leben zu zerstören. Und zwar durch die Hand eines Menschen, von dem er es am allerwenigsten erwartet hätte.

Nik trabte, immer noch etwas unsicher auf den Beinen, hinter Karsten her. Auf Grund des Aufzuges hatte er eine gewisse Ahnung, was sein Kumpel im Schilde führte.

Zwar stand ihm im Augenblick nicht der Sinn nach weiteren Überraschungen, aber er hatte sich gerade so dermaßen daneben benommen, dass er Karsten unmöglich ein weiteres Mal vor den Kopf stoßen wollte. Also tat er weiterhin auf dumme Eule und folgte ihm in Schlangenlinie durch die eng anliegenden Tische auf der Veranda in Richtung Parkplatz.

Am hinteren Ende entdeckte er Thea, die sich, mit vor dem Bauch verschränkten Armen, mit einer anderen Frau unterhielt.

Auch sie trug eng anliegende Lederkleidung, allerdings weitaus farbenfroher, als es bei Karsten der Fall war. Nik fiel gleich der athletische Körperbau und die kurzen schwarzen Haare auf, die zwar für seinen Geschmack etwas zu hart im Kontrast zu ihren weichen Gesichtszügen standen, sie aber in keinster Weise unattraktiv erscheinen ließ.

Er hatte die Frau nie zuvor gesehen, aber ihm war jetzt schon klar, dass sich das in Zukunft sicherlich ändern würde. Sie hatten die beiden Frauen fast erreicht, als Thea ihren Kopf drehte und ihn über ihre Schulter hinweg, unsicher anlächelte. Plötzlich überkam Nik das Gefühl von Enttäuschung und schlechtem Gewissen gleichermaßen. Er erinnerte sich wieder an die Stelle ihres Gespräches, kurz bevor er sie einfach hatte so stehen lassen. Und auch, wenn er ihre Entscheidung, zumindest noch nicht bei ihm einziehen zu wollen, verstehen konnte, es tat trotzdem weh und fühlte sich an, als ob jemand eine Hand um sein Herz gelegt und zugedrückt hätte.

<<Alles in Ordnung?>>, fragte Thea leise und mit sorgenvollem Blick.

Nik sah sie kurz an und brachte ein knappes Lächeln zustande, dass aber weder seine Augen noch seine Gefühlslage erreichte.

<<Ja. Alles gut>>, antwortete er knapp. Aber er merkte, dass sein Auftreten ihr gegenüber wenig überzeugend war. Zum Glück kannte Thea ihn gut genug, um zu wissen, dass es im Moment wenig Sinn machte, ihn weiter zu bedrängen.

<<Sie müssen Nikolas sein>>, riss ihn eine weibliche Stimme aus den Gedanken. Nik wandte den Kopf und erblickte die ausgestreckte Hand, die sich ihm bot. <<Ich bin Mia. Schön, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen. Ich habe schon viel von Ihnen gehört>>, sagte sie freundlich.

<<Dann sind sie, also du, die geheimnisvolle Unbekannte>>, antwortete Nik freundlich, ergriff die Hand und registrierte im Augenwinkel, wie Karstens Kopf eine dunkelrote Farbe annahm.

<<Für meine Freunde Nik. Die Freude ist ganz meinerseits.>>

Verlegen kratzte sich Karsten am Nacken. <<Ähm. Gut. Dann haben sich ja jetzt alle vorgestellt>>, sagte er und stützte sich leicht auf dem breiten Lenker des bulligen Motorrades ab.

Niks Augen betrachteten die lange Silhouette der Maschine und sofort legte sich ein Grinsen auf Karstens Gesichtszüge.

<<Wow. Ein so schweres Bike, für eine so schlanke Frau? Wie lange fährst du schon, Mia?>>, fragte Nik und bemerkte nicht, wie das Grinsen verschwand.

<<Nun, eigentlich fungiere ich nur als Beifahrer. Ich habe zwar einen Führerschein, fahre aber schon seit Jahren nicht mehr selber. Mir fehlt einfach die Zeit dafür.>>

<<Ja, das kenne ich>>, antwortet Nik lachend und hielt plötzlich inne, als er eins und eins zusammengezählt hatte. <<Nein! Sag nicht, dass Ding gehört dir?>>

<<Tadaaaa!>>, rief Karsten voller Stolz und präsentierte das Bike mit einer fließenden Armbewegung.

<<Kannst du überhaupt damit umgehen? Ich meine, in deinem Alter?>>

<<Na vielen Dank auch>>, murrte Karsten und verschränkte die Arme vor der Brust.

<<Ich kann euch beruhigen. Die erste Ausfahrt hat ganz prima funktioniert. Wenn mir auch ein wenig der Kopf dröhnt>>, warf Mia ein. <<Das Ding ist ganz schön laut.>>

<<Der ist aber nicht original>>, rief Nik vom Heck der Maschine und staunte über den breiten Reifen.

<<Ich hab ein bisschen was machen lassen. Andere Schwinge, breiterer Hinterreifen, wie dir ja schon aufgefallen ist. Dazu noch eine neue Auspuffanlange, andere Lackierung und so weiter.>>

<<Und das ist alles eingetragen >>

<<Eingetragen und genehmigt. Hat mich ein kleines Vermögen gekostet, aber das Ergebnis ist es wert>>, sagte Karsten und ging neben Nik in die Hocke, um ihm die ganzen technischen Veränderungen näher zu erklären. Die beiden Männer waren nun vollends in ihrem Element und nahmen kaum noch etwas von ihrem Umfeld war.

<<Wollen wir zurück an den Tisch? Nik und ich hatten gerade vor eine Kleinigkeit zum Essen zu bestellen und ich glaube, im Augenblick sind wir eh überflüssig>>, meinte Thea.

Dabei ging es ihr weniger ums Essen. Vielmehr war sie der Meinung, dass ein wenig Distanz zwischen ihr und Nik nicht schaden konnte.

<<Gerne. Wenn wir nicht stören?>> Unsicher richtete Mia ihren Blick rüber zu Nik, dann wieder zu ihr. Sie schien zu ahnen, dass etwas nicht in Ordnung war.

<<Überhaupt nicht. Wer weiß, wie lange die zwei hier noch beschäftigt sind.>>

<<Bestell für mich bitte einen Burger mit, ja? Mit Käse und Bacon und dem ganzen Zeug>>, rief Karsten über den Sitz hinweg.

<<Klar. Und du Nik?>>

<<Ach. Irgendeinen Salat. Egal was>>, gab er kurz zurück und senkte wieder den Kopf.

Den Rest des Tages verbrachten die Vier zusammen auf der Holzveranda. Die Stimmung war ausgelassen und harmonisch. Thea und Mia redeten über Gott und die Welt. Die Männer hingegen hatten nur ein Thema drauf. Hin und wieder riskierte Thea einen Blick. Wenn Nik es mitbekam, reagierte er mit einem Lächeln. Einmal zwinkerte er ihr sogar ein Auge zu. Es schien alles wieder in bester Ordnung. Bis sich die kleine Gruppe am frühen Abend auflöste und sie alleine in Niks SUV zurück nach Hause fuhren.

Sonntag, 05.Mai, 18 Uhr 31

Im Inneren des Wagens herrschte eine merkwürdig angespannte Atmosphäre. Sie hatten kein Wort mehr miteinander gewechselt, seit sie den Parkplatz des Lokals verlassen hatten.

Winston lag wie üblich in seiner Transportbox, im Heck des SUVs und stöhnte hin und wieder leise auf, wenn er versuchte, es sich in der engen Kiste ein wenig bequemer zu machen.

Sie hatten den größten Teil des Sees bereits hinter sich gelassen und fuhren eine langgezogene Straße bergab, als Thea es nicht mehr aushielt und sie ihr Gewicht nach links verlagerte. Dabei lehnte sie ihren Kopf wieder gegen den Sitz und beobachtete Nik´s Spiel mit der Kiefermuskulatur. Ein Anzeichen dafür, dass er Böse war oder ihn zumindest irgendetwas zu beschäftigen schien. Dabei hatte er seinen Blick stur geradeaus auf die Fahrbahn gerichtet.

<<Sie analysieren mich schon wieder, Frau Dr. Meissner>>, knurrte er plötzlich und unerwartet.

<<Nein. Tue ich nicht.>>

<<Na dann.>> Und schon schien das Gespräch damit für ihn erledigt zu sein. Er streckte seinen rechten Arm aus und schaltete das Radio ein. Thea beobachtet weiter, wartete ein paar Sekunden und schaltete es wieder aus.

<<Was?>>, giftete Nik und richtete seinen Blick abwechselnd zu ihr und wieder zurück auf die Straße.

<<Du bist sauer auf mich, stimmt´s?>>, fragte sie ruhig aber bestimmt. <<Ich möchte nur verstehen, warum?>>

<<Ich bin nicht sauer. Wie kommst du darauf?>>

<<Naja. Seit wir im Auto sitzen, sagst du kein Wort mehr. Außerdem arbeiten deine Kiefer so sehr, dass es mir völlig schleierhaft ist, warum dein Zahnarzt deine Backenzähne noch nicht beanstandet hat.>>

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9783748589228
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