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KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

Oliver schwirrte der Kopf. Hatte Lucas seine Bombe etwa an die Nazis verkauft?

Er fand inmitten des Papierkrames ein Foto von Lucas. Darauf war nicht der kleine Junge zu sehen, sondern der alte Mann, den Oliver so sehr hasste. Und noch mehr als das Gesicht des alten Mannes erschreckte ihn, was er auf dem Foto trug: eine Nazi-Uniform.

Die Armee in seinem Traum! Es war die gleiche Uniform!

Erschüttert ging er einen Schritt zurück. Doch er hatte keine Zeit, sich seiner Furcht hinzugeben, denn plötzlich hörte er ein Motorengeräusch. Durch ein Dachfenster sah er, dass es draußen dunkel geworden war. Ein Lastwagen fuhr auf das Fabrikgelände. Er hielt an und mehrere Männer sprangen heraus. Sie gingen über den Innenhof. Eine kleine schemenhafte Figur führte sie in die Fabrik. Es war der junge Lucas.

Oliver packte den ganzen Papierkram zusammen und steckte ihn in die Tasche seines Overalls. Dann huschte er aus dem Raum und rannte die Wendeltreppe hinunter.

Er kam gerade rechtzeitig. Das Geräusch schwerer Stiefel hallte auf dem Flur, als Oliver sich in einer Ecke versteckte. Er konnte flüsternde Stimmen hören, die in scharfem, hastigem Deutsch kommunizierten.

Der Eingang zur Fabrik stand offen und ließ das helle Mondlicht herein. Die Männer verschwanden in einem Gang und kamen mit einer großen Kiste in die Fabrikhalle zurück. Dann gingen sie zum Ausgang. Lucas ging voran.

Ob in dieser Kiste die Bombe war?

Oliver hörte einen Schlag am Ende des Ganges, gefolgt von gedämpften Rufen und Klopfen. Armando! Lucas musste ihn in sein Büro eingesperrt haben!

Oliver war hin und her gerissen. Er wollte Armando befreien und gleichzeitig die Kiste im Auge behalten. Als die Männer sie zum Ausgang manövriert hatten, blickte Oliver noch einmal traurig zu Armandos Büro.

Es tut mir so leid, Armando, murmelte er.

Damit hatte er sich entschieden, vorerst nicht seinen Helden zu befreien, sondern sich aus der Fabrik zu schleichen und der Bombe zu folgen. Im Hof huschte er von Baum zu Baum durch das Mondlicht und duckte sich schließlich hinter einigen Mülltonnen. Von dort aus sah er zu, wie die Männer den Lastwagen beluden. Er musste etwas unternehmen!

Oliver schloss die Augen, um sich zu konzentrieren, aber plötzlich knackte ein Ast direkt neben ihm.

Er schoss herum und sah, wie eine Silhouette aus dem Schatten trat. Das erste, was Oliver auffiel, war das unheimliche blaue Leuchten seiner Augen. Es waren die Augen eines Kobalt-Sehers. Ein Feind!

Oliver schnappte keuchend nach Luft.

Lucas! Lucas war ein Seher! Ein Abtrünniger… Er hatte sich ganz eindeutig dem Bösen zugewandt.

„Was hast du nur getan!?“, rief er dem Jungen ins Gesicht.

Lucas grinste nur. „Er hat mir alles gesagt, der Mann aus der Zukunft. Er wusste, dass du kommst und dass du Armandos Liebling werden würdest… dass du meinen Platz einnehmen willst! Aber er hat mir auch gesagt, wie ich Armandos Zuneigung für immer gewinnen würde – indem ich diese Kiste ausliefere.“

Langsam ergab alles Sinn. Lucas aus der Zukunft hatte den jungen Lucas davon überzeugt, dass er den Nazis die Bombe verkaufen musste. Das waren die einzigen, die verrückt genug waren, die Bombe auch zu zünden.

„Er hat dich hereingelegt!“, schrie Oliver. „Verstehst du denn nicht, dass das deutsche Soldaten sind? Du hast ihnen die Atombombe gegeben!“

Lucas sah ihn skeptisch an. „Quatsch… Die Deutschen sind doch unsere Feinde…“

„Der Mann aus der Zukunft… Das bist DU!“, rief Oliver. „Er hat dich dazu gebracht, die Bombe an Hitler auszuhändigen!“

Aber Lucas wollte sich nicht überzeugen lassen. Sie hatten keine Zeit für große Erklärungen, Oliver musste verhindern, dass die Bombe ihr Ziel erreichte. Ohne an seine eigene Sicherheit zu denken, wollte er zu dem Lastwagen rennen, aber Lucas hielt ihn zurück. Oliver versuchte ihm zu entkommen und sprang zur Seite, aber er spürte, wie Lucas‘ Finger seinen Overall erwischten.

„Bleib stehen!“, schrie der Junge. „Du machst alles kaputt!“

Doch Oliver rannte schon wieder los. Lucas war direkt hinter ihm.

Der Motor des Lastwagens lief bereits. Die Abgase qualmten aus dem Auspuff. Oliver sprang mit Schwung in die beißende Wolke und landete mit einem harten Schlag an der Rückseite des Trucks. Seine Füße balancierten unsicher auf einem kleinen Vorsprung. Er versuchte, die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. Er fühlte, wie der Motor unter ihm vibrierte, als der Lastwagen beschleunigte. Oliver klammerte sich fest, während der Lastwagen aus dem Parkplatz fuhr. Kieselsteine knirschten unter den Reifen, keinen halben Meter unter ihm.

Er rüttelte wieder an der Tür zur Ladefläche und sah, wie Lucas hinter ihm her rannte. Doch der Lastwagen wurde schneller und die Entfernung zwischen ihnen wuchs.

Plötzlich gab das Schloss nach. Oliver öffnete die Tür und schwang sich hinein. Der Wind peitschte durch sein Haar, als er noch einmal zurückblickte. Lucas‘ Figur schrumpfte in der Ferne.

Oliver hatte keine Zeit, sich zu freuen. Lucas war nur eine kleine Hürde gewesen. Die eigentliche Herausforderung war die Kiste mit der Bombe. Er schlug die Tür zu und drehte sich langsam zu ihr um.

Der Lastwagen wurde immer schneller und er wurde über die Ladefläche geworfen. Mit dem Rücken prallte er gegen die verschlossene Tür. Er sank auf die Knie und wurde sofort von einer Seite auf die andere geschleudert. Olivers Magen rebellierte, doch er presste die Zähne fest aufeinander und bezwang seine Übelkeit. Er war schließlich schon auf dem Rücken eines Straußlers geritten. Das hier war nichts dagegen. Das Switchit-Match war ein gutes Training für ihn gewesen, das erkannte er jetzt.

Oliver stützte sich auf seine wackeligen Knie und kroch auf allen Vieren zu der Kiste, in der sich die Bombe befand. Er musste irgendwie an sie herankommen. Wenn er sie in die Finger bekommen würde, würde er ganz bestimmt auch einen Weg finden, sie zu zerlegen.

Er griff nach einer der Holzbohlen und zog daran, so fest er nur konnte. Doch es war zwecklos. Sie waren mit Nägeln befestigt. Die Kiste war nicht zu öffnen. Wenn er an die Bombe kommen wollte, brauchte er irgendein Werkzeug. Hinzu kam, dass Oliver von der rasanten Fahrt immer wieder durchgeschüttelt wurde. So sehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht lange genug auf den Beinen halten, um die Ladefläche gründlich zu durchsuchen.

Plötzlich hatte Oliver das Gefühl, sich nach oben zu bewegen. Der Lastwagen wurde auf eine Rampe gefahren!

Er rannte nach hinten und sah aus einem kleinen, verdunkelten Fenster in der Tür. Zu seinem Entsetzen sah er, dass sie direkt in den Frachtraum eines großen Militärflugzeugs gefahren waren!

Erst jetzt wurde ihm das ganze Ausmaß klar: Der Lastwagen mit der Bombe war auf dem Weg nach Deutschland, das von den Nazis kontrolliert wurde.

Und er würde mit ihr fliegen.

KAPITEL DREISSIG

Oliver hatte Angst. Als die Motoren des Flugzeugs zu dröhnen begannen, wurde es sehr laut im Frachtraum. Außerdem war es dunkel. So dunkel, dass Oliver nicht einmal die Hand vor Augen sehen konnte. Er versuchte, ruhig zu bleiben, aber gleichzeitig wusste er, dass er schnell etwas tun musste. Das Flugzeug hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Alles begann zu wackeln, während sie immer schneller wurden. Oliver hatte nichts, woran er sich festhalten und keinen Sitz, an dem er sich anschnallen konnte. Er würde mit der Atombombe nach Deutschland fliegen! Panik kroch in sein Bewusstsein.

Dann hoben sie ab. Sofort rutschte Oliver nach hinten. Die Schwerkraft schien sich durch den Auftrieb um ein Vielfaches zu verstärken und so wurde er fest gegen die Hintertür des Lastwagens gedrückt. Mit Mühe gelang es ihm, sich wieder nach vorne zu kämpfen, wo er tastend nach etwas suchte, an dem er sich festhalten konnte, doch es dauerte keine Minute, bis er wieder durch den Laderaum geworfen wurde. Oliver konnte nichts tun, außer die Augen zu schließen und die Zähne fest aufeinander zu pressen. Er musste abwarten, bis sie in der Luft waren und sich das Flugzeug stabilisierte.

Es schien ewig zu dauern. Sie stiegen immer höher und Oliver kam sich vor wie in einer Achterbahn. Im Gegensatz zu den Passagierflugzeugen, die Oliver gewohnt war, war dieses Militärflugzeug nicht dazu gemacht, seinen Passagieren Komfort zu bieten. Es flog hoch über den Wolken, damit der Feind sie nicht entdecken würde.

Irgendwann spürte Oliver, wie sich die Flugbahn stabilisierte. Endlich konnte er aufatmen.

Oliver erhob sich aus der unbequemen Position, in der er gegen die Hintertür des Lastwagens gekauert hatte, und stand vorsichtig auf. Eigentlich war es im Flugzeug viel angenehmer, als die wilde Fahrt im Lastwagen.

Wieder ging er zu der Kiste mit der gefährlichen Ladung. Er musste irgendwie an die Bombe kommen und sie unschädlich machen.

Er durchsuchte noch einmal den Lastwagen nach einem Werkzeug und obwohl es immer noch dunkel war, fiel es ihm jetzt viel leichter, sich frei zu bewegen. Zwischen ein paar kleineren Holzkisten fand er ein Brecheisen. Triumphierend zog er es zwischen den festgeschnallten Kisten heraus.

Oliver eilte zurück zur großen Kiste und suchte blinzelnd nach den Nägeln. Es war schwer in der Dunkelheit irgendetwas zu finden, aber schließlich gelang es ihm und er beeilte sich, einige Nägel herauszuziehen und die Bretter zur Seite zu werfen. Er arbeitete fieberhaft. Die Dunkelheit machte seine Aufgabe noch schwieriger, doch nach und nach kam er voran. Schließlich trat er zurück.

Er hatte die Bombe jetzt direkt vor sich.

Sie war noch viel erschütternder, als er je für möglich gehalten hätte. Es war nicht mehr nur ein Entwurf. Es war eine echte Bombe. Eine komplexe Maschine aus poliertem Metall; zwei Meter hoch; eiförmig; mit Drähten bestückt; voll mit tödlicher Macht.

Oliver erschauderte, als er an den kranken Geist dachte, der sie geschaffen hatte – Lucas. Seine Entschlossenheit, die Bombe zu zerstören, bevor sie den Menschen schaden konnte, wurde noch stärker.

Schnell griff er in seine Overall-Tasche und holte alle Pläne heraus, die er aus Lucas‘ geheimen Arbeitszimmer gestohlen hatte. Es war so dunkel, dass er sie ganz nah an sein Gesicht halten musste, um etwas zu erkennen. Lange studierte er sie und verglich das, was dort geschrieben und gezeichnet war, mit dem, was er vor sich hatte. So versuchte er herauszufinden, wie Lucas sie zusammengebaut hatte und wie er sie wieder demontieren konnte.

Zu seinem Leidwesen stellte er fest, dass sie extrem gut konzipiert war. Makellos. Offensichtlich hatte Lucas Ideen von Armando geklaut und sie für seine dunklen Machenschaften missbraucht. Die Bombe war nicht im Kopf eines brillanten Menschen entstanden, sondern in dem gestörten Kopf eines schrecklich bösen Sehers. Sie war mit vielen Tricks versehen, wie einem unsichtbaren Schild, das ihn an Esther erinnerte, und mit jeder Menge Drähte und Schalter, die es fast unmöglich machten, alles zu entschlüsseln. Eine falsche Bewegung und sie konnte einfach in die Luft fliegen.

Oliver würde Tage brauchen, um das alles zu entschlüsseln. Dabei würde das Flugzeug schon in ein paar Stunden Deutschland erreichen. Er fühlte sich überfordert, einsam und verzweifelt. Wenn er nur die Unterstützung seiner Freunde hätte, die Weisheit von Armando und die Erfahrung von Professor Amethyst!

Aber kaum hatte er das gedacht, wurde Oliver klar, dass er genau das hatte. All diese Menschen hatten ihm im Laufe der Zeit, die er mit ihnen verbringen durfte, etwas gegeben: ihre Ermutigung, ihr Wissen, ihre Erfahrung. Diese Aufgabe war wie für ihn gemacht! Alle nötigen Informationen waren in Oliver vereint. Abgesehen von Lucas war er der einzige Seher, der von Armando Illstrom ausgebildet worden war. Die Person, die am besten in der Lage war, diese Bombe zu zerlegen, war Oliver selbst. Deshalb hatte das Universum auch ausgerechnet ihn berufen.

Beflügelt von dieser Erkenntnis machte sich Oliver an die Arbeit. Er konzentrierte sich nur noch auf die anstehende Aufgabe. Er konnte vielleicht nicht tagelang daran arbeiten, aber es bestand immer noch die Chance, dass er in den wenigen Stunden, die ihm noch blieben, die Bombe untauglich machen konnte. Er vertiefte sich so sehr in seine Arbeit, wie er es bei der Arbeit am Periskop und bei der Herstellung des unsichtbaren Mantels getan hatte. Er holte jedes bisschen Wissen aus seiner Erinnerung, verlor sich in Theorie und Physik und konzentrierte sich voll und ganz auf die Bombe.

Alles andere blendete er einfach aus. Für seinen Verstand gab es nur noch diese eine Sache.

*

Plötzlich spürte Oliver, wie sich die Motorengeräusche veränderten. Sie verloren an Geschwindigkeit. Er wusste, was das bedeutete. Das Flugzeug bereitete sich auf die Landung vor.

Ein Blick auf seinen Stundenplan verriet ihm, dass tatsächlich mehrere Stunden vergangen waren. Außerdem blinkte sein Zeitplan jetzt rot und warnte ihn, dass er sich außerhalb der Schule befand. Das bedeutete, dass Esther die Öffnung in der Mauer geschlossen hatte und seine Chance, jemals wieder an die Schule zurückzukehren, vertan war. Er war von der Bombe so fasziniert, dass er nicht nur die Zeit, sondern auch das große Opfer, das er dafür brachte, völlig vergessen hatte. Obwohl er unablässig daran gearbeitet hatte, war die Bombe noch immer intakt und bereit, ihre Zerstörung auf der Welt zu verrichten. Panik packte ihn.

Oliver fühlte, wie sich die Flugbahn änderte. Er tastete nach irgendetwas, woran er sich hätte festhalten können, doch er fand nichts. Diesmal wurde er zur Vorderseite des Trucks geworfen, direkt hinter das Fahrerhaus. Er schlug hart gegen die Wand, wo er zusammengerollt liegen blieb und hoffte, dass es schnell vorbei war. Der Druck auf seinen Ohren nahm so schnell zu, dass er fast unerträglich war. Der Pilot ließ das Flugzeug ebenso schnell sinken, wie es aufgestiegen war.

Als die Räder auf den Boden aufsetzten, gab es ein schreckliches Rucken.

Sie waren gelandet. Jetzt war Oliver in Deutschland.

Als sie die Landebahn entlangfuhren, wurde er wieder über die Ladefläche geworfen und er hörte, wie die Triebwerke des Flugzeugs abbremsten. Er wusste, dass sie bald anhalten würden.

Die Lage wurde für ihn immer aussichtsloser. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen, aber alles ging so schnell, dass er nicht einmal ansatzweise dazu kam, sich einen Plan zurecht zu legen.

Bald blieb das Flugzeug stehen. Oliver hörte, wie die Motoren abgeschaltet wurden. Dann verrieten kratzende Geräusche ihm, dass die große Rampe zum Frachtraum bereits geöffnet wurde. Er hörte Schritte näher kommen. Ein Schlüssel sperrte die Fahrertür auf und kurz danach wurde sie zugeschlagen. Der Fahrer des Lastwagens startete den Motor.

Er rangierte das Fahrzeug rückwärts aus dem Flugzeug und schon fiel wieder Tageslicht durch das kleine Fenster. Sie waren unterwegs.

Oliver sprang auf und blickte aus dem kleinen Fenster. Der Anblick, der sich ihm bot, ließ sein Blut in den Adern gefrieren.

Er befand sich mitten im Deutschland der 1940er Jahre.

Überall prangten schwarze Hakenkreuze auf roten Fahnen.

KAPITEL EINUNDDREISSIG

Oliver schnappte nach Luft. An fast allen Gebäuden hingen riesige Hakenkreuze. Er sah sie auf jedem Verkehrsschild, an jedem Autofenster. Es sah aus wie ein Straßenfest, aber anstatt bunter Fahnen hing hier überall das Symbol des Hasses. Es tauchte die Stadt in ein Meer aus Rot und Schwarz. Gequält von diesem Anblick schluckte Oliver schwer.

Die Straßen waren abgesehen von wenigen Autos und Militärfahrzeugen leer. Oliver beobachtete, wie sie an einen mit Wehrmachtssoldaten besetzten Kontrollpunkt kamen. Sie passierten einen Lastwagen, der am Straßenrand stand und von Soldaten umringt war. Sie hielten ihre Gewehrte im Anschlag. Oliver wurde schlecht.

Er riss seinen Blick vom Fenster los und wandte sich wieder der Bombe zu. Er musste eine Entscheidung treffen, ein Risiko eingehen. Wenn er den falschen Draht erwischte, würde die Bombe explodieren und seine Welt untergehen. Aber wenn er nichts tat, würde Hitler die Bombe zünden und die Welt würde für zahllose Menschen untergehen.

Oliver wollte sich der Bombe wieder nähern, aber der Lastwagen brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er fiel zur Seite, als sie eine scharfe Linkskurve nahmen. Er landete schmerzhaft auf den Knien. Kaum hatte er sich wieder hochgezogen, warf ihn die nächste Kurve um. Geschwindigkeitsschwellen ließen ihn in die Luft fliegen und wieder aufprallen. Seine Zähne krachten unkontrolliert aufeinander.

Auf einmal hielten sie an. Oliver stürmte ans Fenster. Sie standen vor einem imposanten, graue Gebäude, das von Stacheldraht umgeben war. Erschrocken dachte er, dass das Hitlers Hauptquartier sein musste.

Langsam passierte der Lastwagen den letzten Kontrollpunkt. Wachtürme warfen dunkle Schatten über alles. Oliver blickte zu ihnen auf und erzitterte vor dem Anblick der schwer bewaffneten Soldaten, die darauf patrouillierten.

Dann zitterte der Lastwagen noch einmal, bis er schließlich still stand. Es war zu spät. Sie waren angekommen. Die Zeit war um und Oliver hatte noch keine Gelegenheit gehabt, einen der Drähte zu ziehen. Schnell versteckte er sich hinter der Kiste. Sein Fluchtinstinkt hatte übernommen.

Ein metallisches Geräusch verriet ihm, dass die Hintertüren des Lastwagens von außen geöffnet wurden. Er blickte aus seinem Versteck und sah mit Schrecken direkt in ein Gesicht. Ein Gesicht, das jeder Mensch auf dem Planeten kannte und fürchtete. Hitler.

KAPITEL ZWEIUNDDREISSIG

Oliver blieb der Atem in der Lunge stecken. Er konnte nicht glauben, dass er Hitler selbst, den bösartigsten Menschen der Welt, vor sich hatte. Schreckensstarr beobachtete er, wie der furchterregende Nazi-Führer in den Lastwagen blickte.

Hitler schien die herausgerissenen Holzbohlen nicht zu bemerken. Sein dunkler Blick war zu sehr auf die Bombe fixiert, um etwas anderes wahrzunehmen.

Seine Augen untersuchten systematisch, was da vor ihm lag. Oliver konnte darin die pure Freude sehen, die der Anblick dieser fortschrittlichen Technologie – oder besser diese teuflische Kreation – in ihm verursachte.

Hitler schien begeistert zu sein. Er sagte aufgeregt etwas auf Deutsch, doch der Mann, mit dem er redete, befand sich außerhalb Olivers Sichtweite. Dann verschwand auch Hitler wieder.

Jetzt bekam Oliver doch noch eine Gelegenheit. Hitler würde bald zurückkommen, um seine Waffe abzuholen. Aber in den Sekunden, die ihm zur Verfügung standen, musste er etwas tun. Jetzt oder nie. Er musste das Risiko eingehen und eine Entscheidung treffen.

Und auf einmal, als hätte das Universum selbst ihm eine Eingebung geschickt, war Oliver klar, wie er die Bombe zerstören konnte. Er hatte das Problem die ganze Zeit falsch betrachtet! Er hatte es aus den Augen eines Bombenentschärfers gesehen und nicht wie ein Seher! Er brauchte keinen Draht zu durchtrennen, um die Bombe stillzulegen; er musste sich vielmehr mit seinem Verstand in sie drängen und seine Begabung nutzen, um die Atome darin anders anzuordnen. Wie er es mit den Objekten in Armandos Büro getan hatte, musste er die Atome von einem Zustand in einen anderen bringen. Nur diesmal musste er sie in dem veränderten Zustand belassen.

Oliver schloss die Augen und entspannte seinen Verstand, um seine Kräfte heraufzubeschwören. Diesmal fiel es ihm leichter als je zuvor, als wirkte seine Angst als treibende Kraft. Mit klopfendem Herz machte er sich bereit.

Er visualisierte die Bombe in all ihren Details und absoluter Präzision, nicht nur ihre Drähte, Schrauben und Metallplatten, sondern jedes einzelne Atom. Er konnte alles sehen, in kristallklarer, perfekter Genauigkeit, vom Sonarschild, den Lucas um die Bombe gelegt hatte, bis hin zu den Chemikalien, die tief in ihr verstaut waren und die die Explosion verursachen würden.

Oliver visualisierte, wie sich die gefährlichen, empfindlichen Chemikalien zu Wasser verwandelten. Sofort spürte er den Widerstand, weil seine eigenen Kräfte mit Lucas‘ Schild kollidierten. Aber nach und nach merkte er, dass es funktionierte. Die Atome begannen, sich zu verwandeln.

Plötzlich hörte er Schritte. Seine Zeit war abgelaufen. Sie kamen um die Bombe abzuholen. Er musste an seiner Visualisierung festhalten und er durfte auf gar keinen Fall erwischt werden. Schnell duckte er sich hinter einem Stapel kleinerer Holzkisten.

Hitler kam mit mehreren Soldaten zurück.

Er beobachtete, wie die Bombe von der Rückseite des Lastwagens entladen wurde. Von seinem Versteck aus beobachtete Oliver, wie die Bombe auf einem Raketenwerfer montiert wurde, der sie in die Luft schießen sollte. Die Soldaten standen stramm, einer sah bedrohlicher aus als der andere. Die Spannung war fast unerträglich.

Olivers Anspannung wurde durch seine mentale Anstrengung, die Atome der Bombe in ihrer neuen Ordnung zu verankern, zusätzlich verstärkt.

Er beobachtete, wie die Männer die Waffe auf eine vertikale Bahre montierten, sodass ihre Spitze in den Himmel gerichtet war. Sie war startbereit.

Eine kleine Gestalt näherte sich. Seine Haltung war beeindruckend, seine Aura eisig. Der Wunsch, den roten Knopf zu drücken, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Sein Moment des Ruhms war gekommen.

Mit bösartigem Grinsen streckte Hitler die Hand nach dem großen roten Knopf aus.

Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
321 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9781640296862
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
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