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KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

Plötzlich hörte Oliver ein Hupen. Er drehte sich schnell um und sah ein Taxi direkt auf sich zukommen.

Sein Herz schlug wild, als er zurücksprang und auf dem Bürgersteig landete. Gerade noch rechtzeitig! Das Auto fuhr an ihm vorbei.

Erst als Oliver dem Wagen hinterherblickte, erkannte er, dass es kein Taxi war, sondern ein Polizeiauto. Es hatte ein kleines Schild auf dem Dach und das Wort Sheriff prangte auf der Seite. Das Auto hatte einen abgerundeten schwarzen Körper und große, glänzende Kotflügel. Es war ein altmodisches Modell aus der Zeit des zweiten Weltkrieges.

Sofort wusste Oliver ohne Zweifel, dass er wieder in der Vergangenheit war, im Jahr 1944.

Er sah sich um. Die Straßen von New Jersey waren genau so, wie er sie zuletzt gesehen hatte, als er Ralph in die Schule für Seher gefolgt war. Er stand an derselben Stelle, an der er die Welt verlassen hatte. Es waren sogar die gleichen Kinder, die auf dem Spielplatz mit Reifen und Bällen spielten, die gleichen elegant gekleideten Männer, die glänzende, schwarze Autos fuhren. Es war, als ob die Zeit stillgestanden hatte, während er in der Schule war, als wäre ein Tag in der Schule nur eine Sekunde hier draußen gewesen.

Es war ein beunruhigender Gedanke, aber Oliver war nicht allzu überrascht, wenn man bedachte, dass die Schule außerhalb der Zeit existierte. Bedeutete das, dass die Zeit, die er hatte, um Lucas aufzuhalten, bevor Esther den Riss in der Wand aufgeben musste, noch kürzer war als die angenommenen acht Stunden?

Oliver eilte zur Fabrik. Ohne Ralphs Hilfe musste er sich selbst in den Straßen zurecht finden. Er vermisste seine Freunde. Sie hätten ihm gewiss geholfen. Er fragte sich, was passieren würde, wenn sie aufwachten, bevor er zurück war. Was würde Esther ihnen über seine Mission sagen? Und wie würde Professor Amethyst reagieren, wenn er herausfand, dass Oliver weg war. Würde er ihn von der Schule werfen? Und wenn Oliver sein Vorhaben wirklich überleben und es zurück zur Schule schaffen würde, würde man ihn wieder hineinlassen?

Er lief an den Wohnhäusern und Munitionshallen vorbei, in denen die Arbeiter und Zivilisten ihr Leben im Schatten des Krieges führten. Er konnte die Anspannung, dass die Katastrophe überall lauern konnte, kaum ertragen. Das Leben zu Kriegszeiten musste furchtbar gewesen sein. Oliver war äußerst dankbar für die sicheren und friedlichen Tage, die er an der Schule für Seher verbringen durfte. Er hatte sie gebraucht. Jetzt hatte er das starke Gefühl, dass seine nächste Aufgabe ihn bald an seine Grenzen bringen würde.

Endlich tauchte die Fabrik vor ihm auf. Oliver bekam Gänsehaut. Trotz ihrer glänzend neuen Erscheinung verbreitete die Fabrik für Oliver ein Gefühl von Heimat. Er bekam Bauchschmerzen, wenn er an die Gefahr dachte, in der sie sich jetzt befand.

Wieder war er beeindruckt von der Lebendigkeit, die dort herrschte, als er auf den Haupteingang zuging. Arbeiter kamen und gingen, alle trugen denselben blauen Overall wie Oliver.

Grinsend stellte er fest, dass er überhaupt nicht auffallen würde.

Er eilte zu einer Gruppe von Arbeitern, die von der Bushaltestelle zur Fabrik gingen. Schnell mischte er sich unter sie und versuchte, in ihre Mitte zu bleiben. Er kam sich vor wie ein Chamäleon. Niemand schien seine Anwesenheit zu bemerken. Er ging mit der Gruppe die Stufen hinauf und betrat die Fabrik durch die große Doppeltür.

In der Fabrik angekommen, war er wieder beeindruckt, wie lebendig es dort in diesen Jahren zugegangen war. Überall waren Arbeiter und lärmende Maschinen. Ehrfürchtig bewunderte er die glänzenden Maschinen. Sie sahen aus, als wären sie aus Gold und nicht aus Messing. Die große Halle war offen, es gab weder Armandos falsche Wand noch das Labyrinth von Gängen, die viele Jahre später geheime Räume verbergen würden. Zu dieser Zeit war die Finanzierung der Fabrik noch kein Problem, sodass er zusätzliche Mauern und Durchgänge bauen konnte, um Eindringlinge zu verwirren. Dies war die Blütezeit der Fabrik! Armando arbeitete an der Erfindung unglaublicher Dinge. Damals war der Blick in die Zukunft aufregend und vielversprechend.

Langsam zerstreute sich die Gruppe von Arbeitern in alle Richtungen. Oliver musste Armando finden, bevor man ihn wieder aus der Fabrik warf.

Er blickte sich suchend um. Als Oliver ihn zuletzt gesehen hatte, hatte der Erfinder an seiner Werkbank gearbeitet, doch jetzt war er nicht mehr dort. Oliver schätzte, dass seit seinem letzten Besuch nur ein paar Minuten verstrichen waren. Oder doch mehrere Tage? Lief die Zeit hier draußen wirklich langsamer ab als in der Schule? Ob die Stundenpläne schon wieder aktiv waren? Er hoffte verzweifelt, dass er Lucas aufhalten konnte, bevor Esthers Kräfte nachließen.

Während Oliver die Fabrikhalle durchsuchte, wurde ihm plötzlich bewusst, dass er beobachtet wurde. Er drehte sich um und sah den jungen Lucas, der jede seiner Bewegungen wie ein Falke von der anderen Seite der Fabrik aus verfolgte. Jetzt, da Oliver wusste, was dieser Mann eines Tages tun würde, fühlte er sich unter diesem durchdringenden Blick unbehaglicher als je zuvor. Selbst als Junge hatte Lucas diesen sauren Gesichtsausdruck, als hätte er an einer Zitrone gelutscht. Oliver fragte sich, warum er so verbittert war.

Er wusste, dass Lucas wie beim letzten Mal die Wachen rufen würde. Er drehte sich um und eilte davon auf der Suche nach dem Eingang zu den Hinterzimmern der Fabrik. Er bahnte sich einen Weg durch die Gruppen von Arbeitern und versuchte, im Getümmel unterzutauchen.

Aber plötzlich stieß er mit jemandem zusammen. Lucas! Der Junge starrte Oliver böse an.

„Bist du schon wieder hier?“, knurrte er. „Ich dachte, unsere Wachen haben dir klar gemacht, dass du nicht willkommen bist. Du willst wohl noch eine Tracht Prügel!“

Oliver hatte keine Zeit, sich mit der jungen Version seines größten Feindes abzugeben; nicht, solange sein erwachsenes Gegenstück die Schule zerstören wollte! Aber schon als Junge war Lucas gemein und hartnäckig. Er kreuzte die Arme vor der Brust und versperrte ihm den Weg. Dabei sah er genauso hasserfüllt aus, wie Oliver ihn in Erinnerung hatte. Es existierte etwas Düsteres in ihm, das schon jetzt sichtbar war.

Oliver wollte an Lucas vorbeigehen, aber der Junge packte ihn grob und schob ihn zurück.

„WACHEN! Er ist schon wieder hier! Ergreift ihn!“

Oliver sah, dass die beiden bulligen Männer ihn von der anderen Seite der Fabrik aus entdeckt hatten und sich jetzt in Bewegung setzten. Wütend schoben sie sich zwischen den Arbeitern vorbei auf ihn zu.

Oliver befreite sich aus Lucas‘ Händen und flitzte in die andere Richtung. Er rannte durch die Fabrikhalle, um große Maschinen herum, und zwischen den Arbeitern hindurch.

Er sprang unter einen Tisch und rutschte auf den Knien über den Boden, bevor er auf der anderen Seite wieder hervorsprang. Dann war er wieder auf den Füßen und raste zur nächsten Gruppe von Arbeitern. Dort wiederholte er seinen Zickzacktanz. Der Flur mit den Hinterzimmern kam in Sichtweite. Er war fast da. Nur noch ein paar Meter.

Oliver rannte los, direkt in die Arme der beiden Wachen. Sie packten ihn grob und begannen, ihn in Richtung Ausgang zu schleppen.

„Nein! Wartet!“, flehte Oliver.

„Wir haben dir schon einmal gesagt, dass du abhauen sollst“, bellte einer der beiden gereizt.

„Aber Ihr versteht nicht…“, versuchte Oliver es noch einmal.

Doch es half nichts. Die Wachen ignorierten ihn und zogen ihn weiter durch die Halle. Als sie das große Tor erreichten, stieß einer der beiden die Tür auf.

„Verschwinde!“, rief der eine.

„Und lass dich hier nicht mehr blicken!“, rief der andere.

Sie warfen ihn buchstäblich auf die Straße. Oliver flog durch die Luft und landete hart auf seinem Hinterteil.

Dann wurde ihm die Tür vor der Nase zu gedonnert.

Plötzlich spürte Oliver eine Vibration in seiner Hosentasche. Er zog seinen Stundenplan heraus und stöhnte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er wieder aktiviert wurde. Das erste Leuchten kündigte sich bereits an.

Oliver hatte also Recht. Die Zeit lief innerhalb und außerhalb der Schule unterschiedlich schnell ab. Hier draußen tickten die Uhren langsamer. Bald würden auf seinem Stundenplan wieder alle Lichter brennen und dann wäre er für immer von der Schule für Seher ausgeschlossen. Wenn er das verhindern wollte, musste er zur Schule zurückkehren, bevor man sein Fehlen bemerkte.

Aber er konnte nicht gehen, so lange Lucas auf freiem Fuß war.

Oliver drückte seinen Stundenplan fest an sich. Er wusste, dass er bleiben musste, auch wenn er dafür sein neues Leben, seine Freunde und die Schule aufgeben musste. Er musste die Bombe finden und unschädlich machen.

Schweren Herzens schob er seinen Stundenplan zurück in die Tasche des Overalls.

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Sofort stand Oliver auf und ging um das Gebäude herum. Die Brennnesseln und Dornenbüsche, die er hier bei seinem ersten Besuch vorgefunden hatte, gab es glücklicherweise noch nicht. Auch die Fenster waren nicht mit Brettern vernagelt.

Auf der Rückseite des Gebäudes angekommen, warf er vorsichtig einen Blick durch eines der Fenster. Er stand vor einer Besenkammer, in der verschieden große Besen und Wischmops standen. Oliver ging weiter. Als nächstes kam er zum Pausenraum. Schnell duckte er sich, damit die Männer, die gerade am Tisch saßen und Brotzeit machten, ihn nicht bemerkten. Nur sehr zögerlich ging er zum nächsten Fenster. Er sah hinein.

Und tatsächlich, dort saß Armando an seinem Schreibtisch und sah durch das Fenster direkt zu Oliver. Er machte ein überraschtes Gesicht. Dann stand er auf und kam zu ihm.

Oliver freute sich wahnsinnig, seinen Mentor gesund und munter vor sich zu sehen.

Armando öffnete das Fenster.

„Was machst du da? Das ist ein Privatgrundstück.“

„Lucas!“, rief Oliver.

„Mein Lehrling?“, fragte Armando überrascht. „Was ist mit ihm?“

„Er baut eine Bombe!“, versuchte Oliver zu erklären.

„Aber er ist doch nur ein kleiner Junge.“

Es blieb keine Zeit zu erklären, dass er aus der Zukunft kam und Lucas als alten Mann gesehen hatte, denn Armando schlug das Fenster zu und wandte sich von Oliver ab.

Oliver drückte die Nasenspitze gegen die Glasscheibe. Er fühlte sich hilflos. Armando glaubte ihm nicht.

Aber er konnte nicht einfach aufgeben. Es war Zeit, drastischere Maßnahmen zu ergreifen, um Armando klar zu machen, dass er Oliver zuhören musste.

Als der Erfinder an seinen Schreibtisch zurückkehrte, holte Oliver tief Luft und konzentrierte sich. Er sammelte seine Kräfte.

Sofort spürte er, dass es hier um einiges schwieriger war, als an der Schule für Seher. Er fragte sich, ob um die Schule herum eine Art magisches Kraftfeld lag, das es den Schülern erleichterte, auf ihre Kräfte zuzugreifen, genau wie die anderen Hilfestellungen – die Brille von Dr. Ziblatt oder der Helm von Coach Finkle.

Aber nach ein paar weiteren Sekunden stellte er erleichtert fest, dass es zwar schwieriger war, aber nicht unmöglich. Es kostete ihn mehr Mühe als sonst, ein Bild in seinem Kopf heraufzubeschwören, und noch mehr Mühe, es in die Realität umzusetzen, aber langsam fühlte Oliver, dass es zu wirken begann. Schweiß lief über seine Stirn, während er all seine Aufmerksamkeit auf die Gegenstände auf Armandos Schreibtisch richtete und eine neue Realität in seinem Kopf erzeugte.

Lineal, Bleistift, Kompass und Winkelmesser stiegen langsam vor Armandos Augen in die Höhe. Der Erfinder sprang zurück.

Oliver behielt den Fokus auf den Gegenständen. Langsam, ganz langsam zog er ihre Atome immer weiter auseinander, bis er sie nach und nach in Gas verwandelte. Als graue Wolke formten sie die Nachricht: Lass mich rein!

Armando beobachtete das Geschehen fassungslos. Dann drehte er sich wieder um und starrte Oliver durch das Fenster an. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass er verunsichert war. Oliver betete, dass diese Vorführung Armando dazu brachte, ihn anzuhören.

Der junge Erfinder war wie eingefroren. Immer wieder Blickte er von Oliver zu den Buchstaben und zurück. Man konnte ihm ansehen, dass er neugierig war, sich aber auch fürchtete. Dann schüttelte er plötzlich den Kopf, nahm ein paar Blätter von seinem Schreibtisch und verließ das Zimmer.

Enttäuscht ließ Oliver von seiner Visualisierung ab. Lineal, Bleistift, Kompass und Winkelmesser verwandelten sich in ihre normalen Strukturen zurück und fielen klappernd auf die Tischplatte.

Er kippte nach vorne und stützte die Hände auf den Knien ab. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, seine Kräfte in der echten Welt zu mobilisieren. Er fühlte sich wie nach einem Marathon. Alles umsonst! Armando hatte sich geweigert zu glauben, was sich direkt vor seinen Augen abspielte.

Oliver musste die Bombe also alleine finden.

Er richtete sich wieder auf, legte die Hand an den Fensterrahmen und versuchte, das Fenster nach oben zu schieben. Dann zog er sich hinauf und kroch durch den Spalt. Erschöpft landete er auf dem Boden in Armandos Arbeitszimmer. Es war ein Jammer, dass seine Kräfte so schwer einzusetzen waren. Bei all den Stürzen hätte sein Körper ein bisschen Polsterung gebrauchen können. Sein Hintern war wahrscheinlich schon grün und blau!

Oliver stand auf und ging schnell zur Tür. Er steckte den Kopf in den Gang und sah sich um. Niemand zu sehen.

Links würde er zurück in die Fabrikhalle und zu den Wachen kommen, deswegen entschied er sich, nach rechts zu gehen. Er lief so schnell und so leise er konnte und erreichte bald eine Tür. Ein Blick durch das Schlüsselloch verriet ihm, dass sich dahinter ein Lagerraum befand. Oliver ging weiter. Die Tür zum nächsten Raum war einen Spalt breit geöffnet. Schnell schaute er hinein und sah hohe Holzregale mit staubigen, alten Büchern.

Oliver warf einen suchenden Blick in jeden Raum, an dem er vorbeikam. Wo konnte Lucas die Bombe verstecken?

Schließlich erreichte er die letzte Tür im Gang. In seiner eigenen Zeitebene war an dieser Stelle die riesige Stahltür zu Armandos geheimen Arbeitsraum, in dem er die Zeitmaschine gefunden hatte. Aber noch gab es diesen Raum nicht. Die Tür war aus Holz wie alle anderen auch.

Oliver öffnete sie und sah hinein. Der Anblick war enttäuschend. Der Raum war mit alten Möbeln vollgestellt.

Frustriert schloss Oliver die Tür wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sein Herz hämmerte nervös. Jede Sekunde, die verstrich, fühlte sich an wie Zeitverschwendung.

Er zerbrach sich den Kopf nach einem Hinweis, einer Erinnerung oder einer Idee.

Plötzlich fiel ihm etwas ein. Während der kurzen Zeit, die er mit Lucas zusammengearbeitet hatte, war ihm bei dem alten Mann etwas aufgefallen. Er war immer wieder in eine bestimmte Ecke gegangen. Es war nur eine Nische neben der Werkbank, aber Lucas war mehrmals am Tag dorthin gegangen. Oliver fragte sich, was Lucas an dieser Nische so wichtig war.

Er rannte zurück in den Gang und schaute durch ein Fenster auf den Hof der Fabrik. Noch immer waren Arbeiter unterwegs, die von hier nach dort gingen, aber da der Tag langsam zu Ende ging, waren es deutlich weniger geworden. Oliver sah zu der Stelle, an der sich später Lucas' Werkbank befinden würde. Obwohl dort noch nichts war, gab es die Nische bereits. Oliver hatte nur eine Chance, die Nische zu erreichen ohne entdeckt zu werden.

Er wartete, bis eine Gruppe von Arbeitern zur Tür gegangen war, dann rannte er so schnell er konnte zu der Nische, wo er sich duckte um wieder außer Sichtweite zu sein.

Doch Oliver war nicht sicher, wonach er suchte. Es schien eine ganz normale Wand zu sein. Es gab keine Falltür oder geheimen Fächer. Er tastete die Wand ab. Plötzlich spürte er, dass die Textur unter seinen Fingerspitzen an einer Stelle anders war.

Einer der Backsteine war locker! Er versuchte seine Finger in den engen Spalt zu schieben und den Stein zu bewegen. Mit etwas Mühe schaffte er es, den Stein zu lösen. Tatsächlich! Hinter dem Stein war ein Hebel!

Oliver verlor keine Sekunde. Er zog den Hebel und sofort klickte die Wand nach hinten. Lag dort noch einer von Armandos geheimen Räumen? Oder lauerte auf der anderen Seite etwas noch Unheimlicheres? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden. Oliver musste hineinklettern.

Schnell sah er um die Ecke der Nische. Die Fabrik war jetzt fast leer. Die Wachen waren damit beschäftigt, die Arbeiter zu verabschieden und solange sie abgelenkt waren, wollte Oliver die Gelegenheit nutzen. Leise öffnete er die Klappe, so weit es ging und rutschte hinein. Dann zog er sie hinter sich wieder zu.

Es war dunkel und roch nach Staub. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er eine schmale Wendeltreppe aus Metall. Sie war rot lackiert und kam Oliver irgendwie bekannt vor. Er erinnerte sich daran, wie Lucas ihm bei dem Rundgang durch die Fabrik gesagt hatte, dass er dort oben sein Zimmer hatte. Aber das war in der Zukunft. Ob er jetzt auch schon dort wohnte?

Oliver atmete ein paarmal tief durch, dann stieg er so leise wie möglich die Stufen hinauf.

Als er endlich oben ankam, befand er sich direkt unter dem Dach des Gebäudes. Wieder stand er vor einer Tür. Es musste die Tür zum Dachboden sein.

Er versuchte, sie zu öffnen, aber sie war abgeschlossen. Jetzt war er sicher, dass sich dahinter ein Geheimnis verbarg. Glücklicherweise hatte er in den Jahren, die er mit Chris zusammen unter einem Dach verbracht hatte, sich schnell selbst beigebracht, wie man Schlösser ohne große Mühe aufknackte. Unzählige Male hatte dieser Tyrann von einem Bruder ihn aus den Häusern ausgesperrt, und so musste er immer wieder Fenster von außen öffnen und Schlösser aufbekommen. Damals hatte er schrecklich gelitten, aber jetzt kam ihm diese Fähigkeit sehr zugute.

Nach wenigen Versuchen hörte er, wie das Schloss knackte und schon betrat Oliver den Dachboden.

Oliver erstarrte. Ihm war sofort klar, dass er den geheimen Arbeitsplatz seines Erzfeindes entdeckt hatte.

Auf Schreibtisch und Fensterbrett lagen Skizzen und Notizbücher. Oliver nahm ein paar Blätter mit Notizen und Diagrammen in die Hand, um herauszufinden, woran Lucas arbeitete. Es sah aus wie ein Eiförmiges Gebilde mit Drähten auf einem Sockel, der zur Stabilisierung diente. Es erinnerte ihn an eine Rakete.

Er blätterte um und hielt einen anderen Entwurf in den Händen, eine Überarbeitung des vorherigen Designs. Auf der nächsten Seite fand er noch mehr Linien und Formen.

Während er sich durch das Notizbuch arbeitete, wuchs seine Furcht. Die Diagramme und Zeichnungen wurden immer akribischer. Sie sahen nicht mehr aus wie die phantasievollen Zeichnungen eines aufgeregten Kindes, sondern wie die präzisen Schaltpläne eines Wissenschaftlers. Die Handschrift wurde immer gründlicher und regelmäßiger, bis sie auf den letzten Seiten wieder zittriger wurde, wie die Schrift eines alten Mannes.

Erschrocken starrte er auf die Pläne. Er hatte wirklich Lucas‘ Geheimnis gelüftet. In den Händen hielt er den Entwurf für eine Atombombe.

Doch das war noch nicht alles. Auf dem Tisch lagen noch weitere Dokumente – und sie waren nicht auf Englisch verfasst.

Er kannte die Sprache aus der Schule. Es war Deutsch. Er verstand zwar nicht allzu viel davon, aber konnte sie zweifelsfrei identifizieren. Olivers Herz schlug schneller. Die Deutschen waren damals im Krieg die Feinde!

Er blätterte weiter. Neben der wissenschaftlichen Arbeit fanden sich unter den Dokumenten auch Aufzeichnungen von schriftlicher Korrespondenz. Leider war Olivers Deutsch nicht gut genug, um zu verstehen, was darin gesagt wurde.

Als er die letzte Seite erreichte, brauchte er keine Übersetzung mehr um zu wissen, wie gefährlich diese Dokumente waren. Sein Herz blieb beinahe stehen, als er erkannte, dass dies ein Vertrag war, den Lucas unterzeichnet hatte.

Und dort, wo die andere Unterschrift zu sehen war, prangte ein Hakenkreuz.

Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
321 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9781640296862
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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