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KAPITEL DREIUNDDREISSIG

Oliver wollte nicht hinsehen, aber er konnte auch nicht wegschauen. Er musste sich auf seine Visualisierung konzentrieren und durfte dabei nicht wanken. Wenn er die Konzentration auch nur eine Millisekunde verlor, konnte das katastrophale Folgen haben.

Er hielt den Atem an. Jede Faser seines Körpers war angespannt. Er konzentrierte sich mit aller Kraft darauf, eine Explosion zu verhindern.

Hitler hielt seine Handfläche über den großen roten Knopf. Für einen kurzen Moment fragte sich Oliver, ob er seine Meinung geändert hatte, ob ihm das Ausmaß seiner Handlungen plötzlich bewusst wurde. Doch dann wurde ihm klar, dass Hitler diesen Moment nur herauszögerte, um seine Macht voll auszukosten. Er hielt sich selbst für eine Art Gott und er badete in der ultimativen Macht, die ihm diese Waffe gab.

Oliver konnte klar und deutlich sehen, was Professor Amethyst ihm über das Böse gesagt hatte, über die Gier, die den Menschen verzehrte. Oliver beschloss in diesem Augenblick, dass er sich niemals von seinen Kräften verführen ließ, wenn er das hier überlebte. Er wollte nicht so sein wie Lucas. Obwohl in ihm auch ein Kobalt-Seher schlummerte, würde er sein Leben lang gegen die dunkle Seite kämpfen.

Er durfte jetzt nicht versagen. Oliver hielt den Atem an und fixierte das Bild in seinem Kopf.

Hitler hielt immer noch die Hand über den Knopf. Die Augen seiner Soldaten waren vor Aufregung geweitet. In einer plötzlichen, heftigen Bewegung schlug Hitler mit der Handfläche zu.

Die ganze Welt schien stillzustehen. Oliver fühlte ein schreckliches Ziehen in seinem Kopf, Kopfschmerzen zuckten wie Blitze durch sein Gehirn. Die Atome in der Bombe kämpften gegen Olivers Vision und schlugen in seinem Verstand um sich wie die Fäuste eines Tyrannen. Der Befehl in Olivers Kopf stand in direktem Gegensatz zu dem Befehl, den Hitler soeben per Knopfdruck gegeben hatte. Die Gesetze der Physik, auf denen die Bombe beruhte, waren aus der Bahn geworfen. Olivers Kräfte wurden auf eine Belastungsprobe gestellt, der er kaum noch standhalten konnte.

Hitlers Gesicht lief rot an. Immer wieder ließ er die Hand auf den Knopf knallen und Oliver spürte jedes Mal einen mächtigen Schlag. Doch die Zündung blieb aus. Die Bombe wurde nicht abgefeuert.

Mit jedem Schlag wurde Oliver schwächer. Er wusste nicht, wie lange er noch durchhalten konnte. Doch Hitler ließ nicht locker. Er versuchte es wieder und wieder. Inzwischen schlug er mit der Faust auf den roten Knopf ein.

Olivers Kräfte schwanden mit jeder Sekunde. Er würde gleich zusammenbrechen!

In diesem Moment trat Hitler zurück.

Er gab auf!

Brüllend warf er den Kopf nach hinten.

Oliver löste die Visualisierung und lockerte erleichtert seine Spannung. Er atmete schwer und seine Muskeln schmerzten. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Kiefer ganz verkrampft war, so fest hatte er die Zähne aufeinandergebissen. Sein Rücken war nass vom Schweiß. Sein ganzer Körper war geschwächt und fühlte sich an wie Wackelpudding.

Er hatte überhaupt keine Kraft mehr. Seine Fähigkeiten als Seher waren vollständig aufgebraucht. Oliver taumelte. Er war kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Er klammerte sich an eine der Kisten, um nicht zu stürzen. Fürs Erste hatte Oliver verhindert, dass die Bombe explodierte, aber er war so geschwächt, dass er die Atome nicht noch einmal halten konnte, wenn Hitler es sich jetzt anders überlegte und den Knopf erneut drückte.

Er beobachtete Hitler angespannt und beschwor ihn, einfach zu gehen. Doch plötzlich drehte sich der Mann um. Olivers Herz blieb stehen. Hitler starrte auf den roten Knopf. Oliver betete, dass er ihn nicht noch ein letztes Mal drücken würde. Er spürte, wie jede Faser seines Körpers rebellierte, als Hitler langsam einen Schritt auf die Bombe zuging. Dann noch einen.

Schließlich blieb er stehen. Er war jetzt direkt neben der Bombe. Dann wandte er sich an seine Soldaten, bellte irgendeinen Befehl auf Deutsch und ging weg.

Er hatte aufgegeben.

Oliver hatte es wirklich geschafft. Er hatte verhindert, dass Lucas‘ bösartiger Plan in Erfüllung ging. Er fühlte, wie sein Herz schneller schlug.

Aber die Gefahr war noch nicht gebannt. Oliver hatte vielleicht die Welt gerettet, aber jetzt musste er sich selbst retten. Er saß in der Falle. Es würde nur eine Frage von Minuten sein, bis sie ihn entdecken würden. Er musste irgendwie entkommen.

Hitlers Soldaten sprachen eilig miteinander. Sie schienen sehr aufgeregt und verwirrt zu sein, während sie zusehen mussten, wie ihr wütender Anführer noch wütender wurde. Hitler stand am Rande des Wahnsinns, Spucke spritzte von seinen Lippen, während er ihnen Befehle entgegenschmetterte.

Es gab nur ein Wort, das Oliver verstehen konnte.

„Sabotage!“

Die Soldaten rannten in alle Richtungen und durchsuchten jeden Winkel. Dann zeigte einer auf den Lastwagen, in dem Oliver sich versteckte.

Panisch zog Oliver sich wieder hinter die Kisten zurück, ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. Er musste etwas tun!

Oliver ging in sich und versuchte, seine Kräfte noch einmal zu sammeln. Aber außer einem leichten Prickeln spürte er nichts. Er konnte sie überhaupt nicht mehr erreichen. Sie waren versiegt.

Ohne seine Kräfte hatte er nur eine Möglichkeit. Er musste weglaufen.

Er sprang aus seinem Versteck auf und stürmte los. Doch es war zwecklos. Seine Beine konnten ihn kaum aufrecht halten. Er fiel nach wenigen Schritten auf den harten Asphalt.

Die Soldaten sahen ihn sofort. Innerhalb von Sekunden war er umzingelt. Von Hass verzerrte Gesichter blickten auf ihn herab. Unter ihnen war auch das Gesicht, das Oliver am meisten fürchtete. Hitler.

Voller Verachtung starrte er Oliver an. Weder Edmund noch Chris trugen solch einen Hass in sich. Nicht einmal Lucas! Sie alle waren nichts im Vergleich zu diesem Mann. Oliver hatte den Eindruck, dass Hitler genau wusste, wer die Bombe manipuliert hatte.

Dann murmelte Hitler ein Wort, das Olivers Verdacht bestätigte.

„Seher.“

Hitler wusste also Bescheid. Oliver erstarrte.

Er schrie etwas auf Deutsch. Oliver verstand zwar die Worte nicht, wohl aber die Kälte in seinem Ton. Hitler hatte soeben seinen Tod angeordnet.

Oliver wusste, dass das sein Ende bedeutete. Sie würden ihn töten. Sein Leben war vorbei. Sein einziger Trost war, dass er die Welt gerettet hatte, so hatte sein Leben wenigstens einen Zweck erfüllt. Damit hatte sein Tod Bedeutung. Er machte sich gefasst auf das Unvermeidliche, auf den Schlag, der sein Leben auslöschen würde.

Doch der kam nicht.

Plötzlich erschallte über ihnen das Dröhnen eines Triebwerks. Plötzlich starrten alle in den Himmel, Oliver, die Soldaten und auch Hitler, der aussah wie ein Geistesgestörter.

Oliver suchte den düsteren Himmel ab, um die Quelle des Geräusches auszumachen. Er erwartete deutsche Flugzeuge, aber stattdessen sah er etwas ganz anderes.

Durch die grauen Wolken schnitt ein sehr kleines Flugzeug, wie es Oliver noch nie zuvor gesehen hatte. Es bewegte sich schneller und wendiger als alle Helikopter und Flugzeuge, die er je gesehen hatte. Mühelos schwebte es über ihnen am Himmel. Es hatte eine seltsame metallisch-weiße Farbe und das klare Fenster an der Vorderseite sah aus, als wäre es aus einer Kunststofffolie, wie ein High-Tech-Schild. Die Technologie dieses Fluggeräts konnte nur aus der Zukunft kommen, dachte Oliver plötzlich.

Olivers erste schreckliche Vermutung fiel auf Lucas. Hatte der alte Mann ein besonderes Flugobjekt erschaffen, um damit in die Vergangenheit zu reisen und die Geschichte umzuschreiben? Sicher würde er alles nach seinen Wünschen manipulieren.

Doch dann bemerkte er, dass er falsch lag. Das Flugobjekt gehörte nicht dem Feind, sondern seinen Freunden! Denn ganz hinten auf dem Flugzeug sah Oliver ein Symbol, das er sofort erkannte: Der Ring mit den drei Augen – das Symbol seiner Schule! Es hier, zwischen den Hakenkreuzen zu sehen, kam Oliver geradezu abwegig vor. Hatte er es herbeigewünscht? Hatten seine Freunde und die anderen Seher gespürt, dass er Hilfe brauchte?

Als das Flugzeug nahe genug war, blickte Oliver ins Cockpit und entdeckte dort keinen Geringeren als Professor Amethyst!

Hitler brüllte etwas auf Deutsch und sofort hörte Oliver das Trommeln der Stiefel, als die Soldaten anrückten. Er wandte seinen Blick vom Himmel ab und sah mit Schrecken die Waffen der Soldaten. Sie richteten ihre Geschütze auf den Himmel und begannen, auf das Flugzeug zu schießen.

„Nein!“, schrie Oliver.

Das Geschützfeuer war so laut, als würde jeder einzelne Knall sein Trommelfell zerreißen. Oliver konnte nichts tun, außer seinen Arm schützend vor das Gesicht zu halten und zu beten, dass das Flugzeug dem Kugelhagel standhielt.

„OLIVER!“, hörte er plötzlich jemanden rufen.

Er blickte nach oben und konnte kaum glauben, wen er dort sah. Es musste eine Illusion sein!

Oder war sie es wirklich?

Esther!

KAPITEL VIERUNDDREISSIG

Jetzt geschah alles auf einmal. Oliver beobachtete, wie Walter, Hazel, Simon und Ralph im Cockpit hinter Esther erschienen.

Oliver hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, warum sie hier waren und wie sie ihn gefunden hatten. Das Einzige, was jetzt zählte, war seine Chance, sich aus dieser ausweglosen Situation zu retten, obwohl noch vor wenigen Sekunden sein Tod sicher schien.

Er lag noch immer auf dem Boden, sein Körper und sein Geist waren kraftlos, aber Oliver empfand eine Welle der Dankbarkeit und Erleichterung, als seine Freunde entschlossen auf die Soldaten zusteuerten. Er hatte die Welt gerettet und jetzt würden sie ihn retten.

Während die Soldaten alle von Professor Amethysts Flugobjekt abgelenkt waren, beschwor Ralph seine Kräfte und ließ dicke, dunkle Wolken aufziehen. Wie schwarze Wellen schoben sie sich heran und verdunkelten den Himmel. Die Schüsse verhallten, die Soldaten hatten ihr Ziel nicht mehr klar im Visier.

Simon ließ dicke Regentropfen aus Ralphs Wolken fallen. Sie donnerten in einem Sturzbach hinunter und durchweichten Oliver und die Soldaten.

Die ersten Soldaten lösten sich aus der Gruppe um Schutz zu suchen. Oliver sah auch Hitler weglaufen. Er verließ seine Armee. Er war also wirklich ein Feigling, wie er in den Geschichtsbüchern beschrieben war. Er musste herausgefunden haben, dass die Seher seine Pläne durchkreuzt hatten. Gegen ihre Macht konnte kein Sterblicher etwas ausrichten. Doch die Soldaten wussten es nicht. Er hatte sie im Stich gelassen, damit sie das Chaos bereinigten, das er verursacht hatte.

Endlich bekam Oliver eine Chance, ihm zu entkommen. Schnell stemmte er sich auf Hände und Knie, noch immer fassungslos, dass er noch am Leben war. Er versuchte aufzustehen, aber seine Beine gaben nach. Seine Muskeln hatten einfach keine Kraft mehr.

Plötzlich erschien jemand neben ihm. In der Dunkelheit unter Ralphs Wolke konnte er nur das Funkeln smaragdgrüner Augen erkennen.

„Esther“, keuchte er.

Sie legte ihren Arm um ihn und half ihm auf die Beine. Dann schleppte sie Oliver über den Platz zu einer kleinen Überdachung. Dort fiel er wieder auf die Knie.

Esther drehte sich um und wollte wieder zurück in den Regen gehen, aber Oliver hielt sie am Arm fest.

„Wie bist du hierhergekommen?“, fragte er.

„Jetzt ist keine Zeit für Erklärungen“, entgegnete sie, „bleib hier und warte auf uns!“

„Hitler…“, stammelte Oliver, „…er ist entkommen!“

„Wir haben keine Zeit!“, wiederholte Esther und schon verschwand sie in der Dunkelheit.

Schnell projizierte Esther einen Schild um sie herum, genau wie sie es bei dem Angriff der Fledermäuse getan hatte. Oliver blieb unter dem Vordach und beobachtete, wie sich jetzt Hazel vorbereitete, ihre Kräfte zum Einsatz zu bringen. Wie würde sie ihre chemische Begabung nutzen? Verblüfft beobachtete Oliver, wie sie die Zusammensetzung des Regens zu verändern schien. Die Wolken sahen jetzt merkwürdig orange aus. Als die veränderten Regentropfen vom Himmel fielen, begannen die Soldaten vor Schmerz zu schreien. Was auch immer Hazel mit den Wolken getan hatte, es brannte anscheinend furchtbar auf der Haut. Die Gruppe von jungen Sehern war jedoch durch Esthers Schild geschützt.

Ralph, Hazel, Simon und Esther hatten ihre Feinde völlig außer Gefecht gesetzt.

Aber die Bombe musste nach wie vor noch zerstört werden. Sie mussten Zeit gewinnen mit einer letzten Ablenkung, um die Feinde lange genug in Schach zu halten, damit Oliver seine Aufgabe zu Ende bringen konnte.

Walter stand jetzt an der Spitze ihres magischen Dreiecks und beschwor seine magnetischen Kräfte. Schon setzten sich sämtliche Fahrzeuge knirschend und kreischend in Bewegung, ihre Räder kratzten verdreht über den Asphalt. Die Fahrzeuge zogen sich gegenseitig an – wie Magneten.

Bald konnten die Bremsen der Autos und Lastwagen Walters Kraft nicht mehr standhalten. Immer schneller schlitterten sie aufeinander zu, bis sie in der Mitte des Platzes zusammenstießen. Es gab eine wahre Explosion von Hitze und Licht. Sie war so stark, dass der Boden zitterte. Ein Feuerball schoss in die Luft. Alles ging in Flammen auf. Walter hatte eine undurchdringliche Feuerbarriere zwischen ihnen und ihren Feinden geschaffen.

Jetzt, da die Flammen die die Szene erhellten, sah Oliver seine Freunde auf sich zu kommen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so sehr über jemanden gefreut.

Er hatte zwar so gut wie keine Kraft mehr, aber er schrie ihnen begeistert entgegen: „Wer hat nochmal behauptet, die magnetische Begabung sei schwach?“

Walter drehte sich grinsend um, um den Ort der Verwüstung zu betrachten. Oliver folgte seinem Blick. Er war wirklich kaum zu glauben. Für die Sterblichen waren die Kräfte der Seher unbezwingbar.

„Wir müssen die Bombe zerstören“, sagte Ralph.

Oliver schüttelte den Kopf. „Zuerst müssen wir sie entschärfen. Eine falsche Bewegung und alles fliegt in die Luft.“

„Kannst du das denn? Sie entsichern?“, fragte Simon.

„Ich habe es versucht“, sagte Oliver. „Aber ich habe es nicht geschafft. Meine Kräfte sind vollkommen aufgebraucht.“

Esther beugte sich zu ihm und sah ihm in die Augen. „Nicht mit deinen Kräften. Kannst du die Bombe mit deinem Wissen entschärfen?“

„Genau!“, rief Hazel. „Wenn Lucas diese Bombe mit dem Wissen gebaut hat, das er von Armando erlernt hat, dann bist du der einzige Mensch auf der Welt, der sie auch wieder zerlegen kann.“

Auch wenn Oliver genau das stundenlang versucht hatte, wusste er, dass sie recht hatten.

Er nickte. Walter und Simon halfen ihm auf die Beine. Oliver biss die Zähne zusammen. Gemeinsam brachten sie ihn hinüber zur Bombe. Der Rest seiner Freunde folgte. Die Hitze der brennenden Lastwagen brannte auf der Haut. Beißender Rauch stieg schwarz in die Luft.

Oliver holte die Pläne aus seiner Tasche.

„Die Bombe ist mit einem Schild versehen, das ich kaum durchdringen kann. Wenn ich an die Drähte kommen soll, müssen wir es aufheben. Esther, glaubst du, du kannst mir dabei helfen?“

Sie nickte und schloss die Augen. Schon wurde der schimmernde Schild schwächer und war bald ganz verschwunden.

Oliver studierte in der Zeit noch einmal die Entwürfe. Er war so erschöpft, dass er am ganzen Körper zitterte. Aber jetzt war es wenigstens so hell, dass er sehen konnte, was er zu tun hatte. Er durchschaute das komplexe Netzwerk von Drähten und kleinen Fallen, die Lucas eingebaut hatte, und erkannte, wie die Puzzleteile zusammenpassten.

„Das rote Kabel“, sagte er schließlich. „Es ist das rote Kabel!“

„Bist du ganz sicher?“, fragte Ralph, dessen Gesicht noch besorgter wirkte als sonst.

„Ja, ich bin sicher.“

Er beugte sich nach vorne um es abzutrennen, aber Hazel legte ihre Hand auf seine.

„Du zitterst. Vielleicht sollte ich es tun. Meine Hände sind kleiner und ruhiger.“

Alle hielten den Atmen an, als Hazel ihre schmalen Finger vorsichtig durch das komplexe Bündel von bunten Kabeln schob und sanft das rote Kabel nahm, auf das Oliver gezeigt hatte.

„Okay“, sagte sie und hielt das Kabel zwischen den Fingern. „Jetzt oder nie.“

Simon schloss die Augen und Ralph sah weg. Walter strahlte eine Anspannung aus, die fast greifbar war. Esther begann zu zittern vor lauter Anstrengung, den Schild zurückzuhalten. Oliver ballte seine Fäuste. Wenn er sich getäuscht hatte, würden sie alle sterben.

Hazel zog. Das Kabel lockerte sich und rutschte aus der Fassung.

Nichts passierte.

„Du hast es geschafft!“, rief Walter.

Die Jungs wandten sich an Oliver, schlugen ihm auf den Rücken und jubelten. Esther wankte erschöpft nach vorne und Hazel schien in ihrer geduckten Position wie gelähmt zu sein. Sie hielt den roten Draht in die Höhe.

„Wir müssen die Bombe zerlegen, schnell!“, sagte Oliver.

Sofort machten sie sich daran, die Metallplatten und Drähte auseinander zu nehmen und warfen alles in das gleißende Feuer.

Ralph zeigte nach oben. „Da kommt Professor Amethyst um uns abzuholen! Schnell!“

Die Freunde sahen, wie das seltsame Flugobjekt auf sie zukam. Es bewegte sich wie eine Mischung aus Helikopter und Adler. Als es schließlich den Boden berührte, landete es nicht auf Rädern, sondern auf krallenartigen Beinen.

Seine Freunde rannten darauf zu.

Aber Oliver wusste, dass es noch eine letzte Sache gab, die er erledigen musste. Um die Bombe vollständig zu zerstören und sicherzustellen, dass sie nie wieder zusammengebaut werden konnte, musste er die Pläne vernichten.

Er zog die Blätter aus der Tasche, warf sie in das Inferno und sah zu, wie sie brannten. Dann atmete er erleichtert durch.

Zufrieden, dass er die Bombe für immer zerstört hatte, drehte sich Oliver um und lief über den Hof zum Flugzeug des Professors. Hazel und Simon waren bereits eingestiegen und Esther stand an der Tür und gestikulierte, dass auch die anderen schnell einsteigen sollten.

Walter sprang hinein und mit Ralphs Hilfe war auch Oliver rasch in die offene Luke geklettert. Eine Sekunde war auch Ralph bei ihnen.

Die Triebwerke des Flugobjekts begannen zu surren und innerhalb weniger Sekunden hoben sie ab. Hazel zerrte an der Tür. Kurz bevor sie sie schloss, warf Oliver noch einen letzten Blick auf die chaotische Szene unter ihnen.

Der Ort war zerstört – vom Regen durchnässt, überzogen mit rostroten Pfützen; im wütenden Feuer bog sich rußgeschwärztes Metall von all den explodierten Lastwagen und Bombenteilen. Hier und da lagen verletzte Soldaten. Für Oliver war es ein befriedigender Anblick.

Er blickte zu seinen Freunden hinüber und genoss freute sich über ihre Anwesenheit und sah sie lange an: Hazels aufrichtige, graue Augen, Ralphs freundliche Grübchen, Walters freches Grinsen, Simons blasse, weit auseinanderstehenden Augen und schließlich Esthers schüchterne Röte. Sein Herz schlug höher.

„Wir haben es wirklich geschafft“, murmelte er.

Trotz ihrer Erschöpfung klatschen sie und redeten aufgeregt durcheinander.

Auf einmal hatte Oliver das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt war, seinen Freunden von seinem Testergebnis zu erzählen. Er hatte gezögert, weil er nicht wollte, dass seine Freunde ihn deswegen anders behandelten. Aber nach allem, was sie gerade zusammen durchgemacht hatten, war es an der Zeit, ihnen die Wahrheit zu sagen.

„Ich muss euch etwas sagen“, begann er. „Darüber, wer ich bin – oder was ich bin. Mein Test hat ergeben, dass ich eine atomische Begabung habe. Und ich bin beides – Brom und Kobalt.“

Die Kinder tauschten erstaunte Blicke aus.

„Das kann nicht sein“, flüsterte Esther beeindruckt. „Ich wusste gar nicht, dass das möglich ist!“

„Wenn das keine großen Neuigkeiten sind!“, rief Simon.

„Es tut mir leid, dass ich euch nichts gesagt habe. Ich wollte so sein wie ihr. Ich hatte Angst, dass ihr mich nicht akzeptieren würdet.“

Oliver schaute zu Boden. Dann spürte er eine Hand auf seinem Arm. Es war Esther, die ihn liebenswürdig ansah.

„Aber natürlich akzeptieren wir dich“, sagte sie.

Dann lehnten sich alle zu ihm, klopften ihm auf den Rücken und nahmen ihn in die Arme. Oliver lächelte dankbar. Sie nahmen ihn wirklich so an, wie er war.

Gleichzeitig wurden seine Augenlider wahnsinnig schwer. Sein Körper war eine leere, ausgelaugte Hülle. Er war so erschöpft, dass er kaum noch dagegen ankam.

Oliver spürte die sanften Bewegungen des Flugzeuges und lauschte, wie seine Freunde fröhlich und aufgeregt über die Ereignisse in Deutschland redeten. Doch er war zu müde, um auf ihre enthusiastischen Glückwünsche noch reagieren zu können.

Seine Augenlider wurden unendlich schwer. Er konnte sie nicht mehr offenhalten.

Also gab er nach.

Sofort wusch eine angenehme Dunkelheit über ihn und hüllte ihn in einen tiefen, tiefen Schlaf.

Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
321 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9781640296862
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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