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Читать книгу: «Deportiert auf Lebenszeit», страница 2

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Erstes Capitel.
Das Gefangenenschiff

Es herrschte eine Stille an diesem tropischen Nachmittage, die kein Hauch störte. Die Luft war heiß und schwer, der Himmel bleiern und wolkenlos und nur der Schatten des Malabar lag auf der Oberfläche des großen glänzenden Meeresspiegels.

Die Sonne, welche jeden Morgen zur linken Hand wie eine glühende Kugel aufging, um langsam durch das stets unveränderte Blau nach Rechts hinüber zu wandern, bis sie flammend Himmel und Ocean im Untergehen verband, war gerade tief genug gesunken, um unter das Zelt zu streifen, das auf dem Hinterdeck befestigt war. Sie weckte hier einen jungen Mann, der, in Interims-Uniform gekleidet, auf einem zusammengerollten Seile geschlummert hatte.

»Verdammt,« sagte er, erhob und streckte sich mit dem müden Seufzer der Leute die nichts zu thun haben. »Ich muß geschlafen haben.« Dann hielt er sich an einer Leiter und blickte hinab in das Schiff. Außer dem Mann am Ruder und der Wache an der Ouarterreeling war er allein auf Deck. Einige Vögel flogen um das Schiff herum und schienen unter den Sternfeuern nur zu verschwinden, um am Bug wieder zu erscheinen. Ein fauler Albatroß, von dessen Flügeln noch das Wasser tropfte, schwang sich leewärts auf, mit einem plätschernden Ton und an der Stelle, von wo er aufgeflogen, glitt die scheußliche Flosse eines leise schwimmenden Hai’s dahin. Die Ritzen des wohlgescheuerten Decks klebten von dein geschmolzenen Theer und die Messingplatte des Compaßhäuschens blitzte in der Sonne wie ein Edelstein. Es ging kein Wind und sobald das ungeschickte Schiff aus den sich hebenden und senkenden Wellen hin und her rollte , schlugen die schlaffen Segel mit regelmäßig wiederkehrendem Geräusch an die Masten und das Bugspriet hob sich mit den Wellen höher und höher und tauchte dann mit einem Stoß wieder ein, daß jedes Tau zitterte und ächste.

Auf dem Vorderkastell lungerten ein halbes Dutzend Soldaten herum, in der verschiedensten Art beinahe halb entkleidet. Sie spielten Karten, tauchten oder beobachteten die Angelleinen, die sie über die Katzenköpfe ausgehängt hatten.

So weit war das Aussehen des Schiffes in keiner Weise von dem eines gewöhnlichen Transportschiffes unterschieden. Aber aus dem Mitteldeck zeigte sich ein merkwürdiger Anblick. Es war, als ob man dort eine Viehhürde gebaut hätte. Am Fuß des Vordermastes und am Quarterdeck lief eine starke, mit Schießscharten versehene Barrikade von einem Bollwerk zum andern quer über das Deck. Es waren Thüren darin zum Eingang und Ausgang. Außerhalb stand eine bewaffnete Schildwache.

Innerhalb standen, saßen oder wanderten unablässig auf und ab, stets im Bereich der glänzenden Flintenläufe auf dem Hinterdeck, ungefähr sechzig Männer und Knaben, Alle in einförmiges Grau gekleidet. Diese Männer und Knaben waren Gefangene der Krone und die Viehhürde war ihr Platz, wo sie sich bewegen durften.

Ihr Gefängnis war unten im Zwischendeck. Die Barrikade bildete dort unten fortgesetzt die Seitenwände. Es ging gegen das Ende der zwei Stunden, die Seine Majestät Georg der Vierte alle Nachmittag gnädigst den Gefangenen der Krone als Erholung gestattet hatte und dieselben genossen diese Vergünstigung. Es war freilich nicht so angenehm wie unter dem Zelt des Hinterdecks, aber dieser heilige Schatten war nur für so hohe Personen bestimmt wie der Kapitain und seine Offiziere, Wundarzt Pine, Lieutnant Maurice Frere und der größte Stern unter Allen, Kapitain Vickers und Gemahlin.

Gewiß wäre der Deportierte, der jetzt dort an der Schanzkleidung lehnte, gern seinen Feind, die Sonne, los geworden, wenn auch nur für einen Augenblick. Seine Kameraden saßen an den Luken oder lagen und hockten gleichgültig in den verschiedensten Stellungen auf der schattigen Seite der Barrikade. Sie lachten und plauderten mit einer widerwärtigen und unanständigen Lustigkeit, die gräulich anzuhören war. Der einsame Gefangene aber hatte seine Kappe bis tief in die Augen gedrückt, seine Hände in dir Taschen seiner groben, grauen Kleider gesteckt und hielt sich fern von ihrer störenden Fröhlichkeit. Die Sonne sendete ihre heißesten Strahlen auf seinen Kopf. Er achtete nicht darauf und obgleich jede Spalte und Ritze im Schiff glühend heiß und ausgedorrt war, so stand er doch düster und bewegungslos da und starrte in die stille See. So hatte er da gestanden, bald hier, bald dort, seit das ächzende Schiff den großen Wogen des biskaischen Meeres entgangen und seit die elenden hundertundachtzig Geschöpfe, zu denen er gehörte, von ihren Ketten befreit worden waren und ihnen erlaubt wurde, zwei Mal täglich frische Luft zu schöpfen.

Die rohen Verbrecher mit niedriger Stirn und groben Zügen, welche auf dem Deck umherstanden, warfen manchen Blick schweigender Verachtung auf ihn, doch machten sie ihre Bemerkungen bisher nur durch Bewegungen kund. Auch unter den Verbrechern gibt es Abstufungen und Rufus Dawes, der Deportierte Uebelthäter, der dem Galgen nur entgangen war, um sein Leben in Ketten hinzubringen, war ein Mann von einiger Bedeutung.

Er war des Raubes und des Mordes an Lord Bellasis angeklagt. Dem unbekannten Vagabunden glaubte man die Geschichte nicht, daß er den Sterbenden auf der Heide aufgefunden, aber das Zeugniß des Wirths zu den drei Spaniern sprach für ihn. Der Mann sagte aus, daß der ermordete Edelmann den Kopf geschüttelt, als man ihn gefragt, ob dieser der Mörder sei. So wurde er von der Anklage des Mordes freigesprochen, aber wegen des Raubes zum Tode verurtheilt. London interessierte sich für seinen Prozeß und pries ihn glücklich, daß sein Urtheil in Deportotion auf »Lebenslänglich« verwandelt wurde. Es war Sitte an Bord dieser schwimmenden Gefängnisse, jedes Mannes Verbrechen vor seinen Gefährten geheim zu halten, so daß, wenn er wollte und seine Gefangenenwärter es gestatteten, er ein neues Leben in dem neuen Lande beginnen konnte, ohne wegen feiner früheren Unthaten beleidigt zu werden.

Aber dies blieb nur wie viele ähnliche Dinge eine gute Absicht und Wenige nur von den Hundertundachtzigen gab es, welche nicht die Thaten ihrer Gefährten kannten. Die Schuldigsten rühmten sich ihrer Verbrechen; die weniger Schuldigen schworen laut, daß ihre Schuld viel größer sei, als sie erscheine. Der Name von Rufus Dawes hatte einen entsetzlichen Ruf erlangt, denn seine vermeintliche That schien so scheußlich und so unerklärlich, gerade weil er eine höhere, geistige Ausbildung hatte. Auch fein hochmüthiger Sinn und seine mächtige Gestalt trugen dazu bei, ihn auszuzeichnen. Er, ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, ohne Verwandte und Freunde, lebte unter ihnen nur, weil er ein Verbrechen begangen und wurde geachtet und bewundert. Der niedrigste unter den Niedrigsten dieser Horde lachte wohl hinter seinem Rücken über die vornehme Art, die er hatte, beugte sich aber vor ihm und unterwarf sich ihm, wenn er ihn von Angesicht zu Angesicht traf. Auf einem Gefangenenschiff ist der größte Schurke der größte Held und der einzige Adel, der von dieser entsetzlichen Gemeinschaft anerkannt wird, ist der des Ordens vom Strick, den der Henker austheilt.

Der junge Mann auf dem Hinterdeck erblickte jetzt die stattliche Gestalt von Rufus Dawes am Schanzbord und fand darin eine Gelegenheit, die Einförmigkeit seines Amtes ein wenig zu unterbrechen.

»Ihr da,« rief er fluchend, »fort da aus dem Gange!«

Rufus stand gar nicht im Gange, war wohl zwei Fuß davon ab, aber bei dem Ton von Lieutnant Frere’s Stimme fuhr er auf und ging gehorsam nach der Mitte.

»Wird der Hund grüßen,« schrie Frere und kam bis an die Quarterreeling. »Wird er grüßen. Hört er!«

Rufus Dawes berührte seine Mütze in militairischer Weise.

»Ich werde die Kerls Höflichkeit lehren, wenn sie sich nicht in Acht nehmen,« brummte der ärgerliche Frere, halb für sich, halb laut sprechend. »Unverschämte Buben!«

Da gab das Geräusch, das die Wache auf dem Quarterdeck beim Präsentiren machte, seinen Gedanken eine andre Richtung. Ein magerer, großer Mann, von militairischem Aeußeren, mit kaltem, blauem Auge und knappen Zügen kam aus der Kajüte von unten und führte eine blonde, gezierte, ängstliche Dame mittleren Alters hinauf. Kapitain Vickers von Frere’s Regiment, der nach Van Diemens Land kommandiert war, brachte seine Gemahlin auf Deck, damit dieselbe Appetit zum Mittag bekäme.

Mrs. Vickers war zweiundvierzig Jahre alt, – sie gestand nur dreiunddreißig zu und war elf Jahre lang eine Garnison-Schönheit gewesen, ehe sie Kapitain Vickers heirathete. Die Ehe war nicht glücklich. Vickers fand seine Frau eitel, verschwenderisch und bissig. Sie fand ihn hart, gewöhnlich und prosaisch. Eine Tochter, nach zweijähriger Ehe geboren, war das einzige Kind, das diese unpassende Ehe zusammenhielt. Vickers vergötterte die kleine Sylvia und als ihm seiner Gesundheit wegen eine lange Seereise angerathen wurde und er sich deshalb in das —ten Regiment versetzen ließ und darauf bestand, das Kind mitzunehmen, machte seine Frau sehr viele Einwendungen ihrer Erziehung wegen.

»Er würde sie selbst erziehen,« sagte er, »sie solle nicht zu Hause bleiben.«

So gab denn Mrs. Vickers nach langem Sträuben ihre Träume von Bath u.s.w. auf und folgte ihrem Manne mit so guter Miene, als sie nur irgend machen konnte. Einmal auf hoher See, versöhnte sie sich mit ihrem Schicksal und wandte ihre Zeit dazu an, ihre Tochter zu schelten, ihr Mädchen zu quälen und den bäurischen jungen Lieutnant Maurice Frere zu bezaubern.

Koketterie gehörte zu Julia Vickers Natur; sie lebte nur, um bewundert zu werden. Selbst auf einem Gefangenenschiff, neben ihrem Gatten mußte sie kokettieren, oder umkommen in der Langeweile ihres geistigen Lebens.

Es war in ihr grade nichts Böses. Sie war nur ein eitles Weib in mittleren Jahren und Frere nahm ihre Aufmerksamkeiten noch dem Werth derselben auf. Ueberdies war ihre Freundlichkeit gegen ihn ihm nützlich aus Gründen, die bald an den Tag treten werden. Er lief die Treppe hinab, seine Mütze in der Hand haltend und bot seinen Beistand an.

»Danke, Mr. Frere. Diese abscheulichen Treppen! Ich zittre wirklich immer davor. Heiß! Ja, es ist erdrückend. John, den Feldstuhl. Bitte, Mr. Frere, oh, danke sehr. Sylvia! Sylvia!l John, hast Du mein Riechsalz? Noch immer Windstille, nicht wahr? Diese schrecklichen Windstillen.«

Dieses halb elegante Geschwätz zwanzig Schritt von der Hürde der wilden Thiere, auf der andern Seite der Barrikade, klang sonderbar. Mr. Frere dachte sich nichts dabei. Vertrautheit mit einer Sache nimmt ihr alle Schrecken und die unheilbare Kokette breitete ihre Mullröcke aus und zeigte ihre verbrauchte Anmuth vor den Augen der grinsenden Gefangenen mit eben so viel Selbstgefälligkeit, als ob sie in einem Ballzimmer in Chatham gewesen wäre. Ja, gewiß, wenn Niemand sonst da gewesen wäre, ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie selbst das Zwischendeck mit ihrer Aufmerksamkeit beglückt und dem Stattlichsten unter den Gefangenen Blicke zugeworfen hätte.

Vickers mit einer Verbeugung gegen Frere begleitete seine Frau bis auf’s Deck und ging dann, um seine Tochter zu holen.

Sie war ein zartes Kind von sechs Jahren mit blauen Augen und lichtem Haar. Obgleich sie von ihrem Vater verwöhnt war und von ihrer Mutter verzogen, so hatte ihre natürliche Liebenswürdigkeit sie bisher davor beschützt, unangenehm zu werden und die Wirkung ihrer Erziehung zeigte sich nur in tausend kleinen, launischen Zierlichkeiten, die sie zum Liebling des ganzen Schiffes machten. Die kleine Miß Sylvia satte die Erlaubniß, überall hinzugehen und Alles zu thun. Selbst die Verbrecher wagten kein schlechtes Wort in ihrer Gegenwart.

Das Kind lief zu seinem Vater, schwatzte mit der Geläufigkeit geschmeichelter Selbstgefälligkeit, lief hierhin und dahin, fragte, erfand Antworten, lachte, sang, sprang, guckte in das Compaßhäuschen, befühlte die Taschen des Mannes am Ruder, steckte ihre kleine Hand in die große Tasche des wachthabenden Offiziers und lief selbst aus das Quarterdeck um die Schöße der Schildwache zu zupfen.

Endlich, des Umherlaufens müde, nahm sie einen kleinen, gestreiften Lederball aus ihrer Rocktasche, rief ihrem Vater zu und warf ihm den Ball hin, als er auf dem Hinterdeck stand. Der Vater warf den Ball zurück und das Kind fing ihn auf und war unermüdlich in dem Spiel, wobei sie glückselig lachte und in die Hände klatschte.

Die Gefangenen, deren Zeit in frischer Luft zu Ende ging, verfolgten eifrig mit ihren Blicken diese neue Quelle des Vergnügens. Unschuldiges Lachen und kindisches Plaudern waren ihnen ganz fremd. Einige lächelten und nickten voller Interesse bei den Glücksfällen des Spieles.

Ein junger Bursche konnte sich kaum enthalten, in die Hände zu klatschen. Es war, als ob in der drückenden Hitze ein erfrischender Hauch über das Schiff gezogen war. Mitten in dieser Lustigkeit blickte der wachthabende Offizier nach dem glühendrothen Horizont, fuhr plötzlich zusammen, legte seine Hand über die Augen und blickte gespannt nach Westen. Frere, der Mrs. Vickers Unterhaltung etwas langweilig fand, sah öfter nach seinem Kameraden hin, als ob er irgend eine Unterbrechung erwartete und bemerkte dessen Bewegung.

»Was gibt es, Mr. Best?«

»Ich weiß es nicht genau. Es sieht aus wie eine Rauchwolke.«

Und das Glas aufhebend, blickte er wieder nach dem Horizont. »Lassen Sie mich sehen!« sagte Frere und blickte auch hin.

Am äußersten Horizont, gerade links neben der sinkenden Sonne, ruhte oder schien eine ganz kleine schwarze Wolke zu ruhen. Das rothglühende Gold des Himmels überfluthete Alles und machte eine sichere Aussicht ganz unmöglich.

»Ich kann nichts ausfindig machen,« sagte Frere und gab das Teleskop zurück. »Wenn die Sonne unter ist, können wir genau sehen, was es ist.«

Dann mußte Mrs. Vickers natürlich auch durchsehen und war sehr bedenklich wegen des Focus und sah endlich mit vielem Kichern durch das Glas, hielt ein Auge zu und konnte doch schließlich »nichts als Himmel« sehen, so daß sie glaubte, dieser böse Mr. Frere »thäte es mit Absicht.«

Nun kam auch Kapitän Blunt herbei, nahm das Glas von dem Offizier und sah lange und sorgfältig hindurch. Dann wurde der Mann auf dem Mast angerufen, aber er erklärte, er könne nichts sehen. Endlich ging die Sonne mit einem plötzlichen Sprung unter, als ob sie durch einen Riß in das Meer versunken sei und der schwarze Fleck verschwand in dem aufziehenden Dunst und war nicht mehr zu sehen.

Als die Sonne gesunken war, kam die Ablösung durch die Hinterdeckluken herauf und die abgelöste Wache schickte sich an, die Gefangenen hinab zu begleiten.

In diesem Augenblicke vermißte Sylvia ihren Ball, welcher bei einem plötzlichen Schwanken des Schiffes über die Barrikade gesprungen war. Hier rollte er vor die Füße von Rufus Dawes, der noch, in Gedanken versunken, seitwärts stand. Der helle bunte Ball, wie er über das weiße Deck rollte, fesselte seinen Blick und sich fast mechanisch bückend nahm er ihn auf und trat vor, um ihn zurück zu geben. Die Thür der Barrikade stand offen und die Schildwache, ein junger Soldat, der nach der Ablösung hinblickte, bemerkte nicht, wie der Gefangene hindurchschritt. Im nächsten Augenblick stand dieser auf dem geheiligten Quarterdeck.

Erhitzt vom Spiel, mit glühenden Wangen und blitzenden Augen, ihr goldenes Haar lang herabflatternd, wandte sich Sylvia, um ihrem Schatze nachzueilen, als aus dem Schatten der Kajütsthür ein runder weißer Arm und eine feine Hand auftauchte und das Kind am Gürtel zurückzog.

Im nächsten Augenblick legte der junge Mann in der grauen Kleidung den Ball in Sylvia’s Hand.

Maurice Frere, der gerade die Hinterdeckleiter hinabstieg, hatte dies nicht gesehen, bemerkte aber, als er auf das Deck trat, die ihm unerklärliche Gegenwart des Gefangenen.

»Danke,« sagte eine Stimme, als Rufus Dawes vor der kleinen schmollenden Sylvia stand.

Der Gefangene hob seinen Blick und sah ein junges Mädchen von achtzehn bis neunzehn Jahren, groß, wohlgebildet, die in ein Kleid von weißem Stoffe, mit großen, offenen Aermeln gekleidet, vor ihm stand. Sie hatte schwarzes Haar, das um ihren kleinen Kopf geschlungen war , einen kleinen Fuß, weiße Haut, schön geformte Hände und große, braune Augen. Als sie ihn jetzt anlächelte, ließen ihre frischen, rothen Lippen die schönen, weißen Zähne sehen. Er kannte sie sogleich. Es war Sara Purfoy, Mrs. Vickers’ Mädchen, aber er war ihn noch nie so nahe gewesen und sie erschien ihm wie eine herrliche, tropische Blume, die einen betäubenden Geruch ausströmt.

Einen Augenblick blickten Beide einander an, dann fühlte Rufus sich von hinten im Genick gepackt und heftig zu Boden geworfen. Wieder auf seine Füße springend, war sein erster Gedanke, sich auf seinen Angreifer zu stürzen, aber er sah das gefällte Bajonett der Schildwache blitzen und beherrschte sich. Sein Angreifer war Mr. Maurice Frere.

»Was zum Teufel habt hier zu suchen,« brüllte dieser Herr mit vielen Flüchen. »Er fauler, schleichender Hund, was macht er hier ? Wenn ich ihn noch ein Mal treffe, wenn er einen Fuß auf das Quarterdeck setzt, so kriegt er eine Woche in Eisen.«

Rufus Dawes, bloß vor Wuth und Aerger, wollte sich rechtfertigen, aber die Worte erstarben auf seinen Lippen. Wozu?

»Hinunter mit Euch und denkt an das, was ich gesagt habe,« rief Frere und begreifend, was vorgefallen, prägte er sich den Namen der schuldigen Schildwache fest in sein Gedächtnis.

Der Gefangene wischte sich das Blut vom Gesicht, drehte sich ohne ein Wort zu sprechen um und ging durch die schwere Eichenthür wieder hinein in seine Höhle.

Frere beugte sich vor und nahm des Mädchens weiße Hand in die seine, aber sie entzog sie ihm schnell mit einem Blitz aus ihren schwarzen Augen.

»Sie Feigling,« sagte sie.

Der Soldat in ihrer Nähe hörte das und seine Augen lachten.

Frere biß sich im Aerger auf die dicken Lippen und folgte dem Mädchen in die Kajüte. Aber das Mädchen nahm die Hand der erstaunten Sylvia und glitt mit verächtlichem Lachen an ihm vorüber, hinein in ihrer Herrin Kajüte, deren Thür sie hinter sich schloß.

Zweites Capitel.
Sara Purfoy

Die Deportierten waren sicher wieder eingesperrt und gingen zu Bett, wozu die Regierung dem Manne sechzehn Zoll Raum gestattete, der allerdings wegen verschiedener Verhältnisse aus dem Schiffe noch etwas verkürzt wurde.

Die Kajüte brachte ihre Abende mitunter recht vergnügt zu. Mrs. Vickers war poetisch und besaß eine Guitarre und da sie auch musikalisch war, sang sie dazu. Kapitain Blunt war ein lustiger, etwas gewöhnlicher Herr; Sergeant Pine hatte eine wahre Wuth, Geschichten zu erzählen und wenn Vickers auch meist langweilig erschien, so war Frere doch fröhlich. Ueberdies war die Tafel gut bedient und mit Mittagessen, Tabak, Whist, Musik und Branntwein und Wasser gingen die Abende mit einer Schnelligkeit vorüber, von der die wilden Thiere dort unter dem Deck, die zu Sechsen in einem Raume von fünf Fuß drei Zoll zusammen gedrängt waren, keine Vorstellung hatten.

An diesem Abend aber war die Kajüte etwas verstimmt. Das Mittagessen ging still vorüber und die Unterhaltung war ohne Lebhaftigkeit.

»Kein Anzeichen von Wind, Mr. Best? « fragte Blunt als der erste Offizier hereinkam und sich setzte.

»Mein Herr.«

»Diese – ach diese abscheulichen Windstillen,« sagte Mrs. Vickers. »Schon eine Woche, nicht wahr, Kapitain Blunt?«

»Dreizehn Tage, Madame,«s brummte Blum.

»Ich erinnere mich, daß wir auf der Höhe der Koromandel-Küste, als wir die Pest in der »Klapperschlange« hatten —«

»Kapitain Vickers, noch ein Glas Wein?« rief Blunt, um die Erzählung abzuschneiden.

– »Danke, nicht mehr. Ich habe Kopfweh.«

»Kopfweh – ja, das wundert mich nicht, wenn man zu den Kerls hinuntergeht. Es ist schändlich, wie diese Schiffe überfüllt werden. Wir haben über zwei hundert Seelen an Bord und nur Platz für die Hälfte.«

»Zweihundert Seelen! Gewiß nicht,« sagte Vickers. »Noch den königlichen Verordnungen —«

»Hundertundachtzig Gefangene, fünfzig Soldaten, dreißig Mann Schiffsbedienung, Alles in Allem und wie viele? – eins zwei, drei, sieben in der Kajüte. Wie viel macht das ?«

»Wir sind ein wenig beengt,« sagte Best.

»Es i sehr Unrecht,« sagte Vickers feierlich. »Seht Unrecht, nach den königlichen Verordnungen.« – Aber die königlichen Verordnungen waren in der Kajüte noch unbeliebter als Pine’s unendliche Anekdoten und Mrs. Vickers gab der Unterhaltung schnell eine andere Wendung.

»Sind Sie nicht dieses Lebens gänzlich müde, Mr. Frere?«

»Nun, es ist nicht gerade ein Leben, wie ich es zu führen wünschte,« sagte Frere und strich mit der von Sommerflecken gesprenkelten Hand durch sein hartes, rothes Haar, »aber man muß aus Allem das Beste ziehen.«

»Ja,« sagte die Dame in jenem leisen, mitleidigen Ton, in dem man von irgend einem Unfall spricht, »es muß ein harter Schlag für Sie gewesen sein, so plötzlich eines großen Vermögens beraubt zu werden.«

»Nicht das allein, sondern auch noch ausfindig zu machen, daß das schwarze Schaf, welches Alles bekommt, eine Woche vor meines Onkels Tode noch Indien abgesegelt ist. Lady Devine erhielt am Begräbnißtage einen Brief, worin ihr Sohn ihr anzeigte, daß er im Hydaspes nach Calcutta gegangen sei und nie wiederkommen wolle!«

»Sir Richard Devine hinterließ keine andern Kinder ?«

»Nein, nur diesen geheimnißvollen Richard, den ich nie gesehen habe, der mich aber gehaßt haben muß.«

»So so. O diese Familienzwistigkeiten sind schrecklich. Die arme Lady Devine, sie verlor an einem Tage den Gatten und den Sohn!«

»Ja und am nächsten Morgen hörte sie von dem Morde, der an ihrem Vetter, dem Lord Bellasis begangen war! Sie wissen, daß wir mit den Bellasis verwandt sind. Meiner Tante Vater heirathete eine Schwester des zweiten Viscounts.«

»Wirklich. Das ist ein schrecklicher Mord. Und Sie glauben, daß der schreckliche Mann, den Sie mir neulich zeigten, es gethan hat?«

»Die Geschworenen haben es verneint,« sagte Mr. Frere lachend. »Aber ich begreife nicht, wie sonst irgend Jemand einen Beweggrund dazu haben konnte. Ich will aber jetzt auf Deck gehen und rauchen.«

»Warum nur der alte Geizhals von Schiffsbauer seinen einzigen Sohn zu Gunsten dieses Burschen enterben wollte,« sagte Sergeant Pine zu Kapitain Vickers, als der breite Rücken von Maurice Frere auf der Kajütstreppe verschwand.

»Wahrscheinlich leichtsinnige Streiche, die der Sohn auf dem Continent gemacht; solche Emporkömmlinge haben nie Geduld mit den Verschwendern. Aber es ist hart für Frere. Er ist bei aller seiner Rauhheit kein schlechter Mensch und wenn ein junger Mann die Erfahrung macht, daß ein Zufall ihm die Aussicht auf eine Viertel Million raubt und er nichts hat als sein Patent in einem dienstthuenden Regiment, das in eine Strafkolonie kommandiert ist, so hat er wirklich Grund, gegen das Schicksal zu murren.«

»Wie kam es denn, daß der Sohn nun doch das ganze Vermögen erhielt?«

»Ja, es scheint, daß der alte Devine gerade, als er noch seinem Advokaten geschickt hatte, um sein Testament zu ändern, einen Schlaganfall bekam, vermuthlich eine Folge seiner Wuth. Als sie am Morgen in sein Zimmer kamen, fanden sie ihn todt.«

»Und der Sohn ist fort zur See,« sagte Mrs. Vickers, »und weiß nichts von Allem. Es ist ganz romantisch.«

»Es freut mich, daß Frere das Geld nicht bekam,« sagte Pine, an seinem üblen Vorurtheil festhaltend. »Ich habe selten ein Gesicht gesehen, das ich weniger leiden mochte, selbst unter meinen Gelbjacken unten.«

»O Mr. Pine, wie können Sie so sprechen?« rief Mrs. Vickers.

»Bei meiner Seele, Madame, Einige von ihnen sind in guter Gesellschaft gewesen, – das kann ich Ihnen sagen. Da unten sind Taschendiebe und Schwindler, die sich in der besten Gesellschaft bewegt haben.«

»Schreckliche Menschen,« rief Mrs. Vickers und legte ihre Kleider zurecht. »John, ich will auf Deck gehen.«

Die ganze Gesellschaft erhob sich bei diesem Signal.

»Nun, Pine,« sagte Kapitain Blunt, als er allein mit demselben blieb, »wir Beide treten ihr stets auf die Schleppe!«

»Weiber sind immer im Wege an Bord,« erwiderte Pine.

»Ach Doktor, das meinen Sie doch nicht im Ernst, das weiß ich,« sagte eine weiche, volle Stimme hinter ihm.

Es war Sara Purfoy, welche so eben aus ihrer Kajüte trat.

»Hier ist das Mädchen,« rief Blunt. »Wir sprachen gerade von Ihren Augen, meine Liebe.«

»Nun sie werden es wohl vertragen, daß man von ihnen spricht,« sagte sie und richtete ihre Blicke gerade auf ihn.

»Beim Himmel, das können sie,« rief Blunt und schlug mit der Hand auf den Tisch. »Es sind die schönsten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe und darunter die rothesten Lippen —«

»Lassen Sie mich vorüber, Kapitain Blunt, bitte sehr. Ich danke Ihnen, Doktor.«

Und ehe der sie bewundernde Kapitain es verhindern konnte, war sie bescheiden aus der Kajüte gewichen.

»Ein schönes Stück Waare, – nicht?« fragte Blunt, ihr nachblickend. »Aber es sitzt ein Stück Teufel in ihr.«

Der alte Pine nahm eine mächtige Prise.

»Teufel! Ich will Ihnen etwas sagen, Blunt. Ich weiß nicht, wo Vickers sie aufgetrieben hat, aber das weiß ich, daß ich mein Leben lieber dem schlimmsten Schurken dort unten anvertrauen möchte, als ihr, wenn ich sie beleidigt hätte.

Blunt lachte herzlich.

»Nun, ich glaube doch nicht, daß sie es versteht, einem Manne das Messer in den Leib zu rennen,« sagte er, aufstehend. »Aber ich muß auf Deck, Doktor.«

Pine folgte ihm langsam.

»Ich will nicht behaupten , daß ich mich sehr gut auf die Weiber verstehe,« sagte er vor sich hin, »aber wenn das Frauenzimmer nicht eine ganz besondere Geschichte hat, so müßte ich mich sehr irren. Was hat sie hier an Bord als Kammerjungfer zu thun, das begreife ich nicht.«

Er steckte sich die Pfeife zwischen die Zähne und ging auf dem nun verlassenen Deck bis zur Hauptluke auf und ab. Oefter wandte er sich, um Sara’s weiße Gestalt auf dem Hinterdeck auf und ab schreiten zu sehen. Dann sah er wie eine andere, dunklere Gestalt sich zu ihr gesellte und er murmelte: »Sie hat nichts Gutes vor, darauf möchte ich schwören.«

In demselben Augenblick berührte ein Soldat im Interimsrock seinen Arm. Er war von unten gekommen.

»Was gibt es ?«

Der Mann richtete sich auf und grüßte.

»Verzeihen Sie, Doktor, einer der Gefangenen ist krank geworden und da der Mittag vorüber ist und er immer schlechter wird, habe ich gewagt, Euer Ehren zu stören.«

»Du Esel,« brummte Pine, der wie alle groben Leute ein gutes Herz unter der rauhe Schaale barg – »warum hast Du mir das nicht früher gesagt?« Er klopfte die Asche ans seiner kaum angezündeten Pfeife, stopfte Papier hinein und folgte dem Manne hinab.

Inzwischen genoß das Frauenzimmer, welches der Gegenstand von Pine’s Verdacht war, die frische Kühle der Nacht. Ihre Herrin und die Tochter ihrer Herrin bedurften ihrer nicht und die Herren hatten ihre Abendpfeife noch nicht beendet. Das Zelt war aufgerollt, die Sterne standen am mondlosen Himmel, die Hinterdeckswache war auf das Ouarterdeck gekommen und Fräulein Sara wanderte auf und ab mit keiner geringeren Person als Kapitain Blunt selbst. Sie war an ihm vorüber gegangen und wieder vorüber gegangen bis beim dritten Mal der alte Bursche, ganz unsicher in das Zwielicht starrend, dem Schimmer ihrer Augen folgte und sich ihr näherte.

»Sie waren doch nicht böse, mein Kind, über das was ich unten sagte ?«

Sie that ganz überrascht.

»Was meinen Sie ?«

»Nun, ich meine, ich war etwas – etwas dreist und unhöflich.«

»O nein, Sie waren nicht unhöflich.«

»Freut mich, daß Sie so denken,« erwiderte Phineas Blunt, ein wenig beschämt über seine gebeichtete Schwäche.

»Sie würden unhöflich gewesen sein, wenn ich es gestattet hätte.«

»Woher wissen Sie das ?«

»Ich sah es in Ihrem Gesicht. Denken Sie nicht, eine Frau kann es einem Mann am Gesicht ansehen, wenn er sie beleidigen will ?«

»Beleidigen! Auf mein Wort —«

»Ja, mich beleidigen. Sie sind alt genug , um mein Vater zu sein, Kapitain Blunt, aber Sie haben kein Recht mich zu küssen, wenn ich Ihnen nicht das Recht dazu gebe.«

»Ha, ha,« lachte Blunt, das mag ich leiden. Mir das Recht dazu geben, – ich wünschte, das thätest Du, Du Hexe, Du schwarzäugige.«

»Das wünschen andre Leute auch, – ohne Zweifel.«

»Zum Beispiel, der Offizier. Hu, Fräulein Bescheidenheit? Ich habe gesehen, wie er Sie anblickte, als ob er es auch versuchen wollte.«

Das Mädchen blitzte ihn von der Seite an.

»Sie meinen Lieutnant Frere. Sind Sie eifersüchtig auf ihn ?«

»Eifersüchtig! Was, der Bursche hat kaum seine ersten Hosen angezogen. Eifersüchtig!«

»Ich glaube, Sie sind es und Sie brauchen es nicht zu sein. Er ist ein dummer Tölpel, obgleich er Lieutnant Frere ist.«

»Das ist er. Da haben Sie Recht, beim Himmel.«

Sara Purfoy lachte leise und doch in so vollem Ton, daß dem mittelalterlichen Blunt der Puls schneller ging, und das Blut ihm bis in die Fingerspitzen schlug.

»Kapitain Blunt,« sagte sie, »Sie wollen etwas sehr Törichtes thun.«

Er kam dicht an sie heran und nahm ihre Hand.

»Was ?«

Sie antwortete mit einer andern Frage.

»Wie alt sind Sie?«

»Zweiundvierzig, wenn Sie es denn wissen wollen.«

»O, – und Sie wollen sich in ein Mädchen von neunzehn verlieben?«

»Wer ist das ?«

»Ich,« sagte sie und gab ihm die Hand und lächelte ihn mit ihren vollen, rothen Lippen an.

Der Besanmast verbarg sie dem Mann am Ruder und das Zwielicht der tropischen Sterne lag auf dem Hauptdeck.

Blunt fühlte den gesunden Hauch dieses sonderbaren Mädchens auf seiner Wange; ihre Augen schienen größer und kleiner zu werden und ihre feste, kleine Hand brannte in der seinen wie Feuer.

»Ich glaube, Sie haben Recht,« rief er. »Ich bin schon halb in Sie verliebt.«

Sie blickte ihn an und senkte fast verächtlich ihre Augenlider mit den langen, dunkeln Wimpern. Darm entzog sie ihm ihre Hand.

»Dann hüten Sie sich vor der andern Hälfte, oder Sie werden es bereuen.«

»Werde ich das ?« sagte Blunt. »Nun, das ist meine Sache; komm, kleine Hexe , gib mir den Kuß, zu dem Du mir das Recht geben willst.«

Und er nahm sie in seine Arme. In demselben Augen- blick hatte sie sich frei gemacht und stand ihm mit blitzenden Augen gegenüber.

»Sie wagen es,« rief sie. »Mich mit Gewalt küssen wollen! Ha, sie betragen sich wie ein Schulbube. Wenn Sie es zu Stande bringen, daß ich Sie liebe, dann will ich Sie küssen, so oft Sie wollen. Wenn Sie das nicht können, dann bitte, bleiben Sie mir fern!«

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Дата выхода на Литрес:
10 декабря 2019
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Public Domain

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