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Читать книгу: «Befreite Schöpfung», страница 8

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Analog dazu kann man dies auch auf das Wachstum einer globalen Monokultur anwenden. Letztlich stellt der Verlust der kulturellen Vielfalt für die Gemeinschaft der Menschen ebenso eine Bedrohung dar, wie der Verlust der Vielfalt an Ökosystemen unseren Planeten insgesamt gefährdet. Wir ersetzen ein vielfältiges „Ökosystem von Kulturen“ durch eine Monokultur, die sich wie Unkraut verhält, rasch wächst, doch von geringem Nutzen ist. Schlimmer noch: Die sich ausbreitende Unkrautkultur enthält ein tödliches Gen, genauso wie eine gentechnisch veränderte Baumwollart das Pestizid Bt produziert, und damit wird es in vieler Hinsicht zum Gegenspieler des Lebens selbst.

Macht als Herrschaft

Im Zentrum der globalen Krankheit, die die Welt befallen hat, steht eine Auffassung von Macht als Herrschaft. Um sich auf der ganzen Welt durchzusetzen, hat der Kapitalismus (und sein Vorläufer, der Merkantilismus) Zwang ausgeübt, zunächst in Form des Kolonialismus. Zwischen 1500 und 1800 eroberten oder unterwarfen europäische Mächte den Großteil der Welt ihrer Herrschaft. Ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch begannen sich die Menschen in den betreffenden Regionen gegen diese Herrschaft aufzulehnen. Dieser Prozess nahm vor allem in Lateinamerika seinen Anfang. Während die hauptsächlich von der Mittelklasse getragenen Unabhängigkeitsbewegungen selten bedeutende Veränderungen für die ärmsten Bevölkerungsschichten bewirkten, zwangen diese Kämpfe die Hegemonialmächte dazu, ihre Strategie zu ändern. Gegen Ende der 1960er-Jahre war der traditionelle Kolonialismus, der sich auf direkte politische Gewalt stützte, fast vollständig von einem wirtschaftlichen Neokolonialismus ersetzt worden. In den letzten Jahren haben transnationale Konzerne (in Zusammenarbeit mit den Ländern, die ihnen politisch als Handlanger dienen) ihre Kontrolle ausgedehnt: zuerst mithilfe der Strukturanpassungsmaßnahmen und in jüngerer Zeit durch einen „liberalisierten“ Handel und Investitionsabkommen, die die Kontrolle durch die Einheimischen und die Souveränität der Bürger zunichte machen, aber gleichzeitig die Rechte der ausbeutenden wirtschaftlichen Kräfte, insbesondere der großen Konzerne, garantieren.

Diese wirtschaftlichen Waffen sind wirksame Herrschaftsinstrumente, doch sie werden auch durch die Drohung mit Waffengewalt gestärkt. Militärausgaben verschlingen immer noch einen großen Teil der weltweiten Ressourcen. Dem SIPRI (Stockholmer internationales Friedensforschungsinstitut) zufolge haben die Regierungen der Welt im Jahr 2007 1,3 Billionen US-Dollar (das entspricht 2,5 % des weltweiten BIP) zur Unterstützung des Militärs ausgegeben. Was vielleicht noch wichtiger ist: Viele der intelligentesten und talentiertesten Köpfe der Welt sind immer noch mit militärischer Forschung befasst. Was könnte alles passieren, wenn man diese Ressourcen zur Lösung der dringendsten Probleme der Welt einsetzen würde! Der Krieg zerstört ebenfalls nach wie vor Leben und Gemeinschaften, besonders in internen Konflikten, die oft mit den Problemen der Armut, der Ressourcenknappheit und den Interessen großer Konzerne zusammenhängen. Auch die Bedrohung durch Atomwaffen ist nach wie vor sehr real. Es gibt auf der Welt immer noch etwa 12.000 nukleare Sprengköpfe. Das ist genug, um die Erde mehrfach zu zerstören.

Für viele Menschen auf der Welt stellen Krieg und militärische Unterdrückung also reale und aktuelle Bedrohungen dar. In den letzten Jahren ist das im Zuge der Konflikte, repressiven Taktiken und Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem sogenannten Krieg gegen den Terror immer klarer geworden. Eine Person oder eine Gruppe mit dem Etikett „Terrorist“ zu versehen kommt immer mehr einer Lizenz für Gefangennahme auf unbestimmte Zeit, Folter und sogar Ermordung gleich.

In einem allgemeineren Sinne beherrschen militärische Metaphern weiterhin den gesamten Krankheitszustand des Planeten. Wir denken eher in Kategorien wie „eine Krankheit besiegen“ und nicht „das Wohlbefinden fördern“; wir sprechen vom „Überleben der an besten Angepassten“ oder sogar vom „Zerstöre oder werde zerstört“ und nicht so sehr von Kooperation und gegenseitiger Hilfe zum Überleben. Wir sehen Herrschaft als etwas irgendwie Natürliches oder Unvermeidliches an, ob es nun um die Herrschaft der Reichen über die Armen, der Männer über die Frauen, eines Landes über ein anderes oder der Menschen über die Natur geht.

Vielleicht ist es deshalb nicht überraschend, dass die Menschen nun versuchen, mittels Genmanipulation den Prozess des Lebens selbst zu beherrschen. Andere Techniken könnten die Herrschaftsgewalt noch vergrößern, insbesondere Roboter und die Nanotechnologie. Letztere könnte sich selbst reproduzierende Maschinen hervorbringen, die nur wenig größer als ein Molekül sind und lebende Organismen nachahmen. Bill Joy warnt davor, dass all diese Technologien das Potenzial in sich tragen, Schaden in einem unvorhergesehenen Ausmaß anzurichten. Im Gegensatz zu nuklearen Sprengköpfen benötigt man für diese Technologien keine Ausgangsmaterialien, die schwer zu beschaffen wären. Und sie können sich alle selbst reproduzieren. Schließlich werden sie alle von großen Konzernen entwickelt, und die Regierungen der Länder üben dabei kaum Kontrolle aus. Deshalb sind sie weit von einer Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit entfernt.

Die Gefahr, die von diesen neuen Technologien ausgeht, ist sehr real. Gene aus gentechnisch veränderten Feldfrüchten haben sich bereits auf andere Pflanzen, ja sogar andere Arten übertragen. Mikroskopische „Nano-Einheiten“ könnten sich selbst reproduzieren und damit zum Beispiel die Möglichkeit eröffnen, dass Mikromaschinen geschaffen werden könnten, die die Erde bedecken, aufzehren und sie so in Staub verwandeln oder die systematisch für das Leben auf dem Planeten wesentliche Bakterien vernichten. Wenn die künstliche Intelligenz weitere Fortschritte macht, dann könnten sich auch Roboter selbst reproduzieren und in Zukunft die Menschen ersetzen.

Auf den ersten Blick kommen einem solche Zukunftsszenarien wie reine Science-Fiction vor. Doch es gibt gute Gründe für die Annahme, dass diese Technologien noch zu Lebzeiten von vielen von uns Wirklichkeit werden. Und der Geist der Gentechnik ist bereits aus der Flasche entwichen. Joy stellt fest:

„Die neuen Büchsen der Pandora der Gentechnik, der Nanotechnologie und der Roboter sind fast geöffnet, doch wir scheinen es kaum bemerkt zu haben […]. Wir werden in dieses neue Jahrhundert ohne Plan, ohne Kontrolle und ohne Bremsen hineingeschleudert. Sind wir bereits zu weit gegangen, um die Richtung noch zu ändern? Ich glaube nicht, aber wir haben es noch nicht versucht, und die letzte Chance, die Kontrolle zu erlangen, die letzte Sicherheitsschleuse, kommt rasch näher. Wir haben bereits unsere ersten Roboter als Haustiere, es gibt im Handel zu erwerbende Techniken der Genmanipulation und die Nanotechnologien entwickeln sich rasch. Während die Entwicklung dieser Technologien durch eine Reihe von kleinen Schritten voranschreitet, […] kann der Durchbruch zur Selbstreproduktion der Roboter, der Genmanipulation oder der Nanotechnologie plötzlich kommen und dasselbe Gefühl der Überraschung auslösen, das wir hatten, als wir vom ersten geklonten Säugetier erfuhren.“ (Joy 2000; http://www.wired.com/wired/archive/8.04/joy.html)

Die Kräfte der Menschen scheinen viel schneller zuzunehmen als ihre Weisheit. Joy glaubt daran, dass es immer noch Gründe zur Hoffnung gibt. Er macht darauf aufmerksam, dass die Menschheit in der Lage war, auf chemische und biologische Waffen zu verzichten, weil sie dessen gewahr wurde, dass sie einfach zu schrecklich und zu zerstörerisch sind, um jemals zum Einsatz zu kommen. Können wir auch auf das Wissen und die Macht verzichten, die mit diesen neuen Technologien verbunden sind, oder können wir zumindest im Sinne des Vorsorgeprinzips strenge Sicherheitsauflagen für sie verhängen? Letztlich wird dies vielleicht davon abhängen, ob die Menschheit – und insbesondere diejenigen, die innerhalb des über unseren Planeten herrschenden krankhaften Systems den meisten Einfluss haben ‒, bereit ist, sich vom Streben nach immer mehr Macht, Kontrolle und Herrschaft abzuwenden.

Von der Krankheit zur Gesundheit

Ist es wirklich möglich, den pathologischen Kurs zu ändern und stattdessen einen Weg einzuschlagen, der zu Genesung und Leben führt? Auf den ersten Blick erscheinen allein das Ausmaß und die offensichtliche Macht der globalen (Un-)Ordnung als schier unüberwindlich. Darüber hinaus bringen uns der Wahnsinn und die grundlegende Irrationalität dieser „Ordnung“ dazu, eine solche Möglichkeit zu leugnen (Wie könnte dies denn tatsächlich geschehen?) oder zu verzweifeln (Wie kann dies je aufgehalten werden?).

Paradoxerweise aber könnte gerade diese Irrationalität ein Zeichen der Hoffnung sein. Die weltweit herrschenden wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Systeme versuchen uns ständig davon zu überzeugen, dass diese Art von „Globalisierung“ auf der Basis „freier Märkte“, von Finanzspekulation, Deregulierung, Konzernherrschaft und grenzenlosem Wachstum in gewissem Sinne unvermeidlich ist. Es gibt keinen anderen Weg. Wir mögen kleinere Kurskorrekturen vornehmen können, doch ein grundsätzlicher Richtungswechsel ist unmöglich. Doch ein System, das so krankhaft und irrational ist wie die gegenwärtige (Un-)Ordnung, ist eindeutig nicht alternativlos. Es ist ein künstliches und der Logik widerstrebendes Konstrukt, das sich im Widerspruch zu Milliarden von Jahren der Entwicklung des Kosmos und der Erde befindet.

Zugrunde liegende Annahmen und Überzeugungen

„Wenn sich die Menschen als Einzelwesen der Forderung ihrer elementaren Triebe unterwerfen, also den Schmerz vermeiden und nur nach eigener Befriedigung trachten, dann wird sich für die Allgemeinheit ein Zustand der Unsicherheit, der Furcht und des gemeinsamen Elends ergeben.“ (Einstein 1952, 21)

Um dies deutlicher zu sehen, wollen wir uns einen Moment Zeit nehmen, um die zugrunde liegenden Annahmen und Überzeugungen näher anzuschauen, die die gegenwärtige Krankheit der Welt zuinnerst prägen. Dann wollen wir sie mit dem konfrontieren, was wir „ökologischen Hausverstand“ oder auch eine Denkweise nennen könnten, die die Weisheit des Tao zum Ausdruck bringt.

Zunächst ist das herrschende System besessen von der Idee des quantitativen, undifferenzierten und grenzenlosen „Wachstums“, wie es im Zerrspiegel des BIP erscheint. Ein wachsender „Durchsatz“ (die Rate des Ressourcenverbrauchs) wird als ein Zeichen von Gesundheit betrachtet, selbst dann, wenn dabei die Natur ausgeplündert wird und die Armut sich im Prozess der Fehlentwicklung verschärft. Gleichzeitig versucht eine von Monokultur geprägte Mentalität eine einzige Kultur und ein einziges Wirtschaftsmodell auf dem ganzen Planeten durchzusetzen. Das Ergebnis sind unreife „Unkraut“-Gesellschaften mit einem hohen Energieverbrauch und einer geringen Artenvielfalt.

Im Gegensatz dazu weisen gesunde Ökosysteme viel stabilere Eigenschaften auf. Sie sind das, was Herman Daly „Ökonomien des stabilen Gleichgewichts“ („steady state economies“) nennt. Das heißt nicht, dass keine Veränderung möglich oder nicht wünschenswert wäre; alle Ökosysteme entwickeln sich im Laufe der Zeit. Doch die Veränderung ist in erster Linie qualitativer Natur, sie besteht in einem Wachstum an Vielfalt, die tatsächlich zu einer noch größeren Stabilität des Systems durch die Zeit hindurch führt. Des Weiteren gibt es eine Fülle verschiedener Ökosysteme, von denen jedes in einzigartiger Weise an ein bestimmtes Klima und eine bestimmte geografische Region angepasst ist. Das Tao ist in der Vielfalt, der Ausdifferenzierung und der Stabilität zu finden, nicht in einer krebsartigen Wucherung einer Monokultur.

Zweitens räumt die herrschende globale (Un-)Ordnung dem Begriff „Gewinn“ oder Profit um jeden Preis den Vorrang ein. Das System ist auf einen kurzfristigen Gewinn fixiert und stellt diesen über langfristige Nachhaltigkeit. Seine Priorität ist der Profit für wenige zulasten der vielen. Oftmals sind die Aktivitäten, die den größten „Profit“ hervorbringen, gleichzeitig auch diejenigen, die die Lebensqualität untergraben. Und umgekehrt werden Tätigkeiten, die das Leben tatsächlich dauerhaft erhalten und fördern, als „unwirtschaftlich“ betrachtet. „Gewinn“ wird nur ausgehend von finanziellen Kategorien definiert. Das Geld wird als „der einzige Maßstab für Wert und Reichtum“ aufgefasst, selbst wenn die Qualität und Vielfalt des Lebens im Zuge der Akkumulation leblosen Kapitals untergraben wird.

Vom Standpunkt der Ökosysteme aus gesehen ist Geld schlicht und einfach eine Abstraktion, die geschaffen wurde, um den Tausch zu erleichtern. Es hat keinen Wert an sich. (Was wäre denn der Wert des Geldes, wenn keine gesunde Nahrung, keine saubere Luft und kein sauberes Wasser mehr übrig wären, die man kaufen könnte?) Lediglich die Gesundheit und Vielfalt des Netzes des Lebens selbst haben einen realen Wert. Tätigkeiten, die dies untergraben – dazu gehört die Zerstörung von Leben um der Kapitalakkumulation willen ‒, sind ein Übel und keineswegs gut. Jede Tätigkeit wird letztlich an ihrem langfristigen, dauerhaften Wert gemessen. Ein kurzfristiger Gewinn auf Kosten eines langfristigen Wohlbefindens ist überhaupt kein Gewinn, ganz im Gegenteil: Er stellt einen Verlust dar. Das Tao aber hegt Wertschätzung für das Leben und schaut auf das, was für die siebte Generation – und darüber hinaus – gut ist.

Drittens sorgt die (Un-)Ordnung des herrschenden Systems dafür, dass sich Macht und Reichtum in den Händen der Konzerne als „Super-Personen“ konzentrieren. Das sind künstliche Gebilde, die sich der Verantwortung gegenüber der umfassenderen Gemeinschaft entziehen, innerhalb derer sie tätig sind. Macht wird grundsätzlich als Herrschaft verstanden und entsprechend ausgeübt. Der Wettbewerb wird als der Motor von Veränderung und Fortschritt betrachtet (auch wenn große Konzerne zugleich versuchen, den Wettbewerb dadurch zu verhindern, dass sie Märkte und Macht monopolisieren).

Vom Standpunkt der Ökosysteme aus betrachtet, dient der Reichtum dann am besten der Gemeinschaft, wenn er so umfassend wie möglich geteilt wird. Die Macht wird so dezentralisiert; in einem gesunden Ökosystem dominiert keine der einzelnen Arten. Es gibt sehr wohl die Dynamik des Wettbewerbs, doch grundlegender als dieser sind das Zusammenwirken und die wechselseitige Abhängigkeit voneinander. Vom Gesichtspunkt der Ökosysteme betrachtet, ist eine Art, die sich über ihre natürlichen Schranken hinaus auszubreiten beginnt, krank und Krebszellen in einem Körper zu vergleichen. Arten, die ihre jeweilige ökologische Nische über vernünftige Grenzen hinaus erweitern, werden zwangsläufig ihre Nahrungsgrundlage aufzehren und so einen Zusammenbruch der Population herbeiführen. Das Tao achtet auf das Gleichgewicht und die wechselseitige Abhängigkeit, die es allen Arten und allen Menschen ermöglicht, in Harmonie miteinander zu leben.

Ökologisch gesehen hat also die (Un-)Ordnung, die unseren Planeten zurzeit beherrscht, nichts Logisches oder Natürliches an sich. Sie befindet sich ganz und gar nicht mit dem Tao im Einklang. In ähnlicher Weise scheint das herrschende System auch unter dem Gesichtspunkt einer menschlichen Ethik oder menschlicher Werte irrational zu sein. David Korten (1995) fasst einige der Grundannahmen über das Verhalten der Menschen zusammen, die in der derzeit herrschenden Ideologie enthalten sind:

1 1. Menschen werden grundsätzlich von Gier und Eigeninteresse angetrieben, die sich insbesondere im Wunsch nach finanziellem Gewinn ausdrücken.

2 2. Der Fortschritt und der Wohlstand des Menschen werden am besten am Maßstab wachsenden Konsums gemessen. Das bedeutet, dass wir unser Menschsein im Erwerbsstreben verwirklichen.

3 3. Konkurrenzverhalten (und damit der Wunsch, andere zu beherrschen) ist für die Gesellschaft vorteilhafter als Kooperation.

4 4. Die Tätigkeiten, welche den größten finanziellen Ertrag bringen, sind für die Gesellschaft – und die umfassendere Gemeinschaft des Lebens als ganzer – am nützlichsten. Gier und Erwerbsstreben werden letztlich zu einer optimalen Welt führen. (Korten 1995, 70–71)

In dieser deutlichen und unverhohlenen Form würden in der Tat nur wenige Menschen diesen Grundannahmen zustimmen. Sie stehen bestimmt im Widerspruch zu fast jeder Religion und Philosophie innerhalb der Tradition der Menschheit. Das Tao Te King etwa hält fest:

„Diejenigen, die erkennen, dass sie genug haben,

sind wirklich reich.“ (§ 53)

Selbst Adam Smith, der gemeinhin als der Leitstern für Kapitalismus und „freie Marktwirtschaft“ gilt, hätte dieser Karikatur eines Wertesystems heftig widersprochen. Smith hielt Sympathie (oder Mitleid), und keineswegs Wettbewerb oder Gier für die wesentliche Eigenschaft der Menschheit. Tugend umfasst seiner Definition zufolge drei Elemente: Anstand, Klugheit (ein berechtigtes Streben nach Eigeninteresse) und Wohltätigkeit (das Glück anderer befördern) (Saul 1995, 159).

Eine neue Perspektive einnehmen

Wie können wir aus diesem verzerrten Koordinatensystem ausbrechen, das unsere Werte in Antiwerte verkehrt? Und wie können wir praktisch den Übergang von unserem System, das auf Chrematistik, Monokultur und Herrschaft beruht, zu einer oikonomia schaffen, das heißt einer Art, sich um den Haushalt der Erde, unserer Heimat, zu kümmern? Wie kann es uns gelingen, eine Welt zu schaffen, in der die Menschheit innerhalb der ökologischen Schranken des Planeten lebt und gleichzeitig die ungeheuren Ungerechtigkeiten zwischen Arm und Reich beseitigt?

Wenn wir uns diese Fragen stellen, ist es hilfreich, sich darauf zu besinnen, dass die herrschende globale (Un-)Ordnung in keinerlei Hinsicht völlig den Sieg errungen hat. Immer noch gibt es auf der Welt eine große kulturelle Vielfalt. Und es gibt überall auf der Welt eine Menge Widerstandsnester gegen die gleichmacherischen Trends. Es gibt sie, und sie wehren sich nach wie vor. Das gilt in besonderer Weise für diejenigen, die vom herrschenden System am meisten ausgegrenzt und unterdrückt werden: die Frauen, indigene Völker und Menschen, die innerhalb von Subsistenzwirtschaften leben. Doch selbst für Bereiche nahe am „Zentrum“ der herrschenden Macht gilt dies. Allenthalben gibt es Gemeinschaften, die nach Alternativen zur sich weltweit durchsetzenden Wirtschaft und Kultur suchen. Überall bilden sich Bewegungen heraus, die sich der Durchsetzung des Hegemonialsystems widersetzen und eine neue Ordnung auf der Grundlage von Gleichheit, Gerechtigkeit, Stärkung der eigenen Fähigkeiten und ökologischer Gesundheit schaffen wollen. Überall gibt es Menschen und Organisationen, die eine innovative Politik und schöpferische Technologien entwerfen. Nichts an der derzeitigen (Un-)Ordnung ist unvermeidlich: Wir können immer noch einen anderen Weg einschlagen, einen Weg, der uns zur Großen Wende führt, und in der Tat entschließen sich viele Menschen genau dazu.

Korten zufolge haben wir die Wahl zwischen dem, was er „Imperium“ nennt – das derzeit herrschende weltweite Herrschaftssystem oder das, was Macy und Brown als die „Industrielle Wachstumsgesellschaft“ bezeichnen ‒, und der Erdgemeinschaft, das heißt einer Ordnung auf der Grundlage der Prinzipien einer nachhaltigen Gemeinschaft, die für unsere Heimat Sorge trägt, eine wirkliche oikonomia. Der Gegensatz hinsichtlich der Grundannahmen und Werte zwischen den beiden Alternativen kann folgendermaßen (in Anlehnung an Korten 2006, 32) dargestellt werden:


Imperium (Industrielle Wachstumsgesellschaft)Erdgemeinschaft (Oikonomia)
Das Leben ist feindselig und von Konkurrenz geprägtDas Leben ist von gegenseitiger Unterstützung und Kooperation geprägt
Die Menschen haben Defekte und sind gefährlichDie Menschen haben viele Möglichkeiten
Ordnung durch Hierarchie der BeherrschungOrdnung durch Partnerschaft
Bewähre dich im Konkurrenzkampf oder stirbKooperiere und lebe
Liebe die MachtLiebe das Leben
Verteidige deine RechteVerteidige die Rechte aller/Verantwortung füreinander
Das Männliche dominiertAusgewogenheit zwischen den Geschlechtern

Im Gegensatz zur derzeitigen krankhaften Ökonomie, die die finanzielle „Hyper-Ökonomie“ über alles andere stellt und das Nichtmenschliche sowie Subsistenzwirtschaften einfach ignoriert, anerkennt dieses Modell, dass die nichtmenschliche Ökonomie an erster Stelle kommt. Dann kommt die menschliche Tätigkeit, die der Erhaltung des Lebens dient, wie etwa die Kindererziehung und die Subsistenzlandwirtschaft (beides wird gegenwärtig weigehend von Frauen ohne Bezahlung geleistet). Dies wird als die Grundlage für alle weiteren wirtschaftlichen Aktivitäten des Menschen betrachtet. Dann kommt der Beitrag des öffentlichen Sektors und der Sozialökonomie. Dazu gehören viele Tätigkeiten von Volksbewegungen und Nichtregierungsorganisationen. Zum Schluss kommen der private Sektor (dazu zählen Genossenschaften, kleine Unternehmen und auch größere Konzerne) und der Finanzsektor (er soll den anderen Schichten dienen, doch er hat an sich nicht viel Substanz).

Der Grundgedanke dieses Modells ist es, die herrschende Ökonomie vom Kopf auf die Füße zu stellen. Anstelle einer Wirtschaft, die vom Finanzsektor und den Konzernen beherrscht ist und Leben aus den darunter liegenden Schichten saugt, sind der Finanzsektor und das Unternehmertum dazu da, der umfassenderen Gemeinschaft zu dienen. Die Gemeinschaft der Menschen wiederum trägt ihrer Abhängigkeit von der umfassenderen Erdgemeinschaft Rechnung und ist sich dessen bewusst, dass das Ökosystem die Grundlage allen Lebens und aller menschlichen Tätigkeiten ist. Allgemein gesprochen, wird ein ökonomischer Wert daran gemessen, inwiefern eine Tätigkeit zu gesunden Beziehungen und zur Erhaltung des Lebens beiträgt, und nicht am finanziellen Ertrag.

Praktisch gibt es viele Arten von Politik, die uns zu dieser Art einer erneuerten Praxis der oikonomia hinführen können. Die derzeitige Pathologie verstetigt sich selbst weitgehend dadurch, dass sie Tätigkeiten belohnt, die Schaden anrichten und zugleich die wahren Kosten der Zerstörung verschleiern. Es ist nicht schwer, sich politische Maßnahmen vorzustellen, die das Gegenteil bewirken, zum Beispiel:

 – Unsere Wirtschaftsindikatoren im Sinne des oben erwähnten „echten Fortschrittsindex“ reformieren, damit der Verbrauch von natürlichem Kapital als Kostenfaktor sichtbar wird und nicht als Einkommen gewertet wird. Gleichzeitig kann man den alternativen Index heranziehen, um den Wert von nichtbezahlten menschlichen Tätigkeiten und den Beitrag des Ökosystems zur Erhaltung des Lebens abzubilden.

 – Arbeit und Einkommen weniger besteuern, im Gegenzug aber den Ressourcen“durchsatz“ stärker besteuern. Im Allgemeinen tragen die Arbeiter die Hauptlast der Steuern. „Grüne“ Steuern wären eine viel sinnvollere Alternative. Einerseits sollten Energie, Wasserverbrauch in der Industrie, Verschmutzung, Pestizide und verschwenderische Verpackung besteuert werden, um einen Ansporn zur Erhaltung zu geben und schädliche Produktion zu vermeiden. Auf der anderen Seite sollte erneuerbare Energie, öffentlicher Transport, ökologischer Landbau und Techniken, die der Erhaltung dienen, subventioniert werden, um sie zu fördern. Auch eine geringe Besteuerung von Finanztransaktionen (sie wird oft auch nach dem Wirtschaftswissenschaftler, der diese Idee zuerst äußerte, als Tobin-Steuer bezeichnet) würde die Spekulation in hohem Maß eindämmen und gleichzeitig die finanziellen Mittel bereitstellen, um die Armut zu bekämpfen, Schulden zu streichen und Umweltschäden zu beheben.

 – Die Schulden der ärmsten Länder streichen und Wege finden, wie man die Schulden der Länder mit „mittlerem Einkommen“ verringern und tilgen kann. Wie wir gesehen haben, stellen die Verschuldung und die mit ihr einhergehenden Strukturanpassungsmaßnahmen einen entscheidenden Hebel für eine fehlgeleitete Entwicklung dar. Viele der Schulden, um die es hier geht, sind bereits mehrfach wieder zurückgezahlt worden (und viele waren von Anfang an ungerecht oder illegitim). Wenn man bloß Geld von den Militärausgaben abzweigt oder eine Finanztransaktionssteuer einführt, wäre das wahrscheinlich bereits mehr als genug, um die Armen von ihrer Schuldenlast zu befreien.

 – Mithilfe einer Reihe von Maßnahmen die Macht der Konzerne beschränken: Spenden von Konzernen an politische Parteien verbieten; die juridische Fiktion beseitigen, derzufolge Konzerne „Personen“ sind, die mit Rechten wie etwa dem der freien Meinungsäußerung und der politischen Teilhabe ausgestattet sind; Aktionäre gesetzlich haftbar machen für die Schäden, die von Konzernen verursacht werden, und auf diese Weise ethisches Investment fördern; Bedingungen definieren, unter denen einem Konzern die Geschäftsgrundlage entzogen werden kann, wenn er etwa wiederholt gegen Umweltgesetze verstößt, Beschäftigte schädigt oder in kriminelle Machenschaften verstrickt ist.

Es fehlt nicht an guten Ideen im Bereich von Politik und Technik, die uns in die Lage versetzen könnten, eine nachhaltige und gerechtere Zukunft zu schaffen. Und es fehlt auch nicht an ökonomischen Ressourcen. Paul Hawken bemerkt:

„Die USA und die damalige UdSSR gaben mehr als zehn Billionen US-Dollar für den Kalten Krieg aus. Das ist genug Geld, um die Infrastruktur der Welt komplett zu ersetzen: jede Schule, jedes Krankenhaus, jede Straße, jedes Gebäude und jeden landwirtschaftlichen Betrieb. Anders ausgedrückt: Wir kauften und verkauften die gesamte Welt, um eine politische Bewegung zu bekämpfen. Jetzt zu behaupten, wir verfügten nicht über die Ressourcen, um eine neue Wirtschaft aufzubauen, ist absurd. Denn die Bedrohungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, werden jetzt schon Realität, während sich die Bedrohungen der nuklearen Pattsituation nach dem Krieg auf die Möglichkeit von Zerstörung bezogen.“ (1993, 58)

Was ist also wirklich nötig, damit die Große Wende stattfinden kann? Wie können wir auf dem Weg zu einer ganzheitlichen Befreiung der Menschheit und der Erde selbst vorankommen? Wir müssen einen Begriff davon bekommen, dass der jetzige Zustand der Dinge alles andere als unvermeidlich ist, dass er von Grund auf irrational und krankhaft ist. Um dieses Verständnis zu erlangen, müssen wir selbst den ersten Schritt tun. Der nächste Schritt wird dann darin bestehen, den Ursprung einiger Glaubenssätze, Haltungen, Sichtweisen und Praktiken zu verstehen, die dem derzeitigen System zugrunde liegen.

4 Die hier angegebenen Zeiträume des kosmischen Jahrhunderts stützen sich auf die Zeittafel aus dem Buch von Swimme/Berry, Die Autobiographie des Universums (1999), 275–283. Eine jüngere Schätzung geht davon aus, dass der Kosmos vor 13,73 Milliarden Jahren entstand.

5 Entsprechend umfasst ein kosmischer Monat 12,5 Millionen Jahre, ein kosmischer Tag 411.000 Jahre, eine kosmische Stunde etwa 17.000 Jahre, eine kosmische Minute ca. 285 Jahre und eine kosmische Sekunde 4,75 Jahre.

6 Die statistischen Angaben in diesem Abschnitt entstammen mehreren Quellen: Sale 1985; Nickerson 1993; Ayers 1998; Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) 2001; des Worldwatch Institute (1991; 1994; 1997; 2000 und 2005); des International Fund for Agricultural Development (2006).

7 Um die Größenordnung dieser Veränderung deutlich zu machen: Die Erde ist jetzt um 5 bis 7 Grad Celsius wärmer als zur Hälfte der letzten Eiszeit.

8 Der Entwicklungsbericht des UNDP (United Nations Development Programme) aus dem Jahr 1992 schätzte, dass die Kluft zwischen den reichsten 20 % und den ärmsten 20 % der Länder dem Verhältnis von 60 : 1 entsprach. Diese Zahlen beruhen auf einem landesweiten Durchschnittswert. Doch wenn man die tatsächlichen individuellen Einkommen betrachtet, entspricht die Kluft einem Verhältnis von 150 : 1 (Athanasiou 1996). Im Jahr 2005 bezifferte das UNDP die Kluft ausgehend vom Durchschnitt der Länder auf 82 : 1. Dies lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass die Kluft bezogen auf die individuellen Realeinkommen einem Verhältnis von 200 : 1 entspricht.

9 Die statistischen Angaben stammen aus Milanovic 1999, 2. Die Verteilung der Einkommen ist seit dem Erstellen dieser Statistik noch ungleicher geworden.

10 Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten, die systeminhärente Erkrankung, die derzeit unseren Planeten beherrscht, zu benennen. In diesem Buch werden wir hauptsächlich den Ausdruck (Un-)Ordnung benutzen, um ein System oder eine „Ordnung“ zu bezeichnen, das von Grund auf krankhaft ist. Es ist im Wesentlichen ein System, das einer Krankheit wie dem Krebs vergleichbar ist. Andere wie etwa David Korten und einige ökumenische Organisationen beschreiben diese (Un-)Ordnung mit dem Terminus „Imperium“. Korten zum Beispiel definiert Imperium als „die hierarchische Organisation menschlicher Beziehungen auf der Grundlage des Prinzips der Beherrschung. Die Mentalität des Imperiums beinhaltet materiellen Überfluss für die herrschenden Klassen, Verehrung für die beherrschende Kraft von Tod und Gewalt, Verleugnung des weiblichen Prinzips und Unterdrückung der Wahrnehmung des Potenzials menschlicher Reife“ (2006, 20). In ähnlicher Weise definiert der Weltbund der Reformierten Kirchen Imperium als „die Verbindung von wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, geografischen und militärischen imperialen Interessen, Systemen und Netzwerken, die die politische Macht und den wirtschaftlichen Reichtum beherrschen wollen. Es ist bezeichnend für das Imperium, dass es den Fluss von Reichtum und Macht von den verwundbaren Menschen, Gemeinden und Ländern zu den mächtigeren erzwingt oder erleichtert. Heute sprengt das Imperium alle Beschränkungen, es zerstört Identitäten und bildet sie neu, es untergräbt Kulturen, unterwirft Nationen und Staaten und grenzt Religionsgemeinschaften entweder aus oder vereinnahmt sie.“ Ein Vorteil der Benutzung des Ausdrucks „Imperium“ ist es, dass er das gegenwärtige System klar mit einem Gesellschafsmodell in Verbindung bringt, das grob gesprochen vor fünftausend Jahren seinen Anfang nahm und den Einsatz militärischer Gewalt mit einschließt. Andererseits weist die moderne Form des Imperiums spezifische Charakterzüge auf, die bei den meisten, die das Wort hören, nicht immer assoziiert werden. Das trifft insbesondere für seine geradezu besessene Zerstörung der lebenden Systeme der Erde zu. Eine dritte Weise, die Krankheit des Systems zu benennen, ist der Ausdruck „Industrielles Wachstumssystem“. Er stammt vom norwegischen Ökophilosophen Sigmund Kwaloy und betont die Abhängigkeit des Systems von einem stets wachsenden Ressourcenverbrauch ebenso wie eine Mentalität, welche die Erde als „Lagerhaus und Kloake gleichermaßen“ betrachtet. (Macy/Brown 1998). Letztlich haben alle drei Termini ihre Berechtigung, sie ergänzen einander und sind hilfreich. Sie werden mehrmals in diesem Buch benutzt, ebenso wie andere Ausdrücke wie zum Beispiel „globaler Kapitalismus der Konzernherrschaft“.

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9783766643049
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