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Читать книгу: «Befreite Schöpfung», страница 7

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Manchmal scheint die überbordende pathologische Macht der Konzerne unbesiegbar. Doch es werden bereits Risse im Panzer der Konzerne sichtbar. Menschen in Teilen Europas und Brasiliens, ja sogar in einigen Bundesstaaten der USA, haben bereits erfolgreich gentechnikfreie Zonen geschaffen. Progressive Regierungen, besonders in Südamerika, haben die von den transnationalen Konzernen geförderte neoliberale Politik einer ernsthaften Kritik unterzogen. Weltweite Proteste gegen den IWF, die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) – alles entscheidende internationale Instrumente für die Herrschaft der Konzerne – haben an Stärke gewonnen. Es ist in weiten Teilen auf diese Bewegung und auf die Wahl von Regierungen, die diesem Programm skeptisch gegenüberstehen, zurückzuführen, dass die WTO-Verhandlungen in den letzten Jahren fast unmöglich wurden.

Korten meint, dass der heutige, von den Konzernen geprägte weltweite Kapitalismus eine starke Ähnlichkeit mit den zentral kontrollierten Ökonomien des früheren Sowjetblocks aufweist. „Der Westen verfolgt nun einen extremistischen ideologischen Weg [ähnlich dem des ehemaligen Ostblocks]; der Unterschied besteht darin, dass wir in die Abhängigkeit von abgehobenen und unkontrollierbaren Konzernen, und weniger von einem abgehobenen und unkontrollierbaren Staat getrieben werden.“ (1995, 88–89) Beide Systeme konzentrieren wirtschaftliche Macht auf zentralisierte Institutionen, die sich der Kontrolle und der Mitbestimmung der Menschen entziehen. Beide stützen sich auf Großstrukturen, die in sich ineffizient und weder für Menschenrechte noch für echte Bedürfnisse empfänglich sind. Und beide bringen eine pervertierte Ökonomie hervor, die andere Lebewesen und Ökosysteme als Ressourcen behandelt, die ohne Folgen aufgebraucht werden können. Wie wir alle wissen, brach das einst als unüberwindbar geltende sowjetische System innerhalb von wenigen Jahren zusammen. Der Kapitalismus der globalen Konzernherrschaft mag sehr wohl ein besser entwickeltes System der Kontrolle und Ausbeutung sein, doch es gibt gute Gründe für die Annahme, dass er einem ähnlichen Schicksal erliegen könnte, wenn er seinen Kurs nicht radikal ändert. Korten stellt fest:

„Ein Wirtschafssystem ist nur so lange machbar, als die Gesellschaft über Mechanismen verfügt, den Missbräuchen vonseiten staatlicher Gewalt oder Marktmacht und der Erosion des natürlichen, sozialen und moralischen Kapitals zu begegnen, die durch solche Missbräuche normalerweise verschärft wird.“ (1995, 89)

Ein parasitäres Finanzsystem

Die von Wachstum, einer fehlgeleiteten Entwicklung und der Konzernherrschaft verursachten Probleme werden durch ein parasitäres Finanzsystem noch verschlimmert, das das Wirtschaftsgeschehen zunehmend verändert: Von der Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen verschiebt sich der Schwerpunkt auf die Profitmacherei durch Manipulation des Geldes. So haben zum Beispiel im Jahr 1993 zwei der größten Konzerne, nämlich General Electric und General Motors, mehr Profit durch ihre Aktivitäten auf dem Finanzmarkt als durch die Herstellung von Elektronik oder Autos erwirtschaftet. (Dillon 1997)

Insgesamt hat die „Finanzwirtschaft“ der Welt die Wirtschaft, die es tatsächlich mit Gütern und Dienstleistungen zu tun hat, weit übertroffen. Finanztransaktionen sind nun siebzigmal mehr „wert“ (da das Geld der Maßstab ist!) als der globale Handel mit konkreten Waren. Der Geldwert der Aktien, die an den weltweit größten Börsen gehandelt werden, stieg von 0,8 Billionen US-Dollar im Jahr 1977 auf 22,6 Billionen US-Dollar im Jahr 2003. Korten stellt fest: „Dies stellt einen enormen Zuwachs an Kaufkraft für die herrschende Klasse im Vergleich zum Rest der Gesellschaft dar. Es erzeugt die Illusion, dass Wirtschaftspolitik den tatsächlichen Wohlstand einer Gesellschaft vermehrt, wo sie ihn doch in Wirklichkeit vermindert.“ (2006, 68)

Insgesamt reichten die täglichen Transaktionen von Aktien, Währungen, Warentermingeschäften und festverzinslichen Wertpapieren an etwa 4 Billionen Dollar im Jahr 1997 (Dillon) heran, während die Bank für internationale Angelegenheiten hochrechnet, dass sich heute bereits allein die Devisentransaktionen auf diese Summe belaufen (im Jahr 1997 betrugen diese noch 1,5 Billionen US-Dollar). Dillon schreibt: „Die meisten dieser Transaktionen (95 %) sind rein spekulativer Natur. Sie sind an sich nicht notwendig, um die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu finanzieren.“ (1997, 2) Die Einführung neuer Techniken hat dazu beigetragen, dass die Finanztransaktionen an Tempo und Umfang zugenommen haben. Fast alle diese Transaktionen arbeiten jetzt mit „Cybergeld“, das heißt mit elektronischen Transfers per Computer und einer Kommunikation nahezu ohne jede Verzögerung rund um den Globus. Dillon schreibt: „Nichts, was man anfassen könnte, wechselt den Besitzer. Dennoch werden Spekulanten reich, indem sie nicht mehr machen, als Nullen und Einsen an Computerchips zu verschieben, wenn sie Cybergeld kaufen und verkaufen.“ (1997, 3)

Vor vielen Jahren sprach der Wirtschaftswissenschaftler John Meynard Keynes die Warnung aus: „Spekulation kann Schaden anrichten, wenn sie gleichsam in Form von Blasen auf einem steten Strom des Unternehmens schwimmt. Doch die Lage ist dann ernst, wenn das Unternehmen selbst die Blase mitten in einem Whirlpool von Spekulation wird.“ Doch genau dies scheint eine zutreffende Beschreibung unserer gegenwärtigen Weltwirtschaft zu sein. Die Unbeständigkeit, die aus dieser Situation erwächst, kann schnell und plötzlich schweren Schaden anrichten. Im Jahr 1995 trieb ein Händler in Singapore die 233 Jahre alte britische Barings Bank in den Bankrott, nachdem er in einer Transaktion im Umfang von 29 Milliarden Dollar in japanischen Derivaten 1,3 Milliarden Dollar verlor. Noch beunruhigender waren die Finanzkrisen in Mexiko im Jahr 1994 und die Asienkrise im Jahr 1998, die dadurch ausgelöst wurden, dass Investoren plötzlich ihr Geld aus den Regionen abzogen und so die auf Finanzblasen aufruhende Wirtschaft zusammenbrechen ließen. In beiden Fällen schuf der riesige und unbeständige Fluss von spekulativem Kapital die Bedingungen, die schließlich zur Krise führten. In beiden Fällen wurden ausländische Investoren weitgehend durch international finanzierte Bürgschaften vor Verlusten geschützt (nachdem sie vorher sagenhafte Spekulationsgewinne gemacht hatten). Doch die Kosten für diese Finanzpakete wurden von den Menschen und Ökosystemen der betroffenen Regionen getragen, insbesondere in Form einer noch größeren Schuldenlast und der Verhängung weiterer Strukturanpassungsmaßnahmen.

Schließlich hat die jüngste Subprime-Hypothekenkrise, die ihren Ausgang in den USA nahm, in einem noch viel größeren Ausmaß die Finanzmärkte auf der ganzen Welt in den Abgrund gerissen. Wieder einmal führte Spekulation – insbesondere der Handel mit Subprime-Hypotheken, die als Wertpapiere verkauft wurden – zum massiven Zusammenbruch einer auf Finanzblasen basierenden Wirtschaft, diesmal jedoch nicht regional begrenzt, sondern in weltweitem Maßstab. Der Wirtschafswissenschaftler Herman Daly schreibt dazu:

„Das Chaos, in das die Weltwirtschaft gestürzt wurde und dessen Auslöser die Subprime-Hypothekenkrise in den USA gewesen ist, ist keine ‚Liquiditätskrise‘, wie es oft heißt. Eine Liquiditätskrise würde bedeuten, dass die Wirtschaft in Schwierigkeiten wäre, weil die Unternehmen keine Kredite und Darlehen mehr bekämen, um ihre Investitionen zu finanzieren. Tatsächlich aber ist die Krise das Ergebnis eines Überhandnehmens von Finanzvermögen im Vergleich zum Wachstum des realen Wohlstands – das ist das genaue Gegenteil von zu wenig Liquidität. Das Problem, das wir in den USA beobachten, ist entstanden, weil die Summe des realen Wohlstands keine ausreichende Rücklage bildet, um die atemberaubend hohen Schulden zu garantieren. Diese sind entstanden, weil die Banken in der Lage waren, Geld zu schöpfen, Kredite auf der Grundlage von fragwürdigen Vermögenswerten zu gewähren, und aufgrund des Staatsdefizits der USA, das angehäuft wurde, um den Krieg und die jüngsten Steuererleichterungen zu finanzieren […] Um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass Wachstum uns reicher macht, verschoben wir die Kosten auf später, indem wir fast grenzenlos Finanztitel ausgaben und dabei der Bequemlichkeit halber vergaßen, dass diese sogenannten Vermögenswerte für die Gesellschaft insgesamt Schulden darstellen, die aus künftigem Wachstum des realen Wohlstands bezahlt werden müssen. Das künftige Wachstum ist jedoch sehr zu bezweifeln, wenn man von den nach hinten verschobenen realen Kosten ausgeht, während die Verschuldung sich weiterhin auf ein absurdes Niveau verschlimmert.“ (2008)

Wieder einmal wurden die Regierungen dazu gezwungen, das Finanzsystem durch massive Kredite und sogar Aufkäufe von Geldinstituten zu retten. Dabei bürdeten sie dem Steuerzahler ein Risiko von Billionen Dollar auf. Inzwischen zeitigt das Platzen der Blase sehr reale Kosten: die Arbeitslosigkeit steigt an, Menschen verlieren ihr Zuhause und der weltweite Handel schrumpft rasch.

Finanzspekulation ist einerseits von der Realität abgekoppelt, doch sie erzeugt dennoch reale Kosten für die Menschen und die umfassendere planetarische Gemeinschaft. Spekulanten stellen eine ungeheure wirtschaftliche Macht dar. Wie anlässlich der Krisen in Mexiko und in Asien deutlich wurde, können sie ihre Fonds sehr schnell irgendwohin verschieben und als Folge ihrer Entscheidungen Wirtschaften zusammenbrechen lassen. Selbst die Politik der reichsten Länder ist solchem Druck ausgesetzt. In den frühen 1990er-Jahren zum Beispiel führte die kanadische Regierung die Drohung mit finanziellen Repressalien als Grund für die Kürzung von Regierungsausgaben an. Internationale Anleger stellen tatsächlich so etwas wie eine Veto-Macht für die Politik aller Länder dar. Sie drängen sie dazu, Gesetze und Regelungen zu erlassen, die durch eine offene Investmentpolitik (welche die Instabilität noch vergrößert), „freien Handel“, niedrige Steuern und einen schwachen Schutz für Arbeiter und für die Umwelt die Profite der Konzerne vermehren.

Investoren üben auch Macht gegenüber einzelnen Konzernen aus. Um die Kosten zu senken, die Profite zu erhöhen und die Aktienkurse ansteigen zu lassen, vernichten Gesellschafen Arbeitsplätze oder verlagern sie dorthin, wo die Löhne niedriger sind. In ähnlicher Weise erhöht es kurzfristig die Profite und Aktienkurse, wenn „natürliche Vermögenswerte“ durch die Ausbeutung der Reichtümer der Erde in einem nicht nachhaltigen Ausmaß liquidiert werden. Konzerne, die versuchen, verantwortlich zu handeln, die nach langfristiger Nachhaltigkeit anstelle von kurzfristigen Profiten streben, sind intensivem finanziellen Druck ausgesetzt, damit sie sich anders verhalten. Diejenigen, die dies nicht tun, können auch für Finanzinvestoren anfällig werden, die man gemeinhin als „Heuschrecken“ bezeichnet (weil sie Unternehmen ausschlachten; d. Übers.).

Ned Daly zitiert das Beispiel der Pacific Lumber Company, die Holz in den alten Wäldern an der kalifornischen Küste gewinnt. Während der 1980er-Jahre galt die Gesellschaft als ein Modell im Hinblick auf ihr Verhalten gegenüber Arbeitern und der Umwelt, unter anderem wegen großzügiger Zuwendungen an die Arbeiter und innovative Methoden eines nachhaltigen Umgangs mit dem Waldbestand. Genau dieses Verhalten führte dazu, dass die Gesellschaft nur bescheidene Profitraten erzielte, was einen niedrigen Aktienkurs bedingte. Dies wiederum machte sie zu einem erstklassigen Ziel für eine feindliche Übernahme durch den Investor Charles Hurwitz. Als er die Kontrolle übernahm, verdoppelte er sofort den Holzeinschlag und zog vom Rentenfond der Gesellschaft mehr als die Hälfte des Vermögens ab. Das ermöglichte es ihm, die Risiko-Wertpapiere auszubezahlen, mit denen er die Übernahme finanziert hatte, und einen beachtlichen Profit zu erzielen. Sein Gewinn jedoch hatte den Preis einer beschleunigten Zerstörung eines weltweit einzigartigen, majestätischen Waldbestandes (N. Daly 1994).

In gewisser Hinsicht kann man das weltweite Finanzsystem als einen Parasiten betrachten, der Leben aus der Realwirtschaft saugt. Ohne Zweifel ist Finanzinvestment nötig, nämlich produktives Investment, das Arbeitsplätze mit ordentlichen Löhnen schafft, während tatsächliche Nachhaltigkeit innerhalb der Grenzen der Ökosysteme die Zeichen für echte Innovation und Fortschritt sind. Die meisten Investoren der Welt scheinen sich einem „extraktiven Investment“ zu widmen, das keinen Wohlstand schafft, sondern einfach „den existierenden Wohlstand herausholt und konzentriert […]. Im schlimmeren Fall führt das zu einer Abnahme des Wohlstands [und der Gesundheit] der Gesellschaft insgesamt, auch wenn es für den Einzelnen [oder eine Gruppe von Investoren] eine hübsche Rendite einbringen mag.“ (Korten 1995, 195) Die Machenschaften des Charles Hurwitz scheinen ein Paradebeispiel für diese Art von parasitärem Investment zu sein.

Ein illusorischer Wohlstand

Im Zentrum des extraktiven Investments und eines parasitären Finanzsystems steht eine falsche Auffassung vom Geld. Selbst Adam Smith widersprach der Vorstellung, man könne Geld aus Geld machen. Geld war als ein Instrument gedacht, nicht als ein Zweck an sich. John Ralston Saul schreibt: „Die Explosion der Geldmärkte ohne Bezug zur Finanzierung tatsächlicher Aktivitäten ist nichts als Inflation. Und deshalb sind diese Geldmärkte sehr esoterisch, Ideologie in Reinkultur.“ (1995, 153–154)

Der Wirtschaftswissenschaftler Herman Daly (1996) nennt dies einen „Trugschluss unangebrachter Konkretheit“. Wir verwechseln Geld (oder die Nullen und Einsen im Cyberspace, die die reale Währung weitgehend ersetzt haben) mit dem echten Reichtum, den es darstellen soll. Was immer für das abstrakte Symbol des Reichtums als wahr gilt, das – so nimmt man an – trifft auch auf den realen Reichtum zu.

Realer Reichtum aber ist dem Prozess des Verderbens unterworfen. Getreide kann nicht dauerhaft in Scheunen und Silos aufbewahrt werden. Kleidung wird mit der Zeit abgetragen oder von den Motten gefressen. Und Gebäude verfallen mit der Zeit. Im besten Fall kann natürlicher Reichtum (wie Wälder oder Feldfrüchte) in einem Maß, das die Sonneneinstrahlung, die Verfügbarkeit von sauberem Wasser und eines gesunden Bodens vorgibt, gedeihen. Doch realer Reichtum wächst niemals eine bedeutende Zeitstrecke hindurch exponenziell und kann tatsächlich mit der Zeit sogar abnehmen.

Doch Geld verdirbt nicht. Wenn man das Symbol (Geld) mit der Wirklichkeit (Reichtum) gleichsetzt, dann wird Reichtum eine abstrakte Größe unabhängig von den Gesetzen der Physik und Biologie. Er kann immer angehäuft werden, ohne zu verderben. Durch den Zaubertrick der Verschuldung und andere ausgetüftelte Finanzmanipulationen kann Geld sogar mehr werden – und das sogar im Sinne eines exponenziellen Wachstums. Aufgrund des Trugschlusses der unangebrachten Konkretheit nehmen die meisten Wirtschaftswissenschaftler (und viele Politiker, Investoren und die einfachen Leute, die von der Geldillusion vernebelt sind) deshalb an, dass auch der reale Reichtum exponenziell zunimmt.

Tatsächlich ist das akkumulierte Geld überhaupt kein realer Reichtum. Es ist lediglich eine Art Pfandrecht auf künftige Produktion, das aufgrund einer gesellschaftlichen Übereinkunft zu einem späteren Zeitpunkt gegen realen Reichtum eingelöst werden kann.15 Um die wachsenden Pfandrechte auf die Zukunft, die durch diese Art von Kapitalakkumulation hervorgebracht werden, decken zu können, muss die Wirtschaft ständig wachsen, oder der Wert des Geldes muss mittels Inflation reduziert werden, um einen Abgleich zum tatsächlich existierenden Reichtum herzustellen. (Alternativ dazu kann, wie es bei der Subprime-Hypothekenkrise der Fall war, die Blase einfach platzen und eine Kettenreaktion auslösen, die unter anderem den Zusammenbruch von Firmen und den Wertverlust virtueller Vermögen bewirken kann).

An dieser Stelle beginnen wir klarer zu begreifen, wie das Profitstreben der Finanzwirtschaft Reichtum in den Händen von wenigen konzentriert, während es die Armen und die umfassendere planetarische Gemeinschaft noch mehr verarmen lässt. Einerseits ist die Welt dazu gezwungen, ein unbegrenztes Wachstum in einer Art Besessenheit zu verfolgen, um die stets wachsenden Anrechte auf eine zukünftige Produktion erfüllen zu können. Dabei plündert sie den natürlichen Reichtum des Planeten aus. Gleichzeitig führt der Inflationsdruck zur Verarmung besonders der bereits Armen, die kein Einkommen aus Investitionen erzielen, das exponenziell wächst.

Ein anschauliches Beispiel mag hilfreich sein: Zwischen 1980 und 1997 transferierten die ärmeren Länder 2,9 Billionen US-Dollar als Schuldendienst an Banken, Regierungen des Nordens und internationale Finanzinstitutionen wie Weltbank und IWF. Doch im selben Zeitraum wuchs ihre Gesamtverschuldung noch von 568 Milliarden Dollar auf über zwei Billionen. Verschuldung transferiert also massenhaft Ressourcen von den Armen zu den Reichen, und zwar durch den Zaubertrick der sich aufsummierenden Zinsen. Dieses stets wachsende Pfandrecht gegenüber der zukünftigen Produktion der ärmeren Länder kann niemals eingelöst werden. Und doch fährt das parasitäre Weltfinanzsystem fort, die Armen und die Erde selbst auszusaugen, und besteht darauf, dass alles, was nur an Reichtum herausgepresst werden kann, dazu verwendet werden muss, die Finanzwirtschaft zu bereichern.

Geld kolonisiert das Leben

Die meisten von uns betrachten die Ökonomie als die Wissenschaft (oder Kunst) der Produktion, der Verteilung und des Konsums von Reichtum. In einer etwas gröberen Sichtweise denken viele von uns, Ökonomie sei die Kunst des Geldmachens. Im Griechischen jedoch lautet das Wort oikonomia, das ist die Kunst, einen Haushalt – die Gemeinschaft, eine Gesellschaft oder die Erde ‒ zu führen und für ihn zu sorgen. Tatsächlich haben Ökonomie und Ökologie eine gemeinsame Wurzel. Es geht um die Wissenschaft vom Haus (griech.: oikos).

Aristoteles traf eine klare Unterscheidung zwischen „Ökonomie“ und „Chrematistik“. Letzteres meint die spekulativen Tätigkeiten, die nichts von Wert erzeugen, aber dennoch Profit abwerfen. Chrematisitk wird als der „Zweig der politischen Ökonomie“ definiert, „der sich mit der Handhabung von Eigentum und Reichtum beschäftigt mit dem Ziel, den Geldwert für den Besitzer kurzfristig zu maximieren“ (H. Daly/Cobb, 1989, 138).

Aristoteles nimmt das Beispiel des Philosophen Thales von Milet zu Hilfe, um den Unterschied zwischen Ökonomie und Chrematistik zu veranschaulichen. Jahrelang hatten sich die Mitbürger über den einfachen Lebensstil des Thales lustig gemacht. Sie fragten: „Wenn die Philosophie so wichtig ist, warum warst du dann nicht imstande, Reichtum anzuhäufen?“ Thales entschloss sich dazu, ein praktisches Exempel zu statuieren. Aufgrund seiner astronomischen Kenntnisse war er in der Lage, eine Rekordernte für Oliven vorherzusagen. Deshalb mietete er noch während des Winters alle Olivenpressen zu einem sehr günstigen Preis. Als die Rekordernte dann eintraf, nutzte er seine Monopolstellung aus, um einen beachtlichen Profit für sich selbst zu erzielen – doch auf Kosten der Gemeinschaft insgesamt.

In vieler Hinsicht ähnelt das, was Thales getan hat, dem, was heute auf den Weltfinanzmärkten vor sich geht. Er jedoch sah es als das an, was es ist – eher als eine Übung in Chrematistik, nicht in Ökonomie. Letztendlich hatte er nichts von Wert geschaffen. Er hat keine neuen Nutzanwendungen für Olivenöl erfunden, er hat keine neue Olivenpresse gebaut und keine Olivenbäume gepflanzt. Er hat sich einfach nur selbst bereichert, und zwar auf Kosten der anderen.

Vieles von dem, was wir als „Ökonomie“ ausgeben und praktizieren, ist nicht viel mehr als eine etwas ausgefeiltere Chrematistik. Tatsächlich haben die Aktivitäten, die die höchste Rendite abwerfen, wenig oder gar keinen Wert (sie erhalten oder fördern das Leben nicht, ja sie können es sogar zerstören), während Tätigkeiten, die wirklich produktiv sind – Kindererziehung, Produktion von Lebensmitteln, Naturschutz – wenig Geld einbringen. Deshalb ist in unseren Augen der Investmentbanker mehr „wert“ als die Bäuerin, die sich abmüht, den Boden und ihre Familie zu ernähren. Vandana Shiva schreibt:

„Der Gipfel des Reduktionismus wird dann erzielt, wenn der Zugriff auf die Natur mit einer Auffassung von Wirtschaftsaktivität konfrontiert wird, deren Ziel nur mehr das Cash ist. Dann verschwindet das Leben als Organisationsprinzip für Wirtschaftsbelange völlig. Das Geld aber – und das wirft das eigentliche Problem auf – ‚verhält‘ sich asymmetrisch zum Leben und zu den Lebensprozessen: Manipulation, Ausbeutung und Destruktion von Leben in der Natur können in der Tat Quelle von Reichtum sein, niemals jedoch zur Quelle von Leben für die Natur und ihr lebenstützendes Potenzial werden. Diese Asymmetrie ist dafür verantwortlich, dass sich die ökologischen Krisen verschärfen und dass das lebenspendende Potenzial der Natur abnimmt, weil mit wachsender Kapitalakkumulation und der Verbreitung von ‚Entwicklung‘ ein Prozess in Gang kommt, bei dem die Währung ‚Leben‘ durch die Währung ‚Cash und Profite‘ ersetzt wird.“ (1989 a, 37)

David Korten sagt, in unserer Zeit habe das Geld das Leben kolonisiert. Das ist ein treffender Satz. In ähnlicher Weise hat vor mehr als fünfzig Jahren der große Wirtschafshistoriker Karl Polanyi davor gewarnt, dass „der Begriff Gewinn“ die Oberhand über den gesellschaftlichen (und wir können hinzufügen: auch den ökologischen) Bezugsrahmen erlangen könnte, sodass die Gesellschaft (und die umfassendere planetarische Gemeinschaft) ein bloßes „Anhängsel des Wirtschafssystems“ würde. Er warnte davor, dass die „Selbstregulierung des Marktes“ nicht länger bestehen könne, „ohne die humane und natürliche Substanz der Gesellschaft selbst zu vernichten“, wenn die Gesetze des Handels (oder genauer gesagt; der Chrematistik) den Vorrang vor den Gesetzen der Natur und den Gesetzen Gottes erhielten (zitiert bei Athanasiou 1996, 197).

Monokultur des Geistes

Das krankhafte System, das den Planeten beherrscht, scheint in der Tat die Menschen und andere Lebenszusammenhänge in bloße „Anhängsel des Wirtschafssystems“ zu verwandeln. Auf diese Weise setzt es eine Kultur (oder besser gesagt die Karikatur einer solchen) durch, die lokale Kulturen und lokales Wissen zerstört, dadurch die Menschheit insgesamt ärmer macht und unser eigenes Überleben als Art gefährdet. Vandana Shiva betont, dass diese „globale Kultur“, die der Welt durch den Kapitalismus der Konzernherrschaft aufgezwungen wird, sich in gewisser Weise als allgemein gültig darstellt, obwohl sie in Wirklichkeit das Produkt einer partikulären Kultur ist (die in Nordamerika und Europa ihren Ursprung hat). „Sie ist lediglich die globalisierte Version einer lokal sehr begrenzten und geistig provinziellen Tradition.“ (Shiva 1993, 9)

Diese sogenannte globale Kultur, die durch die Werbung, die Massenmedien und ein okzidental geprägtes Bildungssystem so erfolgreich verbreitet wird, tendiert dazu, überhaupt zu leugnen, dass es lokales Wissen und traditionelle Weisheit gibt, bestreitet deren Daseinsberechtigung oder erklärt sie schlicht als nicht existent. Im besten Fall integriert die sich weltweit durchsetzende Kultur einige symbolische Elemente wie Musik, Kleidung oder Kunst aus nichtwestlichen Kulturen. Doch das Wesen und die Werte dieser Kulturen werden weitgehend nicht zur Kenntnis genommen. Gleichzeitig lässt die globalisierte Kultur „Alternativen verschwinden, indem sie die Wirklichkeit austilgt und zerstört, welche sie darzustellen versuchen. Die Einförmigkeit des herrschenden Wissens dringt durch die Bruchlinien ein. Zusammen mit der Welt, auf die sie sich beziehen, werden diese Alternativen dem Untergang preisgegeben. So erzeugt das herrschende wissenschaftliche Denken eine Monokultur des Geistes, indem es den Raum für Alternativen verschwinden lässt.“ (Shiva 1993, 12)

Das Wissen aufspalten und monopolisieren

Eine Weise, wie Wissen aufgespalten und zerstört wird, ist ironischerweise die massenhafte Verbreitung von Information, die vielfach nur von geringem Wert ist. Das durchschnittliche amerikanische Kind sieht sich dreißigtausend Werbespots an, bevor es den ersten Schulabschluss macht, und Teenager verbringen mehr Zeit damit, sich von kommerziellem Fernsehen einlullen zu lassen, als sie in der Schule zubringen (Swimme 1996). Eine solche langfristige und ständige Gehirnwäsche, die schon früh beginnt, kann unseren Blickwinkel nur einengen und uns dazu abrichten, die herrschende (Un-)Ordnung als Normalität zu betrachten. Es ist zum Beispiel kaum zu glauben, dass ein durchschnittlicher US-Bürger mehr als tausend Firmenlogos, aber nicht einmal zehn Tier- und Pflanzenarten aus seiner Region kennt (Orr 1999). Die herrschende Monokultur stopft uns mit „irrelevanter“ Information voll, hält uns aber oft davon ab, echtes Wissen zu erwerben.

Gleichzeitig tendiert das Medium Fernsehen von sich aus dazu, Wissen in einzelne isolierte Bruchstücke von Information aufzuspalten. Die Fernsehnachrichten, die sich hauptsächlich aus kurzen „Soundelementen“ zusammensetzen, bringen uns bei, mit komplexen Themen so umzugehen, dass wir sie zunächst in Bruchstücke zerlegen, die losgelöst von jeglichem einheitsstiftenden Bezugsrahmen oder irgendeiner Hintergrundanalyse sind. Fernsehprogramme, die zwischen dreißig und sechzig Minuten lang sind, beschäftigen sich in der Regel auch mit einfachen Fragen (wenn sie überhaupt irgendwelche Fragen thematisieren!), die schnell „gelöst“ werden können. Auf diese Weise vermeiden sie weitgehend komplexe Themen. Doch diese Art von den Geist abstumpfender Unterhaltung entfremdet die Menschen oft von traditionellen kulturellen Tätigkeiten wie Geschichten erzählen, miteinander reden, Musik, Kunst und Tanz.

Dieser gesamte Prozess erinnert an die Worte von T.S. Eliot:

„Wo ist die Weisheit, die uns im Wissen abhanden kam?

Wo ist das Wissen, das wir mit der Information verloren haben?

Dem könnten wir sogar noch eine dritte Zeile hinzufügen:

Wo ist die Information, die wir in der Zerstreuung verloren haben?

Die globalisierte Kultur streckt ihre Fangarme aus und versucht dabei alles an traditionellem Wissen an sich zu reißen und zu monopolisieren, was sich als profitabel erweisen könnte. Das kann man überdeutlich am Bestreben der transnationalen Konzerne erkennen, das Leben selbst zu patentieren. Die Welthandelsorganisation öffnete dafür die Tore, als sie den Patentschutz für Samen und genetisches Material zuzulassen begann. Vandana Shiva schreibt, dass zwei US-amerikanische Konzerne das ausgenutzt haben, um Patente für Basmati-Reis und Neem – ein natürliches Pestizid und Funghizid – einzureichen. Beide Pflanzen wurden seit Jahrhunderten von indischen Bauerngemeinden kultiviert.16 Diese Art von „Biopiraterie“ wird zur Normalität. Es hat sogar Versuche gegeben, Gene einer autochthonen Bevölkerung patentieren zu lassen. Dass dieser Wahnsinn innerhalb der (Un-)Ordnung, die derzeit den Planeten beherrscht, als folgerichtig angesehen werden kann, ist ein klarer Beweis für den krankhaften Charakter, der ihr zutiefst eingeschrieben ist.

Zerstörung der Vielfalt

Die „Monokultur des Geistes“ breitet sich aus und vernichtet dabei andere Kulturen, Sprachen und Wissenssysteme wie ein Krebsgeschwür. Genauso wie die einheimischen Pflanzen- und Tierarten aussterben und durch einige wenige, wirtschaftlich nützliche Varianten ersetzt werden, so verschwinden auch ganze Kultursysteme. Viele von ihnen haben sich innerhalb von Tausenden von Jahren entwickelt und sind einzigartig an ein bestimmtes Ökosystem angepasst. Das trifft besonders auf die autochthonen Kulturen zu. Jeder Verlust einer Kultur bedeutet den Verlust an Vielfalt, den Verlust am wahren Reichtum der Erde. So wie die Vernichtung einer Pflanzenart im Regenwald den Verlust eines Heilmittels gegen Krebs oder einer wertvollen Nahrungsquelle bedeuten kann, so bedeutet auch die Zerstörung von einzelnen Mosaiksteinen des weltweiten kulturellen Gesamtbildes eine Minderung der Schönheit und des Geheimnisses des Lebens selbst. Das ist etwas, das niemals zutreffend gemessen oder quantitativ zum Ausdruck gebracht werden kann.

Ein besonderes Beispiel dafür ist der Rückgang der in der Welt gesprochenen Sprachen. Die Sprache ist in vieler Hinsicht ein zentraler Aspekt der Kultur, denn sie bewahrt in sich einzigartige Weisen zu denken auf. Der Verlust einer jeden einzelnen Sprache bedeutet also den Verlust einer einzigartigen Perspektive, einer einzigartigen Weise, die Welt zu verstehen. Vor etwa zehntausend Jahren, so schätzen Sprachwissenschaftler, gab es zwölftausend Sprachen, die von den damals lebenden fünf bis zehn Millionen Menschen auf der Welt gesprochen wurden. Heute sind davon nur noch siebentausend übrig, obwohl die Weltbevölkerung auf über sechs Milliarden angestiegen ist. Gleichzeitig hat sich der Verlust an Sprachen beschleunigt, insbesondere im Lauf des letzten Jahrhunderts. Zurzeit verlieren wir etwa eine Sprache am Tag. Bei dieser Verlustrate wird es in hundert Jahren nur noch 2500 Sprachen geben. Andere Fachleute sind sogar noch weniger optimistisch und nehmen an, dass bis zum Jahr 2100 90 % der noch verbliebenen Sprachen verschwunden sein werden (Worldwatch Institute 2007).

In seinem Werk über den Aufstieg und Fall der Weltzivilisationen schrieb der Kulturhistoriker Arnold Toynbee, dass eine Zivilisation, die sich im Abstieg befindet, zu immer größerer Uniformität und immer mehr Standardisierung neigt. Wie gesunde Ökosysteme ermöglicht auch eine gesunde Zivilisation eine Vielfalt von Kulturen und Wissensformen. Uniformität ist ein Anzeichen für Stagnation und Verfall (Korten 1995).

Die immer größere Gleichförmigkeit der sich global ausbreitenden Kultur ist eine Begleiterscheinung der zunehmend vereinheitlichten Weltwirtschaft. In seinem Buch The Economy of Commerce vergleicht Paul Hawken (1993) unsere derzeitige Weltwirtschaft mit der ersten Ausbreitung von Unkraut. Auf Feldern, die gerade erst abgeerntet worden sind, wachsen die Pflanzen um die Wette, um den Boden so schnell wie möglich zu bedecken. Es wird viel Energie vergeudet, und die Artenvielfalt ist gering. Die Pflanzen, die man in solchen Biotopen findet, sind im Allgemeinen nicht sehr nützlich für andere Arten, auch nicht für die Menschen. Im Gegensatz dazu weisen die Ökosysteme mit der größten Artenvielfalt das größte Entwicklungspotenzial auf, wie zum Beispiel alte Waldbestände und Korallenriffe. In ähnlicher Weise vernachlässigt unsere Weltwirtschaft in ihrem wahnhaften Drang nach ungezügeltem Wachstum und nach Ausdehnung andere, wichtigere Eigenschaften wie etwa Komplexität, Kooperation, Bewahrung und Vielfalt. Es ist ein unreifes System.

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9783766643049
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