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Es ist daher einfach nicht möglich, dass Frauen die Ausbeutung und Unterdrückung im Kontext des herrschenden ökonomischen Paradigmas abschaffen. Ebenso ist es unmöglich, die Unversehrtheit der umfassenderen planetarischen Gemeinschaft innerhalb dieses Rahmens zu schützen. Aus ökofeministischer Sicht ist ein umfassender Kampf erforderlich, der die Beziehung zwischen Männern und Frauen, zwischen Mensch und Natur und zwischen Nord und Süd verändert.

Jenseits des Kapitalismus: Ökofeministische Perspektiven

Welche Art von Alternative könnte der Ökofeminismus ins Auge fassen, um das gegenwärtige System des weltweiten Kapitalismus der Konzernherrschaft zu ersetzen? Anstelle der räuberischen Produktion auf der Grundlage von Ausbeutung strebt der Ökofeminismus eine neue Wirtschaft an, die grundlegend auf die Produktion und den Erhalt von Leben ausgerichtet ist. Anstelle von Ausbeutung werden die wirtschaftlichen Beziehungen von Gegenseitigkeit geprägt und nicht hierarchisch sein. Dies gilt sowohl für das zwischenmenschliche Verhältnis als auch für die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Deshalb werden kolonisierende dualistische Aufspaltungen wie etwa die zwischen Mann und Frau oder Menschheit und Natur genauso abgelehnt wie solche, die auf Klassenzugehörigkeit oder ethnischer Zugehörigkeit beruhen. Ebenso wird die Vorstellung eines grenzenlosen Wachstums und Fortschritts als gefährliche Illusion durchschaut, die Ungleichheit und Zerstörung bewirkt. Die Erde wird als endlich akzeptiert, und die Menschheit strebt danach, in Harmonie mit ihr zu leben. (Mies 1989, 278)

Ein zentrales Element dieser neuen Sichtweise ist ein neues Verständnis der Arbeit. Ziel menschlicher Anstrengung ist nicht mehr ein Wachstum im Sinne einer quantitativen Zunahme zum Zweck der Kapitalakkumulation, sondern vielmehr die Stärkung von Lebensprozessen und die Förderung menschlichen Glücks. Das bedeutet auch, dass Arbeit nicht mehr als eine bloße Last betrachtet wird, sondern als ein Ganzes, das sich aus Freude und notwendiger Mühe zusammensetzt.

Innerhalb einer solchen Sichtweise erlangt Arbeit in direktem, sinnlichem Kontakt mit der Natur einen besonderen Wert. Maschinen und Technik können weiterhin ihre Rolle spielen, doch ihr Zweck ist es nicht mehr, uns von der organischen Materie, lebenden Organismen oder der materiellen Welt fernzuhalten. Arbeit muss zuerst und vor allem sinnvoll sein, muss etwas Nützliches und Notwendiges für die Produktion oder Erhaltung des Lebens darstellen. Das bedingt auch eine neue Auffassung von Zeit: Wir teilen sie nicht mehr in Arbeit und Freizeit auf, sondern verteilen eher beide in freier Weise.

Die Prozesse von Produktion und Konsum müssen wieder zu einer Einheit zusammengeführt werden, und Ortsgemeinden müssen auf regionaler Ebene eine Wirtschaft aufbauen, die sich im Wesentlichen selbst trägt und in der das, was von der Gemeinschaft produziert wird, auch von ihr konsumiert wird. Eine solche neue Form von Arbeit kann jedoch nicht entstehen, solange die bestehende, am Geschlecht orientierte Arbeitsteilung nicht beseitigt ist. Mies hält daran fest, dass die Umgestaltung der geschlechtlichen Arbeitsteilung, wie sie derzeit existiert, tatsächlich im Zentrum des gesamten Prozesses eines Neuentwurfs der Ökonomie stehen muss:

„Jedes Streben nach ökologischer, wirtschaftlicher und politischer Autarkie (Selbst-Genügsamkeit) muss mit dem Respekt vor der Autonomie des Körpers der Frauen, ihres produktiven Vermögens, neues Leben zu schaffen und Leben durch Arbeit zu erhalten, und ihrer Sexualität beginnen. Eine Veränderung der bestehenden geschlechtlichen Arbeitsteilung würde zuallererst bedeuten, dass die Gewalt, welche das kapitalistisch-patriarchalische Mann-Frau-Verhältnis charakterisiert, weltweit abgeschafft würde, und zwar nicht durch Frauen, sondern durch die Männer.“ (1986, 222)

Rosemary Radford Ruether (1994) spricht nicht nur von der Notwendigkeit einer Neubewertung der sexuellen Arbeitsteilung, sondern der Geschlechterrollen allgemein. Frauen müssen Autonomie und Individualität in ihrem Leben stärken, doch dies sollte nicht mittels einer Praxis der Herrschaft (Selbstbehauptung auf Kosten anderer) geschehen, sondern vielmehr auf die Weise, dass man verbindende Wege findet, im Kontext einer Leben fördernden Gemeinschaft zugleich eine Person für andere und für sich selbst zu sein. Ruether stimmt mit Mies jedoch darin überein, dass sich die erste Veränderung in der Lebensweise der Männer vollziehen muss. Männer müssen „die Illusion eines autonomen Individualismus überwinden, samt dessen Ausweitung in die egozentrische Macht über andere, angefangen bei der Frau, mit der er verbunden ist“ (1994, 278). Die beste Art, dies zu bewerkstelligen, ist es ihrer Meinung nach, wenn Männer ohne Vorbehalte Leben fördernde Beziehungen mit Frauen eingehen und sich an Aufgaben wie der Sorge um die Kinder, Waschen, Kochen, Nähen und Saubermachen beteiligen:

„Nur wenn Männer voll in die Kultur des Alltagslebens eingebunden sind, können Männer und Frauen zusammen das größere System des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebens umzugestalten beginnen. Sie können anfangen, ein neues kulturelles Bewusstsein und neue Organisationsstrukturen in den Blick zu bekommen, die diese größeren Systeme mit ihren Wurzeln in der Erde verbinden und die Erde von Tag zu Tag und von Generation zu Generation zu erhalten.“ (1994, 279)

Die Veränderung der Arbeit und der Geschlechterrollen muss auch mit einer tiefgreifenden Veränderung der Art und Weise einhergehen, wie wir die Wirklichkeit wahrnehmen. Vandana Shiva betont: „Der ‚rationale‘ Mann des Westens hat sich demaskiert: Er ist ein Ausbund an Irrationalität und bedroht selbst das Überleben der Menschheit.“ (Shiva 1989 a, 234) Sie hält daran fest: „Die Rückgewinnung des weiblichen Prinzips heißt: den Respekt für das Leben der Natur und das Leben der Gesellschaft wieder ins Leben zu rufen. Das ist der einzige mögliche Weg, der in die Zukunft führt.“ (Shiva 1989 a, 235)

Wenn das weibliche Prinzip bei den Frauen und in der Natur untergraben wird, dann wird es zu einem Prinzip der Passivität entstellt. Bei Männern bewirkt derselbe Prozess „eine Veränderung der Auffassung von Aktivität von Schöpfung zu Zerstörung und der Auffassung von Macht von Ermächtigung zu Beherrschung“. Wenn das weibliche Prinzip zugleich in den Männern, den Frauen und der Natur abstirbt, dann werden „Gewalt und Aggression die männlichen Modelle von Aktivität, und Frauen und die Natur werden zu passiven Objekten der Gewalt“ (Shiva 1989 b, 53).

Um diesen Prozess umzukehren, plädiert der von der Jung-Schule herkommende Theoretiker Gareth Hill für die Wiedererlangung des „dynamisch Weiblichen“ innerhalb der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang bezieht sich „weiblich“ nicht auf die Frauen als Geschlecht, sondern vielmehr auf ein Ensemble von Werten oder Eigenschaften, die vom Patriarchat systematisch negiert wurden. Das dynamisch Weibliche weist über das statische Bild von Ernähren und mütterlicher Fürsorge hinaus, obwohl es mit Sicherheit Eigenschaften wie Mitleid und den Wunsch, Leben zu erhalten, mit umfasst. Doch gleichzeitig hat das dynamisch Weibliche eine spielerische, vitale Seite an sich. Es ist zugleich aktiv und reaktiv, fruchtbar und beständig. Es erinnert an das Kapitel im Tao Te King, in dem von der Kraft des Wassers die Rede ist:

Nichts in der Welt

ist so sanft und ertragreich wie das Wasser.

Doch im Auflösen des Harten und Starren

ist es unübertroffen.

Das Weiche überwindet das Harte;

das Geschmeidige überwindet das Starre.

Jeder weiß, dass dies wahr ist,

doch nur wenige können das in ihrem Tun verwirklichen.

(§ 78)

Das dynamisch Weibliche ist auch schöpferisch und hat etwas von Chaos und Überraschendem an sich, das unvorhersehbar hervorbricht. Es steht in scharfem Gegensatz zu Herrschaft und Kontrolle (Gomes/Kanner 1995). Letztlich fordert uns die Integration des dynamisch Weiblichen in unser wirtschaftliches, politisches und kulturelles Handeln dazu heraus, Macht auf eine völlig andere Weise zu begreifen und auszuüben: nicht als Herrschaft, Ausbeutung und Kontrolle, sondern als etwas Positives und Schöpferisches.

Macht neu denken

Solange Macht in der Form von Herrschaft und Ausbeutung ausgeübt wird, wird das Patriarchat weiterhin verheerenden Schaden anrichten und die ökologischen und gesellschaftlichen Systeme untergraben, die das Leben erhalten. Wir bauchen ein völlig neues Verständnis und eine neue Praxis von Macht, damit das weibliche Prinzip in unserer Zeit erneuert werden und wiedererstarken kann.

Das Wort Macht ruft viele unterschiedliche Gedanken und Bilder hervor. In einigen Kreisen hat es einen rein negativen Klang bekommen. Macht wird schlicht als die Durchsetzung des Willens eines Einzelnen oder einer Gruppe auf Kosten der anderen gesehen. Doch im Gegensatz dazu ist die Wurzel des englischen Wortes power das lateinische Verb posse, das „können“ heißt. Auch das spanische Substantiv poder lässt diese Herkunft noch erkennen. Vom Wesen her ist Macht also das, was befähigt. Das Bild, das in dieser sprachlichen Wurzel enthalten ist, ist also nicht so sehr zerstörerisch, sondern vielmehr etwas Produktives oder sogar Schöpferisches.

In patriarchalischen Gesellschaften wurde Macht herkömmlicherweise als etwas gesehen, was eine Gruppe oder ein Individuum auf Kosten der anderen besitzt. Dies ist eine von Grund auf verzerrte Auffassung. Michel Foucault vertritt die Ansicht, dass Macht nichts Statisches oder etwas, das man besitzen kann, ist. Es ist eher etwas, das durch ein Cluster netzförmiger Beziehungen hindurchfließt. Macht ist eher etwas wie Fäden, die Seinsformen miteinander verbinden. „Individuen sind die Vehikel von Macht, nicht diejenigen, die sie gebrauchen.“ (Foucault 1980, 98)

Wie wir schon früher bemerkt haben, bringt Shiva die Ausübung männlicher Macht in Verbindung mit der gesellschaftlichen Konstruktion der Natur und des Weiblichen als passiv. Da Macht relational ist, hängt Erstere von Letzterem ab. Die Herausforderung besteht nun darin, Macht neu zu bestimmen: Sie soll keine Beziehung mehr sein, in der das Aktive über das Passive, der Unterdrücker über die Unterdrückten, der Ausbeuter über die Ausgebeuteten herrscht, sondern eine neue Beziehung auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und Kreativität. Um zu sehen, wie dies verwirklicht werden kann, bedürfen wir einer eher praktischen Analyse von Macht.

Analyse der Macht

In ihrem Buch Truth or Dare (1987) arbeitet die ökofeministische Autorin, Aktivistin und Psychologin Starhawk drei Grundtypen oder Formen heraus, in denen sich Macht ausdrückt: „Macht über“, „Macht von innen heraus“ und „Macht mit“.

Die „Macht über“ wird wohl am besten als Macht beschrieben, die einschränkt oder kontrolliert. So wird Macht üblicherweise in unseren gegenwärtigen patriarchalischen Gesellschaften aufgefasst und ausgeübt. Sie ist im vorherrschenden mechanistischen Paradigma verwurzelt, das später noch näher untersucht wird. „Macht über“ tendiert dazu, sich selbst eine hierarchische Struktur zu geben; sie entfaltet sich über Systeme von Autorität und Herrschaft. Dies ist jene Art von Macht, die es dem patriarchalischen Kapitalismus ermöglicht, sich die Produktion durch Ausbeutung anzueignen.

Wir sind an die „Macht über“ und ihre impliziten Drohungen in unserem Leben so gewöhnt, dass sie weitgehend auf einer unbewussten Ebene wirkt – so, als ob wir den Gefängniswärter in unseren Köpfen hätten. Im Allgemeinen werden wir uns der „Macht über“ nur in ihren extremsten Formen bewusst, wie zum Beispiel im Fall offener Gewalt. Doch während Macht mithilfe von Waffengewalt oder Zwangsmaßnahmen das deutlichste Beispiel für „Macht über“ ist, entfaltet sie üblicherweise ihre Wirkung mittels subtilerer Mechanismen von Druckausübung, Manipulation und Kontrolle, die in einem gewissen Maß von Furcht motiviert ist.

Es ist bemerkenswert, dass „Macht über“ in gewissem Sinne tatsächlich „befähigt“. „‚Macht über‘ versetzt Individuen und Gruppen in die Lage, Entscheidungen zu fällen, die andere betreffen, und Kontrolle zu verstärken.“ (Starhawk 1987, 9) Doch „Macht über“ ist in ihrem Wesen negativ. Es ist Macht, die dazu benutzt wird, die Macht anderer niederzudrücken oder zurückzudrängen.

Eine zweite Art von Macht, welche für Starhawk das genaue Gegenteil der „Macht über“ darstellt, ist diejenige, welche sie „Macht von innen heraus“ nennt. „Macht von innen heraus“ ist die Macht, die alles Leben erhält: die Macht der Kreativität, die Kraft zu heilen und zu lieben. Sie wird in besonderem Maße erfahren, wenn Menschen gemeinsam handeln, um sich der Kontrolle der „Macht über“ zu widersetzen. Von daher ist klar, dass „Macht von innen heraus“ das Zentrum dessen bildet, was oft mit dem Wort „Befähigung“ (empowerment) bezeichnet wird. Somit ist sie auch ein zentraler Begriff für viele befreiende Modelle von Erziehung und politischem Handeln.

Es ist interessant, dass das Tao möglicherweise die reinste und auf das Wesentliche konzentrierte Form dieser Art von Macht ist: die innere Macht, die sich im Herzen des Kosmos selbst zeigt.21 „Macht von innen heraus“ ist auch mit der chinesischen Vorstellung des Te verwandt (des zweiten Wortes des Tao Te King): Te wird durch ein Schriftzeichen dargestellt, das das Zeichen für Geradeaus-Gehen mit dem des Herzens verbindet (Dreher 1990, XIV, 12). Es beinhaltet also die Bedeutung von authentisch leben, vom Herzen (dem vitalen Zentrum) her leben, so leben, dass man dabei Intuition und Mitleid miteinander verbindet. Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ist Te eine persönliche Kraft, die jemanden befähigt, klar zu sehen und entschlossen am richtigen Ort und zum richtigen Zeitpunkt zu handeln. Te ist auch die Kraft, die im Saatgut enthalten ist, die Kraft, ins Leben einzutreten. Wir können deshalb das Te als die Kraft der Lebensenergie in allem Sein verstehen, eine Kraft, die mit der kosmischen Kraft des Tao verbindet und diese kanalisiert.

Die dritte Weise, in der sich Macht ausdrückt, ist die „Macht mit“ bzw. die Macht des Einflusses oder die Macht als Prozess. Ihre Quelle ist die Bereitschaft anderer, unsere Gedanken anzuhören. Sie ist „Macht mit“, die uns befähigt, gemeinsam zu handeln und echt partizipatorische Organisationen zu schaffen. Während die „Macht über“ die Autorität einer bestimmten Position benutzt, um den eigenen Willen durchzusetzen, indem sie Gehorsam verlangt, hat die „Macht mit“ persönlichen Respekt zur Grundlage, der praktisch erworben wurde. „‚Macht mit‘ ist subtiler, flexibler und zerbrechlicher als Autorität. Sie hängt von persönlicher Verantwortung, von unserer eigenen Kreativität und unserem Mut sowie von der Bereitschaf anderer ab, darauf zu reagieren.“ (Starhawk 1987, 258) Joanna Macy, eine buddhistische ökologische und Friedensaktivistin, betrachtet diese Art von Macht als eine Art Synergie auf der Grundlage der Offenheit gegenüber anderen. „Die Ausübung von Macht als einem Prozess erfordert es, dass wir alle Zwangsausübung, die der Teilhabe von uns und anderen am Leben zuwiderläuft, entlarven und zurückweisen.“ (zitiert bei Winter 1996, 258)

Macht als Prozess lädt uns dazu ein, unser Empathievermögen zu stärken. Aktivitäten wie etwa Volkserziehung oder die Organisation von Basisbewegungen setzen diese Art von Macht ein.

In der Praxis existieren alle diese drei Formen von Macht nebeneinander und sind in jedem konkreten Stück Wirklichkeit miteinander verflochten. So zum Beispiel vermischen sich die „Macht über“ und die „Macht von innen“ oftmals miteinander, obwohl sie begrifflich das Gegenteil voneinander sind. Herrschaft muss sich letztlich auf ein gewisses Maß an Kreativität stützen, so entstellt diese auch sein mag. Oftmals zwingt jemand einem anderen seine eigene Kreativität auch auf und verwandelt so „Macht von innen heraus“ in „Macht über“. In ähnlicher Weise kann sich „Macht mit“ auch in „Macht über“ verwandeln. Starhawk schreibt, dass in der herrschenden Kultur beide leicht miteinander verwechselt werden. Einfluss kann sehr leicht in Autorität umschlagen, insbesondere deshalb, weil wir alle so sehr durch Macht als Herrschaft indoktriniert wurden.

Die Tatsache, dass „Macht mit“ oft mit „Macht über“ vermengt und mit ihr verwechselt wird, wurde tiefgehend von der Philosophin Hannah Arendt analysiert. Im Zusammenhang mit ihrer Reflexion über Gewalt, der extremsten Form von „Macht über“, und der Macht, gemeinsam zu handeln (was Starhawks „Macht mit“ entspricht) schreibt sie:

„Obwohl Macht [Macht mit] und Gewalt [Macht über] ganz verschiedenartige Phänomene sind, treten sie zumeist zusammen auf. Bisher haben wir nur solche Kombinationen analysiert, wobei sich herausgestellt hat, dass in ihnen jedenfalls die Macht immer das Primäre und Ausschlaggebende ist. Dies ändert sich jedoch, sobald wir unsere Aufmerksamkeit den selteneren Fällen zuwenden, wo sie in Reingestalt auftreten […]. Auch die größte Macht kann durch Gewalt vernichtet werden; aus den Gewehrläufen kommt immer der wirksamste Befehl, der auf unverzüglichen, fraglosen Gehorsam rechnen kann. Was niemals aus den Gewehrläufen kommt, ist Macht […]. Politisch gesprochen genügt es nicht zu sagen, dass Macht und Gewalt nicht dasselbe sind. Macht und Gewalt sind Gegensätze: Wo die eine absolut herrscht, ist die andere nicht vorhanden. Gewalt tritt auf den Plan, wo Macht in Gefahr ist; überlässt man sie den ihr innewohnenden Gesetzen, so ist das Endziel, ihr Ziel und Ende, das Verschwinden von Macht […]. Gewalt kann Macht vernichten; sie ist gänzlich außerstande, Macht zu erzeugen.“ (1970, 53–54; 57)

In ähnlicher Weise sagt Starhawk, dass „Herrschaftssysteme die ‚Macht mit‘ zerstören, denn diese kann nur unter solchen wirklich existieren, die gleich sind und auch anerkennen, dass sie gleich sind“ (1987, 12). Im Gegensatz zu „Macht über“ kann die „Macht mit“ jederzeit von der Gruppe selbst widerrufen werden; sie verletzt die Freiheit der anderen nicht.

Das Verhältnis von „Macht mit“ und „Macht von innen“ ist vielleicht klarer. Innerhalb einer Gruppe, in der die Meinung einer jeden Person Wertschätzung erfährt (das heißt, wo wir es mit „Macht mit“ zu tun haben), ist es wahrscheinlicher, dass wir unsere „Macht von innen heraus“ zum Ausdruck bringen und entfalten werden. Und in dem Maß, indem unser kreatives und Leben schaffendes Potenzial zunimmt, werden wir auch den Respekt der anderen erfahren.

Veränderung der Machtbeziehungen

Es ist ein schwieriger Schritt von der begrifflichen Neubestimmung von Macht hin zu ihrer tatsächlichen Rekonstruktion, doch wir müssen ihn dennoch zu machen versuchen. Die räuberische Produktionsweise des Patriarchats ist von der Ausübung von „Macht über“, der Macht der Herrschaft, abhängig. Wenn man dieser Macht nicht entgegentreten kann, wenn keine neuen Formen entwickelt werden können, die eher lebensförderlich als todbringend sind, dann werden die Möglichkeiten für eine Veränderung der Welt in der Richtung, die die Ökofeministinnen anzeigen, minimal bleiben.

Es ist an dieser Stelle hilfreich, sich in Erinnerung zu rufen, dass Macht weder statisch noch quantitativ festgelegt ist. Die traditionellen politischen Versuche der Veränderung sprachen von „die Macht übernehmen“. Doch es gibt eine andere Möglichkeit: die Möglichkeit, neue Quellen der Macht zu schaffen und dabei an den Rändern zu beginnen. An einem gewissen Punkt wird eine Konfrontation mit denen, die die „Macht über“ innehaben, natürlich unausweichlich sein. Doch zuerst müssen die Ressourcen der „Macht mit“ und der „Macht von innen heraus“ an der Basis gestärkt werden. Und tatsächlich ist die weltweite Bewegung der Zivilgesellschaft, die sowohl in Volksorganisationen als auch in vielen Nichtregierungsorganisationen Gestalt annimmt, der Beweis, dass eine solche Macht bereits geschaffen und aufgebaut wird.

Ein Weg, um sowohl die „Macht mit“ als auch die „Macht von innen heraus“ zu stärken, ist es also, partizipatorische Organisationen zu schaffen, in denen eine Atmosphäre der Offenheit die Mitglieder in die Lage versetzt, sich frei zu fühlen, so zu sein und sich so zu geben, wie sie sind. Diejenigen, die Veränderungsprozesse zu ermöglichen versuchen, müssen auch ein gewisses Maß an Sicherheit innerhalb der Gruppe gewährleisten, die diejenigen befähigen soll, sich ehrlich, ohne Angst auszudrücken, die am meisten daran gehindert und am verwundbarsten sind. Zu diesem Zweck kann eine Reihe von „Grundregeln“ in manchen Situationen hilfreich sein.

Eine zweite Strategie, um befreiende Macht zu kultivieren, ist es, das Bewusstsein zu stärken. Joanna Macy stellt fest: „‚Macht mit‘ setzt eine aufmerksame Offenheit gegenüber der umgebenden physischen oder geistigen Welt und ein waches Bewusstsein gegenüber unseren eigenen Reaktionen und die anderer voraus. Sie ist die Fähigkeit, auf eine Weise zu handeln, die die bewusste Teilhabe am Leben insgesamt vergrößert.“ (1995, 257) Starhawk schreibt: „Ein waches Bewusstsein ist der Beginn eines jeden Widerstands. Wir können der Herrschaft nur dann widerstehen, wenn wir Bewusstsein erlangen und bewahren: ein Bewusstsein von uns selbst, von der Art und Weise, wie die Wirklichkeit um uns herum aufgebaut wird, von jeder scheinbar bedeutungslosen Entscheidung, die wir treffen, davon, dass wir tatsächlich Entscheidungen treffen.“ (1987, 79)

„Macht mit“ zu entwickeln ist nur im Kontext einer Gruppe möglich. Von ihrem Wesen her ist diese Form der Macht diejenige, die von sich selbst her am stärksten auf Beziehung angelegt ist. Menschen, die an befreienden Initiativen teilnehmen, können ihre „Macht mit“ am besten dann entwickeln, wenn die Gruppe echte Teilhabe und die gemeinsame Verantwortung in Leitungsfunktionen ermöglicht. Starhawk stellt fest: „Um andere mit Fähigkeiten auszustatten, muss eine Gruppe nicht nur so strukturiert sein, dass sie der Befreiung dient, sie muss sich auch dessen bewusst sein, wie sich die Macht innerhalb der Gruppe verteilt und verändert.“ (1987, 268)

Die befreienden Arten von Macht, wie sie in der „Macht von innen heraus“ und der „Macht mit“ Gestalt gewinnen, werden am effektivsten innerhalb von Interaktionen entwickelt, die Wert hervorbringen. Macy spricht insbesondere von „synergetischen Austauschprozessen“, die „etwas [schaffen], das zuvor nicht da war, und die die Fähigkeiten und das Wohlbefinden aller Beteiligten stärken“ (1995, 257). Tatsächlich kann der Begriff „Synergie“ das am besten einfangen, was wir mit „Macht mit“ meinen.

Letztlich aber wird die Neustrukturierung von Macht innerhalb der Gesellschaft als ganzer Strategien erfordern, die über diese Anfänge hinausgehen. Das Patriarchat hat sich im Laufe von Tausenden von Jahren entwickelt, und der weltweite Kapitalismus der Konzernherrschaft, die jüngste Erscheinungsform dieser Herrschaftsmentalität, hat den Großteil der Welt fest im Griff. Um neue Formen von Macht zu schaffen und den alten entgegenzutreten, bedürfen wir tiefer Ressourcen im Inneren, eines neuen Verständnisses dessen, was die Realität ausmacht, und eines neuen Verständnisses von Veränderung selbst.

Unsere erste Aufgabe besteht darin, den Bann zu brechen, den das Patriarchat, der Anthropozentrismus und das gegenwärtige Herrschaftssystem über uns verhängt haben. Wir müssen die Lähmung überwinden, die uns in Unterdrückung, Verzweiflung, Verleugnung und Sucht festhält. Der Weg auf dieses Ziel zu wird im Zuge der nächsten Etappe unserer spirituellen Reise erkundet werden.

17 Genauer noch arbeitet Naess (1989, 29) die folgenden grundlegenden Prinzipien der Tiefenökologie heraus: 1. Das Gedeihen menschlichen und außermenschlichen Lebens auf Erden hat einen Wert in sich. Der Wert nichtmenschlicher Lebensformen ist unabhängig vom Nutzen, den diese für die beschränkten Zwecke des Menschen haben mögen. 2. Der Reichtum und die Vielfalt des Lebens bilden Werte an sich und tragen zum Gedeihen des menschlichen und außermenschlichen Lebens auf Erden bei. 3. Die Menschen haben kein Recht, diesen Reichtum und diese Vielfalt zu mindern, außer um das Lebensnotwendige sicherzustellen. 4. Das gegenwärtige Eingreifen der Menschen in die außermenschliche Welt geht weit über das Maß hinaus, und die Situation verschlechtert sich in raschem Tempo. 5. Das Gedeihen menschlichen Lebens und menschlicher Kultur lässt sich mit einer Abnahme der Bevölkerung in Einklang bringen. Das Gedeihen nichtmenschlichen Lebens erfordert eine solche Abnahme. (Dieses Prinzip scheint von etwas vereinfachenden Annahmen auszugehen. Es wäre besser, es im Sinne einer Abnahme des menschlichen Konsums zu formulieren, was möglicherweise auch einen Rückgang der Bevölkerung im Lauf der Zeit erfordert.) 6. Eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingungen erfordert eine neue Politik. Dies betrifft die Grundlagen der Wirtschaft, der Technologie und ideologische Strukturen. 7. Die ideologische Veränderung besteht hauptsächlich darin, die Lebensqualität (wie sie Situationen mit einem Wert in sich selbst innewohnt) höher zu bewerten als einen hohen Lebensstandard. Es wird ein tiefes Bewusstsein des Unterschieds zwischen „groß“ und „großartig“ geben. 8. Diejenigen, welche sich mit den bisherigen Punkten einverstanden erklären, haben die Verpflichtung, sich direkt oder indirekt am Versuch zu beteiligen, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen.

18 Gleichzeitig sollte festgehalten werden, dass die Suche nach einem idyllischen goldenen Zeitalter, in dem vollkommene Gleichheit zwischen Mann und Frau herrschte, wie man sie in der jüngsten Literatur finden kann, etwas ernüchtert werden muss. Bücher wie das von Eisler, The Chalice and the Blade (1987) haben in jüngster Zeit zu einer Romantisierung der jungsteinzeitlichen Kultur des alten Europa und Anatoliens und auch der vorklassischen Kultur des minoischen Kreta beigetragen, indem sie behaupteten, dies wären Gesellschaften mit harmonischen Geschlechterbeziehungen gewesen. Diese Kulturen werden als solche beschrieben, in denen die Mutter im Mittelpunkt steht (eher matrifokal und matrizentrisch als matriarchal, denn Letzteres würde eine Herrschaft der Frau bedeuten) und die Göttinnen verehren. Sie liefern einen machtvollen Mythos, der die Nicht-Notwendigkeit patriarchalischer und anthropozentrischer Herrschaft belegt. Es ist jedoch schwierig nachzuweisen, dass in diesen Gesellschaften tatsächlich harmonische Geschlechterbeziehungen vorherrschten. Deshalb ist hier ein gewisses Maß an Vorsicht geboten.

19 Die deutsche Ausgabe (Mies 1989) ist mit der englischen Ausgabe (Mies 1986) nicht identisch, sie wurde von der Autorin gründlich überarbeitet. Etliche hier wiedergegebene Passagen finden sich nur in der englischen Ausgabe und müssen daher aus dieser rückübersetzt werden; d. Übers.

20 Dies trifft in besonderer Weise auf die Strukturanpassungsmaßnahmen zu. Frauen nehmen oftmals als Reaktion auf die von den Strukturanpassungsmaßnahmen ausgelöste wirtschaftliche Krise von Neuem unbezahlte Arbeit auf sich. So stellten die Gemeinschaftsküchen (comedores populares) in Lateinamerika eine wesentliche Überlebensstrategie dar, indem sie die Menschen in einer Zeit von Preiserhöhungen und hoher Arbeitslosigkeit mit Essen versorgten. Tatsächlich subventioniert die unbezahlte Arbeit von Frauen eine ganze Überlebensökonomie. Man kann deshalb sagen, dass der Schuldendienst indirekt durch die unbezahlte Arbeit von Frauen geleistet wird.

21 Das Wort, das Jesus für „Macht“ benutzte, das aramäische hayye, hat ebenfalls diese Bedeutung von Macht. Es wird am besten mit „Lebenskraft“ oder „Ursprungsenergie, die den Kosmos durchdringt“, wiedergegeben (Douglas-Klotz 1999, 65).

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