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Читать книгу: «Lowlife», страница 7

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Im Sommer reichte einem der Dreck bis hoch in die Achselhöhlen und die Hände waren, trotz Handschuhen, schon nach zwei Tagen Arbeit nicht mehr sauber zu kriegen. Man schwitzte und stank und fürchtete, sich bald in einem ähnlichen Zustand zu befinden, wie die besiegte Armada von blechernen Schikanen, die da anrückte. Rostlauben, so ungepflegt, dass sie vom zitternden Flügelschlagen darin versteckten Ungeziefers fortgetragen werden mussten. Vorsätzlich auf Wartungsunfreundlichkeit konstruiert von schlauen Ingenieuren… Jaja, man musste gewisse Abstriche machen, beim Fahrzeugbau, die mit den Ansprüchen der Wirtschaftlichkeit, des Komforts und der Ästhetik verwoben waren… Welcher Komfort? Welche Ästhetik?… Bruch unsäglicher Hinterhältigkeit und undankbares Material an allen Ecken und Enden… Im Pampersbomber irgendeines verhutzelten Männchens sah es aus als hätte es einen Hund, groß wie ein Kalb, über Tage darin eingesperrt und es roch als wäre das Tier auch darin verendet und liegengeblieben… Ich sollte den Heckscheibenwischer ausbauen, atmete durch den Mund und strich mir meine spritschluckenden Amischlitten endgültig aus dem Kopf.

Es war wohl mehr als nur Pech, dass die saisonal bedingte Stagnation der Auftragslage mit dem Umzug der ungeliebten Familie meines Arbeitgebers zusammenfiel. Damit war es so weit, dass man ihm als Umzugskommando dienen musste… Was für Einfälle… Ein weiterer Beweis für den unerschöpflichen Unternehmergeist des Wiesels… Die Werkstatt wurde über mehrere Tage gegen Mittag dichtgemacht und man schwärmte aus… Jeder, der fahren durfte, nahm sich ein Auto. Ein Abschleppwagen wurde auch mitgenommen, schließlich musste man reagieren können, wenn das Telefon klingelte und ein Auftrag reinkam… Die alte, im Nordosten der Stadt gelegene Wohnung musste geräumt und renoviert werden. Trotz dem üblichen Gescheuche und den hoffnungslosen Versuchen, die Schlacht vor dem Abendrot zu beenden, dauerte es bis acht oder neun Uhr… Niemand, auch nicht einer aus der Sippschaft des Wiesels, machte einen ernsthaften Versuch, sich über das vorgelegte Tempo zu beschweren… Alles folgte dem Willen des Despoten. Haufenweise Möbel und Gerümpel schleppten wir aus dem engen Altbau heraus, selbst den verstaubten Keller befreiten wir vom Kram. Und was da alles zum Vorschein kam!… Die Sammelwut musste tief im Erbmaterial der Familie angelegt sein. Die Frage zwang sich mir auf, warum man überhaupt umzog, wenn sich damit unweigerlich ein Ab- und Wiederneuaufbau des über die Jahre hinweg sorgsam angehorteten Materials verband, welches für die Errichtung eines Atomschutzbunkers gereicht hätte… Wahrscheinlich hatte man während des Hortens keine Zeit gefunden, daran zu denken… Vielleicht sollte ich bei mir Zuhause mal ausmisten, fiel mir ein… Dann transportierten wir den Kram, ein paar Straßen weiter, zu der neuen Wohnung, die sich in einem Plattenbau befand. Immerhin verfügte der über einen kleinen Aufzug, dessen zu geringe Kapazität sich jedoch bei genauerer Begutachtung herausstellte und man war gezwungen, das Treppenhaus zu nehmen. Rauf da! Mit all dem Kram auf dem Buckel… Sechster Stock… Herrliche Aussicht.

Bei der Entkernung im Altbau, leisteten unerwartet die Tapeten den größten Widerstand. Das Zimmer schwamm nur so in der klebrig weißen, mit Chemikalien versetzten Brühe, die wir in immer neuen und neuen Arbeitsgängen mit Schwämmen an den Wänden verteilten. Als das nicht helfen wollte, begannen wir die Tapete mit Messern einzuritzen… Schnitten ein siebartiges Raster aus tausend Messerstrichen, dann griffen wir wieder zum Schwamm und rieben die klebrige, warme Brühe in die Ritzen. Äonen vergingen und die Hände wurden einem dabei taub und aufgequollen die Haut und die Arme steif… Die Mühen halfen, das Entfernen der Tapeten dem Abknibbeln des Etiketts an einer Flasche gleich zu machen… Vielleicht half auch der dichte, wie Naturdünger oder vielleicht Guano riechende Qualm des Tabaks, den der Bruder des Wiesels ausstieß.

Überhaupt war die Sippschaft des Wiesels bis ins letzte Glied verkorkst, dass man dachte drei Generationen Inzucht hätten geistige Degeneration derartigen Kalibers hervorgebracht… Und gegenseitigen Hass… Einer intrigierte gegen den anderen… Und alle zusammen gegen den Bruder des Wiesels, der es nicht lassen konnte, alle viertel Stunde die Arbeit zu unterbrechen, sich so hinsetzten, dass jeder daran teilhaben durfte, und die neusten Geschichten seines nie enden wollenden Haders mit dem Arbeitsamt zum Besten zu geben. Das Wiesel, reagierte mit drastischen Gehässigkeiten, um bloß allen klar zu machen, wer es in der Familie zu etwas gebracht hatte. Seine Frau ließ sich den Spaß nicht nehmen und machte gleich mit… Da konnte man nun wirklich was lernen… Vorausgesetzt man hätte die Ruhe gehabt, mitzuschreiben… Das reinste Familienidyll!

Das alte Mütterchen, schlich wehleidig durch die nackte Altbauwohnung und erzählte ihrerseits Geschichten… Die Familienchronik seit 1900… Die Erinnerungen, die so unzertrennlich mit den Räumen verbunden waren… Anekdoten über die Söhne und ihre längst vergangenen Lausbubereien und über den tyrannischen Vater… Die Entbehrungen… Die Appelle an den Bruder, er solle sich ein Beispiel am Wiesel nehmen… Es war wie in einem Roman… Der tyrannische Vater war nach seinem Tod von dem tyrannischen Sohn abgelöst worden, der jetzt seinerseits die Familie fertig machte. Ein Festmarsch der Stereotype… Man verwies die alte Frau barsch auf ihren Platz, einen zurückgelassenen Stuhl in der Küche, zurück… Es wurde gearbeitet.

Trotz alldem versammelten sich die Mitglieder dieser Bilderbuchfamilie immer mal wieder. Meist geschah das, wenn die alte Rostlaube, des Bruders mit billigsten Mitteln zusammengeflickt werden musste… Und immer wieder kündigte man es uns mit unheilvollem Unterton an, wie den Ausbruch einer Seuche… Ich fragte mich, ob das die Art des Bruders darstellte, sich für die ihm angetanen Feindseligkeiten zu rächen.

Der Glaube, ich würde nie wieder ein Auto zu Gesicht bekommen, mauerte sich in meine Gedanken ein und hinter dieser Mauer hörte ich mich ein beständiges, von der Mauer zurückgeworfenes Echo fragen, wie nur das Wiesel den Laden am Laufen hielte… Zwar bezahlte es uns mies, aber nicht alle seine Ausgaben ließen sich von Ersparnissen durch das Vergeben von Dumpinglöhnen wettmachen, irgendwo musste ja Geld herkommen, damit es sich seinen Dosenfraß leisten und seine Autos und den Lkw unterhalten konnte… Die Unsummen an Geld, die es für Baumaterialien, Benzin und Diesel, die ständigen Investitionen in seinen Fuhrpark und lauter technische Spielereien für seinen Haushalt herauswarf… Konnte es das allen Ernstes einsparen, indem es kein Werkzeug anschaffte?… Spezialwerkzeug wurde mit Mühe und Not selbst gebaut… Sechs Jahre lang mussten ich und andere Bremskolben mit einer umgebauten Schraubzwinge zurückstellen… So lernte man improvisieren… Wie viel konnte man sparen, indem man Privatkleidung entbehrte… Sie verbrachten vierundzwanzig mal sieben mal zweiundfünfzig in Arbeitskluft, ergänzt durch ein paar geschmacklose alte Lumpen, die schon in den frühen Neunzigern lächerlich gewesen sein mussten… Einmal im Monat fuhren sie nachmittags los, um Tiefkühlkost, Konserven und Dosenfutter auf Vorrat zu besorgen. Kamen sie wieder, musste man ihnen helfen, den überladenen Pannenwagen auszuräumen und die bis zum Platzen aufgeblähten Taschen in die Wohnung zu schleppen… So hatte ich mir schon immer das Leben als Unternehmer vorgestellt.

Es gab vereinzelt Zeiten, da gingen selbst dem Wiesel die Ideen aus, mit denen es die Belegschaft unter Strom hielt. Für gewöhnlich verkroch es sich dann in der Wohnung. Es ließ uns für eine Weile allein, schlich sich jedoch immer wieder heran, um zu sehen, wie man sich die Zeit totschlug. Ich beobachtete den Kollegen in toten Winkeln, sicher vor den Kameras versteckt und wie er von dort aus lauschte, ob jemand kam. Manchmal tat ich es ihm gleich… Ähnlich wie damals Schmörgel, nahm ich mir immer Putzzeug mit ins Versteck, das mir ein Alibi verschaffen sollte, sorgte aber dafür, dass immer ein Häufchen Dreck auf meiner Kehrschaufel zu sehen war, oder dass Schränke abgerückt und befeuchtet waren… Das funktionierte gerade im Winter gut, wenn die Tore die Kälte vom Eindringen abhielten. Man konnte sich dann in einer Ecke der Werkstatt verschanzen und die Tore im Blick behalten, so war man schon früh vor den Vorgesetzten gewarnt und im Falle einer Feindsicht fing man schnell damit an, einen beschäftigten Eindruck zu machen… Diese Tage zogen sich jedoch, gerade wegen des Nichtstuns, wie ein unendlicher Kaugummifaden gnadenlos in die Länge… Der lahmende Gang der Zeiger… In meiner Verzweiflung putzte, fegte und bohnerte ich alles, was sich in den Räumen befand… Ich bekam die tollsten Einfälle… Das Werkzeug, die Schränke und Schubläden, die Hebebühnen, die Türen, die Fenster, die Autos, jeden Raum fegte ich zwei Millionen Mal aus, putzte das Klo, den Pausenraum, schnappte mir eine Leiter und putzte die Lampen… Den Ölwagen, die Ölwannen, Ölfässer und die Tore der beiden Hallen, den Abgastester, die Aschenbecher… Und was noch alles.

Zu allem Übel passierte es an solchen Tagen oft genug, dass kurz vor Feierabend, mit dem Geifer eines tollwütigen Affen vor dem Maul, irgendein Spinner aus dem Nichts auftauchte, weil ihm plötzlich eingefallen war, dass es an seiner verdreckten Rostlaube noch etwas zu reparieren gab… Ich erinnere mich beispielhaft an ein kategorisches Spektakel… Besser: Debakel.

Mit heulendem Motor kam ein schmutzig weißer, verrosteter Lieferwagen angeschossen und parkte direkt unter der bei Dunkelheit angeleuchteten Freiheitsstatue, die am Dach der Werkstatt, vor der Treppe zum Wohnhaus, auf ihrem Sockel thronend den Arm in die Luft reckte. Der Karren dampfte wie der Kühlturm eines Atomkraftwerks und unten lief das Kühlwasser in Strömen aus. Kaum eine Sekunde nachdem der Besitzer des Wagens ausgestiegen war, eilte das Wiesel auch schon zur Haustür hinaus und die Treppe herunter. Man kannte den Besitzer des Wagens… Er war Fliesenleger und Stammkunde der Werkstatt… Und wusste schon genau, dass nichts Gutes blühte, sobald er mit der heruntergewirtschafteten Kiste angefahren kam… Sofort schickte das Wiesel uns auf Gefechtsposition und ehe man sich versah stand der Wagen auf der Hebebühne. Das Leck, aus dem das Kühlwasser ausdrang, war schnell gefunden. Der Zeiger stand auf fünf vor Sechs. Doch anstatt die Sache auf sich beruhen zu lassen und den Wagen am nächsten Tag zu reparieren, hieß es sofort ran an die Arbeit… Aber bitte mit Feuereifer! Los! Los!

Der Motor des Wagens war unter der Fahrerkabine verbaut. Man konnte ihn nur von unten oder durch eine Wartungsklappe im Fahrgastraum erreichen. Die Hebebühne schraubte den Wagen der Decke entgegen, während man mich in die Fahrkabine befahl, damit ich von oben durch die Wartungsklappe leuchten und etwas Platz machen konnte. An Kabeln, Rohren, porösen Keilriemen und veröltem Metall vorbei, sah ich das Wiesel, zusammen mit dem Kollegen, unter dem Auto hantieren. Eine der Wasserleitungen war durchgerostet… Natürlich war es wie so oft gerade die am schwersten zugängliche Leitung… Die ganze Hebebühne wackelte und knarzte, als sie dort unten anfingen, sich eine Bresche durch das Gewirr im Motorraum zu schlagen. Immer mehr Teile landeten auf dem Boden, Ratschen knarrten und man schnaubte, schraubte, fluchte und prustete… Da hatte sich mal wieder jemand überschätzt… Bald lag ich mit dem Bauch auf dem Motor und mein Arm versank mitsamt der Lampe immer tiefer in dem schwarzen Schlund, wand sich an scharfen Kanten und heißem Metall vorbei… Ob ich ihn da wohl je rausbekommen würde?… Jetzt bloß nicht die Lampe fallen lassen, dachte ich wie blöde in einem fort.

»Hier unten sieht man NICHTS! Schläfst du da oben?!«, blökte es von unten hoch. Ich erschrak, die Haut berührte etwas Heißes und die Lampe fiel.

»AUUFHEEBÄÄÄÄN!« Ich schnellte hoch, wühlte mich aus dem Wageninneren hervor und sprang die Bühne herunter… Erst als ich wieder oben war bemerkte ich die blutende Schramme, die sich über den gesamten Unterarm zog und die Brandstelle direkt daneben… Das Rütteln und Wüten ging weiter, zwischendurch kommandierte man mich herunter, um abwechselnd zu assistieren oder Werkzeug herbeizuholen.

Bald war man selbst wie alles andere von oben bis unten mit dem klebrigen Kühlwasser eingeschmiert… Die Soße quoll aus dem klaffenden Brustkorb des Wagens, als wolle dieser sich somit seiner Vergewaltigung erwehren. Immer wieder bekam jemand was ins Gesicht und gab entrüstete Laute von sich. Man konnte kaum noch das Werkzeug halten, wurde aber immer hastiger angetrieben. Nach einer Stunde des Entsetzens und der Agonie, war das Rohr halbwegs zugängig, von der Spritzwand abgeschraubt und freigelegt. Das Wiesel erteilte dem Kollegen die Anweisung, eine Flex herbeizuholen und das verrostete Stück Rohr herauszuschneiden… Es wolle dann ein Stück Schlauch zwischen die intakten Teile der Wasserleitung setzen… Ich eilte los, überreichte die Maschine dem Wiesel, welches sie seinerseits in die roten und zitternden Hände des Kollegen abgab, und nahm einen Sicherheitsabstand ein. Es schien mir noch immer höllisch eng da unten und er würde unmöglich gerade schneiden können. Hinzu kamen noch das nervöse Gehüpfe und irritierende Gestikulieren des Wiesels, das dem armen Kerl schlussendlich befehlend an die Arme griff und ihn somit in Stellung zwang… Gespanntes Warten meinerseits.

»Das Ding verkantet sich, wenn ich so schneide.«

»Schneid endlich!…«

Mit Höllenlärm und Funkenflug ging das Sägen los.

Wie vorausgesagt verkantete sich die Flex, der überspannten Muskelgewalt des Kollegen trotzend, fing an auszuschlagen und sauste binnen einer zehntel Sekunde zerstörungswütig dreimal in dem Spalt zwischen Motor und Spritzwand hin und her. Braungelbe Flüssigkeit tropfte am Ort eines der Einschläge herab. Eine Bremsleitung war getroffen… Es folgte ein atemloser Moment der Stille, in dem sich die Züge des Wiesels bis zur Unkenntlichkeit verzogen, als es seinen Kopf wieder in den Motorraum steckte… Unser Entsetzen war unbeschreiblich. Das Wiesel riss beide Arme in die Luft und wieder herunter und schrie… »ACH NEEEEIIN!…« Schubste den verstörten Gesellen beiseite und fauchte der beschädigten Bremsleitung entgegen… »SCHEIßE! SCHEIßE!…« Drehte sich um und fuhr den Gesellen zähnefletschend an… »Kannst du denn deine Saupfoten nich stillhalten?!«

Ich versuchte auf Abstand zu gehen und sah Christoph wie einen getretenen Hund dastehen, die Flex noch in den zitternden, verschmierten Händen… Die Trennscheibe war nur noch ein Fetzen.

»Nun brings auch zu Ende!« Und er besorgte eine neue Scheibe… Mit viel Glück gelang es ihm, das Kühlrohr zu entzweien.

Nach dem Abflauen der Tobsuchtexplosion und nachdem es all die Verwünschungen losgeworden war, zu welchen sein Wortschatz es befähigte, zerrte das Wiesel eine Schublade auf, wuchtete eine Werkzeugbox heraus, drehte sich zu mir und warf sie mir in die Hände.

»Das Bördelgerät bereitmachen! LOS LOS!«

Wir mussten die Enden zweier Bremsleitungen bündig abschneiden, bördeln und Schraubverbindungen dazwischensetzen. Das alles unter dem Wagen stehend, während die Suppe weiter und weiter auf uns herabtropfte… Zum Schluss dann noch das Kühlsystem reparieren und den ganzen Kram wieder zusammenbauen, Kühlwasser auffüllen… Dabei angetrieben von der Bedrohung erneuter Wutanfälle… Überall lag in der Hektik herbeigeholtes Werkzeug verstreut herum, so dass man viermal danach gucken musste, wenn man etwas brauchte. Es war der reinste Höllenritt… Für die nächsten zwei Stunden verlor die Zeit jede Bedeutung, jeden sachlichen, greifbaren Gehalt.

Die Uhr zeigte zehn nach halb neun als ich zur Haustür hereinkam und alles, was zwischen dem Entgleiten der Flex und meinem Heimweg geschehen war, gedanklich nicht mehr rekonstruieren konnte oder wollte… Völlig geschunden und nervlich am Ende… Ich wusste nur, dass es vorbei war, und neuer Schmutz für die nächste Säuberungsaktion entstanden.

Nachdem ich ein paar Brocken Essen in meinen noch aufgeregten Magen gewürgt und geduscht hatte, malte ich mir im Stillen meines Zimmers aus, wie ich auf vielfältige Art und Weise das Wiesel abmurksen könnte… Ihm den Garaus machen, dem Mistvieh! Auf ein Schindanger werfen!… Dabei spielten große Metallrohre, die wir in der Werkstatt als Hebelwerkzeug benutzten, eine Rolle… Ich würde ihm damit den Schädel zertrümmern, seine hässliche Fratze zu Mus prügeln… Mir könnte beim Flexen, wenn er neben mir stand, plötzlich die Maschine entgleiten und selbige würde sich in seiner Visage wiederfinden… Lange Schraubenzieher würden sich sicherlich auch gut als Stichwaffe eignen… Ein paar leidenschaftliche Hiebe in den schmierigen Wanst des Wiesels wären sicher befreiend gewesen… Dass es nur so spritzt!… Ich hätte es niederschlagen und in der Altöltonne ersäufen können… Hätte ihm mit dem Schraubstock die Scheiße aus dem Hirn quetschen können… Ihm Bremsflüssigkeit oder Batteriesäure eintrichtern können, um zu sehen wie es seine verätzten Innereien auskotzt und dabei noch ein wenig auf es eintreten… Hähähä! Dem räudigen Mistvieh hätte ich zu gerne mit einer Brechstange den Schädel gespalten, oder ihm einfach die Kehle mit einem stumpfen Teppichmesser aufgeschnitten und ihn seine herrlich saubere Werkstatt mit seiner eigenen Suppe bespritzen lassen. Hätte seinen Kadaver auch unter der Hebebühne einklemmen und selbige dann langsam nach unten fahren können… Ich hätte ihm mit dem Gasbrenner langsam das verdorbene Fleisch von den Knochen sengen, oder ihm mit dem Vorschlaghammer die Knochen zertrümmern können… Hach… Es hätte hunderte von Möglichkeiten gegeben, alle gingen sie mir durch den Kopf… Aber wäre es nicht eine pragmatischere Strafe, ihn seinem kümmerlichen, ärgerlichen Dasein zu überlassen?… Was aber, wenn dieser Satansadjutant vom Ärger zehrte?… Was, wenn er es auf perverse Art genoss?

Life’s a Bitch

Life’s a bitch and then you die.

That's why we get high.

Cause you never know,

when you're gonna go.

NAS, Life´s a Bitch

Es hatte mich regelrecht umgehauen… Mein Atem hatte kurzzeitig ausgesetzt, nachdem ich beherzt und ahnungslos die gelbe, fast schon wie ein solider Stoff aussehende Rauchsäule mit einem hastigen Zug eingesogen hatte… Atze, die hinterhältige Sau, hatte die Vorarbeit mit geübten Lungen besorgt und hielt mir die Pfeife hin… »Los jetzt, bevor der Rauch kalt wird… Dann wirds eklig«, hatte er mir bedeutet.

Dann war ich, hustend bemüht den Qualm wieder von mir zu geben, begleitet von Atzes Lachen, der mir die Pfeife abnahm, mit zugekniffenen Augen auf die kühle Oberfläche des Ledersofas gesunken… Und hörte, während der erste, heftige Schwindel langsam abbaute und unwirklicher wurde, der Musik zu… Den entschleunigten Bässen. Ab und zu überkam mich wieder der Hustenreiz und ich griff nach der Flasche Bier, die vor mir auf dem von hundert Händen bekritzelten und bemalten Tisch stand, neben dem Aschenbecher, und der Wasserpfeife mit der bräunlichen Brühe darin… Atze leerte den Kopf für mich und setzte sich in seinen Sessel.

In jenem statischen Refugium der Intoxikation versank ich langsam in Betrachtungen… Osterferien… Eine so völlig andere Bedeutung dieses Begriffs hatte ich mir noch vor einem Jahr, vor Beginn der Ausbildung, nicht träumen lassen… Wochenlang nur Arbeit, Arbeit, Arbeit… Es würde einen vielleicht noch bescheuert machen… Eine noch längere Periode würden die Sommerferien bringen… Dann doch lieber zur Berufsschule gehen… Und dann verglich ich diese Art des Marihuanarausches mit den ersten Erfahrungen, die ich mit dreizehn im Schwimmbad mit der Droge gemacht hatte… Und lachte wie betäubt in mich hinein… Beim ersten Mal knallts nicht, hatten sie alle gesagt… Es war weder etwas spektakuläres, noch irgendetwas lustiges oder besonderes daran gewesen, nicht so wie ich es mir erhofft hatte. Es erfasste mich nichts, was einem veränderten Bewusstseinszustand glich, oder zumindest nichts, was mein präpubertäres Gehirn als einen solchen wahrgenommen hätte… Und nun… Das war schon etwas anderes als die Wirkung eines Joints.

Sascha saß aufrecht neben mir und befühlte die frisch befüllten Beutel, die ihm Atze herübergeschoben hatte, öffnete einen davon und streute etwas auf ein Papier, dass auf dem Tisch lag. Ich dachte an das eilige Treffen mit Sascha, an den Weg, den wir zu Fuß über die Felder in dieses Dorf außerhalb unseres Wohngebietes zurückgelegt hatten und sah ihm zu, wie er das Gras mit Tabak vermischte… Träge griff ich zu dem anderen Beutel, den er neben sich auf das Sofa gelegt hatte. Er blickte von dem Papier auf, zu mir herüber, so als wäre er kurz abgelenkt… Starr blieb ich sitzen, nickte Atze zu, der mich aus seinem Sessel beobachtend angrinste, steckte den Beutel ein, und ließ den Fokus meines Blickes durch die Staudammwände des Zimmers hindurch ins Unendliche gleiten… Das künstliche Gefühl von Isolation, zusammen in einem Raum mit anderen, war überwältigend. Gleichzeitig wusste ich, dass man so gut wie unmöglich je wirklich allein sein konnte… Unweigerlich fiel mir die Arbeit wieder ein… Eine ziellose Hatz von Woche zu Woche… Ziellos? Nein, es gab ein Ziel… Nebelartig schwebte mir vor, dass es meine Aufgabe, oder mein Ziel sein sollte, den Mist durchzuziehen… Doch dieses Ziel befand sich hinter der Spitze eines drohenden Berges, bewachsen von Glut und kalten Klingen, dahinter die trüben Spähren der Linderung, die mir so unerkennbar schienen… Der Aufstieg… Ein Gefühl, was mir wesentlich näher war, als der noch so ungreifbare Moment des Sieges… Der Linderung… Das Ziel… War mir nie zuvor unwirklicher vorgekommen, als in diesem Moment des stillen Nachdenkens.

»Sag mal Atze«, sprach Saschas Stimme in den Raum hinein… »Was hast du eigentlich so getrieben nach der Schule?«

»Ach, alles Mögliche. Ich hab ne Lehre als Koch angefangen, aber der Laden is… Naja… Ich hab Ärger mit den Bullen bekommen, Führerschein is auch weg und da haben die mich rausgeworfen… Jetzt, fahr ich halt mit den Öffentlichen, jobbe nen bisschen und verdien auch so genug Kohle, nebenbei…« Sascha nickte ihm zu und kramte sein Feuerzeug herbei, schüttelte die Arme und Schultern, wie jemand der sich zum Sport locker machte und sah die vor sich stehende Pfeife an… Es gab keine weiteren Fragen angesichts Atzes wie einstudiert wirkender Beschreibung seiner Umstände.

»Hier draußen is ja sonst nich viel los und irgendwer muss die Leute ja versorgen… Hätte nicht gedacht, dass ich euch Beiden so mal wieder treffe, nach der Schule.«

Eine gewisse Freude beschwingte seine Stimme, die gleichzeitig ein leichtes Amüsement nicht verbarg… Dann kam die unvermeidliche Frage.

»Wie lange rauchter denn schon?«

»Was meinst du?…« Und Sascha sah fragend zu mir herüber. Ich richtete mich ein wenig auf und griff nach meinem Bier… »Eineinhalb, zwei Jahre… Meist an den Wochenenden…« Und überlegte, in wie weit das noch zutraf… »Oder zum Feierabend.«

»In der Stadt hamse einen hochgenommen, hab ich gehört.« Sascha biss sich auf die verschränkte Unterlippe und blickte ab, bevor er die indirekte Frage beantwortete.

»Ja habs auch gehört… Vom Klassenkameraden aus der Berufsschule, bei dem ich immer geholt habe… Und der hat seins wohl von dem bekommen«, gab er zu.

»Ist immer gut, wenn man noch andere Quellen bereit hat.«

Die Pfeife blubberte… Es würde wohl ein langer Sommer werden… Er würde wohl noch viel länger werden, wenn meinem Gnadengesuch um Urlaub vielleicht doch noch fruchtbaren Boden erreichen würde… Zu mehr als einem… »Wir müssen erst mal sehen wie es mit den Aufträgen aussieht…« Hatte es nicht gereicht… Ich würde die Hoffnung wohl aufgeben und stupide weitermachen müssen… Mich in der Werkstatt kaputtschwitzen und erst des Abends abhauen können, um mir ein bisschen Frieden, Spaß und ein von Cannabiskonsum verzerrtes Zeitgefühl zu gönnen.

Durch den Rauch, den Sascha ausgestoßen und sich danach mir ganz ähnlich zurück aufs Sofa gesetzt hatte, und der sich langsam kräuselnd ausbreitete, betrachtete ich diesen ehemaligen Schulkameraden, der zwei Jahre eher mit seinem Realabschluss abgegangen war, jetzt in sein Handy vertieft, irgendwelche Nachrichten schreibend… Und versuchte mich zu erinnern, welche Rolle er damals in dieser zusammengeworfenen Gemeinschaft Heranwachsender gespielt hatte.

Zuerst bemerkte ich ihn auf den Gängen vor den Werkräumen, wie er in mit Aufnähern übersäten Baggyjeans und einem labbrigen roten T-Shirt herumlungerte… Dann entdeckte er kurzweilig eine rechte Gesinnung, hörte sich Landser, die Weißen Wölfe und weiß der Geier was an… Spuckte vor dem Klo auf und ab tretend und eine Zigarette in der Handhöhle haltend vor mir aus, da ich als Punk aufgemacht an ihm vorbeigehend sein Feindbild verkörperte… Etwas später besann er sich zurück auf Hip Hop und Kiffen… Wurde mal mit diesen und jenen Unruhestiftern gesehen, zu denen er auf perfide Art kurzweilige Freundschaften aufbaute.

Atze legte sein Handy weg und ließ eine neue Runde Bier durchgehen… Total zugedröhnt mit schwerem Schädel, beobachtete ich, wie er eine dicke Platte Braunes hervorholte und sie präsentierte… Er redete fachsimpelnd über Hasch… Den Produktionsprozess… Wie sie die Harze pressen würden… Über Herkunftsorte… Afghanistan… Marokko… Den Libanon.

Zu späterer Stunde und bei dickerer Luft, war man letztlich wie katatonisch und mit dem Sofa verwachsen. Die Musik drang leiser ans Ohr, als noch im frühen Stadium des Rausches, und spielte doch tieferen Wiederklang in den dahinterliegenden Windungen, wo sich mir ungeahnte, zähflüssige Welten auftaten… Wo ein Gedanke den anderen jagte und wo ich kaum noch Notwendigkeit empfand, mit meiner Umwelt zu interagieren… Man konnte problemlos abschalten… Zumindest für eine Weile.

Eine unartikulierte Stimme drang dumpf durch das Gebälk von oben. Die Blicke schnellten auf, verweilten suchend und wanderten dann von Gesicht zu Gesicht… Atze war es, der daraufhin das Wort ergriff.

»Mein Vatter brüllt schon wieder… Ich will ihm mal sein Fläschchen geben«, witzelte er müde, sah Sascha und mich an und wieder zur Decke des Kellerraums hinauf, wobei er sein Basecap ein wenig aus der Stirn rückte, und lachte kurz, abgehackt und gleichgültig vor sich hin… »Jungs, hat mich gefreut…« Ein Lächeln bezog seine schmalen, blassen Lippen… »Bis bald mal wieder…« Und er stand auf, ging am Tisch vorbei und holte zu einem großzügigen Handschlag aus… Dann begab er sich nach oben… »Ihr wisst ja wo die Tür ist.«

Zutiefst beeindruckt und bereit, es auf eine Wiederholung des Geschehenen anzulegen, unterhielt ich mich mit Sascha, während wir aus dem Dorf hinaus spazierten, das Backsteinhaus, mit dem abblätternden gelben Anstrich verträumten Schrittes hinter uns ließen.

»Hat gutes Gras, der Atze…«

Sascha bestätigte mit Kopfnicken.

»Was hattern fürn Kurs gegeben?… Hast dus beim Abwiegen gesehen?«

»Achter Kurs… Dafür ists wirklich nicht schlecht… Der Weg zu ihm ist auch nicht so weit wie zu meinem Kollegen in der Stadt… Weißt ja, der wohnt da hinten die Holländische raus…« Ich war niemals mitgekommen. Jetzt konnte ich bei Bedarf auch ohne Hilfe Saschas das Kraut besorgen. Atze hatte mir seine Nummer gegeben… Wir schwiegen… Vor uns erstreckte sich der Weg hügelaufwärts in die Dunkelheit.

Ich weiß nicht, wie viele Male ich diesen Weg in den folgenden Monaten des Frühlings und bis in den Herbst hinein hinter mich gebracht habe… Es dauerte meistens circa eine halbe bis zu einer Stunde, je nach dem gewählten Tempo, welches damit zusammenhing, wie verschallert man war… Zuletzt trennten sich Saschas und meine Wege vor seiner Tür, ich ging das letzte Stück bis zum dunklen, schlafenden Zuhause und legte mich zu Bett… Versank in einen wohligen, tiefen und traumlosen Schlaf… Und der Wecker wartete auf seinen Einsatz.

Gegen Abend an den Wochenenden, und zuweilen bis in die frühe Nacht unter der Woche, war das Geschäft, wie er es gegenüber anderen bezeichnete, für Atze erledigt… Er nahm dann nur noch Gespräche entgegen, die von denjenigen kamen, die er als seine Freunde bezeichnete… Und beantwortete Nachrichten nur, falls ihm gerade danach war… Schwalle, ein weiterer Bekannter aus Schultagen, und seitdem seines Zeichens Kumpan Atzes, hatte sich, neben mir und Sascha, die wir geschlossen und in Schweigsamkeit, über den Besuch unserer Parallelwelt gegenüber Dritten, den Fußmarsch angetreten waren, dort eingefunden. Die Musik bildete ein Hintergrundrauschen, aber wollte nicht so richtig zu mir durchdringen.

Um mich herum mühte sich alles mit den eigenen Vorräten und den ausliegenden Utensilien ab, dann wurde die Bong aus ihrer Ecke neben dem Sofa hervorgeholt und man zündete sich einen Kopf an. Nachdem die Pfeife die Runde gemacht hatte, fiel auf, dass ich gerade das letzte Bier ausgetrunken hatte… Es war Sonntag. Man sah sich einem existenziellen Problem gegenüberstehen, zu dessen Lösung sich Atze breitmäulig ausließ.

»Scheiße!… Wir gehen mal rüber in die Kneipe und trinken da was«… Und alles blickte ihn eine Weile fragend an.

»Nein wir werden uns bestimmt nicht an dem Bier vom Vatter vergreifen…« Und nach einer Pause setzte er hinzu, wie um sich zu rechtfertigen… »Ich hab nur keinen Bock, dass der wieder patzig wird… Hab auch so schon genug Arbeit mit dem.«

In den vergangenen Wochen, seit dem ersten Treffen bei ihm, hatte ich nie eine Regung im Haus bemerkt, die nicht von Atze selbst oder einem seiner Gäste und Kunden kam… Sein Vater schien ein Gespenst zu sein, dass, wenn überhaupt, erst sehr spät zum Leben erwachte… Atze ging stets sehr lakonisch und überlegen damit um… Sofern er sich überhaupt etwas anmerken ließ.

194,70 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
720 стр.
ISBN:
9783750211179
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
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