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Читать книгу: «Lowlife», страница 8

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»Is es voll da drüben?«, wollte Sascha wissen, der die argwöhnischen Blicke Schwalles auf den Vorschlag hin bemerkt hatte.

»Nee, da sitzen immer nur die selben alten Suffköppe rum und merken eigentlich gar nicht was um sie herum geschieht… Bier kostet eins sechzig.«

»Na das is doch mal nen Wort«, befand ich und wollte schon Anstalten machen loszugehen, als sich Schwalle zum ersten Mal seit zwanzig Minuten, die er wortlos vor sich hin oder in sein Handy starrend verbracht hatte, knarzend wieder zu Wort meldete.

»Ich nehm mal noch was Ott mit… Wir können da auf dem Klo bauen und einen paffen.«

Man hatte gerade die dritte Runde Bier bestellt, da warf Schwalle den Vorschlag in die Runde, doch endlich mal runter aufs Klo zu gehen und einen Dübel zu fabrizieren… Es wäre angebracht das allseitige Vorhaben in zwei Runden aufzuteilen. Atze, der die dafür nötigen Utensilien einstecken hatte, und Schwalle sollten die erste Runde machen. Man sah einen Augenblick ins Glas, verfolgte die im Gerstensaft aufsteigenden Kohlensäurebläschen… Dann hört man das schrille Geräusch eines abrückenden Stuhls und sah Atze nach, wie er Richtung Toilette ging, um alleine vorzudrehen, während Schwalle Sascha und ich weiter an unseren Bieren nuckelten… Nach ein paar Schlucken stand auch Schwalle auf, ließ ein leeres Glas zurück und zockelte Richtung Klo.

Sascha und ich beobachteten das, sich auf gelegentlich nickende Köpfe und nach Biergläsern greifende Hände beschränkende, Geschehen in der Kneipe… Wir befanden uns in sicherer Position, saßen nahe am Eingangsbereich mit Blick nach draußen auf die Straße und den gegenüberliegenden Kirchhof, hatten die Bar im Blick und genug Abstand zum restlichen Volk, welches auf drei Tische weit in dem holzvertäfelten Raum verteilt saß… Bazillenträger mit breitgeschlagenen, grindigen Pranken und engstirnigen Klotzvisagen… Sieben oder acht bierselige Dörfler, die ihre besten Jahre schon lange hinter sich hatten und sich wahrscheinlich jeden Abend aufs Neue die selben alten Geschichten von vor zwanzig Jahren erzählten, nun aber ihrer eigenen Worte müde geworden waren, während ihre verhärmten Weiber daheim vor dem Fernseher saßen, die bebrillten Fratzen ausdruckslos an die Mattscheibe geklebt, sich an irgendwelchen durchgestylten, weichgesichtigen Soap-Sunnyboys aufgeilten und sich die trockene Pflaume rieben, bevor der jeweilige Alte besoffen nach Hause kam und sie sich wieder gegenseitig ertragen mussten… Bisweilen ertönte ein tuberkulöses Husten.

Sascha machte Anstalten, die nächste Runde Bier zu bestellen, doch setzte sich wieder auf seinen Platz, von seinem Vorhaben abgehalten durch den Eindruck des hinter der Theke hervorkommenden Wirtes… Schnellen, entschlossenen Schrittes bewegte der sich durch den Saal und steuerte an unserem Tisch vorbei, auf die Türe zum Flur zu.

»Der wird doch wohl jetzt nicht zu den Klos gehen?«, sagte ich zu ihm und nahm meinen letzten Schluck Bier.

»Wir werdens als erste erfahren…« Da hatte er wohl recht… Etwa eine Minute später kam der Wirt wieder, stellte sich hinter seine schmierige Theke und zapfte ein paar Bier für die immerdurstige Stammkundschaft, stellte diese parat und blickte kritisch in die Runde… Er beobachtete seine Gäste… Stille beherrschte den Raum… Nur von draußen war Hundegebell, gedämpft, ebenso träge wie die Stille und jedes Reden über den Tischen unterschlagend, hörbar geworden… Die Überwachungsprozedur des Wirts dauerte keine zwei Minuten, da sah man ihn die letzten gezapften Gläser abstellen, stehen lassen und erneut durch die Türe zum Flur verschwinden… Und fing an sich zu fragen was er da machte.

Atze und Schwalle kamen vom Klo zurück und setzten sich wieder an den Tisch. Das rot geäderte Weiß ihrer Augen, ein Stück weiter unten die dicken Tränensäcke und noch ein Stück weiter unten ihre gelblichen Zähne, grinsten aus den Gesichtern.

»Was war denn los?«

»Ja erzählt mal, hat er euch erwischt?«

»Ach, von wegen erwischt«, blies Atze die Worte geringschätzig über den Tisch… »Mitgeraucht hatter!…« Und er lachte und erzählte die Abläufe aus seiner Perspektive… Sie hatten die Lunte gerade angezündet, als sie hörten wie die Tür aufging. Der Wirt, der ein bisschen aussah wie ein dicklicher Mexikaner, kam herein und schaute den Beiden verdutzt ins Gesicht. Sie gaben sich keine Blöße, begrüßten ihn freundlich und fragten wie es ihm gehe… »Wenn ihr hier schon kiffen müsst dann stellt euch wenigstens ans Fenster und blast den Qualm nach draußen…« War alles, was der korpulente, falsche Mexikaner zu sagen hatte. Dann machte er kehrt und kam wieder nach oben. Die Zwei taten wie ihnen geheißen und sogen bei geöffnetem Fenster weiter am Joint. Nachdem er nachgeschaut hatte, ob in der Wirtsstube niemand das Bedürfnis verspürte seinen Platz in näherer Zeit zu verlassen, begab er sich zurück aufs Klo, ging direkt auf die Beiden zu, gab ihnen die Hand, stellte sich vor und fragte, ob er ein paar Züge abhaben könne… Es wäre dumm gewesen, wenn sie ihm diesen Wunsch ausgeschlagen hätten… Und so rauchten sie den Dübel zusammen mit dem Wirt zu Ende.

Selbst erfuhr ich, während meiner Zeit in der Parallelwelt, nichts von greifbarer oder vertrauenswürdiger Substanz von diesem Kerl, nichts über sein Alter, nichts über seine Herkunft oder dergleichen, einzig, dass er die Kneipe offenbar gepachtet hatte… Ein Experiment und nicht viel mehr sei das, sagte er bei der Gelegenheit zu mir… In der Zwischenzeit fand dieser, meiner Schätzung nach etwa dreißigjährige Typ, der Aufgrund seines Aussehens den Spitznamen Esé verpasst bekam, immer öfter Gelegenheiten, bei Atze abzuhängen und sich nach allen Regeln der Kunst aufzudrängen… Meistens kaufte er Dope von ihm… Seine Gesellschaft kam mir auf eine Art störend vor, die fortwährend von der geringschätzigen Weise, auf die er mit anderen umging und einer, nur schwer auszumachenden, aber scheinbar doch vorhandenen Bedrohung, die er darzustellen schien, unterfüttert wurde… Oft trug er eine Waffe bei sich. Entweder war es ein pervers großes Messer, oder auch eine Pistole, die er sich nicht schämte zu präsentieren… Großspurig machte er sich auf einer der Sitzgelegenheiten breit, grinste einen verschlichen an und gab unterschwellige, abfällige Bemerkungen zum Geschehen innerhalb des Zimmers von sich, während Atze mit der Pistole herumhantierte… »Ist nicht geladen was?…« Und er nahm das Magazin heraus… Es störte mich, dass diese neue Erscheinung mir so einfach mein Rauscherleben zunichtemachte… Es fiel mir schwerer, mich gehen zu lassen… Gleichzeitig bemüht meine innere Anspannung nicht durchscheinen zu lassen, beobachtete ich das Geschehen und versuchte eine Rolle zu spielen, in die ich mich nicht ausreichend hineinversetzt hatte… Atze schien hingegen von ihm fasziniert… Und er überraschte mich, indem er selbst eine Waffe hervorholte… »Ist ja nur ne Gas, was du da hast«, quittierte Esé… »Damit komm ich weiter als du mit deiner Ungeladenen.« Und der falsche Mexikaner nickte… »Munition hab ich daheim.«

So etwas wie Glück, vielleicht eine Art Derivat des Originalwirkstoffes und von temporärer Wirkung, traf mich unerwartet, als mir mein lang ersehnter Sommerurlaub letztendlich doch noch gewährt wurde. Es war wie ein Wunder. Man musste hart kämpfen für jeden freien Tag… Jede freie Stunde!… Wenn man es mal genau betrachtet… Schließlich brauchten die Vorgesetzten einen für all die blödsinnigen Plackereien, die man für sie verrichten sollte… Doch als wertloser Azubi hatte ich zumindest etwas mehr Glück als der gute Kollege mit seinem Gesellenbrief, was den Urlaub betraf… Die zwei Wochen, die man mir gewährte, waren die großzügigste Entbehrung seit langem… Eine Tat von wahren Philanthropen!… Nun hieß es an der Arbeit durchhalten… Warten auf die vierzehn Tage, die wie eine Erlösung auf Zeit bevorstanden… Und die Besuche bei Atze… Und doch besorgten mich in den folgenden Wochen bis zum Ende des Sommers einige Verwirrungen, vornehmlich sozialer Art.

Ein paar meiner Freunde bekamen zur gleichen Zeit und sogar darüber hinaus Urlaub… Man hatte sich bezüglich des angestrebten Zeitraumes im Voraus abgesprochen, voll guter Hoffnung die Beantragung gemacht und ähnlich lange auf die Bewilligung gewartet, währenddessen man sich wie gezwungen sporadisch getroffen hatte und halbherzig mit der Planung eines gemeinsamen Trips nach Miregalwohin liebäugelte… Es kam zu Aufschiebungen angesichts der Ungewissheit, sowie in Teilen zur Einsicht über die mangelnden finanziellen Mittel und zur Rückbesinnung auf Heimaturlaub… Die anderen verfolgten die Pläne weiter, die jetzt nicht mehr Angelegenheit der Heimaturlauber, respektive meiner Selbst und Saschas waren.

Zuerst fiel mir gar nicht auf, wie viele Leute aus dem größeren Freundeskreis über die Ferien das Weite suchten… Die Geschehnisse in der Parallelwelt hatten mich mehr und mehr für sich eingenommen… Bestimmend forderten sie mich heraus… Ihr Wesen, schien sich mir noch nicht zu einer Befriedigung genügend erschlossen zu haben, und regte weiterhin zur Neugierde an… Wer waren überhaupt jene, die notgedrungen mit ihren Alten in den Urlaub fahren würden? Jene, die in ihren Gärten saßen und nichts Besseres vorhatten, als sich etwas Fleisch auf den Grill zu legen und dummfröhlich und mit tropfenden Mäulern darüber zu kichern… Jene, die nichts davon wussten… Jene, dass waren die anderen… Diese anderen, die waren nur ein anderer Teil der Hölle, der ungleich kälter nur so vor sich hin glühte, ohne zu entflammen… Jene, die waren eine Kontrollinstanz ohne Selbstkontrolle… Jene interessierten nicht… Drauf geschissen! Wieso sollte man sich denn ständig melden? Das hätten die Fotzen ja auch selber mal besorgen können, wenn ihnen etwas daran gelegen hätte… Viel mehr brauchte ich den Kontakt zu etwas völlig anderem, die neuartigen Flammen innerhalb der Parallelwelt, die mir so viel heißer brannten.

Ohne Begleitung hatte ich mich auf den Weg in die Parallelwelt gemacht. Da parkte ein unbekannter Wagen in der Einfahrt vor der Tür zur Kellerwohnung und neben dem anderen Wagen, den Atze nach Verlust seines Führerscheins abgemeldet und stehen gelassen hatte… Unwahrscheinlich, dass er jemals den Idiotentest ablegen würde… Hinter dem Türglas sah ich eine Bewegung, worauf sich diese so ruckartig öffnete, dass ich einen Ausfallschritt auf dem gegossenen Betonsockel davor machen musste, der eiligen Gestalt ausweichend, die sich seitwärts an mir vorbei schob, die Tür hinter sich zuwarf und zu dem unbekannten Wagen ging, der Momente später angelassen wurde und zäh knirschend davonrollte.

Auf mein Klopfen hin ließ man mich ein… Atze empfing mich mit gewohnt ausladender Geste.

»Na sowas, schon da?!…« Ich gab ihm die Hand und begrüßte auch Schwalle und seine zierliche dunkelhaarige Freundin, die sich, zuvor eng aneinandergelegt, während meiner Begrüßung voneinander gelöst hatten, und setzte mich auf das Sofa neben sie.

»Wann hastn angerufen?«, fragte mich der Gastgeber und sah etwas irritiert auf seine Uhr, bevor er sich auf die Vorderkante seines Sessels setzte, sich über den Tisch beugend, auf dem einer dieser Zierspiegel mit dem Werbelogo eines Whiskyfabrikanten lag.

»War vor nen bisschen mehr als ner Stunde… Vielleicht eineinhalb.«

Er griff nach einem Einmachglas. In dem befand sich ein gelblich weißer Klumpen. Er öffnete es und steckte seinen Führerschein hinein, grub damit im Inneren und holte einen Teil der darin befindlichen Masse heraus, die er auf der Spiegelfläche abdrückte und wie mit einer Maurerkelle oder einem Spachtel zu einer glatten Schicht zog.

»Sag mal Atze, ich muss mal dumm fragen«, leitete ich ein… »Was machst du da eigentlich?«

»Ich will ne kleine Diät einlegen und hab mir nen Hilfsmittelchen besorgt«, ließ er mich wissen und streichelte dabei über den schwammigen Bauch unter seinem weiten T-Shirt, der so gar nicht zu seiner ansonsten schlanken Statur und dem schmalen, weißblonden Gesicht mit der Hakennase passte.

»Der Kerl, den du eben hast rausgehen sehen, hats mir freundlicherweise vorbei gebracht.«

Er legte den Führerschein beiseite und verschloss das Einmachglas, um es danach an mich weiterzureichen.

»Hier, gib das mal der Julie, die weiß wos hinkommt…« Und ich wog das Glas in den Händen und hielt es der zierlichen Dunkelhaarigen hin, die aufstand, es entgegennahm, einen ironischen Knicks vollführte und sich, die Beine ihres Freundes übersteigend, der zum Bau einer Tüte tief zurück in die Lehne des Sofas in eine fast liegende Position gesunken war, zum Kühlschrank begab, wo sie es deponierte.

»Willste auch ne Nase Nazikoks?«

»Nazikoks?…« Auf Atzes Frage hin sah ich Julie nicht mehr nach, wechselte die Blickrichtung.

»Speed, Mann!… Amphe, Pep, Schnelles…«

Atze sah ungeduldig auf den Spiegel herunter und schabte mit der Kante einer weiteren, aus seiner, ebenfalls neben dem Spiegel liegenden Geldbörse gezogenen, Karte über seinen Führerschein, an dem Reste der Substanz klebten… Es rieselte auf den Spiegel.

»Das Zeug muss noch einen Moment trocknen.«

Unsicher über den Gehalt seines Angebotes und die Tragweite beider möglichen Entscheidungen, sah ich zu Schwalle und Julie herüber, die sich einander wieder angenähert hatten und zusammen an der fertiggestellten Tüte sogen.

»Das is deine Sache…« Julie, in jenem Moment von einem Arm ihres Freundes umschlungen und an dessen Brust gelegt, hielt mir die glühende Spitze des Joints entgegen von der der Rauch aufsteigend drohend hypnotisierende Spiralen zeichnete.

»Aber rauchen brauchste dann nicht auch noch«, warf Schwalle beißend hervor und griff seinem Mädchen an den Ellenbogen, woraufhin es ihm den Stängel zwischen die Finger seiner zurückgezogenen und klauenhaft in der Schwebe stehenden Hand reichte… Geränderte Augen sahen mich an.

»Ach was erzählste denn?! Kommt doch gut zusammen!…« Atze zu Schwalle… Und ich schaute zuerst den Zwischenrufer, dann wieder Schwalle an, der nun den Joint schützend in der hohlen Hand hielt und zog.

»Okay… Warum nicht?«, sagte ich, mich eilig Atze wieder zuwendend und sah mir an, wie die weiteren Vorbereitungen aussehen würden… Er nahm zwei Bier aus dem Kasten unter dem Tisch, öffnete Beide und gab mir eines davon… Bald begann er die Schicht auf dem Spiegelglas aufzuschaben und rieb noch einmal mit dem Führerschein darüber… Den er ohnehin nicht mehr vorzeigen würde… Und legte die nunmehr Pulverförmige Substanz zu vielen grob hingestreckten Bahnen.

»Haste nen Geldschein einstecken?«, fragte er mich mit den nunmehr freien Händen auf sein Werk deutend… »Meine sind hierfür draufgegangen…« Und ich gab ihm einen Zwanziger aus meiner Tasche.

»Ich behalte den mal gleich ein, für das Ott, weswegen du gekommen bist und für das hier auf dem Spiegel… Sind ja hier nich bei der Wohlfahrt…« Er rollte den Schein zusammen und beugte sich über eine der Bahnen… Ein übertriebenes, gieriges Schniefen… Schnellte hoch, kniff die Augen zusammen, mit theatralischer Geste den Kopf in den Nacken werfend, und rümpfte die Nase und sog Luft ein… Nur Blinzeln in Atzes zurückgeneigtem Gesicht. Dann wurde mir der Schein hingehalten.

Zuerst spürte ich nichts, außer einem Brennen auf der Nasenschleimhaut, welches sich bald legte… Die Minuten vergingen… Etwas ungeduldig wartete ich auf den Wirkungseintritt und zündete mir eine Zigarette an… Dann bemerkte ich einen bitteren Geschmack, der sich an meinen Gaumen geheftet hatte und nahm mir ein Bier… Bald begann ich ohne Interpunktion zu sprechen.

»Heysagmalkannichnocheinehaben Ichglaubdaswirktnochnichsoganz…«

Atze lachte… »Aber klar doch.«

Und ich machte den Rest der Zeit so weiter, ungekannten Gefallen an lauter unnatürlich weit ausholenden Redseligkeiten findend… Ein paar Bahnen später kam ich dahinter… Speed war die perfekte Droge für den Zeitgeist… Man hätte es auch gut an der Arbeit nehmen können, dachte ich mir… Würde gar nicht auffallen… Dieser Rausch war der Geist der Leistungsgesellschaft, wie ich ihn mir nicht deutlicher vorstellen konnte… Äußerliche und innerliche Unruhe, vermischt mit emotionaler Kühle und dem Gefühl der Überlegenheit gegenüber jeder erdenklichen Situation… Man war sechs Meter groß, immer auf Draht und alles schien durchschaubar und absehbar zu werden. Alles was man sagte und dachte war wichtig. Man wurde zeitweise ganz heimtückisch, berechnend und zielgerichtet… Neun Meter groß und man nahm sich, was man zu brauchen meinte und kam sich vor wie ein Fels in dem konformen Wahnsinn. Listig und funktional wie das anorganische Fleisch der Maschinen und Prozessoren… Konzentration und Fokussierung. Zwölf Meter groß und… Zack, zack! Die Hände sausten und schwitzten, der Kiefer malmte, die Zähne klapperten. Fixe Ideen brausten auf. An die Arbeit! Zack, zack! Und die Grauen Windungen rackerten sich ab wie ein Trakt voller Blendgranaten. Alle Sicherungsstifte auf einmal gezogen… Los gehts! Impulsfeuer, Verknüpfungen und elektronische Erquickung. Zack, zack! Bumm, bumm! Berge versetzen! Bäume außreißen! Kilometerlange Papierrollen volltippen! Autos kaputtreparieren! Aaaahh!

Das Pärchen verließ bald die Wohnung und ließ mich und Atze biertrinkend, plappernd und zappelnd vor der Spielkonsole zurück… Neben ihm selbst und seinem etablierten Freundeskreis, ging, während der sogenannten Geschäftszeiten, deren Beginn, Ausdehnung und Beendigung sehr flexibel zu sein schien, vielerlei anderes, mehr als fragwürdiges Volk, in der Wohnung aus und ein, um sich sein Zeug zu beschaffen… Doch dann, anstatt das Weite zu suchen, sich zu verpissen und die erworbene Ware in den eigenen vier Wänden zu rauchen, wie es sich für halbwegs erwachsene Leute, die sie zum größten Teil auch waren, gehörte, noch über weite Teile der Abende im Zimmer blieben und versuchten ihre Weltanschauungen oder Anekdoten aus ihrem Alltag mitzuteilen.

Regelmäßig kam ein abgemagerter Typ vorbei. Man wusste schon, dass er jeden Moment schellen würde, bevor er überhaupt vor der Tür stand, da seine Ankunft jeden Abend von dem Bellen seines Kampfhundes angekündigt wurde. Wenn Atze nun, ahnungsvoll schon im Voraus lamentierend seine Pflicht tat und die Tür öffnete, kam der Hund zuerst hereingesprungen und zog sein wüst keifendes, jedoch körperlich mit der Kraft des Tieres überfordertes Herrchen hinter sich her. Irgendwie schaffte der Typ es zwar den Köter zurückzuhalten, doch dann lag Atze oft schon am Boden, überwältigt von dieser Kalbsdogge, die ihn niedergesprungen hatte. In so einem Fall konnte damit gerechnet werden, dass man sich für ein bis zwei Stunden nicht mehr regen durfte, ohne von dem argwöhnischen Mistvieh knurrend in die Schranken gewiesen zu werden. Der Köter stank die Bude voll und sein Halter saß grinsend da und es hätte einen auch kaum gewundert, wenn er das Vieh im Wohnzimmer sein Revier hätte markieren lassen.

Ein anderer kam nur hin und wieder herein und versuchte, statt sein Gras gegen Bares zu erwerben, mit allen Anwesenden, die etwas davon in der Tasche hatten, Tauschhandel einzufädeln. Meist rief er, bevor er vorbeikam, an und wurde schon am Telefon abgewimmelt. Doch irgendwann stieg er dahinter und kam, ungeachtet der Tatsache, dass Atze ihm mitgeteilt hatte er sei nicht daheim, vorbei… Er schlich sich dann an die Tür heran und man sah aus dem abgedunkelten Inneren, durch das Milchglas hindurch, eine Silhouette, die aufmerksam in die Wohnung hinein zu lauschen schien. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass sich dort Leute befinden mussten, rüttelte er zunächst an der Tür… Atze, der einen Autospiegel vor seinem Fenster angebracht hatte, in welchem er aus einem sicheren Winkel hinter dem erhöht gelegenen Fenster heraus, mehr oder weniger gut erkennen konnte, wer vor der Tür stand, hatte sich angewöhnt einen Blick in seinen improvisierten Türspion zu werfen, bevor er jemanden hineinließ. Doch der Kerl bleib energisch und fing an Sturm zu läuten. Nachdem man zum wiederholten Male von ihm belästigt worden war, trat Atze mit der versammelten Mannschaft im Rücken vor die Tür, schubste den entsetzten Störenfried herum und jagte ihn unter Androhung gröber Mittel und mit vorgehaltener Gaspistole davon… Bei diesem speziellen Fall konnten man sich derartige Mittel leisten… Aber es gab auch härtere Brocken, ungleich bedrohlicher und unangenehmer, deren bloße Anwesenheit, wenn sie auch meist von kurzer Dauer war, einschüchternd sein konnte… Des Öfteren konnte man Atze die Phrase, man könne sich seine Kundschaft nicht aussuchen, rekapitulieren hören. In der Regel sobald mit dem Fortgehen der Fremdlinge und Aushilfsgangster wieder der Normalbetrieb eingekehrt war.

Und ich wohnte dem wüsten Treiben für viele Stunden, bis spät in die Nacht hinein, bei… Stets wanderte der Spiegel mit dem Schnellen in ein Versteck auf dem Wohnzimmerschrank, und wurde wieder hervorgeholt, sobald man wieder unter sich war… Das wäre Eigenbedarf meinte Atze zu mir… Er habe kein Interesse daran, alle Welt würde annehmen er handle auch mit dem Zeug.

Vielleicht bemerkte ich zum Schluss, nachdem ich für einige Zeit nichts mehr von dem die Schleimhäute brennenden Zeug genommen hatte, dass ich langsam blöd wurde… Und versuchte dagegen anzukämpfen… Man kann nicht… Und dann, erdrückt vom langsamen Runterkommen, hat man nichts mehr zu sagen und kann nichts mehr tun… Alle Speicher leer… Am besten irgendwo verkriechen… Die Antiklimax des Amphetamins… Die sich umkehrenden Zustände… Und dann… Hoffen… Warten… Bis die Speicher wieder voll sind.

Mit von dem vielen Bier, das wir getrunken hatten, gefüllten Magen, aber ohne das Gefühl betrunken zu sein, ging ich, nach einem hastigen Weg wieder daheim, ins Bett… Und fand keinen Schlaf.

In den vorangegangenen Monaten hatte ich ein paar Dinge über Drogen und die damit verbundenen Rauschzustände gelernt… Ein Gewinn? Ja vielleicht… Aber, trotz der flüchtigen Anwesenheit vereinzelter Kundinnen und Julies, die sich zu meiner Beruhigung in festen Händen befand, war ich doch eher damit beschäftigt mich im Marihuanarausch zu vergraben, in dessen klebrigen, abgeschotteten Sphären ich mich noch immer in Sicherheit wog… Wie um mir meine Mängel an Sozialkompetenz zu verdeutlichen trat plötzlich dieser blonde Backfisch auf den Plan, von dem mir alle weismachen wollten, dass er sich in mich verguckt hatte… Ohhgottooohgott! Die Frauen!… Sie waren für mich immer noch fremde Wesen… Ich hatte nichts vorzuweisen und begann mich darüber zu zerfressen… Lief seit drei oder vier Jahren in den selben schlabbrigen alten Klamotten herum und mangels Vorhandensein eines Haarschnitts stülpte ich meinem bekifften Schädel eine Truckercap über… Das schien nicht ungewöhnlich zu sein in diesen Kreisen… Jackie… Jacqueline… Ausgerechnet… Sie sah ganz vertretbar aus, nicht hässlich aber auch nichts besonders hübsch… Sie war kein Engel und auch keine Nutte… Sie erschien mir innerhalb der kurzen Zeit, in der sie die Parallelwelt frequentierte, viel mehr als Pflicht… Ich sollte mich an ihr beweisen… Natürlich war ich scharf darauf, sie flachzulegen… Aber wie denn nur!? Himmel, Arsch und Zwirn!… Alles wovon ich glaubte, dass es damit verbunden sei… Die Vorbereitungen, das Getue, die Anstrengungen, die Schauspielerei… Nervenraubendes Gebalze!… Mal wieder… Zum Totlachen war die Misere, in der ich mich befand… Ein sardonischer Lachkrampf… Wahrhaft!… Es sollte noch vier weitere Jahre, einige Unfälle und Sex gegen Bezahlung kosten, bis ich endlich… Aber besser chronologisch vorgehen… Keine Abkürzungen nehmen… Es wird ohnehin noch dauern, bis ich dieser verfluchten Stadt entkommen bin.

Am Tage unseres siebten oder achten gemeinsamen Aufeinandertreffens, hatte sich die Parallelwelt in die heimischen Gefilde Schwalles verlagert… Die eher bürgerlichen Verhältnisse dort, erlaubten es Mädchen aufzunehmen, ohne sie gleich am Anfang zu verschrecken… Sofern man welche gefunden hatte, die nicht schon auf den ersten Blick wegliefen… Man war befreit von der Sorge, dass irgendein Spinner vor der Tür auftauchen und versuchen würde, sich Eintritt zu verschaffen… Da saßen diese zwei kaum bekannten Frauengestalten auf den herbeigeholten Stühlen gegenüber des Sofas, von denen die eine immer wieder zu mir herüber schaute… Fast immer, wenn ich sie traf, hatte sie ihre fette Freundin dabei… Es wollte sich mir nie ganz erschließen. Fast schien es eine Notwendigkeit zu sein, unter solchen »Besten Freundinnen« wie man sie so häufig antraf, dass die eine von beiden schön oder wenigstens noch einigermaßen gutaussehend war, während die andere den unausweichlichen Gegenpart der Schönen darstellte… Der unattraktive Gegenpart, der das hübsche Mädchen zu nahezu jeder Gegebenheit begleitete, hatte entweder erhebliche Gewichts- oder Gesichtsprobleme, oder war ein mausgraues Mauerblümchen, das jedweder äußerlichen Reize entbehrte… Man konnte sagen, fast schon zu traurig anzusehen… Ich verhielt mich ähnlich, wie in den vorangegangenen Konfrontationen, indem ich so tat, als wäre mir ihre Anwesenheit egal, nur die nötigsten Worte wechselte, beobachtete und mich abschätzig gab… Auf diese Art, bildete ich mir ein, würde ich als der alles gewahrende Herr der Situation erscheinen… Cool wie ein Gefrierschrank wollte ich sein… Aber wie hinter meinem Rücken eingefädelt kam mir dieses Aufeinandertreffen vor.

Am geöffneten Fenster stand Sascha, der zur Abwechslung versuchte den umgebenden Dämpfen zu entkommen, und wie sehnsüchtig dem Asphalt vor dem Haus beim Ausbrüten seiner Fieberträume zusah, jedoch rasch in die Klaustrophobie des Zimmers zurück geholt wurde, von Atze, der, die Pfeife wie ein Whiskyglas schwenkend, zwischen den Füßen der Anwesenden hin und her ging und alle Träumereien mit einem gebündelten Strahl Realität aus seiner Schornsteinkehle erstickte. Vor der Giftgaswolke zurückweichend, stieß Sascha sich den Kopf an der geneigten Decke des Dachzimmers und ließ sich leise schimpfend neben mich ins Sofa fallen. Schwalle steckte seinen Kopf über die Lehne hinweg, schlug Sascha kumpelhaft mit der flachen Hand auf die Brust und flüsterte mir etwas ins Ohr.

»Die Blonde da steht auf dich…« Und ich sah mir die Backfische auf ihren Stühlen an, wie sie tuschelten und kicherten, und das bekiffte, mindestens genau so kindische Gehabe um sie herum, in gegenseitiger Übereinkunft zu verurteilen schienen… War das nicht abstrus?… War ich normal?… Oder gab ich ständig anderen die Schuld?… Waren die normal?… Warum bloß kamen die hierher und taten uns alles nach?… Wie konnte Schwalle nur wissen?… Er kannte ja noch nicht einmal ihren Namen?… Kannte ich?…

»Mutprobe!«, kündigte Atze an… »Wer von euch will sich auch mal an der Pfeife probieren?«

Nach langem hin und her ließ sich die dicke Brünette dazu überreden, die sich mit der Blonden bis vor kurzem noch einen Joint geteilt hatte… Atze, heimtückisch und schadenfroh wie er zuweilen war, streute ihr heimlich einen Kopf voll mit Tabak von der übelsten Sorte, während Schwalle die beiden Mädchen ablenkte… Endlich gab er sie frei und sie wuchtete ihre Fleischmassen zu Atze herüber.

»Also du musst nur hier halten«, sagte der zu ihr… »Und hier den Finger aufs Kickloch…« Und demonstrierte wie man das Gerät zu halten hatte… »Was machst du?«, wollte sie wissen, nachdem sie die Pfeife angenommen hatte… »Ich zünd den Kopf für dich…« Dankbar und kleinmütig sah sie ihn an… »Und wenn ich Stop sage, setzt du kurz ab, atmest schnell noch einmal durch und ziehst das Rohr blank…« Ein längerer Moment unschuldigen Argwohns… »Wie blank?…« Atze grinste… »Einfach den Mund wieder drauf pressen und tief Luftholen.«

Und endlich zückte er sein Feuerzeug… Jetzt gab es kein zurück mehr für sie… Es blubberte… Mit der vom Unterdruck angezogenen Flamme brachte Atze den Tabak zum Glühen… Und da stand eine gemeingefährliche, dicke Rauchsäule in dem Apparat, die sich die Dicke, ganz aufgekratzt und, wie um die bevorstehende Blamage perfekt zu machen, ohne Rücksicht auf Verluste reinschmetterte… Dieses französische Gefühl… Fast sah ich mich selbst dort neben Atze stehen.

Nach einem infernalischen Hustenanfall, bei dem sie wie besoffen durch das Zimmer gewankt war, tastend nach dem Stuhl neben ihrer mehr belustigten, als erschrockenen Freundin suchend, saß sie benommen auf dem Sofa, abwechselnd hustend und nach Luft schnappend… Unter Einwirkung der Gewalt ihres plötzlichen Aufstehens, wenig später, fiel der Stuhl gegen den Kleiderschrank und man sah sie zur Tür herausstürzen… Man hörte sie durch die dünnen Wände des Fertighauses hindurch, den Toilettendeckel gegen den Spülkasten werfen… Klong! Würg! Kotz!… Die hatte es erwischt.

»Los setz dich neben sie, sprich mit ihr«, feixte Atze von hinter meinem Rücken und deutete auf die Blonde, die bestürzt durch die geöffnete Zimmertür sah, sich aber nicht sofort zum Aufstehen für ihre dicke Freundin entschloss… Da marschierte Schwalle aber schon ins Bad.

»Is nich wahr! AATZÄÄÄH!…« Und auf seinen Ausruf Atze und die Blonde hinterher.

Sie kamen wieder, tapsten durch das Zimmer und sahen aus wie eine einen Unfallort, mitsamt der einzigen Überlebenden, verlassende Gruppe… Die Dicke an die Blonde geklammert, sie stützend und ihre Sachen zusammensuchend, Atze daneben, um dem Desaster im Bad zu entgehen und Sascha der herbeieilte, um dem Opfer ein Kaugummi anzubieten. Die nun doch etwas ärgerlich dreinschauende Blonde meinte, sie müssten unsere Runde verlassen, mit der offensichtlichen Begründung, dass es ihrer Freundin verflucht schlecht ginge… Schwalles Verwünschungen aus dem Bad signalisierten überdeutlich die Notwendigkeit eines Aufbruchs… Und die Narren verließen allesamt das im Erbrochenen versinkende Schiff und ließen einzig dessen Kapitän und Putzfrau zurück.

Die Dicke ging neben Sascha her, der versuchte, sie von ihrem Zustand abzulenken und ihr die Geschehnisse als Unfall zu verkaufen, neben der Dicken die Blonde, und ließ sich ein Stück zurück fallen, nachdem ihre Freundin allen breit und quengelnd erklärt hatte, wo genau sie im Dorf wohne, neben der blonden ich selbst, sie musternd, wie sie immer wieder nach mir blickte, irgendwo weiter abseits Atze, mit den Händen in den Taschen, einzig auf seinen slackerhaften Gang konzentriert.

194,70 ₽
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720 стр.
ISBN:
9783750211179
Издатель:
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