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Literatur

Marksteiner, Lykien 44 – 47.

04

Oinoanda liegt in einer rauhen Bergwelt auf dem Ausläufer eines schroffen Höhenrückens – eine antike Kleinstadt abseits großer Verkehrswege, die man vom Dorf Incealiler erst nach 45 Minuten auf einem Fußpfad erreicht. Wer aber glaubt, in Oinoanda nichts besonderes erwarten zu dürfen, der täuscht sich gewaltig, denn in einer Stoa war die größte Inschrift der Antike eingemeißelt, die der Boden erst nach und nach wieder freigibt.

Oinoanda – Die epikureische Philosophie des Diogenes von Oinoanda
Lykien

Oinoanda gehörte im 2. Jh. v. Chr. mit Boubon und Balboura zu einer Tetrapolis unter der Führung von Kibyra, doch währte die gemeinsame Geschichte nur bis zum Jahre 84 v. Chr., in dem dieser Städtebund im 1. Mithradatischen Krieg von Murena aufgelöst wurde: Kibyra kam zur Provinz Asia, Boubon, Balboura und Oinoanda wurden Mitglieder des Lykischen Bundes und gingen 43 n. Chr. in der Provinz Lycia auf. In der Kaiserzeit wurden in Oinoanda, das offensichtlich sehr gut von Ackerbau, Holz- und Viehwirtschaft lebte, zahlreiche öffentliche Bauten errichtet, denen die Byzantiner drei Kirchen hinzufügten, bis die Stadt im 9. Jh. aufgegeben wurde. Erdbeben hinterließen ihre Spuren und die Natur holte sich das Stadtgebiet zurück, was heute dessen Reiz ausmacht, den Archäologen aber große Probleme bereitet.

Im antiken Stadtgebiet

Der steile Aufstieg nach Oinoanda führt durch einen Kiefernwald, vorbei an einem Aquädukt und Sarkophagen mit liegenden Löwen auf den Deckeln, zum von Türmen flankierten Südtor der hellenistischen Mauer, die aus polygonalen Blöcken besteht. Etwa 300 m später folgt eine Mauer des 3. Jhs. n. Chr., eine Neubefestigung nach einer Siedlungsverengung, mit der die Bürger auf die sich abzeichnende Gotengefahr reagierten. Diese Rückzugsmauer, in die ältere Bauten integriert wurden, umgibt das Stadtzentrum mit der Agora und zwei Thermen, im Norden ausgeschlossen bleiben das Theater und eine von zwei Säulenhallen gesäumte, als „Esplanade“ bezeichnete weitläufige Platzanlage. Dort wurde auf der Rückwand einer Stoa im 1. Drittel des 2. Jhs. n. Chr. die berühmte Inschrift mit Abhandlungen des epikureischen Philosophen Diogenes von Oinoanda angebracht, mit der sich die Wissenschaft seit den ersten Inschriftfunden des Jahres 1884 beschäftigt. Dieses „Lesebuch“ der Philosophie wurde wohl schon beim Erdbeben des Jahres 141 n. Chr. zerstört, zahlreiche Inschriftblöcke fanden beim Wiederaufbau der Agora eine neue Verwendung, andere wurden in der späteren Rückzugsmauer verbaut.

Die Philosophie des Diogenes

Glaubte man in den 60er Jahren noch, mit 50 beschrifteten Blöcken ein Drittel der gesamten Inschrift zu kennen, so hat sich das Bild inzwischen erheblich gewandelt. Martin Ferguson Smith konnte ab 1968 den Bestand an Inschriftblöcken um 38 Neufunde erweitern, seit 1974 hat ein britisches Surveyteam unter Alan Hall weitere 72 Fragmente gefunden und festgestellt, dass diese Inschrift erheblich umfangreicher ist, als in den kühnsten Träumen angenommen werden konnte. Bis heute ist die Zahl der Inschriftfunde durch ein im Jahre 2007 begonnenes Forschungsprojekt des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI), das sich zugleich eine Dokumentation der ganzen Stadtanlage zum Ziel gesetzt hat, auf 299 angewachsen (Abb. 12), im Depotgebäude lagert die beeindruckende Zahl von 177 Fragmenten. Aber noch immer nimmt man an, erst ein Drittel der Inschrift zu kennen. Rekonstruktionsversuche haben ergeben, dass der in 3 cm hohen Buchstaben gesetzte Text etwa 3,60 m hoch und 60 – 80 m lang war. Wer konnte so kleine Buchstaben in einer Höhe von über 3 m lesen? War die Säulenhalle vielleicht zweistöckig – das ist nur eine von vielen offenen Fragen.

In den erhaltenen Texten erweist sich Diogenes von Oinoanda als begeisterter Anhänger der Lehre Epikurs, der im hohen Alter diese Philosophie möglichst vielen Menschen bekannt machen will. So stellt diese Inschrift, deren Kosten Diogenes selbst getragen hat, einen großartigen Versuch dar, in Zeiten, in denen Bücher nur für eine kleine Oberschicht erschwinglich waren, die Philosophie für alle zugänglich zu machen, wobei er auch an fremde Besucher, die zukünftigen Generationen und seinen Nachruhm denkt. Das wird in den einleitenden Worten deutlich, in denen er seine Hinwendung zur epikureischen Philosophie und seine Gründe für die Anbringung der Inschrift erläutert: „Außerdem ist es richtig und gerecht, an die Menschen zu denken, die nach uns kommen (denn obwohl noch nicht geboren, gehören doch auch sie zu uns) und zuletzt fordert die Menschlichkeit, auch den Fremden zu helfen, die unsere Stadt besuchen. Und weil diese Hilfe, die die Inschrift geben soll, eine recht große Zahl von Menschen betrifft, habe ich mich entschieden, die Heilmittel (der Lehre Epikurs) allen zugänglich zu machen.“


Abb. 12 Oinoanda, Inschriftblock mit einem Passus aus dem philosophischen Werk des Diogenes von Oinoanda.

In jeder Sequenz dieser grandiosen Inschrift spürt man den Stolz des Diogenes auf sein Werk, das als Geschenk für die Menschheit gedacht war und zugleich die Erinnerung an seine eigene Person verewigen sollte. Selbst wenn seine Inschrift vermutlich schon nach einem Vierteljahrhundert zerstört wurde, war er in dieser Hinsicht sehr erfolgreich. Ohne diese Inschrift würden wir nichts, absolut nichts über seine Person wissen.

Den am Projekt des DAI beteiligten Epigraphikern Jürgen Hammerstaedt (Köln) und Martin Ferguson Smith (Durham) verdanken wir eine Rekonstruktion dieser einzigartigen philosophischen Inschrift. Danach boten die oberen drei Steinreihen eine Abhandlung über das Alter, in der Diogenes nachweist, dass ein glückliches Leben und das Alter sich nicht ausschließen. In der vierten Reihe sind Briefe des Diogenes an seine Freunde zusammengestellt, in denen er seine Philosophie erläutert und Kernsätze des epikureischen Denkens verewigt. Die fünfte Reihe handelt von der Physik, also der Vorstellung Epikurs von der Weltentstehung und der unendlichen Zahl der Welten. In der sechsten und letzten Reihe hat er seine Gedanken zur Ethik zusammengestellt; darauf folgt eine Sammlung von Sentenzen, aus denen die Betrachtungsweise des Diogenes deutlich wird, wie „Militärdienst ist hart, auch wenn man andere dabei befehligt“ oder „Der Schlüssel zum Glück ist die körperliche Verfassung, die in unserer eigenen Macht liegt.“

Von der Fortführung der Forschungen in Oinoanda dürfen wir jederzeit Überraschungen erwarten. So ist bereits im Jahre 2008 ein elfzeiliger Neufund auf ganz großes Interesse gestoßen, in dem Diogenes die Weltschöpfungslehre Platons kritisiert, die seinerzeit als philosophisches Dogma galt. Diogenes lobt zwar Platons Ansicht, dass die Welt aus dem Nichts geschaffen wurde, kritisiert ihn aber, weil er daraus nicht die Konsequenz gezogen hat, dass sie auch wieder untergehen würde. Zugleich lehnt er das von Platon postulierte Einwirken eines gottähnlichen Wesens auf die Schöpfung ab, die nach der Lehre Epikurs ein Werk der Natur sei. So gesehen ist es erstaunlich, dass die Bürger von Oinoanda im Herzen ihrer Stadt das Manifest einer Philosophie anbringen ließen, die eine Einflussnahme der Götter auf das Schicksal der Menschheit konsequent leugnete.

Literatur

P. Scholz, Ein römischer Epikureer in der Provinz. Diogenes von Oinoanda und sein Adressatenkreis, in: K. Piepenbrink (Hrsg.), Philosophie und antike Lebenswelt (2003) 208 – 227; M. F. Smith, The philosophical inscription of Diogenes of Oinoanda, Tituli Asiae Minoris Erg.-Bd. 20 (1996).

05

Die Akropolis von Tlos erhebt sich auf einem markanten Felssporn oberhalb der fruchtbaren Ebene des Xanthos und beeindruckt wegen des faszinierenden Blickes hinüber zum Burgberg von Pinara, der Dauerrivalin um die Vorherrschaft im Tal des oberen Xanthos. Nach seiner Lage und seinem Wasserreichtum, seiner lykischen Felsnekropole und seinen kaiserzeitlichen Großbauten präsentiert sich Tlos bis heute als besonders prosperierende lykische Bergstadt.

Tlos – Erinnerung an den mythischen Helden Bellerophon
Lykien

Für die Geschichte von Tlos überliefern die antiken Quellen wenig, sodass man in erster Linie auf Bauten und Inschriften angewiesen ist. Der Fund eines Bronzebeils aus dem 2. Jt. v. Chr. lässt uns dort aber eine der ältesten Siedlungen Lykiens vermuten. Reliefgeschmückte Gräber, Inschriften und Münzen mit dem lykischen Namen Tlava bestätigen für das 4. Jh. v. Chr. eine erste Blüte der Stadt. Im 2. Jh. v. Chr. scheiterte der Versuch eines gewissen Eudemos von Xanthos, in Tlos eine Tyrannenherrschaft zu etablieren, dank der Hilfe anderer Mitglieder des Lykischen Bundes. Tlos selbst gehörte zu den sechs wichtigsten Städten dieses Bundes und hatte in der Bundesversammlung den Status einer Metropole mit drei Stimmen.

Weitere Nachrichten gibt es erst nach dem verheerenden Erdbeben des Jahres 141 n. Chr., als die Stadt dank des Mäzenatentums reicher Lykier wie Opramoas von Rhodiapolis und Licinius Langus von Oinoanda schnell wieder aufgebaut wurde und neue Prunkbauten erhielt. Nach der großen Stiftungsinschrift am Grabbau des Opramoas in Rhodiapolis war Tlos nach Myra die meistgeförderte Stadt. Damit versiegen die historischen Quellen, wenn wir einmal davon absehen, dass Bischöfe von Tlos an den Konzilen von Kalchedon (451 n. Chr.) und Nikaia (787 n. Chr.) teilgenommen haben. Im 19. Jh. schließlich errichtete ein Feudalherr namens Kanlı Ali („Blutiger Ali“) mit antiken Spolien, darunter einige Inschriften, auf der Akropolis eine Festung, von der er die Bauern der Umgebung einer Schreckensherrschaft unterwarf.

Ein Gang durch die Ruinen

Bei der Besichtigung von Tlos empfiehlt es sich, die Felsnekropole im Nordosthang des Akropolisfelsens zunächst rechts liegen zu lassen und direkt die Akropolis zu erklimmen (Abb. 13), von der man sich für den Rundgang durch das Stadtgebiet einen guten Überblick verschaffen kann. Von der Felsspitze über der osmanischen Burg breitet sich wie auf einem Reißbrett die antike Stadt aus. In der Senke zwischen Akropolis und dem kaiserzeitlichen Stadtzentrum liegt das Stadion mit mehreren Sitzreihen am Akropolishang, gegenüber erhebt sich ein langgestreckter Hallenbau, wohl eine Markthalle; dahinter schließen sich weitere Großbauten an: das Theater, zwei Thermen, eine Palästra, der Tempel des Kronos und eine Basilika sowie die Agora. Damit durfte sich Tlos einer großzügigen Ausstattung mit öffentlichen Bauten rühmen, der ein planerisches Konzept zugrunde liegt und die in Lykien nur mit Patara zu vergleichen ist.

Steigt man von der Akropolis hinunter und in den steilen Pfad zur Felsnekropole ein, so ist Vorsicht angeraten. Die Gräber zeigen ausgezeichnete Kampfdarstellungen und über vielen Eingängen kurze Grabinschriften in lykischer und griechischer Schrift. Gleich beim oberen Einstieg befindet sich eine Gruppe von Felsgräbern vom Typ der mit Rundhölzern flachgedeckten lykischen Häuser. Zwischen den kassettierten Grabfassaden erweckt ein seitlich des obersten Grabes angebrachtes Relief mit dramatischen Kampfszenen aus dem 5. Jh. v. Chr. besondere Aufmerksamkeit. Das Bildfeld ist in zwei Frieszonen unterteilt, in denen von rechts unten nach links oben zwei Krieger in fünf Phasen eines Zweikampfes dargestellt sind. Die Bildfolge führt von einem gleichwertig scheinenden Kampf zu einer zweiten Szene, in der sich die Niederlage des linken Kriegers bereits abzeichnet. Im dritten Bild ist dieser in einer Fluchtbewegung auf seine Knie gestürzt, während sein Gegner ihm den schützenden Schild entreißt. In den letzten Bildern halten die überlegenen Krieger den erbeuteten Schild als Zeichen ihres Sieges über die tot zu ihren Füßen liegenden Kontrahenten, aber es gibt einen Unterschied. Während der Sieger im vorletzten Bild den Schild noch hochführt, hat er im letzten bereits die triumphale Siegespose eingenommen. Diese Bildfolge zeigt einen antiken Comic mit tödlichem Ausgang, aber diese fünf Bilder zeigen nicht dasselbe, sondern jeweils ein anderes Kriegerpaar, was man an den unterschiedlichen Helmen deutlich erkennen kann.


Abb. 13 Tlos, lykische Felsnekropole und osmanische Burg.


Abb. 14 Tlos, Blick durch die Exedra der „Großen Thermen“ über das Tal des Xanthos.

Am Fuß der Felsnekropole liegt das „Bellerophongrab“, ein dynastisches Tempelgrab mit zwei Säulen in antis. Die Grabkammer hat drei Türen: rechts und links je einen Türdurchbruch, in der Mitte eine Blindtür mit der Nachahmung von Bronzebeschlägen. Bemerkenswert ist das Relief in der Vorhalle, das Bellerophon auf dem Flügelpferd Pegasos und mit einem Hund auf der Jagd nach einem Panther (oder Leoparden) zeigt, die Hand zum Stoß mit der wohl nur farbig gezeichneten Lanze erhoben. Wen die Abbildung eines Panthers in Lykien verwundert, der sei daran erinnert, dass M. Tullius Cicero während seiner kilikischen Statthalterschaft für Tierhetzen in Rom einige Panther in den lykischen Wäldern fangen ließ und diese Tiere dort bis in den Beginn des 20. Jhs. heimisch waren (vgl. S. 107).

Dieses Relief ist neben dem Relief von Trysa eine der wenigen Darstellungen des mythischen Helden Bellerophon in der Landschaft, in der er im Auftrag des in Xanthos residierenden Iobates seine Heldentaten vollbracht hat (u. a. die Vernichtung des Ungeheuers Chimaira) und in der sein Mythos gewissermaßen zu Hause ist. So schenkte Bellerophons Tochter Laodamneia dem Zeus einen Sohn, den göttergleichen Sarpedon, der ebenfalls in Xanthos herrschte und als troianischer Verbündeter von der Hand des Patroklos vor den Mauern von Troia den Tod fand. Von daher wird verständlich, dass die Herren von Tlos gleich den Dynasten von Xanthos und Trysa ihre Abstammung auf Bellerophon zurückführten.

Nach diesem etwas anstrengenden Abstecher in die Felsnekropole kommt man auf leichten Wegen in das kaiserzeitliche Stadtzentrum, dessen Straßen und Plätze, ja sogar die Innenräume der größeren Gebäude bis zum Beginn der Ausgrabungen im Jahre 2005 durch Archäologen der Akdeniz Universität in Antalya landwirtschaftlich genutzt wurden. Heute haben sie, von alten Bäumen und dichtem Dickicht befreit, leider etwas von ihrem naturbelassenen Charme verloren. Freigelegt wurden das Stadion, die Markthalle und die Orchestra des Theaters, die man von den verstürzten Blöcken des Bühnenhauses befreit hat. Heute stehen dort sauber aufgereiht große Quader mit Girlanden und Masken, Säulentrommeln und Kapitelle sowie Ehren- und Stiftungsinschriften. Aus einer Inschrift wird deutlich, dass nicht nur vermögende Sponsoren wie Opramoas von Rhodiapolis, der laut seiner Stiftungsinschrift 60.000 Denare „für den Bau des Theaters und die Exedra in den Thermen“ gespendet hat, zum Glanz dieses Bauwerkes beigetragen haben, sondern dass überhaupt die Spendenbereitschaft der Bürger recht groß war. Die genannten Summen reichen von bescheidenen 100 Denaren bis zu 3.000 Denaren, mit denen sich ein Dionysospriester in die Spendenliste eintrug.

Südlich vom Theater erreicht man vorbei an der Kirchenruine und dem Trümmerhaufen des Kronostempels über die erst teilweise ausgegrabene Agora, die nach den herzförmigen Ecksäulen etwa 80 × 80 m maß, die „Großen Thermen“. Dort bietet sich zum Abschluss der kleinen Wanderung durch Tlos noch einmal die Gelegenheit, durch eine großartige Apside mit sieben Arkadenfenstern – wohl die von Opramoas finanzierte Exedra der Thermen – den herrlichen Blick über das fruchtbare Tal des Xanthos zu genießen (Abb. 14).

Literatur

Marksteiner, Lykien 56 – 61; Bruns-Özgan, Lykische Grabreliefs 158 – 160. 232 – 235; W. W. Wurster, Antike Siedlungen in Lykien, Arch. Anzeiger 91 (1976) 23 – 49.

06

Pinara liegt 2 km oberhalb von Minare Köyü, einem wohlhabenden Dorf mit ziegelgedeckten Häusern, in der faszinierenden Berglandschaft des Küstengebirges, die geprägt ist von schroffen Felsen und steilen Klüften. Das hat dazu geführt, dass diese sehenswerte Ruinenstätte, die noch im Einklang mit der Natur steht, nur durch schmale Pfade erschlossen ist und bisher keine Ausgrabung erlebt hat, eine der schönsten antiken Städte Lykiens ist.

Pinara – Felsgräber in schwindelerregender Höhe
Lykien

Der Historiker Menekrates von Xanthos berichtet, dass Pinara eine Gründung von Siedlern aus Xanthos sei, und in der Tat belegen Inschriften des frühen 4. Jhs. v. Chr. sehr enge Beziehungen zwischen beiden Städten. Im Jahre 334 v. Chr. gehörte die Stadt zusammen mit Xanthos und Patara zu den wichtigsten lykischen Eroberungen Alexanders des Großen, wobei Arrian besonders betont, dass die Stadt sich kampflos ergeben habe. In hellenistischer und römischer Zeit nicht so bedeutend wie die Rivalin Tlos zählte sie doch zu den sechs wichtigsten Städten des Lykischen Bundes mit dreifachem Stimmrecht. Aber schon in römischer Zeit gereichte der Stadt ihre abgelegene Lage mehr und mehr zum Nachteil für ihre wirtschaftliche Entwicklung; die weiter geschwundene Bedeutung in byzantinischer Zeit lässt sich an der Verkleinerung des Stadtgebietes ablesen. Im Mittelalter wurde Pinara durch ein Erdbeben vermutlich weitgehend zerstört und von seinen letzten Bewohnern verlassen, die in die Ebene zu ihren Feldern zogen.

Akropolis

Die steil aufragende Felswand des Burgberges, die von zahlreichen schlichten Felskammergräbern wabenartig durchlöchert ist, weist schon aus der Ferne den Weg nach Pinara (Abb. 15). Es ist eine atemberaubende Vorstellung, wie die Handwerker zum Ausschlagen dieser Grabkammern auf Arbeitsbühnen an Stricken vom Gipfelplateau herabgelassen wurden oder im unteren Teil, aber immer noch in schwindelerregender Höhe mit zusammengebundenen langen Leitern ihren Arbeitsplatz zu erreichen suchten. Plinius vermittelt davon einen realistischen Eindruck, denn der von ihm überlieferte Augenzeugenbericht bezeichnet die Steinmetzen als „Vogelmenschen“, die nach der erfolgten Beisetzung noch vorgefertigte Fassaden aus Holz oder Stein in die Graböffnungen einsetzten. Die abgerundete Form des Burgberges gab der Stadt vielleicht ihren Namen, denn pinara bedeutet auf lykisch „rund“. Das wasserlose Plateau dieses Felsens war wohl nie dauerhaft besiedelt, sondern hat zu allen Zeiten nur als Fluchtburg gedient.

Rundgang

Die Zufahrt nach Pinara endet bei der Quelle an einem Parkplatz, an dem der bekçi oder auch Jungen aus dem Dorf als Führer bereitstehen. Es empfiehlt sich unbedingt, die angebotene Hilfe anzunehmen, denn das antike Stadtgebiet, das sich auf die Terrasse und die Senke am Fuß der Oberburg erstreckt und durch den Unterburgfelsen geschützt wird, ist recht unübersichtlich und stellenweise stark überwuchert. Leicht kann man den richtigen Weg und somit das eine oder andere wichtige Monument verfehlen.

Beim Aufstieg trifft man als erstes auf das „Fürstengrab“, ein schönes Felsgrab mit einer ionischen Tempelfront, dessen Fassade in der Form einer offenen hölzernen Vorhalle gestaltet ist und an dessen Grabtür Nachbildungen von Nägeln und Bronzebeschlägen zu erkennen sind. Auf dem Architrav treibt ein Reiter mit drei Fußsoldaten eine Gruppe von Gefangenen vor sich her; im Giebel sehen wir den Grabherrn, der mit einer Buchrolle auf den Knien an einem Tisch sitzt. Offensichtlich legte der Verstorbene großen Wert darauf, nicht nur seine militärischen Tugenden, sondern auch seine hochstehende Bildung gebührend hervorzuheben. Von ganz besonderem Interesse sind auch die vier Reliefs an den Seitenwänden der Vorhalle, die in je zwei Feldern übereinander in einem bergigen Gelände verschiedene lykische Stadtansichten mit zinnenbewehrten Mauern und Türmen, Häusern mit Kassettenfronten und Sarkophagen abbilden, die innerhalb der Stadtmauer stehen. Der strenge architektonische Charakter dieser Stadtbilder wird durch einzelne Figuren aufgelockert, so durch einen Torwächter und einen Mann im Gespräch mit zwei Knaben.


Abb. 15 Pinara, Akropolisfelsen mit Felsgräbern.

Wie weitere Stadtansichten aus Telmessos, Tlos, Xanthos, Trysa und Limyra zeigen, waren solche Stadtreliefs ein beliebtes Motiv in der lykischen Kunst. Allerdings lässt sich nicht klären, ob es sich um eine oder mehrere Städte aus dem Herrschaftsbereich des hier bestatteten Fürsten handelt. Oder sind diese Bilder freie künstlerische Darstellungen, mit denen die lykischen Dynasten ihre Gräber ausschmückten? In diesem Zusammenhang ist ein Gedanke von Christine Bruns-Özgan interessant, die einen Zusammenhang zwischen den Stadtbildern in der Vorhalle und der Fortführung der Gefangenen auf dem Architrav sieht. Danach könnte es sich um die Eroberung einer Stadt und die Gefangennahme ihrer Verteidiger handeln, ein Kontext, der auf den Reliefs vom Nereidenmonument in Xanthos gesichert ist.

Weiter nördlich trifft man auf eine Grabhausfassade, die mit ihrem spitzen Giebel an die Schmalseite der Sarkophage in Antiphellos und Limyra erinnert. Auffällig ist der Firstabschluss in Gestalt eines Stierkopfes mit Ohren und Hörnern, der in ähnlicher Form bisher nur in Kyaneai und Tyberissos belegt ist. Hinter diesem Grab eröffnet eine Treppe den Zugang zum Stadtgebiet und zur Unterburg, ein dicht bewaldetes Areal, in dem die Struktur einzelner Gebäude im wilden Gewirr von Quadersteinen und Säulentrommeln nur schwer zu erkennen ist. Im Süden trifft man auf das lykische Stadttor, das Odeion, die Agora und zahlreiche Hausruinen, im Norden auf die Reste eines kaiserzeitlichen Tempels mit phallischen Motiven auf der Türschwelle, der ganz offensichtlich von einer sehr dichten Wohnbebauung umgeben war.

Gut 50 m weiter erreicht man die nördliche Stadtmauer, vor der eine weitere Nekropole liegt, in der einige freistehende Sarkophage mit Spitzbogengiebeln besondere Aufmerksamkeit verdienen. Zugleich hat man zum Abschluss der etwas mühevollen Wanderung durch Pinara über das griechische Theater hinweg, das gut 150 m Luftlinie entfernt in den Westhang eines kleinen Hügels eingebettet ist, einen weiten Blick in das Tal des Xanthos, das im Osten vom in seinen Spitzen kahlen Bergmassiv des Kragos begrenzt wird. Der heutige Name Ak Dağlar („Weiße Berge“) verdeutlicht, welchen Eindruck diese Bergkette macht, die im Sommer von der Sonne gebleicht, im Winter von Schnee bedeckt daliegt.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
320 стр. 84 иллюстрации
ISBN:
9783943904871
Правообладатель:
Автор
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