Читать книгу: «Love's Direction», страница 5

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Würde sie seine Lage verstehen? Würde sie womöglich sogar die Anzeige zurückziehen, wenn sie erführe, wie sein Tag abgelaufen war?

»Mein Urlaub«, antwortete er nach einigem Zögern. »Wurde gestrichen – das fünfte Mal in Folge. Eine Rentnerin kotzte mich von oben bis unten voll, ich hatte gefühlte zwanzig schleichende alte Säcke vor mir – und schlussendlich tauchte plötzlich dieser Pussywagon vor mir auf.«

»Pussywagon?«

»Na, dein Auto.«

Sie besah ihn verwirrt. »Mein Wagen? Mein Wagen ist nicht –« Da blitzte Erkenntnis auf. »Ach, Sie meinen dieses eklige pinke Ding auf vier Rädern?«

Weshalb bezeichnete sie ihr eigenes Auto als ekliges pinkes Ding?

Er nickte. »Exakt das meine ich.«

»Der gehört mir nicht.«

Wie jetzt?

»Ach, nein?«

»Der Wagen war ausgeliehen, da meiner in der Werkstätte zur Pickerlüberprüfung stand.«

Oh …

»Oh … Dann magst du kein Pink?«

Schier herzallerliebst verzog sie ihre zarten Züge. »Ich hasse Pink.«

Und ihm blieb schier die Luft weg. Für einen minimalen Augenblick zwar – dennoch.

Himmelherrgott!

Sie hasste tatsächlich Pink!

Normalerweise hätte sie es nun verdient, wild geküsst und mit nach Hause genommen zu werden, damit er es mit ihr die gesamte Nacht lang zärtlich trieb – im Schlafzimmer, in der Küche, im Wohnzimmer, in der Dusche …

Mal ernsthaft … welche Frau verabscheute Pink?

Sein Blick glitt über die schlanke Gestalt der unergründlichen Pussywagon-Fahrerin.

Wohl ausschließlich eine, die gekleidet in einem wunderschönen kurzen dunkelgrünen hautengen Bleistiftkleid und den farblich dazu passenden Pumps auf ein Blind-Date ging.

Ungeschminkt selbstverständlich.

Da wurde es ihm erst richtig gewahr …

Grundgütiger!

Sie sah hinreißend aus! Atemberaubend … ein Wahnsinn …

Und sie hasste Pink!

»Das ist beruhigend«, presste er hervor, nachdem er sich von all diesen äußerst erotischen Tatsachen und Eindrücken erholt hatte.

Scheiße.

Er musste sich abregen.

Ihretwegen hatte er immer noch eine Anzeige am Hals! Zudem hasste sie nicht bloß die Farbe Pink, sondern ebenso ihn!

»Und normalerweise fahre ich nicht solcherweise langsam wie damals. Aber dieser verfluchte Wagen verbrauchte dermaßen viel Sprit, weswegen ich vorsichtiger Gas gab.«

»Dann konnten wir wohl beide nichts für diese Situation.«

Von einer Sekunde auf die andere verfinsterte sich ihr Ausdruck – und Verständnis und Rücksicht verschwanden zur Gänze. »Trotzdem haben Sie versucht, mich zu schlagen. Das ist das Allerletzte!«

Eine frische Welle an Schamgefühle und Gewissensbisse baute sich in ihm auf.

Räuspernd drehte er sich zur Seite. »Da hast du natürlich recht. Es tut mir leid.«

»Ich habe etwas gegen Schläger. Ein derartiges Verhalten ertrage ich nicht. Genauso wenig verzeihe ich solche Taten.«

Ein eisig kalter über seinen Rücken kriechender Schauer schickte ihm stechend-schneidende Adrenalinausstöße quer durch seinen Oberkörper.

»Deshalb werde ich die Anzeige nicht fallenlassen«, zeterte sie weiter. »Das war grob fahrlässig!«

Grob fahrlässig.

Er akzeptierte vieles. Wahrhaftig! Allerdings nicht dieses Wort! Gut, vielleicht war er manchmal etwas zu aufbrausend, nachtragend und genervt von der Welt. Jedoch grob fahrlässig – dies war er sicherlich nicht! Er half Menschen! Er kümmerte sich um Alte und Kranke … und noch bis vor wenigen Wochen war er für die Erstversorgung Schwerverletzter zuständig gewesen!

»Gut, dann kannst du mich erst recht kreuzweise!« Er ging an ihr vorbei zurück zur Tür und schlug dagegen. »Lass mich endlich raus, Steffi! Verdammt noch mal! Ich schwöre dir, das ist das letzte Mal, dass ich bei deinen verschissenen Scherzen mitgemacht habe!«

Jäh vernahm er Schritte von der anderen Seite des Raums.

»Störe ich?« Eine dunkelhaarige Kellnerin blickte ihn und die rote Beißzange fragend an. »Ich brauche ein paar frische Tischtücher aus dem Kasten dort hinten. Macht es Ihnen etwas aus?«

»Existiert hier ein zweiter Durchgang?«, fragte Vorzimmerdrachen verdutzt.

»Ja, sicher. Gleich da drüben.« Die Servierkraft deutete nach rechts – und Tracey und die Pussywagon-Fahrerin stürmten aus dem Zimmer.

»Das kann alles nicht mehr wahr sein!«, klagte er. »Wir hätten die ganze Zeit rausgehen können!«

»Steffi!«, zischte Rotschopf harsch, alsbald die blondierte Nervensäge siegessicher grinsend im Korridor auftauchte. »Du warst die längste Zeit meine Freundin!« Für einen winzigen Augenblick erweckte die Killeremanze den Anschein, nach Steffi treten oder sie mindestens ohrfeigen zu wollen, letztendlich entschied sie sich anders und rannte ohne ein weiteres Wort zu verlieren in den Speisesaal.

Ihr nachblickend trat Tracey zu Steffi. »Du hast es von Anfang an gewusst, stimmt’s?«

Etwas Ähnliches wie zage Gewissensqual brachte Steffis Augenbrauen dazu, sanfte Wellen zu schlagen. »Du wärst niemals gekommen, hättest du gewusst, wer sie ist.«

»Dann hast du sie ebenso reingelegt?«

Sie bejahte. »Ganz genau. Ich bin gut, oder?«

Er schüttelte den Kopf. »Wieso hast du das gemacht?«

»Ihr solltet euch ausreden.« Ihre Reue verwandelte sich in ein intensives Flehen. »Ich wusste doch nicht, dass sie sofort auf dich losgehen würde. Normalerweise ist sie supernett und freundlich.«

Blöde Kuh!

Von wegen supernett und freundlich!

»Du schätzt Leute einfach komplett falsch ein, das ist alles!«

Sichtlich angepisst stemmte Steffi die Hände gegen ihre Hüften. »Jetzt hör mal gut zu, mein lieber Freund! Ich kenne die Süße vielleicht nicht so lange wie du, dennoch weiß ich, dass sie eine liebenswürdige und einfühlsame Person ist!«

»Ja, vielleicht, wenn ich nicht in ihrer Nähe weile.«

Steffi ließ die Schultern hängen. »Ich war mir tausendprozentig sicher, es würde gut ausgehen.«

In Traceys Augenwinkeln registrierte er eine knallrot angelaufene vorbeihuschende Pussywagon-Fahrerin.

»Tja, gut gemacht, Steffi. Du hast es vollbracht, dass diese Irre fluchtartig das Gebäude verlässt.«

Steffi drehte sich Richtung Ausgang. »Ach verflucht noch mal! … Ich werde das in Ordnung bringen.«

»Vergiss es! Für mich ist die Party gelaufen. Keine weiteren Dates. Keine weiteren Überraschungen!«

Dies gesprochen, machte er sich auf zur Garderobe, zog seine Lederjacke über und trat hinaus in die kalte Februarnacht, deren kristallklarer Himmel funkelnde Sterne enthüllte. Neben dem metallischen Geruch der Winterkälte trug der leichte Nordwind den Schreckruf eines Rehs mit sich.

Er fischte die Autoschlüssel aus der rechten Brusttasche, atmete tief durch und setzte sich wieder in Bewegung.

Das war klasse gelaufen! Einfach klasse! Ein weiterer Abend in seinem verschissenen Leben hinter sich gebracht, welchen er in seiner Erinnerungssammlung in die Kategorie ›alltägliche Katastrophen‹ ablegen durfte.

Während er Richtung Wagen schlenderte, beobachtete er, wie ein kleiner Wagen mit Vollgas davonrauschte – offenkundig die Zicken-Emanze mit ihrer frisch überprüften Dreckskarre …

Er stieß die Atemluft hörbar aus.

Na hoffentlich überfuhr sie in ihrer Raserei nicht das Reh.

6. Sein Universum

Die nächsten Wochen zogen ereignislos an ihm vorüber – bis auf den einen unbedeutenden Tag, als seine Zwangsbeurlaubung eingestellt und er durch seinen charakteristisch unterkühlt anmutenden Chef darüber aufgeklärt wurde, fristlos gekündigt zu werden, sollte die Gerichtsverhandlung seine Schuld anerkennen.

Ansonsten lief es wie üblich: Er spielte Taxi für alte Menschen, hörte sich deren Gezeter und die immerselben Geschichten des Kriegs und der Zeit der Entbehrungen an, fernerhin durfte er sich jeden Morgen die anprangernden Blicke seiner verschissenen Kollegen zu Gemüte führen.

War das Leben nicht herrlich?

Zu Hause absolvierte er einen regelrechten Marathon an Trainingseinheiten. Sit-ups, Push-ups, Kniebeugen – um einige zu nennen. Dazwischen schoben sich großzügige Jogging- oder Spazierrunden sowie Karateeinheiten im Klub. Doch jedes Mal, wenn er glaubte, diese namenlose, verrückte Schönheit vergessen zu haben, träumte er von ihr oder sie blitzte vor seinem Geiste auf.

Ihren Namen könnte er selbstredend schnell herausfinden – immerhin stand dieser in seinem Anwaltsschreiben. Angesichts seiner anhaltendenden und von ihm zwanghaft unterdrückt werdenden Kopfkinoeinlagen seit des Blind-Dates wollte er es jedoch tunlichst vermeiden, eine engere Bindung aufzubauen.

Ein Name bedeutete Subjektivation. Ein Name bedeutete Manifestation. Ein Name bedeutete Nähe und Intimität.

Und nichts von alldem durfte sich jemals zutragen! Denn wie es aussah, würden sie beide ohnehin niemals Freunde werden.

Gleichwohl er sich insgeheim nichts sehnlicher wünschte …

Freilich, ihr Blind-Date hatte in einer absoluten Katastrophe geendet, dessen ungeachtet war es ihm wenigstens möglich gewesen, einen winzigen Blick in Rotschopfs Seele zu erhaschen. Dies hatte ihm veranschaulicht, was er sich die gesamte Zeit erhofft hatte: Sie schien offenkundig keine vollumfänglich durchgeknallte Emanze zu sein.

Da lagen bisweilen unberührte Geheimnisse verborgen.

Ich will endlich gemocht werden.

Auch er sehnte sich danach, mit den Menschen in seinem Umfeld zurechtzukommen. Er wollte toleriert und geliebt werden. Vor allem jedoch wollte er endlich die Frau seines Herzens finden. Die Frau, welche an seiner Seite schreiten würde – für den Rest ihres gemeinsamen Lebens. Die Frau, die Kamerad, Freund, Schwester und Geliebte in einem darstellte.

Sein Seelenverwandter.

Bedauerlicherweise wusste er selbst längst zu gut, was diese seine Vorstellungen waren: durch Verzweiflung hervorgerufene Symptome eines naiven, realitätsfremden Mannes. Eines Mannes, der auf schmerzhafte Weise hatte erfahren müssen, wie Partnerschaften in der gegenwärtigen Zeit funktionierten: Menschen betrogen einander, lebten gänzlich eigenständige Leben, nahmen keinerlei Rücksicht auf den jeweils anderen. Alleine Spaß haben und in den Tag hineinleben – Verantwortung übernehmen und sich für den anderen aufgeben dagegen nicht.

Kein Wunder, weshalb es in sämtlichen Lebenslagen kriselte! Wenn Menschen ihre Arbeit und die Erziehung ihrer Kinder auf dieselbe Weise verrichteten wie sie sich um ihre Ehepartner und Eltern kümmerten, waren Flüchtlingskrisen, Kriege, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftseinbrüche und Mobbing vorprogrammiert!

Manchmal kam es Tracey vor, er wäre auf einem anderen Stern geboren worden – wie Superman. Bloß fehlten ihm die physischen Kräfte.

Der schneidende durch seine dicke Lederjacke dringende Nordwind zog ihn aus seinen unnützen Grübeleien.

Zielsicher brachten seine Beine ihn über den kahlen Friedhof, dessen asphaltierte durch Eis, Umgebungsfeuchtigkeit und Streusalznässe stumpf schimmernde Weglein sich einsam und fröstelnd durch die Anlage zogen. Die alleenförmig aufgereihten Laubbäume ragten stumm und teilnahmslos in den von dunkelgrauen, tonnenschweren Regenwolken verhangenen Himmel. Deren nackte Zweige wiegten apathisch-verzweifelt hin und her. Sie erweckten den Eindruck, seine Stimmung zu teilen. Das triste Wetter sowie der die Gebirgsketten gänzlich verhüllende Nebel verstärkte seine depressive Stimmung nochmals erheblich und verlieh seinem derzeitigen Leben das passende Flair.

An einem mit schneeweißem Kies bedeckten Doppelgrab blieb er stehen.

Er wollte kein Immergrün oder kitschige Engelsfiguren. Soweit ihm bekannt war, hatten seine Eltern die Einfachheit des Seins bevorzugt.

Laut seinen Großeltern liebte Mama gerade Linien und schnörkelloses Design. Papa mochte die Natur und reine, glatte Objekte: klares Glas, spiegelnde Flächen, Steinböden. Seine Großeltern wiederum waren verrückt nach funkelnden Dingen gewesen: Kristallgläser, Vasen, Mineralien. Aus diesem Grund hatte Tracey in den aus schwarzem auf Hochglanz polierten Granit gefertigten rechteckigen Grabstein zwei funkelnde Kristallglassteine setzen lassen.

Diesen vier von ihm unendlich geliebten Menschen sollte ein jeder Quadratzentimeter Tribut gezollt werden. Durch die geradlinige mit grauem Naturstein umrandete niedrige Abgrenzung und dem Kies meinte Tracey, dies erfolgreich in die Tat umgesetzt zu haben.

Er überlegte.

Eigentlich besaß er sehr wenig Gemeinsamkeiten mit seinen Eltern und Großeltern. Weder konnte er funkelnden Dingen noch puristischem Design etwas abgewinnen. Ja, eigentlich interessierte ihn beinahe gar nichts. Er war kein Kunstliebhaber oder Verfechter eines besonderen Stils.

Nun ja … etwas liebte er wohl: Wasser – in all seinen Formen. Die von der Sonne funkelnden Wellen eines kristallklaren Flusses, die brachiale Gewalt einer Sturzflut, das beruhigende Plätschern eines Baches, das einlullende, prasselnde Geräusch eines lieblichen Sommerregens …

Er genoss die Einfachheit, in welcher unbezwingbare Stärke lag. Keine Schnörkel, Ausschmückungen oder protziges Gehabe – schlichtweg das Ergebnis … das Leben … die Liebe.

Nichts anderes zählte im Leben. Nichts anderes gab Rückhalt, Erfolg und Hoffnung.

Er ging in die Hocke und entfernte behutsam die einzelnen störrischen andauernd wiederkehrenden Grashalme, die irgendwie das unter dem Kies befindliche Vlies durchdrangen.

Ich hoffe, es geht euch gut, sprach er im Gedanken. Ich hoffe, wir sehen uns, wenn meine Zeit gekommen ist …

All die erdrückenden Ereignisse der letzten Jahre schlugen auf ihn ein, zwangen ihn dazu, die Zähne zusammenzubeißen.

Manchmal will ich nicht mehr länger warten. Manchmal möchte ich am liebsten zu euch kommen. Ich weiß nicht mehr weiter. Alles läuft schief. Ich weiß nicht, was ich noch tun, wie ich mein Leben in den Griff bekommen soll. Oma … Opa … Mama … Papa … ich vermisse euch unwahrscheinlich. Schenkt mir bitte etwas Kraft, um weiterzumachen.

Tränen flossen ihm über die erkalteten Wangen. Flott wischte er sie davon.

Helft mir. Was soll ich machen? Ich will meinen Job nicht verlieren. Ich wollte bloß glücklich sein. Weshalb gelingt mir das nicht?

Kraftlos ließ er sich auf die Knie fallen.

Wozu sind wir überhaupt hier? Wozu bin ich hier? Welcher Grund war es, der mich hat auf die Welt kommen lassen? Was ist mein Schicksal? Etwa zu leiden, ein Leben lang durch Einsamkeit und Sehnsucht gepeinigt zu werden? Ich ertrage den Schmerz nicht mehr länger … Holt mich doch zu euch …

Krähengeschrei nötigte ihn dazu, sich umzudrehen.

Drei von diesen anmutigen Tieren in ihrem glänzend schwarzen Federkleid saßen auf der hundertjährigen Birke, welche knapp zwanzig Meter von Tracey entfernt ihre Zweige erhaben in den Himmel reckte.

Sie war ein majestätischer Baum. Selbst jetzt, ohne Belaubung. Im Sommer allerdings, wenn ihre wunderschönen, sanft im Takt des warmen Windes schwankenden dunkelgrünen Blätter in der rötlichen Abendsonne funkelten, da war sie die Königin unter all den Pflanzen.

Schniefend blickte er zurück zum Grab.

Es war ihm nicht erlaubt gewesen, seine Eltern kennenzulernen. Sie starben, da war er ein Säugling gewesen – eben sechs Monate alt.

Es geschah am Abend der betrieblichen Weihnachtsfeier. Seine Eltern hatten beide in derselben Firma gearbeitet – sein Vater in der Buchhaltung, seine Mutter im Sekretariat des Vorstandsdirektors. Die Feier fand in einem Fünf-Sterne-Restaurant auf einem von Klagenfurt eben einmal dreißig Kilometer entfernt gelegenen Berg statt.

Die Aussicht soll wunderschön sein, hatten Nachbarn Tracey einmal erzählt. Obwohl er gerne die eine oder andere Wanderung machte, war er noch nie dort gewesen. Zu schwer wog die Furcht, die Unglücksstelle zu passieren.

Hatte man ein Kreuz aufgestellt? Oder erinnerte etwa gar nichts mehr an diesen schicksalhaften Tag?

Zu Beginn hatten seine Eltern das Fest erst gar nicht besuchen wollen. Sie wünschten lediglich, ihren Urlaub zu genießen – und seine Mutter die Zeit mit ihrem Kind. Ein Weihnachtsfest zu dritt. Ihr erstes Weihnachtsfest zu dritt. Als die beiden hörten, dass ein gigantisches Feuerwerk angekündigt worden war – welches letzten Endes nicht durchgeführt werden würde – beschlossen sie, der Weihnachtsfeier ein paar Stunden beizuwohnen.

Feuerwerke hatten sie sich seit jeher gerne angesehen: die bunten Farben, die Knallerei, die hübschen Formen. Besonders seine Mutter verzückte die wie Sterne glitzernden Funken in einer tiefschwarzen Nacht.

Weder die eisige Winterkälte noch einsetzender Schneefall waren schuld daran gewesen, weshalb dieses pyrotechnische Kunstwerk letztendlich abgesagt werden musste, sondern seine Eltern selbst, welche während der Fahrt die Bergstraße hinauf in einer steilen und überaus eisigen Linkskurve ins Schleudern gerieten und als Folge dessen, über die zweihundert Meter tiefe Böschung hinabstürzten.

Jede Hilfe kam selbstredend zu spät. Der Aufprall hatte sie sofort getötet.

Tracey fuhr sich mit dem Handrücken über seine juckende Nase.

Wenigstens mussten sie nicht leiden oder als sabbernde Krüppel ihr Dasein fristen …

Zu der schicksalhaften Zeit war Tracey bei seinen Großeltern untergebracht gewesen, welche ihn nach dieser Tragödie großzogen. Als er älter wurde, hatten sie ihm andauernd erzählt, wie unruhig er sich in der Unglücksnacht verhalten hatte. Üblicherweise hatte er stets friedlich geschlafen. Damals sollte er durchgehend geweint haben.

Weitere Tränen suchten kitzelnd ihren Weg über sein Gesicht. Er wischte sie weg, räusperte sich und rupfte ein schief gewachsenes Unkraut seitlich der Umrandung heraus.

Er liebte seine Großeltern. Sie waren wundervolle Menschen gewesen, hatten sich aufopfernd und vorbildlich um ihn gekümmert. Sie hatten all die Dinge mit ihm gemacht, die Eltern mit ihren Kindern normalerweise machten: Sie hatten mit ihm gespielt, ihm bei seinen Hausaufgaben geholfen, ihn getröstet und aufgemuntert.

Seine Großeltern waren sein Halt, sein Universum, seine Sonne, sein Leben.

Damals hatte niemand von dem sich langsam aber stetig über ihr Dreiergespann legenden Schatten geahnt, welcher Traceys Leben sehr bald in eine komplett andere Bahn werfen sollte.

Es war ein wunderschöner, strahlend sonniger Tag im Mai gewesen. Vögel hatten gezwitschert, Bäume kitschig geblüht, sanfte Düfte waren durch die Luft gewabert, Menschen hatten gelacht, getratscht und über den langen Winter gejammert – und Tracey hatte eben sein fünfzehntes Lebensjahr erreicht. Da starb sein Großvater an einer Thrombose. Kurz darauf verlor er seine Großmutter, die den Tod des geliebten Ehemannes nicht ertrug und einen Hinterwandinfarkt erlitt.

Diese Erfahrung zerstörte sein Lebensgebilde, nahm ihm seinen Glauben und seinen Lebensmut.

Durch seine Minderjährigkeit wurde er in ein betreutes Wohnen gesteckt – das im Großen und Ganzen nicht übel gewesen war. Bloß die großelterliche Liebe, diese konnte ihm niemand vermitteln. Weder die Betreuer noch seine Mitbewohner. Darum klammerte er sich an die Hoffnung, eine Frau zu finden – seine Seelenverwandte. Wenn er sie hätte, wäre alles andere unwichtig, denn dann wäre er nicht mehr einsam, dann wäre da jemand an seiner Seite.

Mehr wünschte er sich nicht.

Aber er traf sie nicht – einzig Weiber, die ihn ausnützten, betrogen und abartig über ihn herzogen. Und nun war er längst jenseits der Dreißig und kämpfte nach wie vor gegen diese verfluchte immerwährende Einsamkeit!

Ich liebe euch. Mit diesem Gedanken verließ er die Ruhestätte und begab sich zurück zu seinem verhassten Ford.



In seiner Wohnung absolvierte er sein alltägliches Fitnessprogramm. Womöglich nahm es ihm nicht seine negativen Gedanken, dafür fühlte er sich körperlich ein wenig leichter, freier – schwerelos.

Schweißnass stellte er sich unter eine kalte Dusche. Normalerweise verabscheute er dies, da ihm kaltes Wasser schier Schmerzen bereitete. Lediglich kurz nach dem Training hielt er es aus – oder im Hochsommer, wenn seine kleine Dachgeschosswohnung größere Ähnlichkeit mit einem eingeschalteten Backofen annahm, anstatt mit einem menschlichen Obdach.

Alsbald sein Körper abgekühlt war, drehe er das Wasser heiß. Der Schüttelfrost verschwand, die Spannungen lösten sich auf – und sein Geist begann zu fliegen, machte sich auf in unerforschte wie altbekannte Höhen, in die schmerzlich vermisste Geborgenheit bringenden Gefilde.

Die Erinnerungen an seine Großeltern hatten dort ihren Platz, ebenso die der rothaarigen Frau.

Normalerweise versuchte er, seine Gedankenspiele über Letztgenannte so nüchtern wie möglich zu halten. Heute fühlte sich seine Sehnsucht jedoch dermaßen schlimm an, wie in den ganzen einsamen und katastrophalen Jahren zusammengerechnet. Er konnte und wollte sich nicht zurückhalten. Nicht mehr. Wie sehr wünschte er sich, diese Frau nochmals wiederzusehen und über alles zu sprechen.

Wenn er ihr seine ganze Geschichte erzählte, würde sie es verstehen? Könnten sie dann womöglich doch Freunde werden?

Nein, Freunde nicht. Viel mehr wollte er. So verdammt viel mehr. Aber nicht aufgrund ihres hübschen Äußeren. Es lag an ihrer anziehenden Ausstrahlung.

Er begehrte sie – mit einer jeden Faser. Manchmal wollte er am liebsten nach ihr schreien. Sein gesamter Körper schien sich ihr entgegenstrecken, sie ausfüllen, sie spüren, sie lieben zu wollen.

Ihre wunderschönen Augen.

Wie gern er sie ansehen mochte, wenn sie völlige Erregung zeigten – und diese Erregung durch ihn entstünde.

Äußerst zögerlich legte er die Finger um seine Männlichkeit und stützte den rechten Unterarm an der verfliesten kalten Wand ab.

Und er sah sie – diese wunderschöne, rothaarige Frau. Ein bodenlanges Seidenkleid … ein bis zu ihren Hüften reichender Schlitz, durch welchen ihr nackter Schenkel hervorblitzte … keine Unterwäsche … ein unsteter Blick ihrerseits … glänzendes, über ihren Rücken fallendes, offenes Haar …

Seine über ihre Haut gleitenden Hände … in die elegante Öffnung des Kleids, weiter zwischen ihre Beine wandernd … zarte Seufzer der Lust aus ihrer Kehle … schmerzhaftes Verlangen seinerseits …

Unsicherheit und Verlorenheit in ihrem perfekten Angesicht, wenn sie sich vor ihm entkleiden würde … zierliche, langsam über ihre fragilen Arme gleitende Träger … schimmernder Stoff, welcher fließend über ihren weichen Körper zu Boden fiel … ihre festen Brüste und deren empfindliche Erhöhungen hart nach oben gereckt, nach seinen fähigen Fingern gierend, beschienen alleine vom gedeckten Licht der hereinscheinenden Wohnzimmerbeleuchtung … ein Schattenspiel der Begierde, ein Kunstwerk vollendet durch ihren betörenden Leib.

Wie schnell würde sie feucht werden, wenn er ihre Oberschenkel und ihren Hintern knetete?

Behutsam rieb er über seine wachsende Erregung.

Er fühlte beinahe, wie er sich in sie stieß, hörte nahezu ihr erregendes Wimmern und Stöhnen …

Zärtlich würde er seine Finger in ihren Haaren vergraben, ihre süßen Lippen küssen, bis sie beide keine Luft mehr bekamen. Wieder und wieder würde er zärtlichst zustoßen. Wieder und wieder. Und sie würde zuerst kommen, dafür würde er Sorge tragen – wie er bei allen vorherigen Frauen dafür gesorgt hatte.

Er sah, wie sie ihre Schenkel für ihn spreizte; fühlte, wie sie ihre Finger in seinem Rücken vergrub … ihre glühenden Wangen, der schüchterne Augenausdruck …

Er rieb stärker, die elektrisierenden Emotionen wirbelten durch seine Leisten, seine Brust, seine Oberschenkel, entlockten ihm ein leises Seufzen.

Wie schön sie aussah. Wie wunderschön.

Gefiel es ihr, wenn er sie von hinten nahm?

Seine linke Hand sachte um ihren Schwanenhals gelegt, seine rechte ihre Klit massierend … sie selbst – ausschließlich gekleidet in ein tiefschwarzes, kurzes Seidennegligé – stützte sich an der Wand ab, reckte ihr Becken gekonnt und willenlos erregt in die Höhe … und langsam glitt er in sie.

Ein schüchternes Stöhnen ihrerseits – die feurige Hitze ihrer nassen Weiblichkeit …

Tracey, nimm mich. Nimm mich jetzt … sofort … bitte … ich bitte dich … ich ertrage es nicht mehr …

Er erschauerte, rieb stärker, keuchte, schloss die Lider …

Tracey, schneller … bitte schneller …

Und er erfüllte ihr diesen würgend-brüchig hervorgepressten ihn verrückt machenden Wunsch.

Sie verkrampfte sich, drückte ihren muskulösen Rücken durch, wimmerte seinen Namen, immer und immer wieder. Und schließlich kam sie – heftig, hemmungslos, wild … er musste sie festhalten, um ein Zu-Boden-Gehen ihrerseits zu verhindern.

Seine Atmung wurde schwerer. Er verlor sich in diesen prickelnd-ziehenden Emotionen in seiner Männlichkeit, legte an Geschwindigkeit zu und ließ seinen Gedanken neuerlich freien Lauf …

Ihr zitternder, erhitzender Leib in seinen Armen … er drückte sie bäuchlings auf die Matratze … ergeben wie dankbar öffnete sie ihm die Schenkel, gleichzeitig vergrub sie die Finger im Laken … keuchte vor Lust, dennoch begehrte sie nicht auf.

Nein.

Sie wartete, bis er es ihr richtig besorgte. Sie wartete still und geziemt, bis seine Männlichkeit sie ausfüllte – sie formte, sie unterwies. Denn sie wusste: Sie gehörte ihm alleine. Alles, was er tat, tat er für sie. Wenn er sie nahm, dann um ihretwillen – nicht aufgrund des Verlangens oder einer Notgeilheit. Ein jeder leidenschaftliche, tiefe Stoß galt ihr, ein jeder minutenlanger Kuss zollte ihr Respekt, Vertrauen und Liebe. Seine sich in sie schiebenden, sie für ihn bereit machenden Finger bekräftigten diesen Liebesschwur Tag für Tag. Ob gegen die Küchenanrichte gelehnt, während einer langen Dusche oder vor seiner Wohnungseingangstür – stets spreizte sie die Beine, gebot ihm geduldig-schweigend Einlass. Auf diese Weise verlieh sie ihrer Rücksichtnahme und Dankbarkeit den nötigen Ausdruck. Er wiederum beschenkte sie allzeit mit einem entfesselnden, sie betäubenden Höhepunkt …

Ein Hochrecken ihrer drallen Kehrseite bewies: Sie konnte nicht mehr. Sie flehte im Geiste, genommen zu werden. Ihre feucht schimmernde Weiblichkeit bekräftigte diese Vermutung … und er drang tief in sie, begann sich rhythmisch-fordernd zu bewegen … schneller und schneller … spürte ihre brennende, nasse Hitze, diese ihn übermannende, blind wie taub machende Sehnsucht und ihre unendliche Liebe zu ihm … vernahm ihr hilfloses stöhnendes Flehen nach mehr …

Tracey … o Gott … Tracey … ich brauche dich … ich liebe dich …

Seine Muskeln verkrampften sich. Er stöhnte, sein Leib erbebte … die Luft anhaltend presste er seine Stirn gegen die kühle Fliesenwand – und er ergoss sich … hart … schmerzhaft … brachte halb wimmernde halb würgende Laute der Ekstase hervor …

Schnell waren der Höhepunkt und diese ihn beruhigende Leichtigkeit vorüber.

Keuchend und zitternd rang er nach Atem. Er sank zu Boden … und begann haltlos zu weinen.

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