Читать книгу: «Love's Direction», страница 2

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Ein zweiter Stich schlug in ihm ein.

Dieses Mal fühlte sich dieser jedoch nicht solcherweise unangenehm an – eher prickelig, wimmelig …

»Nein, mehr gibt es nicht«, log er.

Er wollte ihr dieses eine klitzekleine und doch für ihn sagenhaft erregende Detail nicht anvertrauen.

Nein, auf gar keinen Fall würde er das.

Steffi gab ihm einen Klaps. »Natürlich ist da noch mehr! Eine Traumfrau besteht schließlich nicht aus einer schlanken Figur.«

»O Mann …« Er wischte sich über die Stirn … und betete für Mut und Willensstärke. »Du reitest solcherweise lange darauf rum, bis ich es dir sage, oder?«

Steffi grinste siegessicher. »Darauf kannst du wetten!«

Und das glaubte er ihr aufs Wort.

»Erzähl’s mir, Griesgram.« Frech stupste sie ihn mit ihrem Ellbogen an. »Gib dir einen letzten Ruck. Du kennst mich, niemals würde ich ein Geheimnis ausplaudern.«

Natürlich wusste er, wie diskret Steffi sich in solchen Dingen verhielt. Sie war die Einzige, der er hundertprozentig vertraute. Falls er irgendwem diese intimen Fantasien anvertrauen würde, dann ihr.

Aber jetzt? Und hier?

Er schob den Krug über den polierten Tresen. »Weißt du … ehrlich gesagt, habe ich diese eine Sache noch keinem gestanden.«

Und das hörte sich derart kindisch an – gerne hätte er sich mit dem wuchtigen Bierkrug niedergeschlagen.

Sie rückte näher zu ihm. »Ich sage es wirklich niemandem. Versprochen.«

Scheiße.

Sollte er?

Sollte er nicht?

Konnte er es tatsächlich wagen? Sollte er es tatsächlich wagen? Durfte er es tatsächlich wagen?

Drauf geschissen!

»Ich mag es nicht, wenn Frauen mit mehr Männern herumgevögelt haben, als ich zu meinen Bekannten zählen kann.«

Das klang zwar noch nicht ganz eindeutig … aber womöglich begriff Steffi es dennoch.

»Ah verstehe.« Sie richtete sich auf. »… Das bedeutet dann: höchstens drei Ex-Freunde.«

Wie jetzt?!

»Du glaubst, ich stünde lediglich mit drei Leuten in engerem Kontakt?«

Sie kicherte. »Das hast du gesagt!« Etwas leiser fügte sie hinzu: »Du Eremit.«

Blöde Schnepfe!

»Wenn du mir auf diese asoziale Weise kommst, Steffi, dann sage ich gar nichts mehr.«

»Hey! Zick nicht rum! Du bist Einzelgänger. Das ist eine Tatsache.«

Er begutachtete die lineare Holzmaserung des Tresens. »Aus einem einfachen Grund: Mit diesen gesellschaftlich unfähigen Leuten komme ich nicht zurecht.«

Er war regelrecht dazu gezwungen worden, sich von der Allgemeinheit abzukapseln. Menschen wie seine Wenigkeit wurden ignoriert, oder im günstigsten Fall beleidigt, verarscht oder angefeindet. Deshalb sollte es wenigstens mit einer Partnerschaft klappen. Er wollte eine Frau, die sich ein Leben mit ihm aufbaute – keine mauerverbeißende, hinterfotzige Drecksschlampe, die ihm das gemeinsame Leben zerstörte!

»Das heißt somit«, fasste Steffi seine Äußerung nochmals zusammen. »Sie soll wenige Beziehungen hinter sich haben.«

Langsam wandte er sich ihr zu. »… Noch besser wären gar keine.«

Verfickte Scheiße!

Warum hatte er das gesagt?! Verfluchter Alkoholspiegel! Morgen würde er sich dafür verteufeln!

Nein.

Das tat er längst!

Scheiße …

Er suchte nach irgendwelchen Anzeichen – Unverständnis, Spott, Hohn … doch alles, was Steffi tat, war ihre Augen minimal zu weiten.

»Eine Jungfrau?«, erwiderte sie sachlich – womit er ungleich weniger gerechnet hatte. »Verstehe … Das ist leider ziemlich selten heutzutage. Besonders in deinem Alter … Und eine Minderjährige? Na, ich weiß nicht.«

Er hielt die Hände von seinem Körper weg. »Hey! Ich bin nicht pädophil!«

»Das weiß ich wohl … aber ab zwanzig aufwärts wirst du keine unberührte Frau mehr antreffen. Und wenn doch, hat die bestimmt mächtig einen an der Klatsche oder ist, wie du vorhin sagtest, hässlich wie die Nacht finster.«

Seine Hoffnung verging wie ein mickriges Salatpflänzchen in der heißen Augustsonne.

»Meinst du? Ist Jungfräulichkeit so selten geworden?«

Sie überlegte etwas. »Warte mal … Eine kenne ich. Sie sieht sogar ziemlich passabel aus. Sie meint, sie wolle auf den Richtigen warten.«

Traceys Herz begann zu klopfen. »Dann habe ich doch Chancen!«

Diesen Irrsinn noch nicht gänzlich ausgesprochen, schlug der eiskalte Blitz der Erkenntnis in seine Magengegend.

Verdammte Scheiße!

Niemals hatte er seine Vorliebe bezüglich unberührter Frauen offenbaren wollen – immerhin war dies die törichte Fantasie eines naiven Idioten … unerfüllbar, infantil, restlos behämmert!

»Schon …«, erwiderte Steffi. »Allerdings nicht so oft, wie du es gerne hättest.« Sie trank einen Schluck Wasser. »Glaube mir, das wird sicherlich nicht einfach werden.«

Die Fassung zurückerlangt und einen Schluck Bier getrunken, versuchte er, seinen kleinen Gefühlsausbruch zu überspielen. »Ich habe nie davon gesprochen, eine Jungfrau in der Realität anzutreffen und zu daten. Wir sprechen über Träume, vergessen?«

»Aber liegt dir verdammt viel daran … deiner Reaktion zufolge.« Steffis verschmitztes Lächeln jagte ihm einen kalten Schauer über den Körper. »Und nun zurück zum Thema. Gibt es sonst noch etwas, das sie auszeichnen soll? Ein Beruf zum Beispiel oder eine weitere charakterliche oder körperliche Eigenschaft?«

Da brauchte er nicht lange zu grübeln.

»Wenn es lediglich um eine verrückte Fantasie geht –«

»Ja-ha, das habe ich dir doch gesagt, oder?«, unterbrach sie ihn sichtlich ungeduldig. »Red einfach geradeheraus – nicht die ganze Zeit um den heißen Brei … wie ein verklemmtes Weib.«

Er brummte. »Okay, schon gut, schon gut.« Er zögert etwas. »Lehrerin oder professionelle Turnerin – und ungeküsst sollte sie sein.«

Nun brachte Steffi das erste Mal echte Verwunderung zum Ausdruck. »Jungfrau und ungeküsst? Das ist aber eine verdammt altmodische Einstellung.«

»Hey!« Tracey setzte sich gerader hin. »Du wolltest es wissen!«

Ein verspielt-neckisches Grinsen huschte über ihre vollen Lippen. »Das stimmt … Trotzdem habe ich mit einer solchen Neigung deinerseits nicht gerechnet.« Sie schwenkte ihren Kopf hin und her und warf ihm schlussendlich einen undefinierbaren Blick zu. »Aber Lehrerin … Ich will nicht wissen, wie deine Fantasien da mit dir durchgehen.« Sie leerte ihr Whiskeyglas. »Ein langes Lineal, mit dem sie dir den Arsch versohlt?«

Er funkelte sie an. »Ich stehe nicht auf ›Fifty Shades of Grey‹, unbedeutend welche Position ich dabei einnehmen würde!«

Weitere Vermutungen ließen nicht lange auf sich warten. »Ein zugeknöpftes Outfit? Bieder und altmodisch?« Dies kundgetan, folgte sogleich der längst überfällige Seitenhieb. »Genau wie du?«

»Steffi!«

»Aber dann, wenn ihr beide alleine im Klassenzimmer seid, zeigt sie dir, wie verdorben sie wirklich ist.«

Hitze erfasste ihn.

Verflucht.

Verflucht.

Ja!

Ja!

Exakt ein solches Szenario hatte er sich dutzende Male ersonnen.

Eine hochgeschlossene Bluse … doch anstatt eines langen Faltenrocks tröge sie einen hautengen Minirock, da ihr sexuelles Verlangen längst schmerzhafte Ausmaße angenommen hatte … sie endlich ausgefüllt, geführt und benutzt werden wollte – von ihm. Ausschließlich von ihm.

Er träte hinter sie und schöbe in aller Gewissenhaftigkeit den dunkelblauen Rock hoch. Verängstigt dennoch schier blind vor Lust würde sie ihren Oberkörper auf ihren pingeligst zusammengeräumten Bürotisch lehnen … die Beine gespreizt, das Herz rasend, die perfekt manikürten Finger um den Tischrand geklammert …

Eine ruckartige, gekonnte Bewegung – und ihr dunkelroter Spitzenstring glitte zu Boden … Ein verschüchtertes Japsen, ein Aufzittern ihres Leibs … Seine sich um ihre grazilen Hüften legenden Hände … Und seine stramme, tief in ihren nassen, glühenden, engen Schoß dringende, vor Geilheit pochende Männlichkeit …

»Jungfräuliche Lehrerin?«, riss Steffi ihn aus seinen heißmachenden Vorstellungen.

Er nickte gedankenverloren.

»Die ihre ersten sexuellen Erfahrungen in ihrem eigenen Klassenzimmer macht?«

Verdammt, ja! Was denn sonst? Das war einer seiner zahllosen Träume. Oder dieser hier: Sie seinen Namen hilflos-beschämt wimmernd, währenddessen er sie in seinen Armen hielte und mit seinen Händen behutsam verwöhnte.

Himmel, Arsch!

Wenn er seinen Träumen nicht bald Einhalt gebot, bekäme er noch in aller Öffentlichkeit einen verdammten Ständer!

»Jetzt ist aber gut, verdammt!«, schimpfte er und zwang sich, die hochschäumende Erregung zu verscheuchen.

»Ich habe bloß überlegt, was du dir vorstellen könntest«, konterte seine beste Freundin unschuldig.

»Ja, und genau das wollte ich verhindern.«

Sie lehnte ihren rechten Unterarm gegen den Tresen und bedachte ihn verständnisvoll. »Du kannst dir sicher sein: Ich werde es niemandem verraten.«

»Ich hoffe es … Und versuche erst gar nicht, mir ein Rendezvous zu verschaffen!«

Eine hässliche, durchgeknallte Jungfrau war das Letzte, das er daten wollte!

Steffi verfiel in ein herzliches Gelächter.

Sämtliche seiner Alarmglocken schrillten.

Wenn er sich nicht gänzlich täuschte, steuerte er auf ein neues Desaster zu. Dafür, da war er sich sicher, würde diese Verrückte schon Sorge tragen!

Früher oder später.

2. Pussywagon

Was für’n verdammter Scheißtag!

Sein Urlaub war gestrichen worden – wieder einmal. Dabei wollte er lediglich eine einzige verfickte Woche Auszeit!

Wer hingegen bekam sofort und ohne Diskussionen zwei Wochen Urlaub? Sämtliche Kollegen, die sich Eltern nennen durften!

Wie immer.

Hatten Singles in dieser verfluchten Welt kein Anrecht mehr auf Erholung und Privatzeit? Musste er erst Vater werden, um von Vorgesetzten und Kollegen ernstgenommen zu werden?

»In den Energieferien hat die Schule geschlossen. Dementsprechend sind die Kinder zu Hause, Tracey«, äffte er die pathetischen Worte seines Chefs nach. »Da benötigen die Eltern ebenfalls Urlaub. Sei nicht herzlos. Denke lieber einmal an die fürchterlichen Probleme mit der Unterbringung der Kinder, wenn Mama und Papa arbeiten müssen!«

Dann hätten diese verfickten Scheißleute keine verfluchten Kinder zeugen sollen! Wer war auch derart gehirnamputiert und setzte in diese verrottete, egoistische Welt Nachwuchs?

Höchstwahrscheinlich all die arbeitsunwilligen Frauen, die auf Lasten des ehrlichen Steuerzahlers Familienbeihilfe und Steuervergütungen abkassieren wollten. Oder damit deren machomäßige Ehegatten prahlen konnten, sie hätten ihre Weibsbilder erfolgreich geschwängert – in etwa: Ich bin potent und der Leitrammler unseres Viertels … ich kann es meiner Frau anständig besorgen, das sieht man an ihrer fetten Babykugel, die sie süffisant herausdrückt und mit enggeschnittenen Kleidern zusätzlich ekelhaft in Szene setzt …

Und was erwartete dem Nachwuchs dieser Zeit?

Mobbing.

Kapitalismus.

Facebook.

Traceys Blutdruck schoss explosionsartig in die Höhe.

Diese Bastarde!

Er hatte diesen verfickten Urlaub vor einem halben Jahr eingetragen! Sollten diese Pseudoeltern ihren genetischen Sondermüll doch bei deren Großeltern abliefern!

Verfluchtes Leben!

Er empfand große Lust, gegen das Lenkrad zu schlagen, andererseits war der alte VW ebenso wenig für diese seine Situation verantwortlich wie er selbst.

Er rieb sich über die Nase, schluckte seinen Groll hinunter und bog in die Feldkirchnerstraße ein.

Zum Glück fiel der Nachmittagsverkehr heute nicht allzu zäh aus. Schleichende, die zweite Spur blockierende Autofahrer waren das Letzte, mit dem er sich nun herumärgern wollte – zumal er heute bereits dreimal damit zu kämpfen gehabt hatte.

Just drängte sich ein rot lackierter zweihundertvierziger Mercedes Benz Kombi zwischen ihn und den vor ihm fahrenden dunkelgrünen Skoda Octavia. Soviel er erkennen konnte, saß in dem Neunzigerjahre-Mercedes ein alter Sack samt Hut am Steuer – der, sich eben eingereiht, logischerweise sofort das Tempo verringerte.

»Na ganz fein!«, polterte Tracey. »Nicht noch einmal!«

Er blickte auf den Tacho: Vierzig.

Dieser halb tote Sack fuhr tatsächlich vierzig!

Verfluchte Senioren!

Was hatten diese sabbernden, inkontinenten, senilen Flachwichser hinter einem Lenkrad verloren?! Das waren tickende Zeitbomben – gleichzusetzen mit alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Lenkern! Die sollten sich besser in ihre Stammkneipe oder den örtlichen Seniorenklub verziehen, Bingo spielen und ›Willkommen Österreich‹, ›Klingendes Österreich‹ oder ›Mei Liabste Weis‹ glotzen.

Weitere dutzende gedankliche Schimpftiraden später ordnete Tracey sich zur Ruhe. Es half nichts, durchzudrehen. Es half nichts. Und wer wusste, war dieser Pensionist bald einer seiner nächsten Kundschaften …

Sein erhitztes Gemüt ein winziges bisschen abgekühlt, erhöhte er den Abstand zum schleichenden Mercedes und schaltete das Radio an. ›Umbrella‹, ein Song, der ihn an Fingernägel erinnerte, welche über eine Schultafel kratzten, drang blechern aus den alten Boxen.

Innerlich fluchend tat er das einzige Vernünftige: Er schaltete wieder ab.

Ja, die Sache mit dem Urlaub … Wenn es dabei bloß geblieben wäre! Der Gipfel dieses beschissenen Tages bildete jedoch der neue Dienstplan: Sein Chef hatte ihn die nächsten Wochen für die vormittäglichen Krankentransporte eingeteilt! Die Dienstzeit war zwar klasse – immerhin kam er jeden Abend um siebzehn Uhr nach Hause –, alte jammernde Leute von einem Arzt zum nächsten zu kutschieren stellte allerdings nicht unbedingt die befriedigende berufliche Herausforderung für ihn dar.

Noteinsätze waren es, für die er lebte.

Das Gefühl, der Allgemeinheit helfend unter die Arme zu greifen bedeutete schlichtweg alles für ihn.

Selbstverständlich fielen alltägliche Krankentransporte ebenso in dieselbe Rubrik, dessen ungeachtet lasteten solche Aufgaben ihn nicht aus. Krankentransporte langweilten, ja unterforderte ihn regelrecht. Tracey wollte helfen, anpacken, etwas verändern – notleidenden Menschen in ihrer ausweglosen Stunde zur Seite stehen. Er wollte ihnen Sicherheit vermitteln … und jetzt saß er hinter dem Lenkrad und wurde von Schleichern ausgebremst!

Scheiße!

Nun, zumindest ein Gutes hatte es: Sein dunkelhaariger Kollege Franz, den er nicht eben zu seinen besten Freunden zählte, durfte hinten sitzen und sich die langweiligen Geschichten der zittrigen Greise anhören.

Jetzt ebenfalls.

Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Die ihn jäh fürchterlich blendende, tief stehende Frühlingssonne riss ihn aus seinen Grübeleien.

Abermals fluchte er – dieses Mal zur Abwechslung gut hörbar –, hatte er doch seine Sonnenbrille daheim vergessen.

Was, zur Hölle, lief heute eigentlich nicht schief?

Da erinnerte er sich an eine weitere klitzekleine Bedeutungslosigkeit zurück: Die demenzkranke Rentnerin, die ihn von oben bis unten vollgekotzt hatte.

In aller Früh.

Scheiß Drecksmontag!

Den Mercedes nachkriechend, der vermutlich ebenso altersschwach war wie dessen Fahrer, bog Tracey in die Rosentalerstraße ein.

Wann würde dieser Vollidiot endlich von der verfickten Straße verschwinden?!

Eben wollte er zum Überholvorgang ansetzen, da schwenkte das Opamobil ebenfalls nach rechts – ohne optische Vorwarnung, sprich den Blinker zu betätigen.

»Ja, hat der sonst keine Probleme, oder was?!«, keifte Tracey. »Verfluchte Pensionisten!«

Nicht mehr lange, und er würde ernsthaft durchdrehen …

Nun … zum Glück war endlich die Straße frei geworden.

Er atmete tief durch und beschleunigte.

Bloß noch Mr. Herzkrank zu Hause abliefern, dann war Schluss für heute.

Eine sanfte Vorfreude breitete sich in ihm aus.

Alsbald er den Krankentransporter zurück zur Basis gebracht hätte, würde er heimfahren, sich heiß duschen, eine Bretterljause richten und sich einen knallharten Actionfilm reinziehen.

Vielleicht einen Van Damme? Oder einen Stallone? Nein, einen Seagal!

Hinter einem grässlich pink lackierten Wagen hielt Tracey an. Dieser wartete, wie dutzende weitere PKWs, links und rechts neben, vor und hinter ihm, an der vorletzten Kreuzung des Klagenfurter Randbezirks.

Er betrachtete die schief angeschraubte Nummerntafelhalterung, die verbeulte pinkfarbene Stoßstange, das mit Rostbeulen übersäte Heck …

Was für eine blonde Schnepfe saß da wohl hinter dem Steuer? Sicherlich eine ohne Job …

Die Ampel sprang auf Grün und der Pussywagon fuhr an.

Wohl rief das Auto Augenkrebs und Bindehautentzündungen hervor, doch zumindest würgte die Fahrerin den Motor nicht ab.

Wenn man dermaßen viel Zeit wie Tracey auf der Straße verbrachte – insbesondere in der Stadt –, wurde man zwangsläufig Zeuge von Erlebnissen, die man nicht einmal in einem durchgeknallten Quentin-Tarantino-Film zu sehen bekam. Beispiele gefällig? Vor rund drei Jahren hatte er einen italienischen Fahrer angetroffen, dessen Fahrzeug weder Rücklichter noch Seitenscheiben besessen hatte. Zudem gelang es dem Trottel nicht ein einziges Mal, die Kupplung vernünftig zu betätigen. Dies bedeutete, alsbald der Fahrer in den nächst höheren oder niedrigeren Gang wechselte, sprang die schrottreife Kiste einen halben Meter weit nach vorn. Ein andermal hatte Tracey sich gegen rücksichtslose GTI-Fahrer zur Wehr setzen müssen. Diese hatten in einer unübersichtlichen Kurve zu einem Überholmanöver angesetzt. Auf gleicher Höhe mit ihm tauchte logischerweise ein entgegenkommendes Fahrzeug auf, womit diese verkackten Piefke sich schneidend vor ihn hatten drängen müssen. Ähnlich brutal verhielten sich sämtliche slowenischen Staatsbürger. Da wurde geschnitten, gedrängt und mit wahnsinniger Geschwindigkeit drei, vier oder fünf Wagen gleichzeitig überholt – verständlicherweise in ähnlich unübersichtlichen Kurven wie bei der zuvor erwähnten GTI-Vollpfosten-Geschichte.

Wer nun dachte, lediglich verrückte Ausländer stellten Straßenrowdys dar, der irrte: Fahrunfähige Österreicher gab es ebenfalls zu Genüge! Ausgesprochen waghalsige Raser stellten sämtliche verschissenen Wiener dar, die vorzugsweise mit präpotenten PS-Schleudern aka BMWs durch die Stadt preschten. Spittaler und Klagenfurter teilten sich den zweiten Platz, wenn es um überhöhte Geschwindigkeiten und eine schneidende, drängelnde Fahrweise ging.

Woher all diese unterbelichteten, die Allgemeinheit gefährdenden Dreckskrüppel ihren Führerschein erhalten hatten – gerade einparken, Blinker benützen und sich den Witterungsverhältnissen anpassen, war für all diese erwähnten Idioten ein Ding der Unmöglichkeit –, fragte er sich nahezu tagtäglich. Er begnügte sich mit der Ansicht, dass wohl mehrere Fahrschullehrer bestochen worden waren.

Der vor sich hin tuckernde Pussywagon vor ihm brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück.

Er schaute auf den Tacho.

Dreißig.

Was zur Hölle?!

Einunddreißig.

Zweiunddreißig.

Dreiunddreißig.

Was sollte das werden, wenn es denn jemals fertig werden würde?

Nachdem der Pussywagon selbst nach zweihundert Metern nicht auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beschleunigt hatte, erreichte Traceys schlechte Laune einen neuen Tiefstpunkt.

Was war heute los?! Wieso gab diese blöde Kuh nicht endlich vernünftig Gas?

Eine weitere rote Ampel nötigte den Pussywagon abermals zum Halten – und in weiterer Folge den seinen.

»Alter! Das gibt’s nicht!«

»Was ist los?«, rief Franz von hinten.

»Da ist abermals so eine elendige Tusse vor mir, die nicht vernünftig fahren kann!«

»Reg dich ab. Wir sind eh gleich da.«

Ja, ja … du hast gut Reden! Du musst dich nicht mit diesen behinderten Linkswichsern rumärgern!

Die Ampel schaltete auf Grün, und der pinke Wagen beschleunigte erneut so schnell wie eine Weinbergschnecke.

Verfickt noch einmal!

Er blendete auf.

Immerhin fuhr er ein verschissenes Rettungsfahrzeug! Diese impertinente Tante sollte ihren fetten Arsch von der verdammten Straße wälzen und seinetwegen irgendwo in der Pampa umher kreisen und Almöhis auf den Sack gehen!

Sie hingegen wurde weder schneller, noch bog sie ab oder wechselte die Spur.

Konnte das die Möglichkeit sein?

»Ist die blind, oder was?!«

Erneut betätigte er das Aufblendlicht.

Keine Reaktion.

»Zum Teufel! Jetzt reicht’s!«

Er fuhr knapp zu ihr auf, machte sie dreimal hintereinander mit der Lichthupe darauf aufmerksam, die verfickte Seite zu wechseln …

Und was tat sie? Sie wurde … langsamer!

Sein Blutdruck musste in diesem Moment eine jede kritische Skala gesprengt haben – da schwenkte der Pussywagon endlich nach rechts.

Er fuhr in gleicher Höhe auf …

Blicke trafen sich.

Kalt, verächtlich und belehrend der ihre.

Jäh dämmerte es ihm: Es war pure Absicht gewesen! Dieses Miststück hatte es exakt darauf angelegt … hatte ihn demütigen wollen!

Diese verfluchte Nutte!

Die sich schnell nähernde Tankestelleneinfahrt rückte in sein Blickfeld. Ehe er weiter nachzudenken in der Lage gewesen wäre, lenkte er zu dem ekelhaften Ungetüm eines PKW.

Erst reagierte die Frau gar nicht, dann setzte ein Hupkonzert ein. Letzten Endes nutzte ihr dies aber rein gar nichts und er nötigte sie dazu, in die Tankstelle einzubiegen.

Sie hielt an.

Er hielt an.

Während er den Wagen verließ, hörte er noch, wie Franz ihm ein »Was wird denn das jetzt?« nachrief.

Tracey reagierte nicht mehr darauf. Zu fixiert war er auf das bevorstehende Aufeinandertreffen: Drecksschnepfe gegen Krankentransportfahrer.

»Sind Sie noch ganz dicht?!«, keifte die junge Gitsche und näherte sich ihm schnellen Schrittes. »Was soll der Scheiß?!«

In Tracey brodelte eine derartige Wut, beinahe hätte er das atemberaubend elegante Outfit der Lenkerin übersehen. Dabei liebte er es für gewöhnlich, hübsch gekleidete Frauen genauestens anzusehen.

Dies hatte ihm seit jeher imponiert – selbstbewusste Frauen in perfekt sitzenden Businesskleidern oder Hosenanzügen. Dazu eine gepflegte Frisur, High Heels, ein eleganter Mantel, vielleicht noch eine große Sonnenbrille …

Frauen in schönen Gewändern hatten schlichtweg etwas ausgesprochen Ästhetisches und Betörendes an sich, dessen er sich um nichts in der Welt zu entziehen vermochte.

Doch heute? Da sah er alleinig Rot – im wahrsten Sinne.

Der Bruchteil einer Sekunde war nötig, um die Dreckschnepfe in die korrekte Kategorie einzuordnen: Vorzimmerdrachen … und Ex-Freundin.

Meine Fresse!

Sie zeigte tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit seiner vermaledeiten, verfickten Verflossenen namens Klara, welche ihn vor einem Jahr verlassen hatte. Das rote Haar, die großen runden, dunkelblauen Augen und die ewig langen, in feine Netzstrümpfe gehüllten Beine – verflucht, die beiden hätten Geschwister sein können. Und seine Dreckschlampe von Ex war die schlimmste Hexe, die ein Mann sich auszumalen imstande war!

»Sie glauben wohl, Ihnen gehört die verdammte Straße?!«, polterte Pseudo-Klara. Ihre Stimme hatte einen herrischen wie tiefen Klang – satt, selbstbewusst, emanzipiert.

Ergo: ein gänzliches Flintenweib.

Sein Zorn verwandelte sich in brachialen Hass. Dieser wiederum rief grauenhafte Erinnerungen seiner mauerverbeißenden Ex ab.

Mit ziemlicher Sicherheit beharrte dieses vor ihm stehende Prachtexemplar einer Giftspritze ebenfalls auf dieses bescheuerte Gendern und pfändete sie ihren Ex-Freund angesichts einer ungewollten Schwangerschaft bis aufs Blut!

Solche Weiber – nein, alle Weiber – waren dieselben!

Ausnahmslos!

Anstatt der Gewitterziege zu antworten, wartete er drauf, welchen unsinnigen Scheiß diese noch von sich zu geben getraute. Doch eines war klar: Würfe sie ihm bloß ein einziges Gott verdammtes falsches Wort an den Kopf, würde er ihr eine scheuern, dass sie sich dreimal im Kreise drehte!

Sie traten zueinander – und sie zeigte ihm fidel einen Vogel. »Gehst’s eigentlich noch?! Sie haben wohl zu viele Actionfilme angeschaut!«

In ihrem makellosen Gesicht lag so viel Wut und Hass – wahrscheinlich ähnlich viel wie in seiner eigenen Seele.

Wie alt mochte das Flittchen wohl sein?

Zwanzig? Achtzehn?

»Ich werde das der Polizei melden!«

Polizei?

Er lachte. »O nein, Schätzchen! Du wirst dich selbst anzeigen! Einen Rettungswagen zu behindern ist die Oberfrechheit!«

»Sie elendiger Drecksack! Was bilden Sie sich überhaupt ein?!«

Drecksack?!

Etwas Dumpfes … Schmerzliches legte sich vor sein Sichtfeld – und sämtliche Vorwürfe Klaras hallten in seinen Ohren wider.

»Du elendiger Drecksack! Fünf Monate meines Lebens habe ich mit dir vergeudet! Wie willst du mir diese verlorene Zeit zurückzahlen? Scheißkerl!«

»Du bist ein Versager von hinten bis vorn! Hast nicht einmal einen vernünftigen Job mit fixen Arbeitszeiten. Wie willst du mir da ein anständiges Leben ermöglichen?«

»Langweiliger geht’s mit dir wirklich nicht mehr! Erst deine biederen Vorstellungen einer Beziehung … dann dein mich anödender Blümchensex … und jetzt willst du nicht einmal mit mir in Urlaub fahren?!«

»Wärst du wenigstens flexibel oder selbstbewusst, spontan und nicht so eine penetrante Spaßbremse! Aber bei dir, ernsthaft, da ist Hopfen und Malz verloren!«

Irgendein Schalter in ihm kippte um.

Seine Gedanken kamen zum Erliegen. Die Szenerie um ihn herum verwandelte sich in ein graues Einerlei.

Er holte aus –

Und sie blockte ab, schlug ihm in den Magen und verpasste ihm einen Tritt gegen seinen rechten Oberschenkel.

Professionelle Kampfkunst, schoss es durch seine adrenalindurchtränkten Gehirnwindungen. Reagiere. Reagiere!

Sie schlug nochmals zu. Nun war jedoch er es, der abwehrte und ihre offene Deckung benutzte, um sie zu Boden zu bringen, indem er ihr seine rechte Faust in ihren angespannten Bauch pfefferte, und sein rechtes Bein zwischen ihre hakte.

Von einer Tusse niedergeschlagen zu werden – das hätte noch gefehlt!

»Scheiß elendiges Drecksweib! Diese Scheiße reicht mir allemal!«

Er wollte nochmals zuschlagen, da wurde er von jemandem gepackt und zurückgezogen.

»Hey! Spinnst du?!«, drang ein von weit her anmutendes Geschrei in seine Ohren. »Was machst du denn?!« Falls er sich nicht komplett irrte, gehörte die Stimme zu Franz, der ihn – so schien es jedenfalls, genau konnte er dies aufgrund seines Wutanfalls nicht beurteilen – von hinten fixierte. »Das geht doch nicht!«

Er wollte sich von ihm losreißen, dadurch wurde Franz’ Griff bedauerlicherweise bloß fester.

Dies erinnerte ihn einmal mehr daran, weshalb er diesen Typen beim Tode nicht ausstand!

Franz musste in allem besser sein.

Mit Karate beispielsweise hatten sie gleichzeitig begonnen. Und wer legte eine Prüfung nach der anderen bravourös ab? Genau. Franz. Und wer angelte sich jedes sympathische, gut aussehende, intelligente, witzige Weib? Genau. Franz. Und wem wurde der Urlaub nächste Woche nicht gestrichen? Genau. Franz!

Es war zum Kotzen!

»Verflucht! Die Frau liegt am Boden und du willst noch einmal zuschlagen? Geht’s dir noch gut?!« Sein Kollege drehte ihn zu sich um. »Was ist los mit dir? Willst du dir etwa eine Anzeige wegen Körperverletzung aufbrummen lassen?«

Diese Worte sowie des Kollegen bestürzter Gesichtsausdruck hatten eine gewisse Wirkung, welche dieses hartnäckige rote Tuch von seinen Augen zog.

Schwer atmend drehte Tracey sich zur Tusse zurück.

Nach wie vor lag diese auf dem trockenen Asphaltboden, die Beine halb abgewinkelt aneinandergepresst, die Augen in Schock weit aufgerissen, ihre zierlichen Arme schützend an ihren Oberkörper gedrückt.

Ein Gefühl, vergleichbar mit dem einer eiskalten Dusche, vernichtete letzte Verwirrtheitszustände und brachte ihn gänzlich zur Besinnung zurück.

Was zur Hölle hatte er da verbockt?! Er war doch kein Schläger! Noch nie zuvor hatte er einem Menschen Gewalt angetan. Nicht einmal seiner Drecksfotze von Ex, die ihm dreimal fremdgegangen war und ihn wie einen Bittsteller und Außenseiter behandelt hatte!

»Scheiße«, gelang es ihm hervorzuwürgen.

»Geht’s dir jetzt besser?«, fragte sein Kollege barsch-entnervt.

»Ja … ja.« Er brauchte noch einige sich endlos anfühlende Sekunden, bis er seinem sich neu entflammenden Emotionschaos Herr wurde – allen voran nagende Gewissensbisse – und er Franz Instruktionen erteilen konnte. »Kümmer du dich um unseren Fahrgast. Ich regle diese Sache.«

Sein Kollege sah von diesem Vorschlag nicht eben begeistert aus. »Kann ich dich ernsthaft alleine lassen? Wirst du sie wohl nicht noch einmal angreifen?«

»Nein, werde ich nicht!«, versprach Tracey und verkniff sich einen frechen Konter, um nicht noch unprofessioneller zu erscheinen.

»In Ordnung.« Zögerlich und die Stirn gekraust, trat Franz den Rückweg an.

Tracey setzte sich ebenfalls langsam in Bewegung, geradewegs auf die apathische, ihn angsterfüllt musternde Frau zu.

»Lassen Sie mich in Ruhe!«, keuchte Letztgenannte und erhob sich unbeholfen.

Ein zweiter eisig-stechender Adrenalinausstoß stob durch seine Adern.

Verdammt nein, verdammt nein!

»Warte!«

Sie war eben auf den Beinen, da klappte sie ohne Vorwarnung nach vorn.

Kreislaufkollaps.

Noch einmal verdammt!

Er sah bereits, wie sie mit ihrem hübschen Gesicht voran auf die Asphaltfläche schlug. Ehe es dazu kam, vollführte er jedoch einen beherzten Sprung und fing sie auf.

Sie war leicht wie eine Feder, zierlich wie eine Tänzerin, zerbrechlich wie Kristallglas … Eine Prinzessin … stolz, stark, selbstbewusst – doch hilflos ohne ihren Mann an ihrer Seite …

Was zum Geier dachte er da?!

Kopfschüttelnd verdrängte er die verstörenden Gedankenfetzen und ließ die Frau behutsam zurück auf den Boden sinken.

Ihren Kopf in seinem linken Arm gebettet, strich er ihr die offenen langen feuerroten Haare aus dem Gesicht.

Das junge Ding war kreidebleich und zu allem Übel nicht ansprechbar.

Er gab ihr einen sanften Klaps auf die Wange. »Hey, Mädchen. Aufwachen.«

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9783752923940
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