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5. Blind-Date

Das Blind-Date fand an einem Freitagabend statt.

Ein paar Kilometer abseits von Klagenfurt lenkte Tracey seinen in die Jahre gekommenen Ford in einen mit eindeutig zu vielen Schlaglöchern versehenen, kaum zehn Meter vom Gasthof entfernten Parkplatz. Von Steffi hatte er sich sagen lassen, dass der Besitzer das vormalige Bauernhaus billigst ersteigert und anschließend flott und kostengünstig renoviert hätte. Tracey selbst hatte von diesem Wirtshaus noch nie zuvor gehört.

Wie auch immer, zum Glück hatte er den Schuppen auf Anhieb gefunden. Durch eine verschissene kalte Februarnacht zu irren, war nicht unbedingt seine Idealvorstellung eines gemütlichen Abends.

Tracey fuhr bis ans Ende des schätzungsweise zweihundert Quadratmeter großen Abstellplatzes, schaltete den Motor ab und öffnete die stets klemmende Fahrertür, indem er den Verschlusshebel anzog und gleichzeitig benebst seinem linken Oberarm kräftig gegen die Plastikverkleidung drückte. Mit einem durch Mark und Bein jagenden quietschenden Geräusch öffnete sich die rostige Tür und er schwang sich aus dem Sitz.

Bissige nach Hausbrand und Feuchtigkeit riechende Kälte wehte ihm entgegen. Äußerst kraftvoll schlug er die Tür zu und fluchte einige Male, ehe es ihm gelungen war, das kaputte Schloss halbwegs vernünftig zuzusperren.

Das Ding ärgerte ihn bereits seit einer geraumen Weile – und seiner nunmehrigen Situation nach zu urteilen würde es dies wohl noch länger tun dürfen.

Angenervt setzte er sich in Bewegung.

Dabei hatte er die schäbige, zerbeulte, rot lackierte Karre gern gegen einen Neuwagen eintauschen wollen.

Das konnte er sich wohl in die Haare schmieren.

Nein.

Alles konnte er sich in die Haare schmieren: einen Urlaub, eine Beziehung, ein geregeltes Leben …

Speziell nachdem er angeklagt worden wäre.

Wahrscheinlich würde er sich die nächsten zehn Jahre durch Billigjobs über Wasser halten müssen. Denn Fakt war: Wer gab einen Vorbestraften Arbeit?

Frust, Hoffnungslosigkeit sowie diese elendige verschissene Kälte brachten seine Augen zum Brennen. Schniefend setzte er über zwei Stufen, streifte seine Schuhe an einer ovalen Türmatte ab und öffnete die mächtige, lasierte, im matten Schein der Eingangsbeleuchtung schwarz schimmernde Holztür.

Er trat ein in ein behagliches Vorzimmer.

Die typische feuchte Wärme eines Gasthofs unterlegt mit dem köstlichen Geruch von deftigem Essen, allen voran Sauerkraut, Wildbraten und Suppen, umschmeichelte ihn wie eine liebeshungrige Katze und entlockte seinem Magen ein ordentliches Knurren. Ebenso sanft drang ihm dumpfes Stimmenwirrarr dutzender Gäste in die Ohren.

Dunkles durch aufwendige Schnitzereien veredeltes Vollholzmobiliar, eine Holzstuckdecke sowie rostrote Fliesen bildeten das rustikale Interieur und ließen den Einrichtungsstil des restlichen Gasthofs erahnen. Eine dunkelblaue bauchige, nicht unbedingt zum altbäuerlichen Ambiente passende Vase in der linken Ecke des Vorzimmers lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich.

Er musste sich eingestehen, das Ding sah schön aus– obwohl er grundsätzlich nicht auf Staubfänger im Speziellen und Dekoscheiß im Allgemeinen stand.

Tracey hängte seine schwarze Lederjacke – ein selbstgekauftes, verfrühtes Weihnachtsgeschenk, welches er während der European-Bike-Week erstanden hatte – auf die großzügig-klobige Garderobe und blickte kurz in den schmalen Wandspiegel daneben.

Durch die erhöhte Luftfeuchtigkeit begann sich sein naturblondes Haar leicht zu wellen.

Er musste sich eingestehen: Es gefiel ihm.

Normalerweise war er mit sich selbst nicht sonderlich zufrieden. Irgendetwas störte ihn andauernd: ob es nun seine blasse Gesichtsfarbe, das für seinen Geschmack weicheimäßig anmutende Zartgrün seiner Augen, seine schmalen Hände proportional zu seiner großgewachsenen Statur oder sein verschissener, ewig flach anmutender Hintern war. Lediglich sein dichtes Haar tat meistens das, was er wollte, und hübschte ihn etwas auf.

Wahrscheinlich bekomme ich deshalb durchwegs Kratzbürsten ab, dachte er und schritt durch die dunkelbraune Schwenktür. Mir fehlt es schlichtweg an stereotypischem Sex-Appeal.

Wildbratenduft und charakteristischer Umgebungslärm verstärkten sich, und sein Hunger nahm kräftig an Fahrt auf.

Alles kostenlos, erinnerte er sich. Das kann ein Festmahl werden!

»Da bist du ja endlich!«, vernahm er die vorwurfsvolle Stimmlage seiner besten Freundin.

Kaum eine Sekunde später trat Steffi in sein Blickfeld. Ein zartgrüner Bleistiftrock, ein flauschiger schneeweißer Wollpulli sowie farblich dazu abgestimmte Overknees zierten ihren kurvigen Körper.

»Es ist schon zehn nach sieben. Hast du dich verfahren?«

Er verzog das Gesicht.

Nein, er hatte lediglich einem fahrunfähigen Opa nachkriechen dürfen. Von der Klagenfurter Innenstadt bis kurz vor der Einfahrt zum Gasthof war er mit diesem für die Gesellschaft längst entbehrlichen Individuum bestraft worden, dessen durchschnittliche Höchstgeschwindigkeit dreißig Kilometer pro Stunde betragen hatte.

Dreißig!

Herrgott noch einmal! Dreißig!!!

»Ein verschissener Rentner in seinem nagelneuen 7er BMW hielt mich bedauerlicherweise etwas auf.«

Steffis Augen, für die sie höchstwahrscheinlich eine komplette Tube Mascara aufgebraucht hatte, weiteten sich. »Wie willst du wissen, wer gefahren ist? Es ist stockdunkel draußen.«

»Die Silhouette seines verfickten Huts war von Weitem zu erkennen gewesen.«

Steffi grinste. »Nun, jetzt bist du ja da.« Sie gestikulierte nach links. »Geh schon mal vor. Auf Tisch Nummer sechzehn wartet die Süße. Ich muss nur schnell einmal für kleine Mädchen.« Damit verschwand sie in die gegengesetzte Richtung.

Sein Herzschlag beschleunigte sich kurzfristig. Er mäßigte diesen, indem er einmal tief durchatmete, die Hände in die Taschen seiner dunkelblauen, knackig sitzenden Jeans steckte und durch den rundgemauerten Einlass in den Speisesaal trat.

Seit jeher trug er ausschließlich eng geschnittenes, seine Statur vorteilhaft in Szene setzendes Gewand. Schlaksige Cargo-Jeans, durch welche seine Kehrseite erstens ungleich flacher aussah – und Männer im Allgemeinen inkontinent anmuteten –, solche Outfits konnten ihm gestohlen bleiben. Kleidung sollte die Schönheit eines jeden Einzelnen unterstreichen, und nicht sie untergraben …

Er beendete seine Überlegungen und nahm die Tische in Augenschein.

Ein Jeder davon war belegt.

Leute lachten, tratschten, witzelten, aßen …

Er konzentrierte sich auf die von Steffi erwähnten Nummern – und wurde fündig. Etwa zehn mal zehn Zentimeter große Holzschildchen waren in der Mitte eines jeden rechteckigen Tisch positioniert worden. Darauf prangten in liebevoller Schwungschrift die eingeschnitzten Zahlen und Ziffern.

Zehn … Dreizehn … Fünfzehn … Zwölf … Elf … Sechzehn.

Rotes Haar.

Enzianblaue Augen.

Ein unsicherer Blick, welcher jäh Unglauben, dann Schock und schlussendlich abgrundtiefen Hass widerspiegelte.

Entsetzen seinerseits, welches von brodelnder Wut verdrängt wurde.

Die Pussywagon-Fahrerin!

Ruckartig erhob sich letztgenannte Schreckschraube. »Ich fasse es nicht! Sie?!«

Drei Schritte, und sie stand vor ihm – die Hände in die Hüften gestemmt, ihre fein geschwungenen Augenbrauen durch Aggression und ungestümen Zorn tief nach unten gezogen.

Ich muss es mir eingestehen: Du siehst außerordentlich niedlich aus, wenn du wütend bist.

Noch ehe dieser fürwahr stumpfsinnige Geistesblitz sich gänzlich in ihm manifestieren konnte, wurde dieser durch ein gebrülltes »Sie verfluchter Hurensohn!« vonseiten der rothaarigen Zicke vernichtet.

Derart gebrüllt, eine jede einzelne Person – Servicepersonal eingeschlossen – drehte sich simultan zu ihm um.

Plötzlich holte sie aus –

Adrenalin flutete seine Magengegend.

Er blockte ab und wich einen Schritt zurück.

Nein, du mauerverbeißendes Miststück!

Dieses Mal ließ er sich zu nichts mehr hinreißen! Geschissen auf sein Ego, geschissen auf seine Würde! Er wollte seine Zukunft nicht noch mehr verbauen. Außerdem: Nun hatte er einen Grund, sie anzuzeigen!

Womöglich verhälfe ihm dieser momentane Umstand sogar zu einem milderen Strafausgang seinerseits …

Eine Gewichtsverlagerung ihrerseits beendete sein Grübeln.

Sie schlug zu – solcherweise kraftvoll, für die nächsten Sekunden wurde es ihm reichlich anders zumute. Im Detail kämpfe er gegen ein hartnäckiges Schwindelgefühl sowie rauschende Ohren und eine schmerzende rechte Wange, aber vor allem gegen den Drang, diese verfluchte Beißzange zu packen und aufs Kreuz zu legen.

»Waschlappen!«, drang es matt durch seine sich zunehmend verstärkenden Ohrengeräusche, welche an einen hochtourigen Waschmaschinenschleudergang erinnerten.

Er schluckte, er blinzelte – und sein Hirn schaltete.

Waschlappen?!

Niemand nannte ihn einen Waschlappen!

Niemand!

Verdammt noch einmal!

Und sein zäher Schalter klappte um. Er spürte es in seinen Nerven und Muskeln, die sich in Bereitschaft versetzten.

Tracey machte einen Schritt nach links, wog ab – und schlug zurück.

Sie blockte, vollführte einen Schritt nach rechts.

Falsche Reaktion, Hausdrachen!

Er setzte an, nach ihren Unterarmen zu packen, um sie auf den Boden zu bringen – da sah er ihre Faust erneut auf sich zurasen.

Scheiße, scheiße, scheiße!

Ein Uppercut …

Im letzten Augenblick biss er die Zähne aufeinander und ließ sich weitestgehend nach hinten kippen. Das Ergebnis: Sie streifte ihn.

Weh tat es trotzdem.

Unsanft landete er auf seinem Hintern.

»Sie elendiger Sack!« Die Furie näherte sich ihm bedrohlich. »Wie können Sie es wagen, mich von der Straße zu drängen?! Und darüber hinaus handgreiflich zu werden?!«

»Beruhig dich, du verdammte Kampfemanze!«

»Was?!« Ihre Stimme überschlug sich. Ihr Augenausdruck nahm dämonische, teuflische und überhaupt diabolische, satanische Züge an.

Er wusste: Er musste sofort auf die Beine zurück, oder sie würde ihn höchstwahrscheinlich zu Tode treten.

Überlegt, getan.

Und just folgten neue Angriffe, die ihn unweigerlich zwangen, nach hinten zu weichen.

»Offensichtlich hast du ein ziemliches Aggressionsproblem«, stellte er nüchtern fest. »Du Giftspritze!«

Ein linker Haken traf ihn an der Schläfe.

Er wäre beinahe niedergegangen.

Diese verfickte Drecksnutte!

»Jetzt reicht’s!« Er ergriff ihre Unterarme und drängte sie zum Tisch zurück.

»Lassen Sie mich los!« Verzweifelt versuchte sie, ihre Hände aus seinem Griff zu drehen. Sie wirkte verängstigt wie verärgert dabei – verärgert über ihre Unfähigkeit, die Oberhand zu behalten, verängstigt über das, was ihr bevorstand.

Keine Sorge, Kleines, dachte er. Es wird bloß eine minimale Abreibung. Ich bin nämlich kein asozialer Frauenschläger.

Aber was sein musste, musste sein!

Unvermittelt, und unfähig etwas dagegen unternehmen zu können, erschienen Bilder vor seinem geistigen Auge.

Erotische Bilder, sinnliche Bilder, gänzlich irrationale Bilder …

Die rothaarige Emanze splitterfasernackt gegen den Türstock seines Schlafzimmers gedrückt … sie dazu genötigt, die Beine weit zu spreizen … und sie letztendlich genommen … sie zur Besinnung gevögelt … und die drakonische Bestrafung? Kein Höhepunkt für sie!

Tracey wurde es heiß und kalt.

Woher kam nun dieser behämmerte Gedankengang schon wieder her?

Er verstärkte seinen Griff, überhörte bissige Meldungen der Rothaarigen, warf sie nicht eben zärtlich rücklings auf das Tischblatt, fixierte ihre fragilen Arme rechts und links neben ihrem Kopf und beugte sich über sie.

Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe.

Er blickte ihr in die Augen – in dieses hypnotisierende Blau … versank in ihnen, verlor sich in ihnen.

»Was willst du nun tun, Mädel? Mich erneut schlagen?«

Diese eigenwillige Emotion der Einigkeit schlang sich um sein Innerstes, verknüpfte seine Seele mit ihrer, gab ihm ein verrücktes Gefühl der Schwerelosigkeit.

Sie küssen, sie spüren, sie fest an sich drücken, in sie gleiten …

Was gedachte er eben noch zu tun?

Er wusste es nicht mehr.

Er wusste gar nichts mehr.

Alleine sie und er vereinigt in seinem Bett – dies war es, was er sah, was er wollte, was er verlangte …

Am Rande seines Sichtfelds registrierte er eine Bewegung … und ein Tritt in seinen Magen katapultierte ihn rücklings auf den Boden.

Woher nahm eine solche zierliche Frau derartige Kräfte?

»Drecksack!«, fauchte Kampfemanze und beugte sich über ihn – die rechte Hand zur Faust geballt.

Die will mich tatsächlich fertigmachen …

Sein halb vernebeltes Gehirn eben diesen Gedanken hervorgebracht, verflüchtigte sich dieser, alsbald Tracey verwundert, ja nahezu gelähmt beobachtete, wie des Beißzanges Faust geradewegs auf ihn zuflog.

»Scheiße!«, brüllte eine ihm wohlvertraute Stimme. »Ihr Verrückten! Was macht ihr denn?!«

Steffi war zurückgekehrt.

Und sein Verstand schaltete einen Gang höher, löschte sämtliche Einigkeit und entflammte seinen altbekannten Frust.

Die Rothaarige stierte Tracey weiterhin tief in die Augen – die rechte Gerade auf halbem Wege innehaltend.

Formten sich da etwa Tränen in den ihren?

Nein, das bildete er sich ein.

Oder waren es hormonell bedingte Trotztränen? Bei elendigen Drecksweibern wie einer solchen wusste man schließlich nie, weshalb diese urplötzlich zu heulen anfingen.

Ja, wahrscheinlich hatte sie ihre Tage. Ansonsten reagierte ein Mensch doch nicht dermaßen über. Da musste eine Frauengeschichte dahinterstecken!

Steffi erschien und packte die verschissene Kratzbürste bei den Armen.

»Lass ihn in Ruhe! Bist du denn des Wahnsinns?!« Sie zog sie zurück, runter von ihm.

Gott sei Dank!

Die anfängliche Erleichterung schlug jedoch schnell in Scham, Kränkung und reine Erniedrigung um.

Wie schlimm vermochte es eigentlich noch zu werden?! Erst wurde er von dieser Drecksnutte angezeigt und nun brachte sie es überdies zustande, ihn zu Boden zu werfen!

Sein Leben war ein einziges Fiasko.

Flott erhob er sich.

Steffi besah erst sie und anschließend ihn bösartig. »Ich will sofort wissen, was hier abgeht!«

»Sie ist grundlos auf mich losgegangen!«, erklärte er leicht außer Atem.

»Er war es, der mich von der Straße drängte!«, konterte Pussywagon-Fahrerin verzwickt wie ein Heftklammerentferner. »Und dann wollte er mich zusammenschlagen!«

»Und jetzt werde ich dich anzeigen!«, keifte er zurück und deutete aggressiv in ihre Richtung. »Diese Aktion reiht sich nämlich ebenso in die Abteilung ›Körperverletzung‹ ein! Du Scheißweib!«

»Ruhe!«, brüllte seine beste Freundin und packte die Rothaarige und ihn am Oberarm. »Wir gehen in einen anderen Raum. Dort können wir über alles in Ruhe reden.«

Was wollte sie?!

Das konnte nicht mehr wahr sein!

»Dieser elenden Dreckstusse habe ich nichts zu sagen!«

Steffi funkelte ihn an. »Das werden wir erst sehen.«

»Ich habe diesem verfluchten Drecksarsch genauso wenig zu sagen!«, kam es fauchend und tobend von der rothaarigen Rohrzange.

»Haltet beide den Mund!« Schnellen Schrittes führte Steffi sie aus dem Speisesaal in einen nebenan liegenden gediegenen Raum, der anscheinend für spezielle Anlässe benutzt wurde, war dieser doch beträchtlich prunkvoller eingerichtet: Wände und Decken verkleidet mit aufwendigem Holzstuck, ein auf Hochglanz polierter Boden sowie ein Luster, von dem man fürchtete, er würde aufgrund seiner imposanten Ausmaße jeden Moment von der Decke fallen.

»Nun könnt ihr euch unterhalten.« Diese Äußerung oberlehrerhaft von sich gegeben, stieß Steffi die Zicke und ihn in die Mitte des Zimmers und knallte die Tür lautstark zu. Im Anschluss daran war ein metallisches Klicken zu vernehmen.

Er drehte sich um.

Keine Steffi. Lediglich eine geschlossene dunkelbraune Holztür.

Er ahnte Menschenunwürdiges.

»Das ist nicht dein Ernst!« Er trat zur Türschnalle und drückte diese herunter …

Wie befürchtet ging sie nicht auf.

Verfluchte Scheiße!

»Du sperrst mich hier ein?!«, polterte er. »Das ist Freiheitsberaubung!«

»Sprecht euch in aller Ruhe aus«, kam es dumpf kichernd von der anderen Seite.

Tracey wusste nicht, gegen wen er mehr Groll hegen sollte: die Massivwand durchbeißende rothaarige Brechstange hinter ihm oder der hinterfotzige Druckluftschlagschrauber auf der gegenüberliegenden Seite der Tür.

»Du kannst mich mal kreuzweise, Steffi!«

Die rothaarige Zicke trat zu ihm.

Unwillkürlich zuckte er zusammen.

Mit ihrer rechten Killerfaust donnerte sie gegen das Türblatt. »Lass mich sofort raus!«

Vorsichtshalber wich er zur Seite.

Wer wusste, überkam sie plötzlich ein Rappel Mordgelüste und sie schlug nach ihm.

Steffis schadenfrohe, gedämpfte Stimme erklang: »Dann steht ihr beide schon nebeneinander? Ihr macht unglaubliche Fortschritte!«

Dies erzürnte die Pussywagon-Fahrerin dermaßen, sie drehte sich mit hochrotem Kopf zu ihm um und beäugte ihn vernichtend.

Echte, ihn lähmende Angst kroch ihm über den Rücken bis in seinen Nacken, brachte seine Härchen dazu, sich panisch aufzustellen, und kurbelte seinen Herzschlag schmerzhaft an.

Würde dieses unberechenbare Biest neuerlich auf ihn eindreschen?

»Sie!«, schnaubte Letztgenannte, den Zeigefinger bedrohlich auf ihn zeigend. »Sie sind das Allerletzte!«

Prickelnde Panik pikste ihm in den Hintern. Bedächtig brachte er noch etwas mehr Abstand zwischen sich und der Schreckschraube. »Was geht eigentlich mit dir ab, verdammt?!«

Die Wankelmütigkeit dieser irren Fotze war ja nicht einmal mit den Stimmungsschwankungen seiner zweiten Ex-Freundin vergleichbar – und die war bereits ein Psycho wie aus dem Lehrbuch gewesen …

Wenn er sich vorstellte, dieses Biest vor ihm sein eigen nennen und ihren Eskapaden tagtäglich ausgesetzt sein zu müssen …

Es wurde ihm blümerant.

Wehe dem, der dieses rothaarige Weibsstück ehelichte.

Letztgenannte reckte das Kinn. »Sie glauben wohl, Sie sind der Stecher der Nation, oder?!«

Bitte was geht ab?!

Hatte er sich etwa verhört?

»Und du denkst anscheinend, jeder muss parieren, alsbald Prinzesschen Rotschopf ruft!«

Hätten Blicke getötet, wäre er spätestens jetzt bei Petrus gelandet.

Beängstigend langsam setze sich Pussywagon-Fotze in Bewegung – geradewegs auf ihn zu. Und er stolperte einige Schritte rückwärts.

Scheiße … was hatte sie nun vor? Einen Chuck-Norris-Roundhousekick? Eine Kung-Fu-Einlage? Einen Judo Würgegriff?

»Jemand, der denkt«, knurrte sie. »Weil er gut aussieht, könne er tun und lassen, was er will – solche Leute bringen mich zum Kotzen!«

Er stutzte.

Wie jetzt …?

Sie fand ihn ernsthaft gut aussehend?

Obwohl es dies nicht sollte, erfreute ihn diese naive Vermutung.

»Das Kompliment gebe ich gerne zurück.«

Ihre Gesichtsfarbe wechselte von diesem anfänglichen Ärgernis-Rot in ein tief dunkles Weinrot. »Halten Sie ihre verdammte Klappe! Sich über andere lustig machen – es wird immer besser!« Drohend erhob sie ihre rechte Faust. »Am liebsten würde ich Ihnen eine verpassen, sodass Sie sich die nächsten Tage flüssig ernähren müssen.«

»Na, dann versuch es doch!«, entfuhr es ihm schneller, als er zu denken imstande war.

Und selbstverständlich ging sie darauf ein.

Verflucht!

Er wich zurück und brachte sich in Stellung, indem er seine linke Hand schützend vor sich hielt.

Doch Kampftusse blieb seltsamerweise nach dem ersten Schritt stehen und schien sich nicht mehr rühren zu wollen.

»War ja klar! Mehr als drohen könnt ihr Weiber nicht!«

Weshalb sagte er das?

Just und ohne etwas dagegen unternehmen zu können, kam ihm eine weitere Beleidigung über die Lippen. »Erst einen auf unschuldig machen und dann los dreschen! Hinterfotziges Weib!«

Ihre Augen verengten sich zu zwei winzigen Schlitzen.

»Sie sind der letzte Abschaum!« Dies kundgetan, ging sie auf ihn los – überraschenderweise wie ein unkoordinierter, hilfloser Frischling.

Ihren Schlägen gelang es nicht einmal im Ansatz, seine Verteidigung zu durchdringen, allerdings hielt Tusse dies nicht davon ab, es unermüdlich weiter zu versuchen. Nachdem ihr überdies ein grober Anfängerfehler passierte – durch ein falsches Gewichtverlagern fiel sie ihm buchstäblich in seine Arme – blieb ihm gar nichts anderes übrig, als ihre ungewollte Umarmung zu erwidern. Er schmiegte sie an seinen Oberkörper – jedoch stets gewahr, auf ihre Beine zu achten. Einen Tritt in seine Kronjuwelen wollte er unter allen Umständen vermeiden.

Er war eben dabei zu überlegen, wie er sein linkes Bein bestmöglich positionieren konnte, da brach die junge Frau in Tränen aus.

Und er verstand gar nichts mehr.

Herzzerreißende Schluchzer ihrerseits nötigten ihn, sie etwas von sich wegzuziehen und anzublicken.

Ihre schräg nach oben gezogenen lieblich geschwungenen Augenbrauen brachten reine Verzweiflung zum Ausdruck. Die tränennassen, geröteten Wangen ließen das Blau ihrer Augen noch beträchtlich stärker erstrahlen. Ihre an eine zuckersüße Tortenglasur erinnernden blassrosa Lippen waren formvollendet … weder zu voll noch zu schmal. Perfekt … gleichermaßen wie ihre zarten Gesichtszüge, die niedliche Stupsnase, die ewig langen dunkelroten Wimpern, das zu einem Pferdeschwanz zusammengebundene, feine Haar …

Er hielt inne – schaute genauer, obduzierte einen jeden Quadratmillimeter ihrer makellosen Haut … und Hitze brauste ihm durch den Leib.

Himmel, Arsch und Zwirn!

Sie benutzte keine Schminke!

Er fand nicht den geringsten Beweis, wie zerronnene Mascara oder verschmiertes Make-up.

Wow.

Eine natürliche Schönheit … wie Gott sie schuf.

Kein Täuschen und Tarnen, kein verkleiden, kein Theater …

Das war bei seiner letzten Ex nicht der Fall gewesen. Sie hatte sich diese ungustiöse Pampe jeden einzelnen Tag ins Gesicht geschmiert. Dementsprechend ekelig war es manchmal geworden, wenn er sie stürmisch geküsst und seine Hände um ihre Gesichtskonturen gelegt hatte.

Das Zeugs hatte geklebt und geschmiert wie eine zähflüssige Handcreme …

Klar, ein ebenmäßiger Teint und akzentuierte Augenpartien waren hübsch anzuschauen – anzufassen allerdings weniger.

Besonders im Alltag.

Wenn er zurückdachte, glaube er nicht sagen zu können, seine Ex jemals ohne diese Karneval-Aufmachung gesehen zu haben. Soviel er wusste, holte sie ungeschminkte weder die Zeitung aus dem Briefkasten, geschweige traute sie es sich ›oben ohne‹ einkaufen oder arbeiten zu gehen. Die Pussywagon-Fahrerin hingegen benutzte augenscheinlich nicht einmal Lippenstift!

Welch verrückte Welt!

»Warum seid ihr allesamt … andauernd so gemein zu mir?«, brachte ihr schluchzendes Wimmern seine rasenden Gedanken zum Erliegen. »Nie habe ich irgendwen etwas Böses angetan. Weshalb akzeptiert ihr mich nicht? Versteht mich überhaupt kein Mensch? –« Ein Weinkrampf erstickte ihre Anklage und nötigte ihn, das zitternde Mädchen fest an sich zu drücken.

Diese Worte … sie berührten ihn zutiefst.

Weshalb?

Er wusste es nicht recht. Womöglich, weil er sich Fragen wie diese ebenso stellte? Weil er akzeptiert und verstanden werden wollte? Weil das Leben und die Gesellschaft ihm tagtägliches Kopfzerbrechen und Frustrationsschübe bescherten?

Niemand tut etwas grundlos, hallten die weisen Worte seines Karatetrainers plötzlich durch seinen aufgebrachten Sinn. Beobachte, lausche, fühle – erst dann fälle dein Urteil.

Das sich aufgelöst an ihn klammernde rothaarige Mädchen sowie die eben aufgekommene Erinnerung verscheuchten selbst den allerletzten Groll und weckten seine Neugier. Ihre allzeit auftretende Gehemmtheit, ihre Stutenbissigkeit, ihr überschäumender Zorn, ihre gegenwärtige Melancholie und die vorhin getätigte Äußerung … irgendetwas lag hier im Verborgenen!

Ein traumatisches Erlebnis? Eine schwere Kindheit? Familiäre Probleme? Schwierigkeiten in der Arbeit?

Würde er es vermögen, ihr den Grund für ihre eigenartigen Reaktionen zu entlocken?

»Ist schon gut.« Zärtlich streichelte er über ihren bebenden Rücken. »Willst du mir sagen, warum du derart heftig reagierst? Ich verstehe zurzeit nämlich gar nichts mehr.«

»Ich –« Ein Schluchzen unterbrach ihren Versuch einer Erklärung. »Ich wollte ausschließlich gemocht werden … Ich wollte verstanden werden … bloß einmal.«

»Ich kenne dich nicht«, erwiderte er sachlich. »Demzufolge kann dich nicht einfach verstehen. Erst recht nicht, wenn du plötzlich auf mich losgehst.«

»Sie haben mich von der Straße gedrängt«, hielt sie trotzig dagegen.

Oh, Mann! Erst flennen, dann flugs zurück in die Starrsinnigkeit rutschen … typisch Weib!

Er seufzte. »Ja … das war nicht richtig. Das habe ich selbst schon eingesehen, okay?«

Darum hielt er sich zurück! Darum gab er ihr nun eine Chance, diese irre Situation aufzuklären! War das nicht genug, um vernünftig und wie ein erwachsener Mensch zu reagieren?

»Und warum wollten Sie mich niederschlagen?« Sie lehnte sich zurück – und er musste stark schlucken.

Ihr Gesichtsausdruck spiegelte solcherweise viele Emotionen wider, er wusste wahrhaftig nicht, wo er beginnen und aufhören sollte, diese zu bestimmen. Auf jeden Fall entdeckte er neben Verzweiflung, Verwirrung, Unsicherheit und Stursinn minimalistisches Vertrauen.

Diese pikante Entdeckung kurbelte seine Männerfantasie gehörig an …

Ein verlorenes wunderschönes junges Mädchen, das verzweifelt Vertrauen und bedingungslose Liebe suchte, sich an jemanden zu lehnen wünschte – war dies ihre Bürde?

Oder ging seine Vorstellungskraft ein wenig zu sehr mit ihm durch?

»Sagen Sie mir«, zerrte der Rotschopf ihn aus seinen Tagträumereien. »Weswegen wollten Sie mich zusammenschlagen?«

Scham befiel ihn, kletterte in seine Wangen, wodurch diese sich leicht erwärmten.

Und er verfluchte sich tausendmal im Geiste.

Er konnte ihr den Grund seines Ausrasters unmöglich anvertrauen. Was hätte sie von ihm gehalten, wenn er ihr offenbarte, dass allein ihre äußerliche Ähnlichkeit mit seiner Ex und die vielen kleinen Katastrophen des damaligen Tages ihn hatten ausflippen lassen?

Unsicherheit veranlasste ihn, sich zu räuspern. »Ich hatte einen schlechten Tag. Einen richtigen Scheißtag, um ehrlich zu sein.«

Abrupt änderte sich ihr interessantes Mienenspiel.

Entdeckte er da etwa Verständnis?

Tracey wurde es beträchtlich wärmer zumute.

Eine junge Frau, die ihn dankbar, wissbegierig, liebeshungrig und devot anblickte, ehe er sie dazu aufforderte, sich umzudrehen und an die Mauer seines Vorraumes zu lehnen, damit er ihren knielangen nachtschwarzen Rock hochziehen und langsam in sie gleiten konnte …

Eine Jungfrau … ängstlich, hilflos wie heillos erregt in seinen Armen … sie verwöhnen, sie küssen, ihren nassen Leib spüren … sie auf die Matratze pressen, in sie dringen, sich bewegen … sie nehmen … sie ausfüllen … sie lieben wie keine Frau zuvor …

Eine erregende Gänsehaut rauschte über seinen Rücken und schlug pulsierend und ziehend in seine Leisten ein.

Scheiße … elendige Scheiße!

Dieses Kopfkinoprogramm musste sofort ein Ende nehmen … und diese Schönheit vor ihm musste mit dieser verschissenen Hilflosnummer aufhören, ehe er sich gänzlich vergaß …

Das junge Ding musterte ihn eindringlicher, seelenverschmelzender … liebevoll, sanft, versöhnlich …

Verflucht, Mädel. Hör auf damit! Das weckt meinen Beschützerinstinkt!

Und das war, verfickt noch einmal, überhaupt nicht gut!

Neuerlich ließ er sich einlullen – von einem hübschen Äußeren und weiblichem Manipulationsgeschick! Bereits seine verfickten Ex-Freundinnen hatten dies allesamt verdammt gut hinbekommen. Mit dieser Naturschönheit hier vermochten sie es jedoch nicht im Geringsten mitzuhalten.

»Okay.« Hüstelnd ließ sie von ihm ab und trat einen unsteten Schritt nach hinten.

Und in ihm entstand das wilde Verlangen, sie länger festzuhalten, sie leidenschaftlich zu küssen …

Das ist gar nicht gut, Tracey! Reiß dich zusammen. Von einer wie der wirst du dich doch nicht wieder hereinlegen lassen, oder?

Die Tränen aus ihrem hübschen Gesicht gewischt, meinte sie: »Was genau ist passiert?«

Er verstand nicht.

Seine Auffassungsgabe befand sich noch irgendwo zwischen seinen Jungfrau-Fantasien und stolzannagenden Flashbacks seiner verflossenen Liebschaften …

»Wie … was?«

»Na dieser Scheißtag.« Sie blinzelte. »Was genau ist da gewesen?«

Hatte er erwähnt, wie aufgekratzt er sich fühlte? Ja? Tja, nun war sein Gemütszustand am besten mit einem Verkehrsunfall vergleichbar: geschockt, neurasthenisch, hysterisch.

Sie wollte ernsthaft wissen, was passiert war? Sie interessierte sich für seinen Gemütszustand?

»Wozu willst du das wissen?«

»Ich möchte mir eine Meinung bilden«, kam es etwas zu emotionslos zurück.

Und sein Hirn begann abermalig zu rotieren.

Reagierte sie auf diese kühle Weise, um von einer übermäßig emotionalen Aufgebrachtheit hinwegzutäuschen?

»Anscheinend sind Sie doch nicht ein solcher hirnverbrannter, asozialer Idiot, wie all die anderen Leute es normalerweise sind.«

Alter, ging’s noch?!

»Na, vielen Dank für das Kompliment.« Er blickte zur Seite, suchte einen Grund, seine Erklärung hinauszuzögern.

»Ich lache Sie nicht aus.«

Sein Kopf schnellte zu ihr zurück. »Wie?«

»Sie können mir gerne anvertrauen, was los war.« Die Seriosität schwang nicht bloß in ihrer Äußerung, sondern er sah sie ebenfalls in ihrem ihn ernst musternden Angesicht. »Ich lache Sie nicht aus. Ich bin selbst zu oft ausgelacht worden.«

Er schluckte.

Kämpfte sie etwa gegen ähnliche Schwierigkeiten wie den seinen? Kam sie mit den Menschen in ihrer Umgebung nicht zurecht?

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9783752923940
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