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bb) Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO)

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Im Gerichtsstand des Erfüllungsorts (§ 29 ZPO) können Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen erhoben werden. Dazu gehören etwa Schadensersatzansprüche aus Vertrag (z.B. §§ 280, 281, 283, 286, 311a, 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB), aus c.i.c. (§§ 280, 311 Abs. 2 BGB), Ansprüche wegen Minderung (§§ 437 Nr. 2, 441 BGB) oder Rücktritt (§§ 437 Nr. 2, 323, 346 BGB).[53] In derartigen Fällen kann der Kläger den Beklagten statt an dessen Wohnsitz auch am Erfüllungsort (= Leistungsort §§ 269, 270 Abs. 4 BGB) verklagen. Zu beachten ist, dass es keinen einheitlichen Erfüllungsort für den ganzen Vertrag gibt, sondern dieser eigenständig nach dem geltend gemachten Anspruch beurteilt werden muss.[54] Wichtig ist noch, dass vertragliche Vereinbarungen über den Erfüllungsort (etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen = „im Kleingedruckten“) nur zwischen Kaufleuten möglich sind (§ 29 Abs. 2 ZPO).

Ausgangsfall

Vorliegend streitet Mona mit der V-GmbH über Gewährleistungsansprüche aus einem Kaufvertrag (§ 437 BGB). Eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis i.S.d. § 29 ZPO liegt somit vor. Fraglich ist allerdings, wo der Erfüllungsort = Leistungsort für die Ersatzlieferung der Fliesen (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) und die Zahlung der Austauschkosten (§ 439 BGB) ist. Der Leistungsort ist nach §§ 269, 270 BGB für jede vertragliche Verpflichtung eigenständig zu bestimmen. Leistungsort ist im Zweifel der Wohnort/Sitz des Schuldners (Holschuld § 269 Abs. 1 BGB). Dies gilt auch für Geldschulden (§ 270 Abs. 4 mit § 269 BGB). Der Leistungsort für den Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB ist umstritten. Nach Ansicht des BGH ist mangels spezieller Regelungen im Kaufrecht § 269 BGB maßgebend (Parteivereinbarung, Natur des Schuldverhältnisses, im Zweifel Sitz des Schuldners = Verkäufers).[55] Bei Alltagsgeschäften ist Nacherfüllungsort daher regelmäßig der Sitz des Verkäufers. Bei eingebauten Sachen (Bodenfliesen) kommt es (wegen der Umstände und der Natur des Schuldverhältnisses) auf den Ort an, an dem sich die Kaufsache bestimmungsgemäß befindet (Belegenheitsort).[56] Dies wäre nicht der Firmensitz der V-GmbH, sondern die Wohnung von Mona. Erfüllungsort ist also der Wohnsitz von Mona in Köln. Zwischen dem besonderen Gerichtsstand und dem allgemeinen Gerichtsstand hat Mona die Wahl (§ 35 ZPO). Folglich könnte Mona ihre Klage auch im allgemeinen Gerichtsstand der V-GmbH erheben (§ 17 ZPO). Das wäre der Sitz der Firma in Köln. Somit bleibt für Mona die Wahl zwischen Köln und Köln.

cc) Gerichtsstand für AGV (§ 29c ZPO)

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Die ZPO verweist hier auf das BGB. Seit 2014 gibt es im BGB neue Begrifflichkeiten! Lesen Sie zunächst § 312b BGB (Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge = die früheren Haustürgeschäfte) und § 13 BGB (Verbraucher) aufmerksam durch.

§ 29c Abs. 1 S. 1 ZPO privilegiert den klagenden Verbraucher (§ 13 BGB). Nimmt der Verbraucher die Rolle des Klägers ein, kann er bei Streitigkeiten aus AGV = Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b BGB) auch an seinem „Wohnsitzgericht“ prozessieren. Es handelt sich um einen besonderen Gerichtsstand. Eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung ist unzulässig.[57] Der Verbraucher kann das Unternehmen aber auch an dessen allgemeinen Gerichtsstand, dem Sitz des Unternehmens (§ 17 ZPO), verklagen. Der Verbraucher hat die Wahl (§ 35 ZPO). Erhebt der Unternehmer Widerklage, ist das vom Verbraucher gewählte Gericht auch für die Widerklage zuständig (§ 29c Abs. 2 ZPO).[58] Abgrenzung: Ist der Verbraucher Beklagter, ist das Wohnsitzgericht des Verbrauchers ausschließlich für den Streitfall zuständig (§ 29c Abs. 1 S. 2 ZPO). Hier gibt es kein Wahlrecht für das klagende Unternehmen zu Lasten des Verbrauchers. Exkurs: Für grenzüberschreitende Streitigkeiten im EU-Raum gibt es zugunsten des Verbrauchers den Wohnsitzgerichtsstand nach Art. 17, 18 EuGVO.

dd) Gerichtsstand Datenschutz

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Das reformierte BDSG wird parallel mit der EU-Datenschutz-Grundverordnung am 25.5.2018 in Kraft treten. Für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht hält es zwei besondere Gerichtsstände bereit. Nach § 44 Abs. 1 BDSG (n.F.) kann entweder an jedem Ort der Niederlassung des Verantwortlichen geklagt werden oder am Ort des gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers (= Heimatgericht).[59]

c) Ausschließliche Gerichtsstände

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Ein ausschließlicher Gerichtsstand geht dem allgemeinen und den besonderen Gerichtsständen zwingend vor (§ 12 a.E. ZPO). Die wichtigsten ausschließlichen Gerichtsstände sind der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO), der Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen (§ 29a ZPO), der Gerichtsstand bei falschen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO) sowie der Verbrauchergerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen (§ 104a UrhG).

Hinweis

Ein besonders wichtiger ausschließlicher Gerichtsstand ist der ausschließliche Gerichtsstand bei AGV (= Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge § 312b BGB), sofern der Verbraucher in der Rolle des Beklagten ist (§ 29c Abs. 1 S. 2 ZPO). Hier ist örtlich stets das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers zuständig. Die Überschrift dieser Vorschrift ist etwas irreführend, weil sie das Wort „ausschließlich“ nicht enthält.

6. Zuständigkeitsvereinbarungen

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Die Gerichtsstände dienen vor allem dem Schutz des Beklagten. Daher sind abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen durch (Prozess-)vertrag (= Prorogation) nur unter strengen Voraussetzungen (§§ 38, 40 ZPO) möglich. Gerichtsstandsvereinbarungen werden häufig „im Kleingedruckten“ (in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) platziert und sind stets auf ihre Wirksamkeit in folgender Reihenfolge zu prüfen:

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Lesen Sie die zitierten Vorschriften aufmerksam durch. Sollten Sie den Kaufmannsbegriff nicht mehr parat haben, können Sie Einzelheiten im Skript „Handels- und Gesellschaftsrecht“ nachschlagen.

Gerichtsstandsvereinbarungen nach § 38 Abs. 1 ZPO sind nur unter Kaufleuten zulässig. Kläger und Beklagter müssen also Kaufleute sein. Der Kaufmannsbegriff ist in §§ 1, 2 und 6 HGB näher geregelt. Hier sind also HGB-Kenntnisse gefragt. Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 1 HGB betreibt (nach außen gerichtete Tätigkeit, auf Dauer, selbstständig, mit Gewinnerzielungsabsicht, kein Freiberufler nach § 1 Abs. 2 PartGG). Außerdem muss er sein Gewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB „als Profi“ in kaufmännischer Weise (größere Mitarbeiterzahl, höherer Umsatz) ausüben. Dieser Kaufmann wird als sog. Ist-Kaufmann bezeichnet. Kaufmann ist aber auch der „Nicht-Profi“, wenn er im Handelsregister eingetragen ist (§ 2 HGB), der sog. Kann-Kaufmann. Kaufleute sind auch die Handelsgesellschaften nach § 6 HGB (z.B. OHG, KG, GmbH, AG).[60] In jedem Fall sind Gerichtsstandsvereinbarungen mit Verbrauchern (§ 13 BGB) mangels Kaufmannseigenschaft nach § 38 Abs. 1 ZPO nicht erlaubt und missbräuchlich. Dies hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen.[61] Die örtliche Zuständigkeit durch rügelose Einlassung (§ 39 ZPO) kommt nur bei einem entsprechenden richterlichen Hinweis in Betracht.

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Unter Nichtkaufleuten sind Gerichtsstandsvereinbarungen nur unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 2, 3 ZPO zulässig.[62] Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nach § 38 Abs. 2 ZPO möglich, wenn mindestens einer der Vertragspartner keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Weitere Anforderungen ergeben sich aus S. 2 (Schriftform) und S. 3. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 3 ZPO ist zulässig, wenn sie nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich und schriftlich getroffen wurde, was in der Praxis höchst selten vorkommt. Gerichtsstandsvereinbarungen nach §§ 38 Abs. 2 und 3 ZPO können also auch von Verbrauchern getroffen werden.

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Schließlich muss sich jede nach § 38 ZPO zulässige Prorogation an den Grenzen des § 40 ZPO messen lassen. Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist danach nur zulässig, wenn sie sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis bezieht (§ 40 Abs. 1 ZPO). Sie ist stets unzulässig, wenn für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (§ 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ein ausschließlicher Gerichtsstand wäre etwa § 29c (AGV= Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge).

Beispiel

Linus, der Bruder von Mona, hat in Dresden eine 2-Zimmer-Wohnung von der „Wohnungsbaugesellschaft mbH“ (= W-GmbH) für fünf Jahre gemietet. Im Mietvertrag heißt es, dass für Streitigkeiten das AG Kiel zuständig ist (der Geschäftsführer der GmbH hat dort eine Ferienwohnung). Als Linus seine Miete zwei Monate hintereinander nicht bezahlt, beschließt die W-GmbH, Linus auf Zahlung und Räumung vor dem AG Kiel zu verklagen. Ist das Gericht sachlich und örtlich zuständig? Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach der Sonderzuweisung des § 23 Nr. 2a GVG. Für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum (Geschäftsräume fallen nicht darunter) ist das AG unabhängig vom Streitwert ausschließlich sachlich zuständig. Da es sich bei der 2-Zimmer-Wohnung um „Wohnraum“ handelt, ist das AG und nicht das LG erstinstanzlich zuständig. Zu prüfen bleibt, welches Gericht örtlich für den Rechtsstreit zuständig ist. Der allgemeine Gerichtsstand ist der Wohnort des Beklagten (§§ 12, 13 ZPO), so dass danach das AG Dresden örtlich zuständig wäre. Allerdings besteht nach § 29a Abs. 1 ZPO für Streitigkeiten aus Mietverhältnissen eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit am Sitz der Mietsache. Das wäre hier ebenfalls Dresden. Nun wurde zwischen Linus und der W-GmbH eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen. Diese ist aber weder nach § 38 Abs. 1 ZPO zulässig (Linus ist kein Kaufmann) noch nach § 38 Abs. 3 ZPO (die Vereinbarung wurde nicht nach Entstehen der Streitigkeit getroffen). Außerdem ist nach § 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Gerichtsstandsvereinbarung unzulässig, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht. Das ist hier wegen § 29a ZPO (Sitz der Mietsache) der Fall. Somit ist das AG Dresden sachlich und örtlich für den Rechtsstreit zuständig. Seit 2013 sind Räumungsprozesse besonders zügig zu erledigen (§ 272 Abs. 4 ZPO) und das AG Dresden kann eine Sicherungsanordnung (§ 283a ZPO) aussprechen.

7. Rügelose Einlassung (§ 39 ZPO)

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Manchen Beklagten sind die Zuständigkeitsvorschriften der ZPO nicht allzu gut bekannt. Daher kann es passieren, dass ein unzuständiges Gericht infolge rügeloser Einlassung des Beklagten zuständig wird. § 39 ZPO setzt nicht voraus, dass der Beklagte Kaufmann oder Unternehmer ist. Auch Verbraucher, die schweigen, fallen unter § 39 ZPO.[63] Für eine rügelose Einlassung gem. § 39 ZPO ist zunächst erforderlich, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache verhandelt, ohne die Unzuständigkeit des Gerichts zu rügen (§ 39 S. 1 ZPO). Damit wird das Gericht durch bloßes „Schweigen zur Unzuständigkeit“ zuständig (§ 39 S. 1 ZPO). Vergleichsgespräche oder die Einführung in den Sach- und Streitstand sind noch kein „mündliches Verhandeln zur Hauptsache“. Notwendig sind vielmehr Erklärungen zum Streitgegenstand, wie etwa der Antrag auf Klageabweisung aus sachlichen Gründen. Zweite (negative) Voraussetzung ist, dass kein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (vgl. § 40 Abs. 2 S. 2 ZPO). Beim Amtsgericht muss sich der Richter um den rechtsunkundigen Beklagten besonders kümmern. So muss der Beklagte nach § 504 ZPO auf die Unzuständigkeit und die Folgen einer rügelosen Einlassung explizit hingewiesen werden (§ 39 S. 2 ZPO). § 39 ZPO gilt analog auch für die internationale Zuständigkeit.[64]

8. Fehlen der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit

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Das Gericht muss seine Zuständigkeit von Amts wegen prüfen. Da die örtliche und sachliche Zuständigkeit Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage sind, muss eine Klage beim unzuständigen Gericht grundsätzlich durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen werden. Eine Chance gibt es noch für den Kläger. Auf Antrag des Klägers (der merkt, dass er bei einem unzuständigen Zivilgericht Klage erhoben hat), muss das unzuständige Gericht sich selbst für unzuständig erklären und den Rechtsstreit durch förmlichen Beschluss an das zuständige Gericht verweisen (§ 281 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bestehen mehrere Gerichtsstände, kann der Kläger wählen, an welches Gericht verwiesen werden soll (§ 281 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Verweisungsbeschluss ist nach § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbar (Ausnahme Willkür).[65] Die Mehrkosten dieser Verweisung muss stets der Kläger tragen (§ 281 Abs. 3 ZPO). Versäumt der Kläger den Antrag auf Verweisung und ergeht Prozessurteil, ist das nicht weiter schlimm. Er kann erneut Klage, nunmehr beim zuständigen Gericht, erheben, da sein Anspruch ja nicht rechtskräftig aberkannt wurde.[66] Allerdings muss er die Kosten des „ersten Prozesses“ tragen (§ 91 ZPO).

2. Teil Erkenntnisverfahren › C. Die Zulässigkeit der Klage › IV. Parteibezogene Prozessvoraussetzungen

IV. Parteibezogene Prozessvoraussetzungen

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Für die Zulässigkeit einer Klage ist nicht nur wichtig, das „richtige Gericht“ zu finden. Auch die Parteien (Kläger und Beklagter) müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um vor Gericht akzeptiert zu werden. Relevant sind die Stichworte „Parteifähigkeit“, „Prozessfähigkeit“, „Postulationsfähigkeit“ sowie „Prozessführungsbefugnis“.

1. Parteibegriff
a) Zwei-Parteien-Prinzip

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Auch im Zivilprozess geht es romantisch zu. Es gilt das Zwei-Parteien-Prinzip. Vor Gericht muss sich stets ein „Pärchen“ finden. Es gibt genau zwei Parteien, nicht mehr und nicht weniger. Gruppenklagen sind dem deutschen Recht fremd. Auch die Verbandsklage nach dem UKlaG bleibt diesem Grundsatz treu.[67] Anders ist die Situation im amerikanischen Recht. Dort ist es erlaubt, dass zahlreiche Personen (z.B. 2540 erkrankte Raucher und Raucherinnen) in einem Verfahren gegen ein Unternehmen klagen (sog. class action) mit der Folge, dass alle Geschädigten an die Entscheidung gebunden sind.[68] In Deutschland gibt es immerhin bei kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten die Möglichkeit, einer Vielzahl von Aktionärsklagen einen Musterprozess (beim OLG) vorzuschalten (KapMuG; s. auch Rn. 389). Der Zwei-Parteien-Grundsatz bleibt aber auch bei diesem Verfahren unangetastet, denn jeder Prozess wird am Ende einzeln entschieden.

b) Formeller Parteibegriff

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Im Zivilprozess gilt der sog. formelle Parteibegriff. Die Parteien werden formell aus der Klageschrift bestimmt. Parteien sind diejenigen, die in der Klageschrift als Kläger und Beklagter namentlich bezeichnet sind. Das sind die beiden Parteien des Rechtsstreits. Ob zwischen ihnen tatsächlich materielle Ansprüche bestehen, wird erst bei der Begründetheit (Aktivlegitimation des Klägers, Passivlegitimation des Beklagten) geprüft.

Welche Konsequenzen hat ein Tippfehler oder eine irrtümliche Falschbezeichnung der Partei in der Klageschrift? Ungenaue oder unrichtige Angaben sind unschädlich und können vom Richter von Amts wegen jederzeit korrigiert werden (§ 319 ZPO), sofern die Identität der Parteien gewahrt bleibt.[69] Bei „Mehrdeutigkeit“ ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung getroffen werden sollte. Damit kann ein falscher Vorname oder eine falsche Rechtsform (GmbH statt AG) jederzeit berichtigt werden. Hat der Kläger aber tatsächlich einen falschen Beklagten (gewollt) benannt, bleibt dieser Beklagter.[70] Wird die Klage versehentlich einem Dritten zugestellt, wird dieser nicht Partei (er ist ja nicht in der Klageschrift bezeichnet) und der „echte Beklagte“ auch nicht (mangels Zustellung).[71]

Ausgangsfall

Mona ist Klägerin, die Firma V-GmbH ist in der Klageschrift als Beklagte bezeichnet. Damit sind diese beiden die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Es gilt der formelle Parteibegriff. Ob Mona tatsächlich gegen die V-GmbH einen Anspruch aus § 437 BGB hat, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.

2. Parteifähigkeit

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Die am Prozess Beteiligten müssen parteifähig sein. Die Frage der Parteifähigkeit ist stets von Amts wegen zu prüfen (§ 56 ZPO). Sie ist Prozessvoraussetzung und Prozesshandlungsvoraussetzung. Wird über die Parteifähigkeit gestritten, ist die Partei bis zur gerichtlichen Klärung als parteifähig zu behandeln.[72] Fehlt die Parteifähigkeit beim Kläger oder Beklagten, ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen.[73] Nach § 50 ZPO entspricht die Parteifähigkeit der Rechtsfähigkeit nach materiellem Recht. Parteifähig sind demnach alle natürlichen und juristischen Personen.

Hinweis

Materielles Recht und Prozessrecht laufen hier parallel.

a) Natürliche Personen

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Natürliche Personen (= Menschen) sind ab Vollendung der Geburt bis zu ihrem Tod rechts- und damit parteifähig (§ 1 BGB).

b) Juristische Personen

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Juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts sind rechts- und damit parteifähig. Hierzu gehören u.a. die Aktiengesellschaft (AG), der eingetragene Verein (e.V.), die eingetragene Genossenschaft (eG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), die Societas Europaea (SE) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Die „Parteifähigkeit“ ist ein besonders dynamisches ZPO-Thema. Die neueren Entwicklungen gehören zwingend zum Examenswissen. So ist die neue Rechtsform „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ (sog. Mini-GmbH), die in § 5a GmbHG geregelt ist, als juristische Person des Privatrechts ebenfalls parteifähig. Gleiches gilt für die ausländischen Rechtsformen der EU-Mitgliedstaaten (z.B. die englische Limited, deren Schicksal aufgrund des BREXIT derzeit ungewiss ist).[74]

c) Personengesellschaften

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Nach §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB sind auch OHG, KG und GmbH & Co. KG parteifähig. Gleiches gilt für die Partnerschaftsgesellschaft und die (neue) PartmbB (§ 7 Abs. 2 PartGG i.V.m. § 124 HGB). Auch die GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts = BGB-Gesellschaft) ist seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 analog § 124 Abs. 1 HGB parteifähig.[75]

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Vertiefung zur „GbR“: Die Rechtsform der GbR ist in §§ 705 ff. BGB näher geregelt. Voraussetzung ist, dass sich mindestens zwei Personen zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks zusammenschließen. Typischerweise verwenden die freien Berufe die Rechtsform der GbR (Anwalts- und Steuerberaterkanzleien, Architektenbüros). Aber auch Handelsgewerbe, die keinen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern (vgl. § 1 Abs. 2 HGB), können sich dieser Rechtsform bedienen. Mangels einer ausdrücklichen Regelung im BGB wurde die GbR lange Zeit als nicht parteifähig angesehen. Nach einer Entscheidung des BGH aus 2001 ist die GbR als Außengesellschaft nunmehr analog § 124 Abs. 1 HGB parteifähig. Sie kann daher unter ihrer Firma verklagt werden. Analog § 124 Abs. 2 HGB kann im Fall des Prozessgewinns in ihr Vermögen (Konto, Büroeinrichtung etc.) vollstreckt werden. Vorteil dieser Rechtsprechung ist, dass eine GbR nunmehr unter ihrem Namen (z.B. Rechtsanwälte Meier & Kollegen) klagen und verklagt werden kann. Man muss nicht mehr alle Gesellschafter (z.B. 17 Anwälte) namentlich in der Klage bezeichnen. Außerdem muss die Klage nicht umgestellt werden, wenn im Laufe des Prozesses ein Gesellschafter ausscheidet oder ein neuer hinzukommt. Achtung: Eine Besonderheit gilt bei Grundstücken. Ist die GbR Eigentümerin eines Grundstücks, sind nach § 47 Abs. 2 S. 1 GBO neben der GbR auch die Gesellschafter im Grundbuch einzutragen. Bei Grundstücksprozessen sollten daher die GbR-Gesellschafter von Anfang an im Rubrum aufgeführt werden. Denn andernfalls kann ein gegen die GbR erworbener Titel nicht in das Grundbuch vollstreckt werden.[76] Neben der GbR können auch die einzelnen Gesellschafter analog § 128 HGB verklagt werden. Hierfür ist ein eigener Prozess gegen den Gesellschafter erforderlich (§ 129 Abs. 4 HGB analog).

JURIQ-Klausurtipp

Die GbR ist seit der Entscheidung des BGH im Jahr 2001 ein „Dauerbrenner“. Daher sollten Sie die wesentlichen Eckdaten der BGH-Rechtsprechung sowie der Gesetzgebung kennen. Seit 2013 gibt es die neue Rechtsform PartmbB (§ 8 Abs. 4 PartGG), die gerade für Anwaltskanzleien besonders attraktiv ist.

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9783811475212
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