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III. Gerichtsbezogene Prozessvoraussetzungen

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Ein Gericht kann nur dann Rechtsschutz gewähren, wenn es für den Fall zuständig ist. Sachurteilsvoraussetzungen sind die deutsche Gerichtsbarkeit, die Rechtswegzuständigkeit, die internationale, sachliche und örtliche Zuständigkeit. Diese Prüfung ergibt dann, welches Gericht konkret für den Rechtsstreit von Mona zuständig ist (deutsches oder italienisches Gericht, Verwaltungsgericht oder ordentliches Gericht, Amtsgericht oder Landgericht, Amtsgericht München oder Amtsgericht Köln).

Hinweis

Zweckmäßig ist die Prüfung in folgender Reihenfolge: (Deutsche Gerichtsbarkeit), internationale Zuständigkeit, Zulässigkeit des Rechtswegs, sachliche Zuständigkeit, örtliche Zuständigkeit.

1. Deutsche Gerichtsbarkeit

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Die deutsche Gerichtsbarkeit betrifft die Frage, ob bestimmte Personen auf deutschem Boden „Unverfolgbarkeitsstatus“ genießen, wie beispielsweise Personen, die Diplomatenstatus besitzen (§§ 18, 19 GVG). Auch Staaten (z.B. Griechenland, Italien) können nicht von Gläubigern vor deutschen Gerichten verklagt werden (sog. Staatenimmunität gem. § 20 Abs. 2 GVG).[27] In Prüfungen spielt diese Thematik kaum eine Rolle.

2. Internationale Zuständigkeit

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Da auch andere Staaten Gerichte haben, stellt sich die Frage, ob ein deutsches Gericht überhaupt entscheiden darf, wenn der Fall Auslandsberührung hat. Kann ein Student aus China, der in Deutschland studiert, im Inland verklagt werden? Umfassende Regelungen zur internationalen Zuständigkeit fehlen in der ZPO. Es gilt folgender Grundsatz: Ist die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben (§§ 12 ff. ZPO; siehe Rn. 90 ff.), ist automatisch auch die internationale Zuständigkeit indiziert (Doppelfunktionalität).[28] Wer sich örtlich nach Deutschland begibt, muss im Fall einer Streitigkeit damit rechnen, in Deutschland ein Gericht von innen zu sehen. Dabei genügt es, wenn die internationale Zuständigkeit erst im Lauf des Rechtsstreits eintritt.[29]

Beispiel

Leiht ein Studierender aus China von seinem Studienkollegen eine Kaffeetasse und gibt diese nicht zurück, kann der ausländische Studierende aus China an seinem Aufenthaltsort in Deutschland (§ 20 ZPO) verklagt werden. Das deutsche Gericht des Aufenthaltsorts ist auch international zuständig. Die internationale Zuständigkeit folgt also der örtlichen Zuständigkeit.

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Für Streitigkeiten innerhalb der Europäischen Union mit ihren (noch) 28 Mitgliedsstaaten gibt es eine eigene Rechtsverordnung, die EuGVO (= Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; Neufassung ab 1.1.2015 = VO-EU Nr. 1215/2012 = Brüssel Ia-VO). Hierin ist u.a. die internationale Zuständigkeit der Gerichte gegenüber einem Beklagten aus einem der (noch) 28 Mitgliedsstaaten (Ausnahme Dänemark) geregelt. Die EuGVO knüpft die internationale Zuständigkeit dabei grundsätzlich an den Wohnsitz des Beklagten an (Art. 4 Abs. 1 EuGVO).

Beispiele

Wohnt ein spanischer Student während seines Studiums in Deutschland, ist ein deutsches Gericht für gegen ihn gerichtete Zivilrechtsstreitigkeiten auch international zuständig (Art. 4 Abs. 1 EuGVO).

Behauptet eine schwedische Firma auf ihrer Website zu Unrecht, die „VORORT Fliesen GmbH sei eine Gaunerfirma“, gilt Art. 7 Nr. 2 EuGVO (unerlaubte Handlung). Danach kann die GmbH Ansprüche auch in dem Mitgliedstaat erheben, an dem der Schadenserfolg eingetreten ist. Das ist nach Ansicht des EuGH bei Internetveröffentlichungen der Ort, an dem sich der „Mittelpunkt ihres Interesses“ befindet.[30] Da die VORORT Fliesen GmbH den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in Köln ausübt, kann sie die schwedische Firma in Köln auf Unterlassung und Schadensersatz verklagen.

3. Zulässigkeit des Zivilrechtswegs

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Englische Bürger haben es im Fall eines Rechtsstreits relativ leicht, das zuständige Gericht zu finden. Dort existiert ein „Einheitsgericht“, das für sämtliche Streitigkeiten zuständig ist. In Deutschland ist die Situation komplizierter. Hier gibt es fünf verschiedene Gerichtszweige, die für die unterschiedlichen Rechtsgebiete zuständig sind (vgl. Art. 95 GG).


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a) Zuständigkeit der Zivilgerichte

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Nach § 13 GVG sind alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten den Zivilgerichten zugewiesen. Die Zivilgerichtsbarkeit umfasst die streitige (ZPO) und die freiwillige Gerichtsbarkeit (vgl. § 23a Abs. 2 GVG i.V.m. FamFG ab Buch 3). Ob eine „bürgerliche Rechtsstreitigkeit“ vorliegt, entscheidet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird.[31] Der Schwerpunkt muss im Privatrecht liegen. Zur Ermittlung wird der Tatsachenvortrag des Klägers zugrunde gelegt. Im Übrigen sind die Zivilgerichte aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung auch für Streitigkeiten aus anderen Rechtsgebieten zuständig. Beispielsweise haben die Zivilgerichte über die Höhe der Entschädigung bei Enteignungen (Art. 14 Abs. 3 S. 4 GG), über Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung (Art. 34 S. 3 GG) oder Ansprüche aus Aufopferung (§ 40 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden, obwohl diese aus dem öffentlichen Recht stammen. Ist der Zivilrechtsweg eröffnet, entscheidet das zuständige Gericht den Rechtsstreit nach § 17 Abs. 2 S. 1 GVG unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten (zivilrechtliche, öffentlich-rechtliche, arbeitsrechtliche etc.).

Ausgangsfall

Mit ihrer Klage macht Mona Gewährleistungsansprüche wegen einer mangelhaften Kaufsache (§ 437 BGB) geltend. Es handelt sich eindeutig um einen zivilrechtlichen Anspruch, der vor die Zivilgerichte gehört. Das zuständige Zivilgericht wird den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten entscheiden (§ 17 Abs. 2 S. 1 GVG).[32]

Die Einordnung einer Streitigkeit unter die fünf Gerichtszweige fällt nicht immer leicht. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Zivilgerichtsbarkeit ist schwierig, wenn es um Mietstreitigkeiten gegen Kommunen oder um Subventionen geht.[33] Für die Klage gegen die (schlechte) Bewertung einer (juristischen) Hausarbeit durch eine Privat-Uni ist der Zivilrechtsweg eröffnet.[34] Besonders häufig streiten sich Arbeitsgerichte und ordentliche Gerichte um „ihr Klientel“. So vertreten etwa BGH und BAG konträre Meinungen zu der Frage, welches Gericht für Insolvenzanfechtungsklagen des Insolvenzverwalters bezüglich der Zahlung von Arbeitslohn zuständig ist.[35] Der BGH hatte das Verfahren ausgesetzt und dem GmS-OGB vorgelegt.[36]

b) Verweisung bei Fehlen des Zivilrechtswegs

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Den richtigen Rechtsweg zu finden, ist also gar nicht so leicht. Fehlt die Zulässigkeit des Zivilrechtswegs, darf die Klage nicht als unzulässig abgewiesen werden. Das angegangene (falsche) Gericht muss vielmehr nach Anhörung der Parteien von Amts wegen an das zuständige Gericht verweisen (§ 17a Abs. 2 GVG). Diese (rechtskräftige) Entscheidung ist für das Gericht, an das verwiesen wurde, bindend (§ 17a Abs. 2 S. 3 GVG; hierzu BGH NJW 2014, 2125). Damit kann kein Gericht den Fall „im Kreisverkehr“ wieder zurückgeben oder an einen dritten Rechtsweg verweisen. Das zuständige Gericht entscheidet dann den Fall unter allen rechtlichen Gesichtspunkten (§ 17 Abs. 2 S. 1 GVG).

Hinweis

Bei falschem Rechtsweg wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern es ergeht Verweisungsbeschluss von Amts wegen.

4. Sachliche Zuständigkeit
a) Allgemeines

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Die sachliche Zuständigkeit betrifft die Frage, welches Gericht in erster Instanz als Eingangsgericht für den Rechtsstreit zuständig ist. In Betracht kommen Amtsgericht (AG) oder Landgericht (LG). In diesem Zusammenhang ist es zunächst hilfreich, die ordentlichen Gerichte sowie den Instanzenzug zu kennen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst vier Gerichte: die Amtsgerichte (§§ 22 ff. GVG), die Landgerichte (§§ 59 ff. GVG), die Oberlandesgerichte (§§ 115 ff. GVG) und den Bundesgerichtshof (§§ 123 ff. GVG). Der Instanzenzug betrifft die Frage, welches Gericht für die Überprüfung der gerichtlichen Ausgangsentscheidung zuständig ist. Die erste Instanz ist entweder das AG oder das LG. Die zweite Instanz nach dem AG ist das LG (Ausnahme: bei den Familiensachen ist es das OLG). Die zweite Instanz nach dem LG ist das Oberlandesgericht (OLG). Die dritte Instanz ist der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.


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b) Streitwert

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Die sachliche Zuständigkeitsverteilung zwischen AG und LG als Eingangsgerichte der ersten Instanz ist im GVG näher geregelt. Grundsätzlich bestimmt die Höhe des Streitwerts die Zuständigkeit. Die Amtsgerichte sind für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis exakt 5000 € oder weniger zuständig (§ 23 Nr. 1 GVG), die Landgerichte für Streitwerte über 5000 € (§ 71 Abs. 1 GVG).

c) Spezialzuweisungen

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Darüber hinaus gibt es Sonderzuweisungen in §§ 23 Nr. 2, 23a, 71 Abs. 2 GVG, die vorrangig gelten. Die Amtsgerichte sind beispielsweise in Familiensachen sachlich ausschließlich zuständig (§ 23a GVG) oder für Miet- und Wohnungseigentumsstreitigkeiten (§ 23 Nr. 2 GVG). Für die Landgerichte finden sich die Spezialzuweisungen in § 71 Abs. 2 GVG. So ist das LG beispielweise für Klagen aus Amtshaftung (Nr. 2), aus fehlerhaften Kapitalmarktinformationen (Nr. 3) und ab 1.1.2018 für Änderungsanordnungen des Bestellers beim Bauvertrag (Nr. 3 i.V.m. §§ 650b, 650c BGB) ausschließlich zuständig. Um eine höhere Spezialisierung bei den Landgerichten zu erreichen, werden ab 1.1.2018 Zivilkammern für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) gebildet (§ 72a GVG).[37] Daneben existieren bei den Landgerichten Kammern für Handelssachen (§§ 93, 105 GVG), die mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt sind, deren Bedeutung aber drastisch sinkt (50% weniger Eingangszahlen). Ganz ausnahmsweise ist das OLG (bzw. der BGH) das erstinstanzlich ausschließlich zuständige Gericht, soweit es um Entschädigungsansprüche wegen überlanger Verfahrensdauer oder Musterprozesse geht (§§ 118, 201 Abs. 1 GVG). Auch bei den Oberlandesgerichten wird auf Spezialisierung gesetzt. So gibt es die Kartellsenate (§ 91 GWB). Ab 1.1.2018 sind Zivilsenate für bestimmte Sachgebiete (Bankrecht, Baurecht, Arztrecht, Versicherungsrecht) einzurichten (§ 119a GVG).


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Ausgangsfall

Mona klagt auf Übereignung (Ersatzlieferung) 30 neuer Fliesen im Wert von 600 €. Zusätzlich verlangt sie Erstattung der Austauschkosten in Höhe von 2400 €. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich hier nach dem Wert des Streitgegenstands (§§ 23 Nr. 1, 71 GVG). Für die Streitwertberechnung gelten die §§ 2 ff. ZPO. Danach ist der Wert der Hauptforderung entscheidend. Zinsen bleiben unberücksichtigt (§ 4 ZPO).[38] Mehrere Ansprüche (= objektive Klagehäufung § 260 ZPO) werden zusammen gerechnet (§ 5 ZPO). Dies gilt aber nicht für Klage und Widerklage. Im Fall von Mona ergibt die Addition einen Betrag von 3000 € (also unter 5000 €), so dass das AG für die Klage von Mona sachlich zuständig ist.

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Besondere Vorschriften befassen sich mit der Frage, welche Folgen eine Erhöhung oder eine Absenkung des Streitwerts während des Prozesses hat. Hat ein Kläger vor dem LG beispielsweise eine Klage über 10 000 € eingereicht und ermäßigt er die Klage im Laufe des Prozesses auf 4000 €, bleibt das LG nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zuständig (sog. perpetuatio fori). Im umgekehrten Fall (Klage auf 4000 € beim AG, dann Erhöhung auf 10 000 €) gilt die Spezialvorschrift des § 506 Abs. 1 ZPO. Hier sind drei verschiedene Varianten denkbar. Zum einen muss das AG an das LG verweisen, wenn eine Partei die Verweisung beantragt (§ 506 ZPO). Das LG als höheres Gericht wird sozusagen immer als „Top-Adresse“ angesehen. Wird ein Verweisungsantrag nicht gestellt und schweigt der Beklagte zur Unzuständigkeit, bleibt die Zuständigkeit des AG durch rügelose Einlassung bestehen (§ 39 ZPO). Beantragt der Beklagte wegen Unzuständigkeit des AG Klageabweisung und stellt der Kläger keinen Verweisungsantrag, muss das AG die Klage als unzulässig abweisen.

JURIQ-Klausurtipp

Die sachliche Zuständigkeit ist besonders examensrelevant. Die Abgrenzung zwischen der Zuständigkeit des Amts- und des Landgerichts muss beherrscht werden. Die Frage, ob bei einem Streitwert von exakt 5000 € noch das Amtsgericht zuständig ist, sollte man ebenfalls kennen. Gleiches gilt für die Zuständigkeitsvorschriften (§§ 261, 506 ZPO) bei Erhöhung oder Ermäßigung des Streitwerts während eines Prozesses (perpetuatio fori).

5. Örtliche Zuständigkeit

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Während die sachliche Zuständigkeit die Frage betrifft, ob das AG oder das LG über den Fall entscheidet, befasst sich die örtliche Zuständigkeit mit der Frage, welches konkrete Gericht von den 638 Amtsgerichten bzw. den 115 Landgerichten[39] in Deutschland zuständig ist. Die örtliche Zuständigkeit ist in §§ 12–40 ZPO, 122 FamFG sowie in einigen Spezialgesetzen geregelt. Synonym werden für die örtliche Zuständigkeit die Begriffe „Gerichtsstand“ bzw. der lateinische Begriff „Forum“ verwendet. Die Zuständigkeitsvorschriften der §§ 12 ff. ZPO sind Regelungen mit eigenem Gerechtigkeitsgehalt.[40] Anknüpfungspunkte sind vor allem die örtlichen Verhältnisse des Beklagten (Wohnsitz), die Sachnähe sowie die Konzentration.

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Die ZPO unterscheidet zwischen allgemeinen, besonderen und ausschließlichen Gerichtsständen. Der Kläger hat zwischen mehreren allgemeinen und besonderen Gerichtsständen nach § 35 ZPO die Wahl. Dieses Wahlrecht besteht jedoch nicht, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand existiert. Ausschließlich sind Gerichtsstände, wenn sie im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet sind, wie der dingliche Gerichtsstand (§ 24 ZPO), der Gerichtsstand bei Miet- oder Pachträumen (§ 29a ZPO) sowie der Gerichtsstand bei falschen Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO). Sie schließen andere Gerichtsstände aus und man kann sie nicht durch Parteivereinbarung loswerden (§ 40 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

a) Allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12 bis 19a ZPO)

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Lesen Sie die zitierten Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit aufmerksam durch und verschaffen Sie sich einen Überblick. Die wesentlichen Informationen lassen sich ganz leicht dem Gesetzestext entnehmen.

Der allgemeine Gerichtsstand richtet sich gem. § 12 ZPO nach der Person des Beklagten. Am allgemeinen Gerichtsstand kann man immer klagen, sofern nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (§ 12 ZPO). Primär knüpft der allgemeine Gerichtsstand an den Wohnsitz des Beklagten an (§ 13 ZPO i.V.m. §§ 7 ff. BGB). Dem liegt die Idee zugrunde, dass der Angreifer den Angegriffenen an dessen Ort aufzusuchen hat („actor sequitur forum rei“).[41] Wenn man schon verklagt wird, soll es zumindest einen „Heimvorteil“ geben. Verlegt der Beklagte seinen Wohnsitz, bleibt die örtliche (und internationale) Zuständigkeit des Gerichts erhalten (§ 261 Abs. 2 Nr. 2 ZPO = perpetuatio fori).[42]

Juristische Personen (z.B. GmbH, Aktiengesellschaft, SE) und andere parteifähige Personengesellschaften (z.B. OHG, KG, GbR) haben ihren allgemeinen Gerichtsstand an ihrem Sitz (= Satzungssitz)[43] und hilfsweise am Ort der Verwaltung (§ 17 Abs. 1 ZPO). Ort der Verwaltung ist, wo Personal eingestellt, Telefonate geführt, Verträge entworfen und alle wichtigen Entscheidungen der Geschäftsführung getroffen werden. Für Klagen gegen den Insolvenzverwalter ist der Sitz des Insolvenzgerichts maßgebend (§ 19a ZPO). Für wohnsitzlose Beklagte gilt § 16 ZPO.

b) Besondere Gerichtsstände

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Nicht immer ist der allgemeine Gerichtsstand am Wohnsitz des Beklagten „ideal“. Bei einem Autounfall mag es zweckmäßiger sein, den Verursacher direkt am Unfallort zu verklagen, weil dort die Zeugen und der Tatort zur Verfügung stehen. Aufgrund besonderer Sachnähe hat die ZPO daher „besondere Gerichtsstände“ kreiert. Die wichtigsten besonderen Gerichtsstände sind folgende: Aufenthaltsort (§ 20 ZPO), Niederlassung (§ 21 ZPO), Mitgliedschaft (§ 22 ZPO), Erbschaft (§§ 27, 28 ZPO), Erfüllungsort (§ 29 ZPO), Haustürgeschäfte = AGV = Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§ 29c ZPO), Beförderung (§ 30 ZPO), Bergung (§ 30a ZPO), unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO), Widerklage (§ 33 ZPO). Im Folgenden sind die Gerichtsstände vorzustellen, die besondere Examensrelevanz besitzen.

aa) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO)

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Kennen Sie noch die hier zitierten Anspruchsgrundlagen des materiellen Rechts? Wenn nicht, nutzen Sie die Gelegenheit, Ihre Kenntnisse im Delikts- und Produkthaftungsrecht aufzufrischen.

Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) gilt für alle unerlaubten Handlungen nach §§ 823 ff. BGB, für Ansprüche aus Gefährdungshaftung (z.B. §§ 1 ProdHaftG, 7 StVG) und Ansprüche aus § 1004 BGB. Maßgebend ist der Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde. Dies ist grundsätzlich der Ort, wo der Täter gehandelt hat (Handlungsort) oder wo in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort).[44] Bei einem Autounfall ist es der Unfallort.

Beispiel

Mona wird beim Überqueren der Straße in Hamburg von einem Autofahrer, der in Stuttgart wohnt, angefahren. Die Behandlungskosten betragen 2000 €. Welches Gericht ist zuständig? Sachlich zuständig ist das AG, da der Streitwert unter 5000 € liegt (§ 23 Nr. 1 GVG). Der allgemeine Gerichtsstand des beklagten Autofahrers ist Stuttgart, da er dort seinen Wohnsitz hat (§§ 12, 13 ZPO). Zusätzlich könnte der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gegeben sein (§ 32 ZPO). Ein Fall der unerlaubten Handlung liegt vor, da Mona ihre Klage auf § 823 BGB bzw. § 7 StVG stützt. Die unerlaubte Handlung wurde in Hamburg begangen. Hier wurde der Körper von Mona verletzt. Handlungs- und Erfolgsort liegen in Hamburg (wo Mona ärztlich behandelt wird, ist unerheblich). Da mehrere Gerichtsstände in Frage kommen und kein ausschließlicher Gerichtsstand vorliegt, kann Mona wählen (§ 35 ZPO), ob sie in Stuttgart oder in Hamburg Klage erhebt.

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Bei Persönlichkeitsverletzungen in einer überregionalen deutschen Zeitschrift sind die Erfolgsorte überall dort, wo die Zeitschrift bestimmungsgemäß vertrieben wird.[45] Bei Klagen gegen Medienberichterstattungen führt das faktisch zur freien Wahl des Forums. Umstritten ist der Erfolgsort bei Rechtsverletzungen im Internet. Nach Ansicht des BGH kann die bloße Abrufbarkeit der Website (im Inland) keinesfalls zuständigkeitsbegründend wirken; dies würde sonst zu einem uferlosen „weltweiten Verfolgungsrecht“ des Beklagten führen. Daher wird neben der Abrufbarkeit in Deutschland ein besonderer Inlandsbezug verlangt.[46] Ein solcher liegt vor, wenn eine Kenntnisnahme der Internetmeldung aufgrund ihres spezifischen Inhalts durch deutsche (inländische) Internetnutzer nahe liegt.[47] Gibt ein User in eine Suchmaschine Vor- und Nachnamen ein und erhält hierauf (unwahre) Suchwortergänzungsvorschläge in deutscher Sprache, liegt ein Inlandsbezug vor.[48] Der Betreiber der Suchmaschine mit Sitz in USA kann daher in Deutschland verklagt werden. Gleiches gilt, wenn ein Blog in deutscher Sprache, der sich an deutsche und auf Mallorca lebende Immobilienbesitzer richtet, unter Angabe des vollen Namens und der Adresse des Opfers veröffentlicht wurde.[49] Ein in russischer Sprache verfasster Bericht über eine private Reise in Moskau begründet dagegen keinen Inlandsbezug.[50] Auf die Anzahl der Klicks oder der registrierten Portalnutzer im Inland kommt es nicht an. Bei Internetveröffentlichungen ist auch der EuGH der Ansicht, dass der Betroffene nicht in jedem Mitgliedstaat (aufgrund der Abrufbarkeit) klagen kann.[51]


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Wird im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) Klage erhoben, ist fraglich, ob das Gericht auch andere Ansprüche, wie vertragliche Ansprüche, zusätzlich prüfen darf. Dies war lange streitig und wurde unter dem Stichwort „Gerichtsstand des Sachzusammenhangs“ diskutiert. Mittlerweile hat der BGH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass das Gericht den Rechtsstreit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten entscheiden darf. Begründet wird dies mit der analogen Anwendung des § 17 Abs. 2 S. 1 GVG.[52]

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9783811475212
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