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Die Erosion der spanischen Europa-Euphorie

Zwar erhielt Gonzalez im spanischen Parlament viel Lob für den Abschluß des Gipfels. Doch außerhalb tobte die Debatte über die Europapolitik der Regierung Gonzalez weiter. Dabei verflochten sich drei Themen miteinander: Europäische Gemeinschaft, Wirtschaftskrise und Wahlkampf.

Meinungsumfragen ergaben folgendes Bild: 50 Prozent der Spanier konnten dem Maastricht-Vertrag nichts Positives abgewinnen und im Oktober 1992 glaubten 54 Prozent, die wirtschaftliche Situation des Landes sei schlecht.

Die oppositionelle Partido Popular warf Gonzalez exzessiven „Europäismus“ vor. Die Liste der Vorwürfe wurde immer länger. Der Hauptvorwurf lautete: Gonzalez würde spanische Interessen vernachlässigen und übertreibe die Bedeutung des Kohäsionsfonds, denn sein Anteil am Staatshaushalt betrage nur 0,5 Prozent. Gonzalez sei besessen von der wirtschaftlichen und technischen Modernisierung Spaniens und übersehe, daß dies zulasten sozialer Errungenschaften gehe. Ein weiteres Ziel der Kritik war Wirtschaftsminister Solchaga, weil er Spanien so bald wie möglich unter den führenden Wirtschaftsnationen der Gemeinschaft sehen wollte. Aus diesem Grunde forcierte er den Konvergenzplan, damit Spanien in die dritte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion integriert werden kann.

Wie sah das konkret aus?

Anfang August 1992 stellte sich die Lage folgendermaßen dar: Trotz Sparpolitik wuchs das Minus in der Staatskasse. Bereits im ersten Halbjahr 1992 summierte sich das Defizit auf fast zwanzig Milliarden Mark. Finanzminister Solchaga reagierte: Er erhöhte die Mehrwertsteuer von dreizehn auf fünfzehn Prozent und gut verdienende Spanier mußten eine höhere Einkommenssteuer hinnehmen. Hinzu kamen Kürzungen bei den Ausgaben für alle Ministerien. Durch diese Maßnahmen sollten rund fünf Milliarden Mark in die Kassen des Finanzministers fließen. Doch das war noch nicht alles – Solchaga kündigte weitere Sparmaßnahmen an. Und warum das alles? Weil Spanien zu diesem Zeitpunkt kaum eine der Bedingungen für die Aufnahme in die Wirtschafts- und Währungsunion erfüllte. Die Inflation lag mit über sechs Prozent viel zu hoch, das Staatsdefizit überschritt die Vorgaben um mehr als ein Drittel. Hinzu kamen weitere Baustellen: Während die Importe zunahmen, stiegen die Ausfuhren kaum noch. Somit wies die Handelsbilanz ein Rekorddefizit aus. Eine Ursache war sicher die weltweite Konjunkturschwäche, andererseits minderte die überbewertete Peseta die Chancen der spanischer Exporteure.

Eine weitere Baustelle war die regierende sozialistische Partei. Dort wuchs die Zahl der Gegner. An ihrer Spitze stand Arbeitsminister Luis Martinez Noval. Er verhinderte jeden Versuch seines Kabinettskollegen, das Arbeitsrecht zu lockern und den Unternehmen mehr Spielraum bei Entlassungen zu gewähren. Dies würde, so behauptete Noval, weitere Konflikte mit den Gewerkschaften provozieren.

Als im April das Arbeitslosengeld halbiert wurde, riefen die Gewerkschaften prompt zum Arbeitskampf auf. Zwar geriet der Generalstreik – es war der zweite seit dem Ende der Franco-Diktatur – zu einem Flop, doch für den Herbst kündigten die Gewerkschaften weitere Streiks an, falls das Arbeitslosengeld nicht wieder erhöht werde.

Und was war die Folge? Ein „Sozialpakt“ zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmern, wie ihn die EG-Kommission den Spaniern zur Vorbereitung auf die Europa-Union nahelegte, hatte kaum noch Chancen auf Realisierung.

Kein Zweifel: Für Gonzalez wurde es ziemlich eng, denn die Spanier waren äußerst unzufrieden mit ihm und seiner Europapolitik. Laut einer Umfrage glaubte jeder Dritte, daß es ihm schlechter gehe als vor drei Jahren. Jeder dritte Befragte machte die Integration in die EG und damit den Konvergenzplan für die Misere verantwortlich.

Im März 1992 präsentierte Superminister Solchaga den „Plan zur Konvergenz“. Danach war Folgendes vorgesehen: 1. der Abbau der Inflation. Das bedeutete weiterhin hohe Zinsen. 2. Deregulierung des Arbeitsmarktes. 3. Auflösung von überflüssigen Behörden und Privatisierung von Staatsbetrieben. 4. Das Defizit der öffentlichen Haushalte sollte in den nächsten Jahren um drei Viertel gedrückt werden. Weil Steuererhöhungen nach 1993 ausgeschlossen wurden, konnte dies nur durch Kürzungen bei den Ausgaben realisiert werden. Das betraf vor allem die sozialen Leistungen, denn für den Bau von Straßen und Eisenbahnlinien waren höhere Ausgaben geplant. Mit diesem Konzept, das auch eine Verbesserung der mangelhaften Berufsausbildung vorsah, erntete Solchaga in Brüssel Lob – in Spanien jedoch stieß er auf Widerstand.

Innerhalb der parlamentarischen Gruppe der Izquierda Unida, den Gewerkschaften und anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sektoren verbreitete sich die Befürchtung, daß der Konvergenzplan unheilvolle Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben könnte.

Damit lagen sie nicht falsch, denn im Januar 1993 wurden 3 Millionen Arbeitslose registriert – mit steigender Tendenz. Selbst Delors gab angesichts dieser Zahlen zu, daß die Arbeitslosenrate für Spanien ein Hindernis auf dem Weg eines „Europas der höchsten Geschwindigkeit“ werden könnte. Die Äußerungen Delors’ fachten die Debatte über den Konvergenzplan zwischen Unternehmerverbänden und Gewerkschaften als auch innerhalb des Kabinetts erst richtig an. Dabei wurde klar: Die Regierung war gespalten. Während das Wirtschaftsministerium Delors scharf kritisierte, befanden die Minister für auswärtige Angelegenheiten und Landwirtschaft, es sei „kein Drama“, wenn Spanien 1997 nicht in das „Europa der höchsten Geschwindigkeit“ integriert werden könne.

Das ohnehin schon gereizte Klima wurde noch durch unzählige Korruptionsaffären aufgeheizt (dazu gleich mehr). Im Juni 1992 meinten 43 Prozent der Bevölkerung, die Bestechlichkeit und Gier mancher Politiker sei das Hauptproblem des Landes. Nach dem Wahlausgang 1993 befragt, antworteten 40 Prozent, daß sie sich keine Wiederholung des Wahlsieges der PSOE mit absoluter Mehrheit wünschen. Gonzalez konnte also nicht mehr übersehen, daß sich immer mehr Spanier von ihm abwandten – obwohl er auf der Beliebtheitsskala noch immer vor seinem Herausforderer Jose Maria Aznar rangierte.

1993: Wahljahr, Krise und der Vertrag von Maastricht

Die Skepsis der Bevölkerung fand ihre Bestätigung im OECD-Jahresbericht. Der zeichnete nicht nur ein düsteres Bild der spanischen Wirtschaft, er war auch gespickt mit zahlreichen Empfehlungen, die auf ein Versagen der Politik hinwiesen. So wurde den Iberern empfohlen, die Peseta im Europäischen Währungssystem (EWS) zu belassen, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Inflation zu verringern.

Diese umfassende Kritik passte der Opposition ganz gut ins Bild. Zwei weitere Negativereignisse waren jedoch regelrecht Wasser auf ihre Mühlen:

1 Am Jahresende war das Staatsdefizit auf 6,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes gestiegen – also doppelt so hoch wie für den Eintritt in die letzte Phase der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) vorgesehen.

2 Nirgendwo sonst in der Europäischen Union gab es so viele Arbeitslose wie in Spanien – nämlich 18 Prozent.

Der Regierung Gonzalez erwies sich als wenig einfallsreich, um den Niedergang zu stoppen. Sie schlug eine weitere Abwertung der Peseta vor – diesmal um 8 Prozent. Das bedeutete: Die spanische Währung hatte seit Juni 1992 durch drei Abwertungen 22 Prozent ihres Wertes verloren. Diese Entwicklung verstärkte die kritische Haltung der spanischen Bevölkerung. Insgesamt stuften 72 Prozent die wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht ein. Die Folge war, daß die PSOE bei den vorverlegten Parlamentswahlen die absolute Mehrheit verlor und die konservative PP mit Aznar eine Alternative zur Regierung darstellte.

Nachdem die Regierung eine Arbeitsmarktreform plante, reagierten die Gewerkschaften am 17. Januar 1994 mit einem Generalstreik. Die Kritik am politischen und wirtschaftlichen Kurs setzte sich bei den Europawahlen 1994 fort. Nicht Europa stand für die Wähler obenan, sondern der Zustand Spaniens. Gonzalez sah das anders. Im Interview mit der „Zeit“ gab er folgende Einschätzung: „Für mich ist die Europäische Union die beste politische Erfindung dieses Jahrhunderts. Ja, Europa ist voller Mängel und Probleme, aber im historischen Vergleich ist es die größte Idee dieses Jahrhunderts. Nichts kommt dem gleich.“ (Zeit, 25.11.1994)

1994: Korruption wird zum Modewort

Die in Spanien angesehene Zeitung „El Pais“ landete mit der Einschätzung, 1994 sei „ein Jahr zum Vergessen“, einen Volltreffer. Korruption wurde zum Modewort. Im Mittelpunkt der Affären standen immer wieder Freunde und Weggefährten von Regierungschef Gonzalez. Dessen Popularität sank gegen null. „Die Sonne von Gonzalez wärmt nicht mehr, wir spüren das Böse dahinter“, stellte der Kolumnist Francisco Umbral fest. Außerdem wurden die Konvergenzkriterien wieder mal nicht erreicht. Doch beginnen wir mit den spektakulären Korruptionsfällen:

Fall 1:

1990 geriet der ehemalige Vizepremier Alfonso Guerra wegen Bereicherungsversuchen seiner Brüder unter Beschuß und mußte zurücktreten. Dennoch sorgte Gonzalez nicht dafür, daß sein langjähriger Weggefährte aus den Kämpfen gegen Franco auch innerhalb der Partei entmachtet wurde. Und so verwickelten Guerras Vertraute im PSOE - Apparat die Sozialisten in die nächste Affäre – den Parteispendenskandal um die Briefkastenfirma Filesa, über die Empfänger von Staatsaufträgen gegen fingierte Rechnungen Geld an die PSOE zahlten.

Fall 2:

Luis Roldan war von 1986 bis zu seiner unehrenhaften Entlassung Ende 1993 der oberste Polizist des Landes, er war der Generaldirektor der Guardia Civil. Als er wegen Unterschlagung, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung angeklagt wurde, floh er ins Ausland. Die Opposition verlangte den Rücktritt von Ministerpräsident Gonzalez und behauptete: Einige Staatsbeamte hätten Roldan bei seiner Flucht geholfen. Warum? Weil zahlreiche Führungsmitglieder aus der seit zwölf Jahren regierenden Sozialistischen Partei (PSOE) befürchten mußten, daß Roldan im Falle seiner Verhaftung über dunkle Geschäfte der Vergangenheit plaudern würde. „Entweder schieße ich mir eine Kugel in den Kopf, oder ich packe über andere aus“, verkündete Roldan düster aus seinem Versteck. Niemand bezweifelte, daß er einiges zu erzählen hätte.

Roldan hatte seine Nebengeschäfte besonders dreist betrieben: Landesweit hatte er Grundstücke mit Geldern aus schwarzen Kassen zusammengekauft; Freundinnen, Exgattinnen und Saufkumpane dienten ihm als Tarnadressen auf seinem Weg zum schnellen, illegalen Reichtum. Zudem kassierte er happige Kommissionen für die Vergabe von Aufträgen zum Bau von Polizeikasernen; Steuergelder, die eigentlich in den Kampf gegen Terrorismus fließen sollten, landeten in seinen Taschen. Selbst aus dem Waisenfonds der Guardia Civil soll Roldan umgerechnet 750 000 Mark auf seine Auslandskonten überwiesen haben.

Fall 3:

Auch Notenbankchef Mariano Rubio mußte seinen Hut nehmen. Er hatte über die Maklerfirma eines Börsenfreundes Insidergeschäfte abgewickelt und die Gewinne über ein ausländisches Nummernkonto an der Steuer vorbei geschleust.

Fall 4:

Die PSOE. Sie hat ihre Wahlkampagne 1989 mit Provisionen finanziert, die sie illegal von ausländischen Unternehmen eintrieb. Allein Siemens soll 14 Millionen Mark gezahlt haben. Warum? Die Deutschen wollten unbedingt am Bau des Hochgeschwindigkeitszugs Ave zwischen Madrid und Sevilla beteiligt werden. Nach über drei Jahren Ermittlung erhob der Untersuchungsrichter Anklage gegen 39 Personen. In den spanischen Medien wurde genüsslich die Geschichte der ehemaligen Finanzkoordinatorin der PSOE Aida Alvarez ausgebreitet. Bei der Beschaffung von Geld für die PSOE-Kasse wurde sie selber reich. In ihrer 500-Quadratmeter-Villa ließ sie eine Kühlkammer nur für ihre Pelzmäntel einrichten.

Auch der Regierungschef blieb nicht ungeschoren. Ein häufiger Vorwurf lautete: Er habe es versäumt, die Macht der Parteibonzen zu brechen. So konnte sich im Schatten der Regierungspartei das „pelotazo“ entwickeln: Gegen Bares wurden Insiderinformationen weitergegeben. Dies war im Fall des Notenbankchefs Mariano Rubio so, der mit Börsenspekulationen in wenigen Monaten mehrere Millionen Mark verdiente.

Rückschritt bei den Konvergenzkriterien

Auch 1994 wurde es in puncto wirtschaftlicher Konvergenz – verglichen mit dem Vorjahr – nicht besser. Spanien gehörte neben Griechenland, Italien und Portugal zu der Ländergruppe, die keine der vier Konvergenzkriterien erfüllte:

 Die Inflationsrate lag bei 4,7 Prozent (maximal zulässig sind 3,5 Prozent);

 das Haushaltsdefizit lag mit 62,7 Prozent des BIP deutlich über dem zulässigen Wert von 60 Prozent;

 die jährliche Neuverschuldung von 6,7 Prozent des BIP wich erheblich vom zulässigen Konvergenzlimit von 3 Prozent ab;

 der nominelle langfristige Zinssatz von 9,9 Prozent überstieg den erlaubten EU-Wert von 9,5 Prozent.

Und dann kam der „Währungssturm“ im EWS. Eine Folge war, daß die Peseta schon während der ersten Wochen 1995 um 7 Prozent abgewertet werden mußte. Dahinter stand als Ziel: einen größeren Handlungsspielraum für die Kontrolle des Haushaltsdefizits zu erlangen. Doch es war die vierte Abwertung in drei Jahren. Dadurch verlor die Peseta insgesamt 31 Prozent ihres Wertes gegenüber der DM.

Entscheidend war jedoch, daß diese Abwertung den Zugang Spaniens zu der dritten Stufe der WWU verhinderte, falls sie 1997 realisiert würde. Die Drohung einer Ausgrenzung der Peseta lag weiterhin in der Luft und war Thema im ganzen Land.

Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten zwei führende deutsche Politiker ihre Gedanken und Ideen zum Zustand in Europa. Fast jeder europäische Regierungschef erblickte darin eine ungeheure Provokation (s. dazu im Anhang: Das Schäuble/Lamers-Papier)

1995: Das Ende naht

Seit den Wahlen von 1993 hatten sich die innenpolitischen Spannungen in Spanien zunehmend verschärft. Das war auch 1995 nicht anders.

Es begann mit einem Abhörskandal. Ausgelöst hatte ihn der militärische Geheimdienst Cesid. Der hatte von 1984 bis 1991 ohne richterliche Erlaubnis private Telefongespräche von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Presse, ja sogar Unterhaltungen des Königs Juan Carlos abgehört und aufgezeichnet. Obwohl Geheimdienstchef Manglano anordnete, die Unterlagen zu vernichten, bewahrte ein Mitarbeiter sie auf und nahm sie bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst mit nach Hause.

Wenig später stand der zurückgetretene Cesid-General Manglano, vom Regierungschef zunächst mit der Aufklärung der Affäre beauftragt, unter Anklage. Der Vorwurf an Gonzalez: Er habe viel zu spät eine Reform der Geheimdienstarbeit angeordnet. Den Nachfolger für Manglano mußte er in Absprache mit der Opposition ernennen.

Bereits im März deuteten die Meinungsumfragen auf ein Ende der Sozialisten-Regierung hin. Hätte es damals Parlamentswahlen gegeben – die konservative Partido Popular wäre mit einem Vorsprung von rund zehn Prozent Sieger geworden.

Die Bilanz der Regierung Gonzalez

Eine Bilanz der zwölfjährigen sozialistischen Regierung führt zu folgendem Ergebnis: 1. Es wurden Reformen durchgesetzt wie die Einführung des kostenlosen Bildungswesens und die Schaffung eines Gesundheitssystems, das zu den fortschrittlichsten in der westlichen Welt zählt. 2. Die völlig abgeschottete und veraltete Wirtschaft wurde in die EG integriert. 3. Das demokratische System erwies sich – trotz Korruptions- und Geheimdienstaffären – als stabil. 4. Die Sozialisten bauten nicht nur Tausende Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen, sie entstaubten auch die vom katholischen Klerus geprägte Moral der Gesellschaft: Schwangerschaftsabbruch wurde unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Mancherorts können homosexuelle Lebensgemeinschaften eheähnliche Vorteile genießen. 5. Zudem schuf Gonzalez einen Sozialstaat mit Arbeitslosenunterstützung, Rentensystem, staatlichem Gesundheitsdienst sowie freiem Zugang zu Schulen und Universitäten. 6. Unter seiner Regie wurde die Wirtschaft in Richtung einer Marktwirtschaft gebracht. 7. Vor allem am Beginn der neunziger Jahre wurde der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft mehr und mehr zurückgedrängt. Beispiele hierfür waren die Privatisierung von großen Staatsbetrieben wie der Telefónica oder des Stromriesen Endesa als auch die angestrebte Konsolidierung der Staatsfinanzen.

1996/1997 – nach dem Wahlsieg von Aznar

Nach dem Sieg der konservativen Partei (Partido Popular) bei den Wahlen im März 1996 wurde Jose Maria Aznar am 4. Mai 1996 zum Premierminister ernannt. „Weniger Staat, mehr Markt“ lautete sein Slogan und er kündigte an: „Wir werden in zweieinhalb Jahren Spaniens Wirtschaft grundlegend reformieren“. Auch für Aznar hatte die Erfüllung der EWU-Konvergenzkriterien höchste Priorität. Während seines Besuches in den Niederlanden Anfang 1997 erklärte er, daß seine gesamte Politik auf den Beitritt Spaniens in die Währungsunion im Jahr 1999 ausgerichtet sei.

Und es begann gar nicht schlecht für den neuen Regierungschef. Ende 1996 und Anfang 1997 brummte die Wirtschaft wieder so sehr, daß 1996 mit 13,8 Prozent die geringste Arbeitslosenquote seit 1982 gemeldet wurde. Das machte die spanische Regierung ziemlich optimistisch und somit kündigte sie an, den vorgesehenen Fahrplan zur Währungsunion werde sie einhalten. Bei der Sitzung des ECOFIN-Rates im Mai 1997 wurde der Konvergenzplan angenommen. Die Regierung Aznar wollte vor allem das Haushaltsdefizit reduzieren. Das erledigte sie, indem die Beamtengehälter eingefroren und die öffentlichen Ausgaben reduziert wurden. Hinzu kamen Privatisierungen. Ergebnis: Bis 1997 wurden 340.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, die Verbraucherpreise stiegen nur um zwei Prozent, die Zinsen fielen unter 6 Prozent und die öffentliche Verschuldung unter 3,2 Prozent des BIP. Gratulation – damit hatte Spanien bereits die Voraussetzungen für den Eintritt in die Währungsunion erfüllt.

Doch dann stellte sich Aznar quer, als auf französischen Druck die fünfzehn EU-Mitglieder zu einem Beschäftigungsgipfel im November in Luxemburg zusammenkamen. Er lehnte jegliche europäische Kontrolle über seine nationale Arbeitsmarktpolitik oder andere Politiken ab. Dies galt insbesondere für Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. Spanien erwarb eine „opting out“-Klausel. Das bedeutet: Die Regierung Aznar mußte die für andere Länder festgelegte Frist von fünf Jahren für die Senkung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit nicht beachten.

Die PSOE warf Aznar vor, daß sich Spanien zum ersten Mal von einem wichtigen Bereich der europäischen Politik ausgeschlossen habe. Die Regierung ihrerseits rechtfertigte ihre Einstellung mit der ungeheuren Dimension dieses Problems: 20 Prozent der aktiven Bevölkerung, das heißt, mehr als drei Millionen Personen waren arbeitslos, davon waren Jugendliche im Alter von 20 bis 24 Jahren sowie Langzeitarbeitslose besonders betroffen. 31,5 Prozent der Langzeitarbeitslosen suchten seit über zwei Jahren eine Arbeitsstelle. Der Durchschnitt der Arbeitslosigkeit in Spanien lag 10 Prozentpunkte über dem Durchschnitt in der Gemeinschaft. Dennoch, so die Aznar-Regierung, seien unter ihrer Führung 1997 immerhin 50 Prozent der in Europa neu entstandenen Arbeitsplätze in Spanien geschaffen worden.

Auf dem Euro-Gipfel im Mai 1998 trumpfte Aznar erneut auf, denn der spanische Staat war geringer verschuldet als der deutsche oder der französische.

Ein weiteres Gipfel-Thema war die Osterweiterung. Dazu nahmen die Spanier folgende Position ein: Wenn die Erweiterung keine höheren Kosten für die Kohäsionsländer und die gemeinsame Agrarpolitik bedeute, sei das positiv.

Doch Außenminister Matutes war klar: Es sei naiv, davon auszugehen, die Erweiterung sei kostenlos. Begründung: Die durchschnittliche Wirtschaftskraft der neuen mittelosteuropäischen Demokratien sei weit entfernt von der durchschnittlichen Wirtschaftskraft der EU-Mitgliedstaaten. Aznar sagte während seines Treffens mit Bundeskanzler Kohl im Januar 1997, Spanien habe keine Sorge wegen der Osterweiterung, warnte jedoch, dieser Prozeß werde „seine Entwicklungsphasen und seine Zeit“ brauchen.

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