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Wie Immobilienspekulanten reich werden

In dieser aufgeheizten Atmosphäre redete sich Wirtschaftsminister Solchaga um Kopf und Kragen, als er behauptete: „Spanien ist das Land, in dem man am schnellsten reich werden kann“. Zum Teil traf das sogar zu – vor allem für jene Wohlhabenden, die auf dem Immobilienmarkt der spanischen Hauptstadt agierten. Madrid war zu einer imposanten internationalen Metropole aufgestiegen. Doch es gab ein Problem und das hieß Wohnungsnot. 200.000 Bleiben standen leer. Das war die Folge eines Immobilienbooms, der immer mehr Madrilenen damit konfrontierte, daß sie die horrenden Haus- und Wohnungspreise nicht mehr zahlen konnten. Bereits ein einfaches Reihenhaus am Stadtrand kostete umgerechnet über eine Million Mark, eine Etagenwohnung mit Blick auf den Retiro-Park das Doppelte. Die Mieten zogen ebenso rasch an: 3500 Mark im Monat für eine Dreizimmerwohnung in der Stadtmitte waren die Regel. Bei diesem Spiel wurde nur eine kleine Minderheit von 14 Prozent, die zwei oder mehr Immobilien besaß, reich. Die große Mehrheit wurde ärmer. Über 170.000 Menschen flohen in den letzten drei Jahren vor der Wohnungsmisere der Hauptstadt.

Diese Entwicklung wurde auch durch eine Flut ausländischen Investitionskapitals angeheizt, das seit dem Eintritt Spaniens in die EG ins Land strömte. Zudem brauchten Banken und Firmen Büroraum.

Die Sozialisten förderten diesen Boom. Mit den Gewinnen der Unternehmer, so hofften sie, könnten neue Arbeitsplätze entstehen und ein anhaltender Aufschwung finanziert werden. So wurde in nur wenigen Jahren die Regierungshauptstadt auch ein wirtschaftliches Zentrum. Barcelona konnte zwar mehr Industrieansiedlungen vorweisen, doch zwei Drittel aller Beschäftigten in Hightech-Firmen arbeiteten in Madrid. Rund 80 Prozent aller Finanzinstitute errichteten dort ihren Hauptsitz.

Neben dieser kleinen Glitzerwelt gab es die viel größere Schattenwelt. Und die sah so aus: Obwohl die Haus- und Wohnungspreise nach oben schnellten, wurden kaum noch Sozialwohnungen errichtet. Warum? Weil es bei einer jährlichen Wertsteigerung von 40 Prozent einträglicher war, Grundstücke brach liegen zu lassen als in den Hausbau zu investieren. Folge: In der Stadt war Baugrund scheinbar knapp. Wegen dieser Bodenspekulationen forderte der ehemalige sozialdemokratische Wirtschaftsminister Enrique Fuentes Quintana Enteignungen, „um der Gesellschaft das zurückzugeben, was ihr gehört“. Doch Regierungschef Gonzalez winkte ab.

„Die Konsum-Fiesta ist zu Ende“

Zum Jahreswechsel 1990/91 lautete eine Schlagzeile im Nachrichtenmagazin „Cambio 16“: „Die Konsum-Fiesta ist zu Ende.“ Und die Zeitschrift „Tiempo“ sah bereits die „Wirtschaft im Sturzflug“. Gemeint war, daß sich Pleiten und Zwangsvollstreckungen häuften und die Privatverschuldung auf 15 Milliarden Mark angestiegen war. Zugleich brachen die Wachstumsquoten rasant in sich zusammen: Nach Rekord-Zuwachszahlen von mehr als fünf Prozent würde das Bruttosozialprodukt nur noch um zwei Prozent wachsen, prognostizierte der Arbeitgeberverband.

Sprachen dafür harte Faktoren? Eindeutig ja, und sie waren nicht zu übersehen: Spanien – der viertgrößte Autoproduzent Europas – mußte auf dem heimischen Markt einen Verkaufseinbruch von fast 30 Prozent hinnehmen. Seat führte Kurzarbeit ein und Renault kündigte Entlassungen in vier Fabriken an. Um konkurrenzfähig zu bleiben, mußte der staatliche Zigarettenhersteller Tabacalera ein Fünftel seiner Belegschaft entlassen. Der Stahlwalzriese Ensidesa entließ 2500 Arbeiter. Selbst die Banken kündigten die Entlassung von einem Viertel ihrer Angestellten an. Einbußen bei den Besucherzahlen meldete der Tourismus. Folge: 1990 sanken die Einnahmen um 2,6 Milliarden Dollar.

Offensichtlich litt diese Branche an einer Infrastrukturkrise. Die Regierung hatte das erkannt. Nach Verkehrsminister Jose Barrionuevo müßten fünfeinhalb Milliarden Mark in die veraltete Infrastruktur der Tourismus-Industrie gepumpt werden, damit sie für Gäste wieder attraktiv wurden. Doch woher nehmen – Madrid hatte diese Milliarden nicht.

Zugleich führte die spanische Regierung einen verzweifelten Kampf gegen die steigende Inflationsrate. Dazu setzte Finanzminister Solchaga auf die Hochzinspolitik. Kreditzinsen für Unternehmen lagen bei 25 Prozent und wer sein Konto überzog, wurde mit Überziehungszinsen von über 30 Prozent bestraft. Offiziell lag die Inflationsrate bei 6,7 Prozent. Doch bei ihren täglichen Einkäufen merkten die Spanier, daß die Zahl nicht stimmen konnte. Solchagas Gegenmittel war untauglich, denn der Konsumrausch, der die Spanier befallen hatte, war stärker. Sie sparten nur noch 8,6 Prozent ihres verfügbaren Einkommens und gaben Tausende Pesetas für Luxusautos, Elektro- und Haushaltsgeräte aus.

Schlimmer noch: Auch die Unternehmen verhielten sich nicht marktgerecht. Nachdem sie in den guten Jahren hohe Gewinne gemacht hatten, investierten sie nicht in die Modernisierung ihrer Produktion, sondern spekulierten mit Finanzprodukten und Immobilien.

Als weiteren Beleg für die gescheiterte Wirtschaftspolitik der Regierung Gonzalez kann der Arbeitsmarkt angeführt werden. Er, der seinem Volk seit Jahren die Vollbeschäftigung versprach, stand vor einem Scherbenhaufen: 2,3 Millionen spanische Arbeiter waren auf Jobsuche, eine Million Arbeitslose waren gezwungen, ohne Sozialleistungen zu überleben, und ein Drittel der Beschäftigten hatten Zeitverträge, konnten also jederzeit kurzfristig entlassen werden.

Spanien – eine „große Macht des Südens“?

Doch diese Rezessionssignale wurden überdeckt durch die Euphorie, die sich 1992 als Folge der Olympischen Spiele in Barcelona und der Weltausstellung in Sevilla über das Land legte. Ein weiterer Höhepunkt war der Iberoamerikanische Gipfel in Madrid. Dabei drehte sich alles um die Versöhnung mit der spanischen Kolonialgeschichte. Ein weiterer Höhepunkt waren die Feierlichkeiten zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas.

Damit hatten die Iberer bewiesen, daß sie außerordentliche Großveranstaltungen managen können. Und mit der Einführung des Hochgeschwindigkeitszuges setzten sie gleich noch ein Zeichen für die Modernisierung.

Dies alles stieg der Regierung Gonzalez zu Kopf, denn der Regierungschef definierte als neues Ziel: den Anspruch Spanien als „große Macht des Südens“. Zugleich setzte sie aber auch auf eine Vertiefung und Erweiterung der europäischen Integration. Daß sich die spanische Regierung insbesondere mit diesem Ziel von den Wählern noch weiter entfernte, entging ihr. Die Zahl der Unzufriedenen mit der Europapolitik nahm weiter zu. Nur wenige kritische Ökonomen warnten: Spätestens wenn die Großereignisse vorbei sind, werde Gonzalez die Rechnung für seine Politik erhalten.

Die EG-Integration erlebt ihre erste Krise

Während der Maastricht-Vertrag von zahlreichen europäischen Politikern heftig diskutiert und kritisiert wurde, gehörte Gonzalez zu den kritiklosen Anhängern. Das änderte sich auch nicht, als der Vertrag in Dänemark durchfiel und der Ober-Europäer Mitterrand in Frankreich von seinen Wählern eine Abfuhr erhielt. Was waren die Gründe? Europaverdrossenheit? An dieser Stelle ist es sinnvoll, einmal über die Grenzen zu schauen, um mehr zur wirtschaftlichen Lage in Westeuropa Mitte der 80er Jahre zu erfahren.

Bis Mitte der siebziger Jahre gab es in Europa nur selten konjunkturelle Abschwächungen. In einigen Branchen kam es sogar zu einer Überakkumulation. Dadurch schwächte sich das Wirtschaftswachstum in einigen Ländern ab und diese Abschwünge wurden nicht mehr – wie noch in den sechziger Jahren – durch gleichzeitige Aufschwünge in anderen Ländern gemildert. Für die alten Industrien bedeutete das: Die strukturellen Überkapazitäten wurden nicht mehr durch einen dynamischen Strukturwandel auf der Grundlage kräftigen Wachstums bereinigt, sie vertieften sich vielmehr zu lang anhaltenden Strukturkrisen. Diese Krisenprozesse wurden durch die zweimalige Energieverteuerung noch verstärkt.

Schon zu diesem Zeitpunkt wäre eine wirksame Antikrisenpolitik auf EG-Ebene notwendig gewesen – doch die gab es nicht. Die Wirtschaftspolitik blieb auf die nationalstaatliche Ebene beschränkt. Der sich verschärfenden Konkurrenz zwischen den großen Zentren Japan, USA und EG waren die Europäer damit weitgehend schutzlos ausgeliefert. Die EG-Integration war in eine Entwicklungskrise geraten. Genau das erklärt die Ereignisse in Frankreich und Dänemark.

Das Referendum in Frankreich

Dort hatte Präsident Mitterrand am 11. März beim Verfassungsrat angefragt, ob die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht eine Revision der französischen Verfassung notwendig machen würde. Bereits am 9. April 1992 stimmte der Verfassungsrat Mitterrands Ansicht zu.

Dem Präsidenten standen zwei Wege offen: das Parlament entscheiden zu lassen oder das Volk mittels eines Referendums zu befragen. Mitterrand entschied sich für das Parlament. Mit Erfolg, denn am 23. Juni wurde der neue Verfassungstext mit einer Mehrheit von 3/5 angenommen. Überraschend entschied er sich am 3. Juni 1992 dann doch noch für ein Referendum. Es wurde für den 20. September 1992 festgesetzt und löste in der französischen Gesellschaft eine heiße Debatte über die Grundlagen und die Struktur der Europäischen Union aus. Die Teilnahme mit über 69 Prozent war die höchste im Vergleich zu den vorangegangenen zehn Abstimmungen. Und das Ergebnis? 51,01 Prozent stimmten dafür, 48,98 Prozent dagegen. Es ergab sich also eine Differenz von knapp 400.000 Stimmen – 25 Millionen wurden abgegeben. Wegen der geringen Zustimmung war Europa geschockt. Am stärksten betroffen war Mitterrand, denn als Folge dieses Ergebnisses wurde Frankreichs Stellung innerhalb der Gemeinschaft nicht gestärkt, und das war ja das Ziel des Präsidenten, sondern arg geschwächt. Zusätzlich büßte Mitterrands Ansehen in der Bevölkerung mächtig ein.

Und noch ein Aspekt sollte nicht übersehen werden: In den heftig geführten Auseinandersetzungen spielten antideutsche Ressentiments eine große Rolle. Während die einen vor dem wiedervereinigten Deutschland warnten, schürten andere Ängste vor einer ungezähmten Bundesbank. Und für den Fall, daß Maastricht scheitert, führten einige Politiker ein von der DM beherrschtes Europa ins Feld.

Das Referendum in Dänemark

Nachdem sich die Regierungsparteien und die Sozialdemokraten einig waren über die politische Notwendigkeit eines Referendums, wurde die Abstimmung auf den 2. Juni 1992 festgelegt. Dänemark stimmte damit als erstes Land über den Vertrag ab. Ergebnis: Die Ratifizierung des Vertrages von Maastricht durch Dänemark wurde mit 50,7 Prozent der Stimmen verhindert, während 49,3 Prozent dafür stimmten. Erstaunlich daran ist: Wenn man nur weitere 23.424 Maastricht-Gegner hätte überzeugen können, wäre die Entscheidung anders ausgefallen.

Das dänische „Nein“ war eine böse Überraschung für das Folketing, denn dort war der Gesetzesentwurf für den Vertrag kurz zuvor mit 130 zu 25 Stimmen verabschiedet worden. Doch die allgemeine Verwunderung der Politiker über das Abstimmungsergebnis war unberechtigt. Denn schon während der vorausgegangenen Kampagne zeigte sich, daß die Wähler den Vertrag ablehnen würden. Warum? Viele dänische Politiker ignorierten, daß die Vertiefung der europäischen Integration sowie die Frage nach einer politischen Union für die Wähler eine äußerst sensible Kernfrage darstellte. Zu dieser ablehnenden Haltung hatte Jacques Delors, der Präsidenten der EG-Kommission, nicht unwesentlich beigetragen. Wenige Wochen vor dem Referendum sprach er sich für eine mögliche Reduzierung des Mitspracherechts kleiner Mitgliedstaaten in der politischen und wirtschaftlichen Union aus. Diese Äußerung wurde in der dänischen Presse oft zitiert und verstärkte die Skepsis der Wähler.

Somit stellt sich die Frage, warum der Maastricht-Vertrag derartige Kontroversen auslöste?

(S. dazu ausführlich Anhang 3: Streitpunkt Maastricht-Kriterien).

Wer waren die Sieger und Verlierer in Maastricht?

Beginnen wir mit den Siegern. Nr. 1 war der britische Regierungschef John Major. Er wurde mit Beifall zu Hause empfangen, weil er die nationale Souveränität Großbritanniens nicht geopfert hat. Nr. 2 war Spaniens Ministerpräsident Gonzalez, weil er erst unterschrieb, nachdem ihm die anderen Regierungschefs eine hohe Finanzhilfe zusicherten. Nr. 3: Frankreichs Präsident Mitterrand erklärte sich selbst zum Sieger, denn er war der Meinung: „Alle Punkte, die Frankreich in den Verträgen verankern wollte, sind verankert worden.“

Als „Verlierer“ kam der Muster-Europäer Helmut Kohl zurück. Im Bundestag erhielt er nur wenig Beifall. Warum? Weil er, um als Baumeister Europas in die Geschichte einzugehen, viel zu große Zugeständnisse machte? Der „Spiegel“ (51/1991) glaubte: 1. „Bei den Nachbarn des 80-Millionen-Volkes wächst der Argwohn vor einem übermächtigen Koloß auf dem Kontinent, der die Statik in Europa stört“. 2. Weil einige EG-Mitgliedsländer entschlossen waren, die Europa-Verträge scheitern zu lassen, ließ der Kanzler sich auf Konzessionen ein.

Worum handelt es sich?

Punkt 1: Als Folge der Wiedervereinigung befürchteten die Nachbarstaaten einen deutschen Alleingang. Darum war man vor allem in Frankreich und Großbritannien darauf bedacht, die Währungsunion voranzutreiben. Dadurch sollte sichergestellt werden, daß Deutschland in der Europäischen Union gebunden bleibt.

Punkt 2: Kohl opferte einen Grundsatz seines Finanzministers Theo Waigel, wonach der europäische Einigungsprozeß nicht mit zusätzlichen finanziellen Leistungen an die ärmeren EG-Mitglieder belastet werden dürfe. Stattdessen wurde in Maastricht festgelegt, daß die südlichen EG-Staaten und Irland schon von 1993 an mehr Gelder als bisher erhalten.

Punkt 3: Auch von seinem Vorhaben, dem bislang machtlosen Europäischen Parlament mehr Rechte zu erstreiten, nahm der Bonner Regierungschef kleinlaut Abschied.

Doch diese Punkte waren für die deutsche Elite damals Kleinigkeiten. Viel entscheidender war für sie, daß die Wirtschafts- und Währungsunion deutschen Bedingungen folgte. Was ist gemeint? 1. Der Stufenplan für eine gemeinsame europäische Währung enthielt Kriterien für eine künftige Stabilitätsgemeinschaft. 2. mußten die Beitrittskandidaten sich zu Haushaltsdisziplin, zu solider Finanzpolitik und Preisstabilität verpflichten.

Doch die Regierungschefs ließen manche Frage offen. Zum Beispiel diese: Was passiert, wenn etwa eines der hoch verschuldeten Mitgliedsländer (dazu gehörte auch die Bundesrepublik) die Bedingungen für die Währungsunion nicht mehr erfüllt? Werden dann die Zulassungskriterien doch noch verwässert?

Unklarheit herrschte auch zum Punkt „politische Union“. Der über 100 Seiten starke Vertragstext war unverbindlich, enthielt zahllose Ausnahmeklauseln und hoch komplizierte Abstimmungsverfahren. Fazit: „Der Vertragskompromiß von Maastricht zwingt die EG-Staaten nicht zu mehr Gemeinsamkeit. Es bleibt beim Verbund kooperierender Nationalstaaten. Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat sind weiterhin so gut wie ausgeschlossen“, urteilte der „Spiegel“ (51/1991).

Es gibt jedoch noch zwei weitere Gründe, warum Kohls Europapolitik selbst in den eigenen Reihen mit Zurückhaltung bewertet wurde: 1. die Angst um die Deutsche Mark, denn sie, das stärkste nationale Symbol der Deutschen, mußte für die europäische Einigung aufgegeben werden – doch mit welchen Folgen? 2. blieb unklar, wie viel europäischer Staat geschaffen werden sollte und wie viel nationale Souveränität die Mitgliedstaaten bereit waren abzugeben. Die Furcht, von Brüssel kontrolliert oder Paris dominiert zu werden, saß überall tief.

Die Kluft zwischen Nord und Süd öffnet sich

Auf dem Gipfel in Lissabon (Juli 1992) räumte Gonzalez der Reform des Haushaltes und der Ein- und Umsetzung des Kohäsionsfonds oberste Priorität ein. Spanien setzte sich zunächst für das Delors-II-Paket ein, das seit Februar 1992 vorlag. Dabei handelte es sich um einen Finanzplan für die nächsten fünf Jahre, der die Maastrichter Verträge in Zahlen umsetzen sollte.

Ein wichtiges Ziel war es, den Abstand zwischen armen und reichen EG-Ländern zu verringern. Das sollte durch eine großzügigere Strukturpolitik und vor allem mit Hilfe eines „Kohäsionsfonds“ geschehen. Darum war eine Haushaltserhöhung zwischen 1993 und 1997 vorgesehen. Zur Finanzierung sollte der Spitzenabgabesatz der 12 EG-Mitglieder von 1,2 auf 1,37 Prozent des BSP erhöht werden. Dieser Plan entzweite Spanier und Briten. Die damalige Regierung unter Premierminister Major war strikt gegen jede Erhöhung des Haushalts der Gemeinschaft. Doch auch Frankreich und Deutschland entschieden sich negativ. Ergebnis: Es tat sich eine Kluft auf zwischen den Empfängerländern der Gemeinschaft einerseits (Griechenland, Irland, Portugal und Spanien) und den acht verbliebenen Ländern andererseits, die diesen neuen Fonds finanzieren sollten.

Da die Gemeinschaft auch die Industrie fördern wollte, kam schließlich eine hohe Rechnung heraus: Das EG-Budget würde 1997 um mehr als vierzig Milliarden Mark über dem von 1992 liegen. Und wer sollte zahlen? Vor allem Deutschland und Großbritannien.

Angesichts der Spaltung beschloß der Rat, dieses Thema auf den Gipfel in Edinburgh zu verschieben. Dennoch konnte Spanien – nach Vermittlung durch die portugiesische EU-Präsidentschaft – für sich bedeutsame Zugeständnisse herausholen: Erstens wurde der Start des Kohäsionsfonds auf den 1. Januar 1993 festgeschrieben. Zweitens wurde die Aufnahme der Erweiterungsverhandlungen von einer endgültigen Beendigung des Ratifikationsprozesses und der Zustimmung zum Delors-II-Paket abhängig gemacht.

Der EG-Gipfel von Edinburgh 1992

In Edinburgh ging das Pokerspiel weiter. Spanien wurde bockig und lehnte erst einmal alles ab – den Delors-Plan sowie den Vorschlag der Briten, den Kohäsionsfonds um 25 Prozent zu reduzieren und auf eine Verdoppelung des Strukturfonds zu verzichten.

Somit hatte sich erheblicher Zündstoff angesammelt. Europa trat auf der Stelle. In den Medien war von einer „chronischen Eurosklerose“ die Rede. Somit war es an der Zeit, den Zündstoff zu beseitigen, bevor er außer Kontrolle geriet. Der erste Versuch wurde auf einem Ministertreffen am 4. Dezember 1992 unternommen, an dem Spanien, Frankreich und Deutschland teilnahmen. Weil sich die Positionen gelockert hatten, wurde ein umfassendes Abkommen angestrebt. Dies lief darauf hinaus, die vier entscheidenden Konfliktpunkte im Paket zu lösen: erstens die Ratifizierung von Maastricht einschließlich der Lösung des dänischen Problems, zweitens die Zustimmung zum Delors-II-Paket, drittens der Beginn des Verhandlungsprozesses zur Erweiterung der EG ab 1993 und viertens die Festschreibung des Subsidiaritätsprinzips.

Gonzalez vertrat seine Verhandlungspositionen äußerst konsequent. Damit handelte er sich den Ruf eines „Thatcher des Südens“ auf der Suche nach dem „spanischen Scheck“ ein. Und was erreichte er? 1. Spanien wurde kein Nettozahler 2. Der Strukturfonds wurde verdoppelt. Die Spanier waren zufrieden.

So gab sich auch Bundeskanzler Kohl. Gab es wirklich einen Grund für seinen Optimismus oder täuschte er die Öffentlichkeit? Wenige Monate vor dem Gipfel träumten die Zwölf noch davon, am 1. Januar 1993 die Eröffnung des gemeinsamen Marktes feiern zu können – des größten Freihandelsprojekts der Menschheitsgeschichte. Daraus wurde nichts. Den Grund nannte der britische Premierminister Major: Eine solche Ballung von Schwierigkeiten habe es in der EG-Geschichte noch nicht gegeben, klagte er. Wovon redete der Mann?

Punkt 1: Heftiger Streit entbrannte wegen des EG-Haushalts für die nächsten sieben Jahre. Darum ging es: Kommissionschef Delors wollte das Budget von 132 Milliarden Mark schrittweise auf 170 Milliarden im Jahr 1999 ausweiten. Die Mitgliedsländer hätten demnach über 1,3 Prozent ihres Bruttosozialprodukts abgeben müssen gegenüber den damals üblichen 1,2 Prozent. Für die Südländer war das die Untergrenze, für Bonn und London „inakzeptabel“. Übertrieben? Keineswegs: Die scheinbar winzige Differenz kostete Deutschland, hochgerechnet aufs Jahr 1999, rund zwei Milliarden Mark.

Und so lief es auf dem Gipfel ab: Die Briten bremsten alles aus. Sie verlangten: keine Mehrausgaben und keine weitere Integration. Doch Delors hatte sich schon vor Beginn des Gipfels in Position gebracht: Für ihn gebe es nur die Alternative „Überleben oder Niedergang“. Auch Bundeskanzler Kohl hatte ein Ziel. Seine Devise lautete: „Wir müssen sparen, eisern sparen.“

Die Ausgangslage war also heikel. Die entscheidende Frage lautete: Was können die EG-Länder für die ärmeren Südeuropäer Griechenland, Portugal und Spanien sowie Irland tun, damit sie zu den höher entwickelten Mitgliedern aufschließen können? Für Gonzalez, dem Sprecher der Südländer, war die Sache klar: Nachdem er in Maastricht den Kohäsionsfonds erkämpft hatte, sollten die wohlhabenden EG-Länder bis 1997 jährlich drei Milliarden Mark und danach fünf Milliarden Mark einzahlen.

Doch die Nordeuropäer beharrten darauf, daß der Gemeinschaftshaushalt 1,2 Prozent des EG-Sozialprodukts nicht überschreiten dürfe. Ein endloses Geschacher war die Folge. Ohne Ergebnis. Die Gipfelteilnehmer packten schon die Koffer, der Abschiedschampagner wurde ausgeteilt. Gonzalez hatte sich keinen Millimeter bewegt. Würde er den Gipfel ohne Ergebnis platzen lassen? Oder würden die Wohlhabenden nachgeben? Wer behielt die Nerven? Ein britischer Diplomat fühlte sich an die frühere Regierungschefin erinnert: „Es ist wirklich außergewöhnlich, wie intensiv die Spanier Frau Thatchers Art der Haushaltsverhandlung studiert und imitiert haben.“ Eine Stunde vor Mitternacht konnte sich Gonzalez auf die Schulter klopfen. Als Sieger fühlte sich auch Delors: „Ich habe 100 am Ende von fünf Jahren vorgeschlagen und 85 nach sieben Jahren bekommen.“

Und was wurde vereinbart?

 Der Finanzrahmen für den Haushalt wurde von fünf auf sieben Jahre erweitert und sollte von 132 Milliarden Mark in 1992 auf 161 Milliarden Mark im Jahr 1999 steigen.

 Für die kommenden zwei Jahre sollte die Belastung von 1,2 Prozent des Sozialprodukts bleiben und ab 1995 schrittweise bis auf 1,27 Prozent ansteigen.

 Die Strukturfondmittel wurden für die vier weniger wohlhabenden Länder verdoppelt, aber erst nach sieben statt nach fünf Jahren. Der neu geschaffene Kohäsionsfonds sollte bis 1999 mit 30 Milliarden Mark gefüllt sein.

Und man höre und staune: In Edinburgh wurde auch eine Wachstumsinitiative beschlossen – ohne Auswirkungen auf den Haushalt. Gemeint war, daß die Europäische Investitionsbank (EIB) den Ländern der Gemeinschaft Kredite im Umfang von etwa zehn Milliarden Mark zur Verfügung stellen würde, um damit vor allem Infrastrukturvorhaben finanzieren zu können.

Punkt 2: Beitrittsverhandlungen mit den Kandidaten Österreich, Schweden und Finnland. Die Spanier bestanden darauf, daß erst nach der Genehmigung des Haushalts samt Kohäsionsfonds verhandelt werden könne. Damit stellten sie sich gegen die Deutschen, die auf schnelle Verhandlungen bestanden.

Punkt 3: Wie können die Dänen weichgeklopft werden? Durch schnelle Verhandlungen, denn, so die Argumentation der Deutschen, dadurch würde den Skandinaviern klar werden, daß ihr Land schon bald von vielen vollwertigen EG-Mitgliedern umgeben und sie isoliert seien. Klar war aber: Das dänische Ja würde es nicht umsonst geben. So gestand man ihnen in einigen Punkten eine Sonderrolle zu. Danach konnten sie einen entscheidenden Bestandteil des Maastrichter Vertrages ausklammern, nämlich die Mitgliedschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion sowie der gemeinsamen Innen- und Verteidigungspolitik. Die Deutschen betonten in Edinburgh zwar, die Sonderrolle Dänemarks werde nicht zur Dauereinrichtung, doch das mußte sich erst noch zeigen.

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