Читать книгу: «Psychologie», страница 4

Шрифт:

Die Zuspitzung könnte dann im gewählten Beispiel lauten: »Die Bedeutung von Horror-Videos im Zuge aggressiven Verhaltens von Jugendlichen einer Jugendbegegnungsstätte«.

Plan

Ein möglicher Plan: Das Phänomen aggressiven Verhaltens der Jugendlichen wird möglichst genau beobachtet (z. B. mit Videokameras) und differenziert (z. B. spielerische Aggression, imitierte Aggression, Aggression als Bestandteil von Status-Wettkämpfen, Aggression mit Zuschauerbeteiligung, etc.). Außerdem werden die Jugendlichen möglichst genau nach ihren Sehgewohnheiten von Horror-Videos befragt.

Ergebnis

Ein mögliches Ergebnis: Horror-Videos haben eine große Bedeutung als Rollen-Lieferant für imitierte Aggressionen und Aggressionen mit Zuschauerbeteiligung. Bestimmte Videos dienen außerdem als Zitatenschatz zur Identifikation von Subgruppen innerhalb des Jugendzentrums.

Leistung der Feldforschung: Es entsteht ein genaues Verständnis der Bedeutung von Videos für die Begegnungen der Jugendlichen.

Offene Fragen: Welches sind die Ursachen der individuell unterschiedlichen Aggressivität der Jugendlichen?

2.6. Daten und Konstrukte in der empirischen Psychologie

2.6.1. Die Bedeutung von Daten im psychologischen Erkenntnisprozess

Fakten/Daten

Bleiben wir beim Beispiel des Zusammenhangs von Aggressivität und dem Konsum von Horror-Videos. Die Psychologin macht im Zuge ihres methodischen Vorgehens Verhaltensbeobachtungen bei den Jugendlichen: Sie protokolliert Beschimpfungen, notiert Schlägereien, misst die Lautstärke von Drohungen, erfasst physiologische Reaktionen (Blutdruck, Pulsfrequenz), nimmt verbale Duelle auf Tonband auf oder zeichnet Mimik und Gestik auf Video auf. Außerdem befragt sie die Jugendlichen nach ihrem Videokonsum. So gewinnt sie eine Vielzahl unterschiedlicher Fakten. Diese Fakten jedoch haben für sich genommen keine Bedeutung. Das Faktum, dass ein Jugendlicher fünfmal am Tag eine Schlägerei provoziert hat, erhält seine Bedeutung erst dann, wenn die Psychologin es als Ausdruck von Aggressivität interpretiert. Diese Interpretation erfolgt durch die Theorie, an der die Psychologin sich in ihrer Untersuchung orientiert. An dieser Stelle wird deutlich, dass es ohne Theorie nicht geht (man stünde sonst vor einer Unmenge von Fakten, die einem »nichts sagen« würden) und dass es in der Tat nichts Praktischeres gibt als eine Theorie, weil sie der Psychologin dazu verhilft, Fakten verstehen und einordnen zu können. Theoriegeleitet interpretierte Fakten bezeichnet man als Daten.

In unserem alltäglichen Nachdenken über andere Menschen vollziehen wir solche Interpretationen automatisch – wer sich viel prügelt, ist aggressiv. Für uns ist selbstverständlich: Prügelei ist ein Ausdruck von Aggressivität. Von solchen alltagsweltlichen Kurzschluss-Theorien unterscheiden sich psychologische Theorien dadurch, dass der Zusammenhang von Theorien und Fakten theoretisch und empirisch begründet wird. Das bedeutet nicht, dass eine Psychologin Fakten nicht auch durch ihre »alltagsweltliche Brille« betrachtet – in der Tat tut sie dies (vgl. Cicourel 1974). Gerade deswegen aber ist sie in besonderer Weise gefordert, ihre alltagsweltlichen Interpretationen zu reflektieren und zu kontrollieren.

2.6.2. Die Interpretation von Daten

hypothetisches Konstrukt

»Aggressivität« hat den Status eines hypothetischen Konstrukts. Mit dieser Bezeichnung soll deutlich gemacht werden, dass es sich dabei um eine nicht beobachtbare, vermutete oder angenommene Größe handelt. Sehr viele Phänomene, mit denen sich die Psychologie beschäftigt, sind nicht direkt beobachtbar – man kann Intelligenz nicht sehen, und auch nicht Egoismus, Schüchternheit oder eben Aggressivität.

Woran erkennt man beispielsweise, dass Peter introvertiert ist? Seine Introversion selbst kann man nicht sehen, wohl aber kann man beobachtbare Sachverhalte feststellen, die für Introversion sprechen:

Er geht selten aus.

In Gesellschaft spricht er wenig.

Er meidet gesellige Veranstaltungen.

Er macht häufig allein Spaziergänge.

Er hat wenige Freunde.

Er sagt, er sei gern allein.

Operationalisierung

Das Vorgehen der Zuordnung eines hypothetischen Konstrukts zu beobachtbaren Sachverhalten nennt man Operationalisierung.

Man mag darüber streiten, ob z. B. die operationale Definition für Introversion vernünftig ist oder nicht – die entscheidende Leistung wissenschaftlicher Tätigkeit besteht gerade darin, dass man solche Debatten führen kann, weil der Zusammenhang von Daten und Theorie explizit gemacht wird, während im Alltagsleben solche Interpretationen meist stillschweigend vollzogen werden und deshalb nicht aufgedeckt und kritisch hinterfragt werden können.

Sämtliche Begriffe, die sich auf psychische Sachverhalte beziehen, die grundsätzlich als in der Person liegend betrachtet werden, sind hypothetische Konstrukte. Einige von ihnen sind relativ gut definiert (z. B. Intelligenz), andere weniger (z. B. Kreativität).

Hypothetische Konstrukte spielen eine zentrale Rolle in der psychologischen Forschung und Theoriebildung. Nur über sie sind wir in der Lage, Erleben und Verhalten von Personen zu erklären und vorherzusagen. Dies wird durch die nachfolgende Abbildung noch einmal verdeutlicht.


Schema: Der Zusammenhang von Indikatoren und hypothetischen Konstrukten

Wenn beispielsweise ein Kind weint, kann es viele Gründe dafür geben: Es hat vielleicht Bauchschmerzen, es ist geschlagen worden oder es ist traurig. Wir werden es sicherlich zu trösten versuchen. Wir haben aber zunächst keine Möglichkeit, vorherzusehen, welche Konsequenzen folgen. Nehmen wir an, wir kämen zu der Hypothese, dies Kind sei besonders schulängstlich und fürchte sich vor der angekündigten Mathematikarbeit. Wir werden dann erwarten, dass das Kind zwei Tage später bei der Klassenarbeit aufgeregt sein wird, vielleicht wieder weinen und nicht seine optimale Leistung zeigen wird oder sich sogar weigern wird, in die Schule zu gehen.

Schematisch lässt sich der Zusammenhang des Erklärens und Vorhersagens folgendermaßen darstellen:


Schema: Der Zusammenhang von Schlussfolgerungen und Vorhersagen

Daten über hypothetische Konstrukte bergen eine Vielzahl von Problemen in sich: Sind die konkret beobachteten Verhaltensweisen wirklich Hinweise auf das hypothetische Konstrukt? Ist das hypothetische Konstrukt hinreichend definiert? Sind die notwendigen Beobachtungen angemessen? Solche Probleme können nur gelöst werden, wenn der Zusammenhang zwischen Empirie (Daten) und Theorie erhalten bleibt.

Theorie und Empirie

Zusammenfassend kann man also sagen: Nur Theorien systematisieren die empirischen Sachverhalte (Daten) und geben ihnen einen Sinn. Nur aufgrund von Theorien sind Vorhersagen über empirische Sachverhalte möglich. Andererseits entscheidet sich nur in der Empirie das Zutreffen von Theorien.

2.6.3. Psychologische Daten-Verarbeitung

Messen

Bleiben wir beim Beispiel der Frage nach Aggressivität und dem Konsum von Horror-Videos. Will man diese Frage im Sinne der Frage nach einem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang verfolgen, kommt man an einen Punkt, an dem man die Jugendlichen miteinander vergleichen muss: Wer hat mehr Videos konsumiert? Wer ist aggressiver als die anderen? An diesem Punkt kommt man zur Quantifizierung von Daten bzw. zur Messung. Messen bedeutet zunächst nichts anderes als »vergleichen«. Personen werden in irgendeiner Weise hinsichtlich eines bestimmten Merkmals miteinander verglichen. Wer sagt »Frau Maier ist mir sympathischer als ihr Mann« hat nach dieser Definition bereits eine (einfache) Messung durchgeführt und die Ungleichheit zweier Personen unter dem Aspekt »meine Sympathie« festgestellt. Wenn die Psychologie von Messen spricht, so beansprucht sie damit also keinesfalls, den Menschen als solchen auszumessen, wie gelegentlich geargwöhnt wird. Messvorgänge geben Auskunft über Gleichheit oder Ungleichheit von Personen hinsichtlich eines bestimmten definierten Merkmals. Nun sind die Ergebnisse solcher Vergleiche nicht bei jedem Merkmal gleich informativ. Am wenigsten informativ ist das Messergebnis, wenn es nur aussagt, ob etwas gleich oder ungleich ist. Wesentlich informativer wird das Messergebnis, wenn es zusätzlich anzugeben vermag, wie stark die Ungleichheit ausgeprägt ist. Psychologie als Wissenschaft strebt möglichst informative Messergebnisse an. Deshalb ist die Entwicklung von Theorien über Messvorgänge und eine »Instrumentenkunde« zur Entwicklung und Bewertung psychologischer Messinstrumente eine wesentliche Aufgabe der Psychologie. Die Bewältigung größerer Mengen gemessener Daten erfolgt durch Verfahren der Statistik.

2.6.4. Beschreibende Statistik

deskriptive Statistik

Betrachten wir mehrere Daten einer oder mehrerer Personen, so sind wir schnell überfordert und verlieren leicht den Überblick. In dieser Situation hilft die beschreibende oder deskriptive Statistik: Sie systematisiert und stellt Daten so dar, dass ein Überblick möglich wird. In dieser Form begegnet uns Statistik nahezu täglich. Arbeitslosenquote, Anstieg der Kriminalität, Marktanteile bei Pkw-Zulassungen, Prozentzahl vermeintlich verhaltensgestörter Grundschüler, Wachstum des Bruttosozialproduktes und vieles mehr sind statistische Informationen in den Tageszeitungen oder Nachrichtensendungen.

Die gegenwärtige psychologische Literatur ist nur noch mit Kenntnis einschlägiger deskriptiv-statistischer Begriffe zu verstehen. Dies wird auch im weiteren Text dieses Lehrbuches teilweise so sein. Statistische und methodische Begriffe lassen sich im umfangreichen Lexikon der Psychologie (Wirtz 2014) nachschlagen. Im Folgenden werden einige häufig auftretende Grundbegriffe kurz erläutert.

Häufigkeiten

Einsicht in die Struktur von Daten und damit über die Ergebnisse sind im Wesentlichen durch Häufigkeitsangaben, Angaben über zentrale Tendenzen und Variation sowie über Zusammenhänge (Korrelationen) von Merkmalen zu erhalten. Häufigkeiten geben an, wie oft bestimmte Merkmale oder Merkmalsausprägungen vorkommen. Die Darstellung geschieht in Tabellen oder Diagrammen; absolute und relative (Prozent-)Angaben sind möglich.


zentrale Tendenz

Maße der zentralen Tendenz beschreiben einen Wert, der für eine Gruppe von Objekten (Personen) typisch ist. Bekanntestes Beispiel ist das arithmetische Mittel oder Mittelwert (umgangssprachlich: Durchschnitt). Im Beispiel der Mathematiknoten ergibt sich als Mittelwert: M = 2,94.

Variation

Maße der Variation enthalten die Information, wie weit die einzelnen Messwerte vom festgestellten Mittelwert abweichen. Diese Information ist wichtig; schließlich können die einzelnen Messwerte sehr stark oder sehr wenig vom Mittelwert abweichen. Das bedeutsamste Maß ist die Standardabweichung (bzw. die Varianz als quadrierte Standardabweichung). Geometrisch dargestellt entspricht die Standardabweichung dem Abstand zwischen Höhepunkt und Wendepunkt in der Normalverteilung (auch bekannt als Gaußsche Kurve). Je höher der Wert der Standardabweichung, desto stärker streuen die einzelnen Messwerte um den Mittelwert.

Im vorigen Beispiel der Schulnoten ergibt sich eine Standardabweichung von s = 1,03 bzw. eine Varianz von s2 = 1,06.

Korrelation

Korrelationsmaße beschreiben den Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen. Er wird durch Korrelationskoeffizienten ausgedrückt. Diese bewegen sich im Zahlenbereich von -1,0 bis +1,0. Eine Korrelation mit positivem Vorzeichen beschreibt eine gleichsinnige Variation der Merkmale (wenn A ansteigt, dann steigt auch B an). So besteht beispielsweise eine positive Korrelation zwischen »Intelligenz« und »Schulleistung«. Je höher die Intelligenz einer Person, desto höher ist, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit, auch ihre Schulleistung. Eine negative Korrelation beschreibt eine gegenläufige Variation der beiden Merkmale (wenn A ansteigt, dann sinkt B ab). Ein Beispiel einer negativen Korrelation ist der Zusammenhang zwischen Nikotinkonsum und Lebenserwartung. Je höher der Nikotinkonsum einer Person, desto niedriger wird, mit bestimmter Wahrscheinlichkeit, ihre Lebenserwartung.


Schema: Mittelwert und Standardabweichung in einer Normalverteilung

Korrelationen sagen nichts über Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus. Man erfährt nur, dass ein bestimmter Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen besteht und nicht warum. Zur sprachlichen Kennzeichnung von Korrelationskoeffizienten hat sich folgende Konvention herausgebildet (ohne Berücksichtigung des Vorzeichens):


0,0 bis 0,2:»kein Zusammenhang«
0,2 bis 0,4:»geringer Zusammenhang«
0,4 bis 0,6:»mittlerer Zusammenhang«
0,6 bis 0,8:»hoher Zusammenhang«
0,8 bis 0,9:»sehr hoher Zusammenhang«
1,0:»perfekter Zusammenhang«

Beschreibende Statistik ist nur ein Hilfsmittel, einen Überblick zu erhalten, der sonst nicht erreichbar wäre. Wichtiger jedoch ist die Frage, ob die damit beschriebenen Ergebnisse auf Regeln oder Gesetzmäßigkeiten schließen lassen, die verallgemeinert werden können. Dieses Problem wird in der Schließenden Statistik (oder Inferenzstatistik) bearbeitet.

2.6.5. Inferenzstatistik – oder: Irren ist menschlich

Population

Psychologische Forschung sucht nach Regeln des Verhaltens und Erlebens. Die Gesamtheit aller Personen (oder Objekte), über die etwas ausgesagt werden soll, wird als Population bezeichnet. Sie wird durch die Forschungsfrage definiert. Wenn ich etwa wissen will, welchen Erziehungsvorstellungen alleinerziehende Mütter folgen, dann ist die Gesamtheit aller alleinerziehenden Mütter die Population – und nicht Mütter allgemein. Wenn ich nach den Verhaltensstörungen von Grundschülern in der vierten Klasse frage, dann wird die Population aus allen Viertklässlern gebildet – und nicht etwa aus allen möglichen Schülern. Populationen sind daher unterschiedlich umfangreich.

Stichprobe

Nun wird es praktisch niemals gelingen, eine definierte Population insgesamt zu untersuchen. Vielmehr können nur mehr oder weniger kleine Stichproben daraus untersucht werden. Stichproben sollten möglichst getreue (repräsentative) Abbilder ihrer Population sein. Da empirische Untersuchungsergebnisse praktisch immer aus Stichproben stammen, die wissenschaftliche Aussage aber für die zugehörige Population gültig sein soll, besteht die grundsätzliche Gefahr eines Irrtums: Gilt das, was in der Stichprobe gefunden wurde, wirklich auch für die Population? Oder anders formuliert: Darf ein Stichprobenergebnis verallgemeinert werden oder nicht?

Folgende vier Situationen können nun vorliegen, wobei beachtet werden muss, dass die Verhältnisse in der Population grundsätzlich nicht bekannt sein können:

(1) In der Stichprobe zeigt sich eine Regelhaftigkeit. In der Population gilt sie auch.

(2) In der Stichprobe zeigt sich keine Regelhaftigkeit. In der Population existiert sie auch nicht.

(3) In der Stichprobe zeigt sich eine Regelhaftigkeit. In der Population gilt sie nicht.

(4) In der Stichprobe zeigt sich keine Regelhaftigkeit. In der Population existiert jedoch eine.

Werden nun Stichprobenergebnisse als gültig für die Population angenommen, d. h. verallgemeinert, dann zeigt sich Folgendes: In den Situationen (1) und (2) ist die Verallgemeinerung zutreffend und richtig. Das, was sich in der Stichprobe zeigt, gilt auch in der Population.

Alpha-Fehler

Situation (3) führt zu einer falschen Schlussfolgerung. Aufgrund des Stichprobenergebnisses wird eine Gesetzmäßigkeit in der Population angenommen, die nicht existiert. Diese Art von Fehler kann als »Aberglaube« bezeichnet werden. (So wie Astrologen in Sternbildern einen ordnenden Einfluss auf das Leben von Menschen annehmen, der nicht existiert.) In der methodischen Literatur wird dieser Irrtum mit Alpha-Fehler benannt.

Beta-Fehler

Situation (4) führt ebenfalls in die Irre. Man vermutet keine Gesetzmäßigkeit in der Population, obwohl sie vorhanden ist. Diese Art von Fehler deutet auf »Unfähigkeit«. (So wie Astronomen lange Zeit die Gesetzmäßigkeiten der Bewegung von Himmelskörpern nicht fanden.) Dies ist der Beta-Fehler.

Im Forschungsprozess wird nun versucht, die Situation (3) d. h. den Alpha-Fehler so weit wie möglich zu vermeiden. Im Vertrauen darauf, dass Fehler oder »Unfähigkeit« mit zunehmender Forschung abnehmen, wird der Beta-Fehler dagegen eher in Kauf genommen.

Signifikanzprüfung

Mit den Verfahren der Interferenzstatistik werden Berechnungen darüber angestellt, wie wahrscheinlich der Alpha-Fehler ist, wenn ein vorgefundenes Stichprobenergebnis verallgemeinert wird. Das Grundprinzip besteht darin, die tatsächlich gefundenen Ergebnisse der Stichprobe mit hypothetischen Ergebnissen zu vergleichen, so wie sie ausfallen müssten, wenn in der Population keine entsprechenden Gesetzmäßigkeiten bestünden. Oder anders: Es wird geprüft, inwieweit das vorgefundene Ergebnis (noch) durch zufällige Gegebenheiten der Stichprobe erklärt werden könnte. Diesen Vorgang nennt man Prüfung der statistischen Signifikanz (kurz Signifikanzprüfung), die entsprechenden mathematisch-statistischen Verfahren Signifikanztests.

Irrtumswahrscheinlichkeit

Da nun eine falsche Schlussfolgerung, ein Irrtum nie ausgeschlossen werden kann, ist abzuwägen, welches Risiko noch in Kauf genommen werden soll. Als Konvention hat sich herausgebildet, eine Irrtumswahrscheinlichkeit für den Alpha-Fehler von 5 % bzw. 1 % zu tolerieren. Erst wenn die Wahrscheinlichkeit für die fälschliche Annahme einer Gesetzmäßigkeit nur noch 5 % bzw. 1 % beträgt, ist man bereit, Stichprobenergebnisse auch für die Population als gültig anzunehmen. Anders formuliert heißt dies: Verallgemeinert man ein Stichprobenergebnis, dann ist diese Verallgemeinerung mit einer Wahrscheinlichkeit von nur 5 % bzw. 1 % unzutreffend.

Ergebnisse, die mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit für den Alpha-Fehler von 5 % behaftet sind, nennt man statistisch signifikant, solche mit 1 % sehr signifikant.

Auf ein zunehmendes Missverständnis soll noch hingewiesen werden. Statistische Signifikanz bedeutet in keiner Weise auch inhaltliche Bedeutsamkeit! Ergebnisse können statistisch sehr signifikant und inhaltlich höchst bedeutungslos sein. Die statistische Signifikanz berechtigt nur zur Verallgemeinerung.

Seriöse empirische Untersuchungen enthalten bei der Ergebnisdarstellung stets drei Komponenten: Das inhaltliche Ergebnis selbst, die Art der Signifikanzprüfung (Signifikanztest) und die Signifikanzangabe. Fehlt eine dieser drei Komponenten, sind damit verbundene Aussagen unbrauchbar.

Wegen der immer noch bestehenden und grundsätzlich nicht zu vermeidenden Möglichkeit eines Irrtums verbietet es sich, aufgrund von empirischen Untersuchungen von Beweisen zu sprechen. Vielmehr liefern empirische, inferenzstatistisch geprüfte Ergebnisse »nur« mehr oder weniger überzeugende Belege für bestimmte Hypothesen. Seriöse psychologische Argumentationen können daher nicht mit Formulierungen wie »Untersuchungen haben bewiesen, dass ...« beginnen.

3. Psychologie der Person

In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit dem zentralen Gegenstand der Psychologie, dem Individuum, der Person.

Die Vorstellung einer einzigartigen, einmaligen Persönlichkeit erscheint heutzutage selbstverständlich – sie ist aber eine relativ moderne Erfindung und entsteht erst unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen. Diesen Bedingungen spüren wir im ersten Abschnitt dieses Kapitels nach (3.1.2.), um dann zu erkunden, in welcher Weise Persönlichkeit heutzutage zum Thema und zur Sprache gebracht wird (3.1.3.). Daran anschließend stellen wir drei Theorien vor, in denen auf sehr unterschiedliche Weise Persönlichkeit zum Gegenstand psychologischen Nachdenkens gemacht wird (3.2.).

3.1. Bilder vom Menschen

3.1.1. Alltagsvorstellungen über »Persönlichkeit«

»Er hat Persönlichkeit.«, »Sie ist eine Persönlichkeit.« Was immer das auch heißen mag, es ist ein Kompliment. »Sie ist ein nettes Persönchen.« Von Frauen wird dies wohl nicht als Kompliment verstanden, sondern eher als überhebliches Männergerede. »So eine Person!« Dieser Ausruf teilt einigermaßen unzweideutig Entrüstung über jemanden mit.

So schillernd die Begriffe »Persönlichkeit« oder »Person« auch sein mögen, umgangssprachlich scheinen wir recht gut damit umgehen zu können. Dies fällt umso leichter, als uns zur näheren Beschreibung von Personen von »arglistig« bis »zynisch« Tausende von Eigenschaftswörtern zur Verfügung stehen.

Wenn von jemandem gesagt wird, er sei ein »Chaot«, ein »Penner«, ein »Softie« oder sie sei eine »Schlampe«, ein »Muttchen« oder eine »Emanze«, wenn also Substantive zur Personenbeschreibung verwendet werden, dann nähert man sich einer alltagspsychologischen Persönlichkeitstypologie. Damit werden uns weitere, nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Kennzeichnung einzelner Personen zur Verfügung gestellt. Es ist also nicht uninteressant, einmal zu fragen, mit welchen Bezeichnungen Personen im Alltag beschrieben werden.

Personenbeschreibung

Eine Inhaltsanalyse freier Personenbeschreibungen, die von amerikanischen Kindern und Jugendlichen angefertigt wurden, erbrachte 30 unterscheidbare Inhaltsklassen, die sich wiederum in fünf Gruppen systematisieren ließen. Nach diesen Ergebnissen (Bromley 1977, zit. n. Schneewind 2010, S. 19 – 22) werden in Alltagsbeschreibungen von Personen folgende Inhalte verwendet:

Dimensionen von Personenbeschreibungen

(1) interne Aspekte der Person (z. B. Eigenschaften, Fähigkeiten, Motive, Emotionen),

(2) externe Aspekte der Person (z. B. äußere Erscheinung, biographische Daten, materielle Situation),

(3) soziale Beziehungen (z. B. familiäre und freundschaftliche Beziehungen, Wirkung auf andere Personen, Reaktionen anderer Personen),

(4) Beziehung zwischen beschreibenden und beschriebenen Personen (z. B. Betonung von Gemeinsamkeiten oder Unterschieden),

(5) Bewertungen und Sonstiges.

Nun wird es allerdings nicht so sein, dass immer alle Inhalte verwendet werden. Selbstverständlich werden die mehr oder weniger deutlich erkennbaren Eigenarten der beschriebenen Personen bestimmte Inhalte nahe legen. Aber auch der Beschreibende selbst mit seinen Vorlieben und Eigenheiten, sowie die Situation (z. B. Zweck der Personenbeschreibung) haben einen Einfluss auf die Inhalte der Personenbeschreibung.

Eine Untersuchung von Huber/Mandl (1979) an Lehrern bestätigt diese allgemeine Aussage. In Schülerbeschreibungen konnten 36 Inhaltsklassen identifiziert werden, die sieben Aspekten zugeordnet wurden:

(1) sozioökonomischer Hintergrund

(2) familiäre Bedingungen

(3) schulische Bedingungen,

(4) allgemeine Persönlichkeitscharakterisierungen,

(5) abweichendes Sozialverhalten,

(6) interaktive Merkmale und

(7) Leistungsmerkmale.

Eine detaillierte Betrachtungsweise der Ergebnisse zeigte, dass nicht alle Lehrer alle Inhalte in gleicher Weise nutzten. Es ließen sich vier Gruppen von Lehrern identifizieren: Lehrer, die eher allgemeine Persönlichkeitscharakterisierungen verwendeten, die familiäre Bedingungen betonten, die Leistungsmerkmale in den Vordergrund rückten oder die ihr Augenmerk auf abweichendes Verhalten und Konformität richteten. Es ist leicht zu erkennen: Die Inhalte von Persönlichkeitsbeschreibungen richten sich nach dem Beschreibenden, dem Beschriebenen und der Situation (vgl. auch Kapitel 5). Deshalb wurde Persönlichkeit eingangs als »schillernder Begriff« bezeichnet.

3.1.2. Persönlichkeit – Eine neuzeitliche Erfindung

Selbstverständnis – selbstverständlich

Für uns heutzutage ist die Vorstellung, dass wir eine individuelle, von unseren Mitmenschen unterschiedene Persönlichkeit besitzen, so selbstverständlich, dass jede andere Vorstellung schwerfällt. Wir begreifen uns als komplexe Persönlichkeit, mit einer differenzierten – vielleicht nicht ganz durchschauten – Gefühlswelt, mit Vernunft und Rationalität ausgestattet, mit inneren Werten, einem besonderen Charakter und einem Wesenskern (dem wir »im Grunde unseres Herzens« treu sind). Diese ganze Ausstattung begreifen wir zudem als in uns liegend, als etwas, was höchstens teilweise für andere sichtbar ist, als unseren eigenen, unveräußerlichen privaten Wesenskern. »In unseren Sprachen der Selbstverständigung spielt der Gegensatz ›innen/außen‹ eine wichtige Rolle. Unsere Gedanken, Vorstellungen oder Gefühle sind nach unserer Auffassung ›in‹« uns, (...). Außerdem meinen wir, unsere Fähigkeiten oder Möglichkeiten seien etwas ›Inneres‹, das auf die Entwicklung wartet, durch die dieses Potentielle in der öffentlichen Welt kundgetan oder verwirklicht wird. Das Unbewusste befindet sich nach unserer Vorstellung innen; und die Tiefen des Ungesagten, des Unsagbaren, der sich anbahnenden heftigen Gefühle, Neigungen und Ängste, mit denen wir um die Beherrschung des eigenen Lebens ringen, fassen wir ebenfalls als etwas Inneres auf. Wir sind Geschöpfe mit innerer Tiefe, mit einem Inneren, das zum Teil unerforscht und dunkel ist« (Taylor 1996, S. 207).

Selbstverständnis – nicht natürlich

Dieses Selbstverständnis empfinden wir so tiefsitzend, so elementar, so »bis in die Knochen«, dass es weit mehr ist als nur ein Selbstverständnis – es ist ein elementares Gefühl für uns selbst, das die Basis unseres Denkens, Erlebens und Handelns ist, uns ein elementares Sicherheitsgefühl verleiht und uns zur inneren Natur geworden ist. Gerade weil uns dieses Gefühl so selbstverständlich, so natürlich ist, ist es wichtig, festzustellen, dass es sich hier um ein »modernes« Lebensgefühl handelt, das in dieser Form erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Europa auftaucht. Es ist ein Resultat gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse, »... ist abhängig von einer historisch begrenzten Art der Selbstinterpretation, die im neuzeitlichen Abendland zur Vorherrschaft gekommen ist und sich von da aus freilich auch auf andere Teile der Erdkugel ausbreiten kann, (...) aber dennoch einen Anfang in Raum und Zeit hat und vielleicht auch ein Ende« (Taylor 1996, S. 207f.). Dass dieses Gefühl aber so elementar für uns werden konnte, ist das Ergebnis des Zusammenwirkens unterschiedlicher zivilisatorischer Entwicklungsstränge aus Philosophie, Naturwissenschaft, Technik, Politik und Stadtentwicklung. Diese Stränge haben dieses Selbstgefühl so tief in uns eingeschrieben, dass es auch die Basis unseres Nachdenkens über uns selbst ist. »So ist es ganz natürlich, dass wir zu der Auffassung kommen, wir hätten ein Selbst in der gleichen Weise, in der wir einen Kopf oder Arme haben, oder innere Tiefe in der gleichen Weise wie Herz oder Leber« (Taylor 1996, S. 208).

Natürlich haben Menschen schon immer über sich selbst oder über Menschen im Allgemeinen nachgedacht. Zu Beginn der Moderne kommt es aber zu einer wesentlichen Zuspitzung dadurch, dass die eigene Person in besonderer Weise zum Gegenstand der eigenen Betrachtung gemacht wird.

Das Ich als Mittelpunkt

»Vor dem siebzehnten Jahrhundert betrachteten die herrschenden Kosmologien das Universum als eine sinnhafte Ordnung« (Taylor 1992, S. 246). Diese Vorstellung wird nunmehr fragwürdig. Innerhalb der Philosophie gelangte man zu der Einsicht, dass wahre Erkenntnis erfordert, die eigenen Denkprozesse in ihrem Funktionieren zu beobachten und zu kontrollieren. Dazu war es erforderlich, einen Schritt aus sich heraus zu machen und sich selbst von außen als Gegenstand zu betrachten. Dieser Schritt wurde als »reflexive Wende« bezeichnet. Diese reflexive Wende zu den eigenen Denkprozessen ist die Geburtsstunde des modernen Selbst-Konzepts, seit der wir von dem »Selbst«, dem »Ich« oder dem »Ego« sprechen.

Kontrolle als Leitgedanke

Diese reflexive Wende konnte sich durchsetzen, weil sie in der damaligen Zeit von einer allgemeinen Geisteshaltung der Disziplinierung und Überwachung aller gesellschaftlichen Bereiche getragen wurde. Diese Haltung führte zur Ausbildung entsprechender Praktiken und prägte die Entwicklung von Militär, Anstalten wie z. B. Hospitälern, Irrenhäusern, Schulen, etc., und förderte bürokratische Kontrolle und Organisation (vgl. Foucault 1993). Die reflexive Wende »(...) dürfte sich den treuen Befürwortern dieser Praktiken empfehlen, diesen eine rationale Grundlage verschaffen, sie rechtfertigen und überdies recht weitreichende Hoffnungen wecken auf ihre Wirksamkeit im Bereich der menschlichen Angelegenheiten. Die Theorie hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass sich die Praktiken auf ihrem Marsch durch die Kultur von heute alles haben unterwerfen können« (Taylor 1996, S. 314).

Das Autonome Ich

Parallel zu dieser reflexiven Wende bildet sich die Vorstellung eines individuellen Einzelsubjekts aus. Während man sich selbst bis zu diesem Zeitraum wesentlich als Bestandteil einer größeren Gemeinschaft, der Familie, der Sippe, des »Hauses« oder des Dorfes empfand und sich dieser gegenüber im eigenen Handeln verpflichtet fühlte, begreift man sich nun zunehmend als autonomes, mit eigenem freien Willen begabtes Einzelsubjekt. Diese Idee des Atomismus entwickelt sich simultan in verschiedenen Gesellschaftsbereichen, sie wirkt innerhalb der sich etablierenden Naturwissenschaften, innerhalb moderner Auffassungen über das Politische, im Bereich des Religiösen und im Bereich der Ökonomie.

Entwicklung zum Privaten

Zur gleichen Zeit gibt es eine entscheidende Entwicklung in der Lebensweise der Menschen zur Privatisierung – vom »Leben vor aller Augen« (Taylor 1992, S. 254) hin zum Leben im Privaten. »Wenn der Mensch Individuum wird, beginnt er mehr und mehr in privaten Räumen zu leben« (Trilling 1980, S. 31). Menschen schaffen zunehmend ihnen allein gehörende Räume, verändern ihr Mobiliar (die Ersetzung von Bänken durch Stühle) und führen persönliche Gerätschaften ein (z. B. Essbesteck). Diese Lebensweise und dieses Lebensgefühl befördern den Gedanken des inneren persönlichen Raumes, der für die Vorstellung des inneren privaten Ichs Pate gestanden hat.

2 264,08 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
543 стр. 56 иллюстраций
ISBN:
9783846386255
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают